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L82007 Bauordnung Tirol;Norm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Bayjones und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision 1. des G P sowie 2. der G P, beide in J, beide vertreten durch Mader - Steskal Rechtsanwälte Partnerschaft, in 6600 Reutte, Claudiastraße 8, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 4. Februar 2016, LVwG-2016/38/0133-2, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Jungholz, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Untermarkt 16; weitere Partei:
Tiroler Landesregierung, Eduard-Wallnöfer-Platz 3, 6020 Innsbruck; mitbeteiligte Partei: K W in W, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Untermarkt 16), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerber haben der Gemeinde Jungholz Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.327,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 11. Dezember 2015 wurde der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Apartmentanlage bestehend aus drei Ferienhäusern mit insgesamt 12 Betten sowie einem Betreiberwohngebäude, inklusive einem Carport, Stellplätzen, einem Technik- und Müllraum sowie einem freistehenden Saunagebäude auf einem näher bezeichneten Grundstück unter Vorschreibung von Auflagen gemäß § 27 Abs. 6 und 7 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) erteilt. Die Behörde ging davon aus, dass die Revisionswerber mit Schreiben vom 12. November 2015 vor Durchführung der mündlichen Bauverhandlung keine zulässigen Einwendungen im Sinn von § 26 Abs. 3 TBO 2011 erhoben hätten.
2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Revisionswerber als unzulässig zurück. Das Verwaltungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass einerseits hinsichtlich der in der Beschwerde erstmals und somit nicht rechtzeitig vorgebrachten Einwendungen gemäß § 42 Abs. 1 AVG Präklusion eingetreten sei und andererseits Einwendungen erhoben worden seien, die sich nicht auf subjektivöffentliche Nachbarrechte stützten. Infolge eingetretener Präklusion beziehungsweise mangels Geltendmachung nachbarschaftsrechtlich relevanter Rechtsverletzungen im Sinn von § 26 Abs. 3 TBO 2011 komme den Revisionswerbern im betreffenden Bauverfahren keine Parteistellung zu und sei daher die Beschwerde zurückzuweisen.
4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird.
5 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten Revisionsbeantwortungen, in denen die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision, hilfsweise deren Abweisung beantragt wird.
6 Die Revision führt zur Begründung ihrer Zulässigkeit aus, dass der angefochtene Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern abweiche, als die Revisionswerber in ihren Einwendungen eindeutig auf den Lärm und den Immissionsschutz hingewiesen hätten. Das Vorbringen der Revisionswerber sei erkennbar darauf gerichtet gewesen, dass das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan aufgrund der vorgesehenen Immissionsschutzbestimmungen widerspreche. Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, Feststellungen darüber zu treffen, ob das Projekt hinsichtlich des "Betriebstyps" und hinsichtlich der von ihm ausgehenden Immissionen im Tourismusgebiet zulässig sei. Es seien "korrekte" Einwendungen im Sinn des § 26 Abs. 3 lit. a TBO 2011 erhoben worden und wäre die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde verpflichtet gewesen, den Revisionswerbern Parteistellung zuzuerkennen und sich mit ihren Einwendungen inhaltlich auseinanderzusetzen.
7 Mit diesem Vorbringen gelingt es den Revisionswerbern aus den im Nachstehenden dargelegten Gründen nicht, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem die Nachbarn solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht haben (vgl. z.B. VwGH 14.5.2014, 2012/06/0232).
12 Soweit die Revisionswerber darauf verweisen, dass sie "korrekte" Einwendungen im Sinn von § 26 Abs. 3 lit. a TBO 2011 hinsichtlich Lärm und Immissionsschutz erhoben hätten und ihnen daher entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Parteistellung im vorliegenden Bauverfahren zukomme, ist festzuhalten, dass in der Eingabe der Revisionswerber vom 12. November 2015 unter Punkt 8. mit der schlagwortartigen Bezugnahme auf "Grenzbebauung" zu Nachbarn P (Lärm und Immissionsschutz") keine entsprechend konkretisierte Einwendung der Verletzung eines subjektivöffentlichen Rechtes erfolgte und daher insofern Präklusion eingetreten ist (vgl. betreffend pauschale Einwendungen im Zusammenhang mit Erfordernissen des Brandschutzes VwGH 24.10.2017, Ro 2014/06/0067 und 0069; 2.11.2016, 2013/06/0206; betreffend Einwendungen im Zusammenhang mit Immissionen siehe VwGH 13.12.2016, Ra 2016/05/0107; 24.10.2002, 2000/06/0142).
13 Die Revision legt in der allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung auch nicht nachvollziehbar dar, dass im Schriftsatz der Revisionswerber vom 12. November 2015 unter anderen Gesichtspunkten taugliche Einwendungen im Sinn von § 26 Abs. 3 TBO 2011 erhoben worden wären. Inwiefern das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung von bereits bestehenden Leitlinien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, ist folglich auf dem Boden der vorliegenden Revision nicht ersichtlich.
14 Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Revision somit wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zur Behandlung geeignet. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
15 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013. Das den festgesetzten Pauschalbetrag überschreitende Mehrbegehren der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde war abzuweisen. Der mitbeteiligten Partei war Kostenersatz in der beantragten Höhe zuzusprechen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Umsatzsteuer neben dem Ersatz für Schriftsatzaufwand und dem Ersatz für die entrichtete Pauschalgebühr nicht gesondert zuzusprechen ist, weil über die in der Verordnung festgesetzten Pauschalbeträge hinausgehend ein weiterer Ersatz von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.
Wien, am 22. November 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016060045.L00Im RIS seit
28.12.2017Zuletzt aktualisiert am
01.02.2018