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E000 EU- Recht allgemein;Norm
32016R0399 Schengener Grenzkodex Art6 Abs1 lite;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des S P, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 26/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. August 2017, G306 2149154-1/2E, betreffend (v.a.) Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt befristetem Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, kam im Alter von vierzehn Jahren im August 2002 nach Österreich und blieb hier bis etwa Mitte April 2010. In dieser Zeit verfügte er über wiederholt verlängerte Aufenthaltstitel und war ab September 2005 bis Oktober 2008 immer wieder erwerbstätig. Aus der am 14. Mai 2011 geschlossenen, jedoch bereits im Jahr 2012 wieder geschiedenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin entstammt seine am 10. September 2011 geborene Tochter, die ebenfalls österreichische Staatsbürgerin ist und bei der Mutter in Wien lebt.
2 Der Revisionswerber war mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 27. April 2009 wegen (teilweise) versuchten schweren Einbruchsdiebstahls zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten (davon neun Monate bedingt) verurteilt worden. Im Hinblick auf die dieser Verurteilung zugrundeliegende Straftat (Einbruch in einen Lebensmittelmarkt unter Beteiligung von Mittätern, Wegnahme von 100 EUR Bargeld und versuchter Abtransport eines 33.400 EUR beinhaltenden Tresors mit einem widerrechtlich erlangten LKW am 16. November 2008) verhängte die Bundespolizeidirektion Wien gegen ihn mit rechtskräftigem Bescheid vom 9. Oktober 2010 ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot.
3 Nach dessen antragsgemäßer Aufhebung im Instanzenzug mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 24. Juni 2014 kam der Revisionswerber immer wieder nach Österreich, wobei er über keinen Aufenthaltstitel verfügte, sondern die Möglichkeiten zur visumfreien Einreise und zum (zeitlich beschränkten) visumfreien Aufenthalt nutzte.
4 Der Revisionswerber wurde aber neuerlich straffällig. So wurde er zunächst mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Juni 2016 wegen gewerbsmäßigen schweren - im Zeitraum 27./28. September 2015 und
26. bis 28. März 2016 in Bezug auf zwei Motorräder im Wert von 22.000 EUR und von 24.000 EUR begangenen - Einbruchsdiebstahls zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten (davon zehn Monate bedingt) verurteilt. Mit rechtskräftigem Urteil desselben Gerichtes vom 19. Oktober 2016 erfolgte dann noch eine weitere Verurteilung, und zwar zu einer unbedingten Zusatzfreiheitsstrafe von neun Monaten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei, wobei dem Revisionswerber zur Last gelegt wurde, im Zeitraum Mitte November 2013 bis Mitte November 2015, sohin auch noch während seines Aufenthalts in Serbien sowie während des laufenden Verfahrens zur Aufhebung des Aufenthaltsverbotes und nach dessen Aufhebung, in insgesamt zwölf Fällen durch Einbruchsdiebstähle erlangte Gegenstände (elf Motorräder und einen LKW mit einem Gesamtwert von 167.500 EUR) von den Tätern angekauft und gewinnbringend weiterverkauft bzw. den Verkauf vermittelt sowie falsche Zulassungsscheine hergestellt zu haben, um die Ausfuhr aus Österreich zu ermöglichen. Der Revisionswerber wurde aus der Strafhaft am 18. Jänner 2017 unter Anordnung der Bewährungshilfe bedingt entlassen. Im April 2017 kehrte er nach Serbien zurück.
5 Angesichts der erwähnten Straftaten hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 6. Februar 2017 zunächst ausgesprochen, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werde und es erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein mit acht Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.). Weiters stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.) und es gewährte ihm gemäß § 55 FPG zur freiwilligen Ausreise eine Frist von 14 Tagen (Spruchpunkt III.).
6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 8. August 2017 als unbegründet ab und es stellte unter einem gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG fest, dass die Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig gewesen sei. Weiters sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 Unter diesem Gesichtspunkt bekämpft die Revision die Annahme des BVwG, der Aufenthalt des Revisionswerbers sei aufgrund seiner erneuten Straffälligkeit und der sich aus seinem Verhalten ergebenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Begehung der letzten Straftat am 28. März 2016 als unrechtmäßig anzusehen. Diesbezüglich führt die Revision aus, der Revisionswerber sei nach der Entlassung aus der Strafhaft am 18. Jänner 2017 aus Österreich ausgereist und am 30. Jänner 2017 visumfrei wieder eingereist. Dazu sei er berechtigt gewesen, weil (damals noch) keine Personenausschreibung in den nationalen Datenbanken vorgelegen sei. Bei Erlassung der Rückkehrentscheidung durch das BFA Mitte Februar 2017 sei die zulässige Dauer des visumfreien Aufenthalts auch noch nicht abgelaufen gewesen, sodass sich der Revisionswerber rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe. Die Rückkehrentscheidung hätte daher nicht auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt werden dürfen. Richtigerweise hätte nach Auffassung des Revisionswerbers eine Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung am Maßstab des § 52 Abs. 4 Z 1 (gemeint: Z 1a zweite Alternative) FPG erfolgen müssen, was das BVwG unterlassen habe.
10 Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Voraussetzungen für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet sind im § 31 FPG normiert, der in seinem für den vorliegenden Fall maßgeblichen Teil des Abs. 1 Z 1 bestimmt, dass sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des visumfreien Aufenthalts nicht überschritten haben. Art. 6 Abs. 1 lit. e des Schengener Grenzkodex (Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Kodifizierter Text)) normiert als Voraussetzung für die rechtmäßige Einreise eines Drittstaatsangehörigen, dass er (u.a.) keine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen darf und dass er insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein darf. Nun hat das BVwG aber zutreffend angenommen, dass der Revisionswerber aufgrund seines in der Vergangenheit gezeigten strafbaren Verhaltens, das zu wiederholten gerichtlichen Verurteilungen geführt hatte, (schon) die erstgenannte Voraussetzung nicht erfüllte, was in der Revision auch nicht konkret bestritten wird. Demzufolge waren seine - in der Revision ins Treffen geführte - Einreise am 30. Jänner 2017 und daher auch der daran anschließende Aufenthalt nicht rechtmäßig. Auf das (kumulative) Vorliegen einer diesbezüglichen Ausschreibung in den "nationalen Datenbanken" kam es entgegen der Meinung in der Revision schon nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmung des Schengener Grenzkodex nicht an (vgl. auch VwGH 19.3.2014, 2013/21/0208, wo der Sache nach zum inhaltlich ähnlichen Visumsverweigerungsgrund nach Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Unterbuchst. vi des Visakodex (Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft) auch nur auf das Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung abgestellt wurde). Daher war es im vorliegenden Fall rechtskonform, die Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG zu stützen. Angesichts des - nach der behaupteten Wiedereinreise nach Österreich am 30. Jänner 2017 - von Anfang an unrechtmäßigen Aufenthalts des Revisionswerbers, trifft es somit auch nicht zu, dass der auf einen nachträglichen Wegfall der Bedingungen für die visumfreie Einreise abstellende § 52 Abs. 4 Z 1a FPG im vorliegenden Fall einschlägig gewesen wäre.
11 Nicht zielführend ist auch der Einwand in der Revision, das BVwG habe keine ausreichenden Feststellungen zu den Straftaten des Revisionswerbers getroffen, weil die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene, weitgehend den strafgerichtlichen Schuldsprüchen folgende Darstellung der dem Revisionswerber zur Last gelegten Delikte samt Anführung der von den Strafgerichten angenommenen Milderungs- und Erschwerungsgründe fallbezogen ausreichen, um Art und Schwere seines (Fehl-)Verhaltens und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild zu beurteilen. Im Übrigen legt die Revision auch nicht konkret genug dar, welche diesbezüglich maßgeblichen Feststellungen, die zu einem für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis hätten führen können, vom BVwG unterlassen wurden.
12 Schließlich wird auch mit der Rüge, das BVwG hätte die in der Beschwerde beantragte mündliche Verhandlung durchführen müssen, die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan. In Bezug auf die Interessenabwägung liegt nämlich wegen der Unbelehrbarkeit des Revisionswerbers, die sich durch seinen - trotz bestehenden Aufenthaltsverbots und auch noch nach dessen Aufhebung begangenen -
mehrfach qualifizierten einschlägigen Rückfall zeigt, ein eindeutiger Fall vor. Daran ändert die (im Übrigen erst nach Erlassung des Bescheides des BFA erfolgte) neuerliche Eheschließung des Revisionswerbers mit der Mutter seiner Tochter nichts, weil die Untersagung der visumfreien Einreisen und Aufenthalte und die dadurch bewirkte dauerhafte Trennung der Familienangehörigen im besonders großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen der in Rede stehenden Art hinzunehmen sind. Daher sind - anders als die Revision meint - sowohl die Rückkehrentscheidung als auch das Einreiseverbot jedenfalls nicht unverhältnismäßig.
13 Die Revision erweist sich somit nach dem Gesagten mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 14. November 2017
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017210187.L00Im RIS seit
27.12.2017Zuletzt aktualisiert am
28.12.2017