TE Vwgh Erkenntnis 2000/6/28 99/12/0207

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2000
beobachten
merken

Index

65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

PG 1965 §62c Abs1 idF 1996/201;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der K in E, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 4. Juni 1999, Zl. 119938-HC/99, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Bemessung des Ruhegenusses für die Zeit ab 1. Jänner 1998 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1944 geborene Beschwerdeführerin steht seit 1964 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; sie war vor ihrer ursprünglich nicht rechtmäßig erfolgten Ruhestandsversetzung mit 30. September 1996 (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 1996, Zl. 96/12/0378) bzw. der dann rechtmäßig erfolgten Ruhestandsversetzung mit 30. September 1997 als Postamtsleiterin im Bereich der Direktion Graz eingesetzt.

Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens befand sich die Beschwerdeführerin seit 27. September 1995 im "Krankenstand". Bereits ab Oktober 1995 wurden von der Dienstbehörde erster Instanz mehrmals ärztliche Gutachten über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin eingeholt. Der "Anstaltsarzt" diagnostizierte am 24. Oktober 1995 "Erschöpfungsdepression, CTS-Syndrom", bestätigte aber - auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin vorgelegten fachärztlichen Atteste - keine "dauernde Dienstunfähigkeit". Zur "Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit" der Beschwerdeführerin holte die Dienstbehörde erster Instanz - ohne Befassung der für die Ruhestandsversetzung zuständigen obersten Dienstbehörde - mit Schreiben vom 24. November 1995 drei weitere fachärztliche Gutachten, und zwar aus den Fachgebieten Neurologie und Psychiatrie, Innere Medizin und Chirurgie, ein. Da diese Gutachten zum Teil Hinweise auf eine dauernde Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin enthielten, wurden von der Dienstbehörde erster Instanz mit 10. April 1996 der belangten Behörde die Personalunterlagen der Beschwerdeführerin "zur Entscheidung bezüglich der Versetzung in den Ruhestand" vorgelegt und gleichzeitig die Einholung eines Gutachtens der PVAng veranlasst.

Der Begründung des letztlich in Rechtskraft erwachsenen und rechtswirksamen Ruhestandsversetzungsbescheides der belangten Behörde vom 27. August 1997 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin "nach dem Ergebnis der durch die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten veranlassten Untersuchungen" auf Grund ihrer gesundheitlichen Verfassung ihre dienstlichen Aufgaben als Postamtsleiterin auf Dauer nicht mehr erfüllen und ihr ein anderer Arbeitsplatz nicht habe zugewiesen werden können. Dieser bereits am 30. September 1996 gegebene Status habe sich nicht geändert. Nach dem auf den Vorgutachten aufbauenden Gutachten des Amtssachverständigen Dr. G. vom 9. Juli 1997, das der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht und von ihr unwidersprochen geblieben sei, könne sie ihre dienstlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen, weil von ihr "Leitungs- und Führungsaufgaben psychomental nicht mehr bewältigbar" seien.

Mit Schreiben der Dienstbehörde erster Instanz vom 5. September 1997 wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, dass laut Dienstanweisung der Generaldirektion vom 27. August 1997 bei ihr keine Erwerbsunfähigkeit als Voraussetzung für eine Zurechnung von Jahren gemäß § 9 Abs. 1 PG 1965 vorliege. Die entsprechenden Untersuchungsergebnisse seien ihr bereits im Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde zur Kenntnis gebracht worden. Dies blieb von der Beschwerdeführerin unwidersprochen.

Mit Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz (Personalamt der Direktion Graz der Post und Telekom Austria AG) vom 8. September 1997 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführerin ab 1. Oktober 1997 ausgehend von der Verwendungsgruppe PT 3, Gehaltsstufe 17, einschließlich der Dienstzulage der Dienstzulagengruppe 2, und einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 34 Jahren und 11 Monaten ein Ruhegenuss im Ausmaß von 99,84 % der Ruhegenussbemessungsgrundlage in der Höhe von monatlich S 23.889,80 gebühre. Der Begründung dieses Bescheides ist u. a. zu entnehmen, dass das Ruhestandsversetzungsverfahren der Beschwerdeführerin "auf Grund der postanstaltsärztlichen Untersuchung vom 26. März 1996", also nach dem 16. Februar 1996, eingeleitet worden sei. Die Abschlagsregelung sei daher anzuwenden; die Ruhegenussbemessungsgrundlage betrage daher nur 66,16 % des ruhegenussfähigen Monatsbezuges.

In ihrer Berufung vom 18. September 1997 brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, ihr Ruhestandsversetzungsverfahren sei bereits auf Grund des anstaltsärztlichen Auftrages vom 24. Oktober 1995, weitere ärztliche Gutachten einzuholen, eingeleitet worden. Da das Verfahren, das zur Ruhestandsversetzung geführt habe, aus den gleichen Gründen erfolgt sei, sei es bereits vor dem 16. Februar 1996 eingeleitet gewesen, sodass es zu keinem Abschlag hätte kommen dürfen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wird die Berufung gemäß §§ 4 und 62c des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965), idF des Art. 4 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, abgewiesen.

Zur Begründung wird nach Hinweis auf den Ruhestandsversetzungsbescheid der belangten Behörde, den erstinstanzlichen Ruhegenussbemessungsbescheid, die Berufung der Beschwerdeführerin und die angewendete Rechtslage (§§ 4 und 62c PG 1965) im Wesentlichen weiter ausgeführt, zunächst sei über die Berufung der Beschwerdeführerin nicht entschieden worden, weil zwischenzeitlich zahlreiche ähnlich gelagerte Fälle beim Verwaltungsgerichtshof anhängig geworden seien und die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes abzuwarten gewesen wären, um eine einheitliche Vorgangsweise in gleichartigen Fällen erzielen zu können.

Das Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 BDG 1979 könne entweder auf Antrag oder von Amts wegen eingeleitet werden. Das Antragsverfahren sei mit dem Einlangen des Antrages bei der Behörde eingeleitet. Das amtswegige Verfahren setze jedenfalls einen der für die Ruhestandsversetzung zuständigen Aktivdienstbehörde zuzurechnenden Willensakt voraus. Ungeachtet der Tatsache, wie lange ein davor liegender "Krankenstand" bereits gedauert habe, gelte das Verfahren mit der ärztlichen Untersuchung als eingeleitet, die zur Beauftragung der PVAng mit der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand des Beamten geführt habe.

Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufungsbegründung ausgeführt, das Verfahren sei bereits vor dem 16. Februar 1996 eingeleitet worden, weil der Untersuchungsauftrag an den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. zur Frage ihrer Dienstfähigkeit vor diesem Termin ergangen sei. Dem sei entgegenzuhalten, dass erst unter Zugrundelegung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens vom 19. Februar 1996 und des Gutachtens des Facharztes für Chirurgie Dr. G. vom 10. März 1996 anlässlich der anstaltsärztlichen Untersuchung vom 26. März 1996 der Krankenstand der Beschwerdeführerin als unbefristet anerkannt und die Beauftragung der PVAng in Angriff genommen worden sei.

Einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand habe die Beschwerdeführerin nicht gestellt. Von Amts wegen sei das Ruhestandsversetzungsverfahren erst mit der Beauftragung der PVAng zur Begutachtung des Gesundheitszustandes eingeleitet worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die "belangte Behörde" (nach dem verwendeten "Kopfpapier" und der Eigenbezeichnung in der Antragstellung das seit Inkrafttreten der Novelle zum PTSG BGBl. I Nr. 161/1999 nicht mehr bestehende Personalamt beim Vorstand der Post und Telekom Austria AG; vgl. diesbezüglich auch die hg. Entscheidung vom 24. Mai 2000, Zlen. 99/12/0261, 0335) hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Ruhestandsbezüge in gesetzlicher Höhe nach den Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965 durch unrichtige Anwendung insbesondere des § 62c Abs. 1 dieses Gesetzes, in eventu des § 4 Abs. 4 Z. 3 leg. cit., weiters durch unrichtige Anwendung der Verfahrensvorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Im Beschwerdefall ist primär die Frage der Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens der Beschwerdeführerin strittig, wobei nicht in Frage gestellt wird, dass die Beschwerdeführerin selbst keinen Antrag auf Ruhestandsversetzung gestellt hat, und auch die Berechnung nicht strittig ist.

Gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist der Beamte dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen im Stande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billiger Weise zugemutet werden kann.

Nach § 4 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, wird der Ruhegenuss auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bilden 80 v. H. des ruhegenussfähigen Monatsbezuges die Ruhegenussbemessungsgrundlage. Abs. 3 dieser Bestimmung in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, der am 1. Mai 1996 in Kraft getreten ist, lautet:

"(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 Prozent um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden."

Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen Fassung des Art. 4 Z. 1 des ersten Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138, ausgegeben am 29. Dezember 1997, findet eine Kürzung nicht statt, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.

Nach § 4 Abs. 7 leg. cit. in der obgenannten Fassung gilt ein Beamter nur dann als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z. 3, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.

Nach § 41 Abs. 1 PG 1965 gelten künftige Änderungen dieses Bundesgesetzes auch für Personen, die Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz haben.

§ 62c PG 1965 in der Fassung des Art. 4 Z. 7 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, lautet auszugsweise:

"(1) Auf Beamte, deren Versetzung in den Ruhestand vor dem 16. Februar 1996 eingeleitet worden ist, sind die §§ 4 und 12 in der bis zum Ablauf des 30. April 1996 geltenden Fassung weiter anzuwenden."

Die §§ 4 und 12 PG 1965 in der im § 62c Abs. 1 genannten Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996 kennen im Fall der "Frühpensionierung" (vor Vollendung des 60 Lebensjahres) keine Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage.

Die Beschwerdeführerin vertritt zunächst im Wesentlichen die Auffassung, ihr Ruhestandsversetzungsverfahren sei - ungeachtet des damals gegebenen Erfordernisses der Einholung eines PVAng-Gutachtens und der Zuständigkeit der belangten Behörde zur Ruhestandsversetzung - bereits auf Grund der durch die Dienstbehörde erster Instanz erfolgten Beauftragung verschiedener Ärzte mit ihrer Untersuchung vor dem im § 62c Abs. 1 PG 1965 genannten Stichtag eingeleitet worden. Die erst nach dem Stichtag erfolgte Einschaltung der PVAng, die im Übrigen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ohnehin gesetzwidrig gewesen sei, könne höchstens "ein Indiz" dafür darstellen, dass die Behörde zur Ruhestandsversetzung tendiert habe. Auf Grund der Verfahrensbestimmungen dürfe ein Verwaltungsverfahren nicht in eine Art "Vorverfahren" und ein dann erst folgendes eigentliches Verfahren geteilt werden.

Im Beschwerdefall steht auf Grund der Aktenlage fest, dass die für eine Ruhestandsversetzung damals maßgebende Beurteilung der Dienstfähigkeit der Beschwerdeführerin durch die PVAng jedenfalls erst mit Schreiben der Dienstbehörde erster Instanz bei gleichzeitiger Vorlage der Personalakten bei der belangten Behörde vom 10. April 1996 veranlasst worden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu § 62c Abs. 1 PG 1965 zum Ausdruck gebracht, dass die amtswegige Einleitung eines Ruhestandsversetzungsverfahrens jedenfalls einen entsprechenden Willensakt der Behörde voraussetzt, der der zuständigen Dienstbehörde zuzurechnen sein muss. Für das Vorliegen eines solchen Willensaktes ist maßgeblich, ob die zuständige Aktivdienstbehörde eine Amtshandlung gesetzt hat, die - objektiv betrachtet - darauf abzielte, den Sachverhalt der dauernden Dienstunfähigkeit des Beamten im Sinne des § 14 BDG 1979 zu klären (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1999, Zl. 97/12/0315).

Mit Erkenntnis vom 23. Juni 1999, Zl. 98/12/0500, hat der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet dessen, dass nachgeordnete Dienstbehörden ab 1. September 1995 wegen Änderung der DVV durch die Novelle BGBl. Nr. 540/1995 nicht mehr für die Durchführung des Ruhestandsversetzungsverfahren zuständig waren, anerkannt, dass dann, wenn die PVAng im Namen der obersten Dienstbehörde in einer Art mittelbaren Beweisaufnahme wegen Beurteilung der gesundheitlichen Eignung befasst worden ist, bereits dieses Faktum als Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens im Sinne des § 62c Abs. 1 PG 1965 zu werten ist.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist festzustellen, dass ein derartiger maßgeblicher Verfahrensschritt im vorliegenden Fall seitens der nachgeordneten Dienstbehörde mit gleichzeitigem Bericht an die zuständige oberste Dienstbehörde jedenfalls erst mit 10. April 1996, also nach dem im § 62c Abs. 1 PG 1965 vorgesehenen Stichtag, erfolgte. Die belangte Behörde ist daher - mangels eines Antrages der Beschwerdeführerin und mangels eines Willensaktes der Behörde im vorher dargestellten Sinne - zu Recht davon ausgegangen, dass das Ruhestandsversetzungsverfahren der Beschwerdeführerin erst nach dem genannten Stichtag eingeleitet worden ist. Die Anwendung der Abschlagsregelung für den Zeitraum ab Beginn der Ruhestandsversetzung (1. Oktober 1997) bis zur Änderung der Rechtslage ab 1. Jänner 1998 (Einfügung des § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965) entsprach daher dem Gesetz.

Berechtigung kommt der Beschwerde aber in der Frage des Entfalles des Abschlages nach der Rechtslage ab 1. Jänner 1998 (Einfügung des § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965) zu (vgl. zur Verpflichtung zur Anwendung der neuen Rechtslage auf anhängige Fälle der Ruhegenussbemessung insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1999, Zl. 98/12/0500).

Die belangte Behörde wäre demnach verpflichtet gewesen, die während des bei ihr anhängigen Berufungsverfahrens ab 1. Jänner 1998 eingetretene Änderung der Rechtslage zu prüfen und gegebenenfalls eine ab diesem Zeitpunkt eintretende Änderung in ihren Bescheid aufzunehmen.

Im Beschwerdefall ist zwar die von der "belangten Behörde" in ihrer Gegenschrift geäußerte Rechtsauffassung zutreffend, dass die Bejahung der zumutbaren Erwerbsfähigkeit nach § 9 Abs. 1 PG 1965 grundsätzlich das Vorliegen der Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 ausschließt (vgl. zum Verhältnis zwischen der Erwerbsunfähigkeit nach § 9 Abs. 1 bzw. nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 auch das Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0245). Im Beschwerdefall ist aber zu bedenken, dass weder der erstinstanzliche noch der angefochtene Bescheid zur entscheidenden Frage der Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin, und zwar weder nach § 9 noch nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965, Aussagen enthält. Selbst ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift vermögen die fehlenden Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 11. April 1983, VwSlg. Nr. 11.496/A, u.v.a.). Weiters erfolgte die Befassung der Beschwerdeführerin im Verfahren nach § 9 Abs. 1 PG 1965 mit Schreiben der Behörde vom 5. September 1997, demnach zu einem Zeitpunkt, in dem die Regelung des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 noch gar nicht bestand. Das Verfahren nach § 9 Abs. 1 PG 1965 wurde auch nicht rechtskräftig mit einem abschlägigen Bescheid beendet.

Die belangte Behörde hat dadurch, dass sie über den Ruhegenuss der Beschwerdeführerin auch für die Zeit ab 1. Jänner 1998, und zwar ersichtlicherweise ohne Bedachtnahme auf die möglichen Auswirkungen des ab 1. Jänner 1998 eingefügten § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965, abgesprochen hat, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG in diesem Umfang aufzuheben war; im Übrigen (das heißt, soweit der angefochtene Bescheid über den Zeitraum bis 31. Dezember 1997 abgesprochen hat) war die Beschwerde hingegen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Juni 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999120207.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten