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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des H A K (auch: H T) in G, vertreten durch Dr. Paul Wuntschek, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Neubaugasse 24, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. Juni 2017, G305 2159250-1/7E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste spätestens im Jänner 2015 nach Österreich ein und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vollinhaltlich ab und verband damit - insbesondere - eine Rückkehrentscheidung. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 4. April 2017 als unbegründet ab.
2 Der bis dahin in einer Asylwerberunterkunft in Graz aufhältige Revisionswerber versuchte in der Folge am 21. Mai 2017, mit dem Zug nach Deutschland zu reisen. Er wurde allerdings am Grenzübergang Kiefersfelden von der deutschen Polizei aufgegriffen und am 22. Mai 2017 den österreichischen Behörden übergeben.
3 Das BFA verhängte hierauf noch mit Mandatsbescheid vom selben Tag gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung des Revisionswerbers. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 1. Juni 2017 - in Verbindung mit diesem Verfahrensergebnis entsprechenden Kostenentscheidungen - als unbegründet ab. Außerdem sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
6 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber geltend, das BVwG sei insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es (zu Unrecht) einen ausreichenden Sicherungsbedarf angenommen und die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht für ausreichend erachtet habe.
7 Dem ist allerdings zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob konkret von einem Sicherungsbedarf (bzw. von Fluchtgefahr) auszugehen sei, stets eine solche des Einzelfalles ist, die daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel ist, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde. Das gilt sinngemäß auch für die Frage, ob von einem Sicherungsbedarf auszugehen sei, dem nur durch Schubhaft und nicht auch durch gelindere Mittel begegnet werden könne (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 29. Juni 2017, Ra 2017/21/0095, Rz 11, mwN).
8 Das ist hier der Fall. Zum einen führte das BVwG die beantragte Beschwerdeverhandlung durch, zum anderen ist es nicht zu beanstanden, dass es dem - gescheiterten - Ausreiseversuch des Revisionswerbers - nachdem sein Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig abgewiesen und in Verbindung damit eine Rückkehrentscheidung ergangen war - besondere Bedeutung zumaß. Wie schon das BFA ausführte, wurde damit Fluchtgefahr im Sinne des Tatbestandes des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG verwirklicht. Es bestehen aber auch gegen die Annahme, der Revisionswerber sei nicht maßgeblich in Österreich verankert, weshalb überdies der Tatbestand nach § 76 Abs. 3 Z 9 FPG erfüllt sei, keine Bedenken. In diesem Zusammenhang räumte das BVwG zwar ein, dass seitens des Revisionswerbers eine "Liebesbeziehung" zu einer in Graz aufhältigen kroatischen Staatsangehörigen bestehe, die allerdings "lediglich kurzfristig angelegt" sei. Den dazu angestellten beweiswürdigenden Überlegungen tritt die Revision ebensowenig entgegen wie jenen, die das BVwG zu dem Ergebnis gelangen ließen, der Revisionswerber, der in der Beschwerdeverhandlung Kooperationsbereitschaft behauptet hatte, sei unglaubwürdig.
9 Wie schon erwähnt, erweist sich damit die Beurteilung des BVwG jedenfalls als vertretbar. Dass erst eine wiederholte Weigerung des Fremden, sich einer Abschiebung zu unterziehen, ausreichenden Sicherungsbedarf begründe, trifft nicht zu und lässt sich auch dem in diesem Zusammenhang genannten hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2013, 2012/21/0114, nicht entnehmen. In diesem Erkenntnis wurde nur zum Ausdruck gebracht, dass die zweimalige Abschiebungsvereitelung durch einen in Schubhaft angehaltenen Fremden Sicherungsbedarf indizierte; dass es für die Annahme eines Sicherungsbedarfs jedenfalls einer mehrmaligen Vereitelungshandlung durch den Fremden bedürfe, wurde hingegen nicht zum Ausdruck gebracht. Aber auch aus dem Erkenntnis vom 17. Oktober 2013, 2013/21/0041, mit dem einer Amtsbeschwerde gegen eine die Schubhaft für rechtswidrig erklärende Entscheidung des (seinerzeitigen) Unabhängigen Verwaltungssenates für das Land Oberösterreich stattgegeben worden war, lässt sich für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts gewinnen. Fallbezogen hat sich das BVwG in jedenfalls noch ausreichender Art und Weise mit der Frage auseinandergesetzt, ob im vorliegenden Fall die Anordnung gelinderer Mittel ausreiche und diese Frage - in vertretbarer Beurteilung - verneint.
10 Zusammenfassend hat der Revisionswerber somit insgesamt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan, von deren Lösung die Erledigung der Revision abhängt. Diese war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 14. November 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017210139.L00Im RIS seit
27.12.2017Zuletzt aktualisiert am
28.12.2017