Entscheidungsdatum
02.12.2017Index
86/01 Veterinärrecht allgemeinNorm
TSG 1909 §64Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin MMag. Dr. Barbara Besler über die Beschwerde des AA, geboren am xx.xx.xxxx, vertreten durch Mag. Dr. BB, LL.M., Rechtsanwalt in Y, Adresse 1, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 08.08.2017, Zahl ****, betreffend einer Übertretung nach dem Tierseuchengesetz (TSG) nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht:
1. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,00, bei Uneinbringlichkeit 9 Tage und 15 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, auf EUR 700,00, bei Uneinbringlichkeit 7 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt wird.
2. Gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 64 Abs 1 und 2 VStG wird der Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verwaltungsstrafverfahrens mit 10 % der neu festgesetzten Strafe, daher mit EUR 70,00, neu bestimmt.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Der Beschwerdeführer ist seit 2003 Jagdschutzorgan für die zum Hegering Wtal I gehörenden Eigenjagdgebiete V, U und T.
Diese Eigenjagdgebiete wurde zum Seuchengebiet gemäß § 2 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Verordnung (Fassung: BGBl II Nr 181/2011) erklärt. Sie unterliegen der aufgrund § 3 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Verordnung ergangenen Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol (Fassung: LGBl Nr 26/2014), wobei sie der in Anlage 2 dieser Verordnung umschriebenen Überwachungszone zugehören, und der Verordnung der belangten Behörde zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom 18.05.2015, Zahl ****, wobei sie der diesbezüglichen Überwachungszone zugehören.
Mit Schreiben vom 14.04.2015, Zahl ****, wurde dem Beschwerdeführer vom Amtstierarzt mitgeteilt, dass der Abschuss von Rotwild aller Klassen mit 15.04.2015 frei gegeben wird. Mit Schreiben vom 23.06.2015, Zahl ****, ordnete der Amtstierarzt gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung und § 2 der Verordnung der belangten Behörde zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom 18.05.2015, Zahl ****, für diese Eigenjagdgebiete für Rotwild einen Mindestabschuss von 10 Stück, davon mindestens 4 Stück Zuwachsträger (Schmal- oder Alttiere), bis zum 31.12.2015 an. Die Abschussanordnung enthielt folgenden Hinweis: „Ausnahmen bzw Änderungen von dieser Abschussanordnung sind in schriftlicher Form mit entsprechender Begründung bei der Veterinärbehörde zu beantragen.“.
Nach Erhalt der Abschussanordnung beantragte der Beschwerdeführer keine Ausnahme bzw Abänderung entsprechend dem in der Abschussanordnung enthaltenen Hinweis.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe diese Anordnung nicht erfüllt, weil im Seuchenbekämpfungszeitraum vom 26.06. bis zum 31.12.2015, 24.00 Uhr, nur 5 Stück Rotwild, davon 1 Stück Schmal- oder Alttiere und 4 Stück Rotwild der übrigen Klassen erlegt worden seien und somit nach Ende des Seuchenbekämpfungszeitraumes noch 3 Stück Schmal- oder Alttiere und 2 Stück Rotwild der übrigen Klassen ausständig gewesen seien. Dadurch habe er § 64 TSG in Verbindung mit § 1 der Rotwild-Tbc-Verordnung, BGBl II Nr 181/2011, in Verbindung mit § 3 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung, LGBl Nr 68/2011 in der Fassung des Landesgesetzes LGBl Nr 26/2014, in Verbindung mit § 2 der Verordnung der belangten Behörde zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom 18.05.2015, Zahl ****, verletzt, weshalb über ihn unter Zugrundelegung des § 64 TSG eine Geldstrafe von EUR 1.000,00, im Fall der Uneinbringlichkeit 9 Tage und 15 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt wurde. Der von ihm zu leistende Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens wurde gemäß § 64 VStG mit EUR 100,00 bestimmt.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass ihn kein Verschulden treffe, weil er alles ihm zumutbare und mögliche zur Erfüllung der Abschussanordnung unternommen habe. Der Abschuss habe auch deswegen nicht erfüllt werden können, weil im Jagdgebiet kein Wild mehr vorhanden sei. Er beantragte die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurden ein Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Fachgebiet Jagd CC (vgl OZ 4), die Verhandlungsschrift des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 24.05.2017 zu LVwG-****-9, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 10.07.2017 zu LVwG-****-9 und ein Verwaltungsstrafregisterauszug eingeholt.
Die öffentliche mündliche Verhandlung fand am 27.11.2017 (vgl Verhandlungsschrift in OZ 7) unter Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters und des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Fachgebiet Jagd CC statt. Der Beschwerdeführer legte ein Lichtbild vor (vgl Beilage ./A zu OZ 7). Hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse führte der Beschwerdeführer aus, dass er monatlich Euro 1.700,00 ins Verdienen bringe, dies 14x jährlich. Er sei für drei Kinder sorgepflichtig, sei Eigentümer von 3 ha Grund, Nebenerwerbslandwirt und habe geringfügig Schulden. Es wurde die Einvernahme des DD und des EE zum Beweis dafür angeboten, dass der Beschwerdeführer alles ihm zumutbare und mögliche gemacht habe um die Abschussanordnung zu erfüllen. Der Rechtsvertreter beantragte zudem die Einholung eines veterinärmedizinisch-epidemiologischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass eine Durchsetzung von circa 3 % an positiven Tbc-Trägern beim Rotwild als normal anzusehen sei. Zumal die zur Anwendung gelangende Verordnung nicht vorsehe, gegenüber wem die Abschussanordnung zu erlassen sei, sei diese verfassungswidrig, sodass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine Normenkontrolle beim Verfassungsgerichtshof anregte.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die Sachverhaltsdarstellung des Amtstierarztes vom 19.07.2016, Zahl ****, das Schreiben des Amtstierarztes vom 14.04.2015, Zahl ****, die Anordnung des Amtstierarztes vom 23.06.2015, Zahl ****, das jagdfachliche Amtssachverständigengutachten vom 16.03.2015, ****, die Korrektur zum jagdfachlichen Amtssachverständigengutachten vom 30.03.2015, Zahl ****, das Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen FF aus dem Fachbereich Wild- und Jagdschäden vom 31.03.2015, die Verordnung der belangten Behörde zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom 18.05.2015, Zahl ****, die Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers am 18.10.2016, die Stellungnahme der Amtstierärztin vom 20.12.2016, Zahl ****, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten und vorgelegten Dokumente und Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei (vgl OZ 7 S 3-6) und des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Fachgebiet Jagd CC (vgl OZ 7 S 6-8) im Rahmen der Verhandlung. Zumal die angebotenen Zeugen die Verantwortung des Beschwerdeführers wohl bestätigen würden, diese aber durch die vorliegenden Gutachten widerlegt ist, wurde von der Einvernahme der Zeugen Abstand genommen. Die Einholung eines veterinärmedizinisch-epidemiologischen Gutachtens konnte insofern unterbleiben, als die Frage, ob eine Durchsetzung von circa 3 % an positiven Tbc-Trägern beim Rotwild als normal anzusehen ist, nicht entscheidungswesentlich ist. Relevant ist allein die Frage, ob dem Beschwerdeführer die Erfüllung der Abschussanordnung aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse im Jagdgebiet möglich gewesen wäre. Zur Klärung dieser Frage wurde dem Verfahren der allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für den Fachbereich Jagd CC beigezogen.
I. Demnach steht – ergänzend zum obigen unstrittigen Sachverhalt – nachfolgender weiterer entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Beschwerdeführer ist der Anordnung des Amtstierarztes insofern nicht nachgekommen, als im Seuchenbekämpfungszeitraum vom 26.06. bis zum 31.12.2015, 24.00 Uhr, in den gegenständlichen Eigenjagdgebieten anstelle von 10 Stück Rotwild, davon 4 Stück Zuwachsträger (Schmal- oder Alttiere) und 6 Stück Rotwild der übrigen Klassen, nur 5 Stück Rotwild, davon 1 Stück Schmal- oder Alttier und 4 Stück Rotwild der übrigen Klassen erlegt wurden und somit nach Ende des Seuchenbekämpfungszeitraumes noch 3 Stück Schmal- oder Alttiere und 2 Stück Rotwild der übrigen Klassen ausständig waren.
In den Jagdgebieten wurde erst im August 2015 mit der Erfüllung der Abschussanordnung begonnen, obwohl der Abschuss von Rotwild aller Klassen mit 15.04.2015 frei gegeben worden war und dem Beschwerdeführer alle Möglichkeiten zur Erfüllung der Abschussanordnung (zB Nachabschuss, klassenfreier Abschuss, Ankirren, etc) zur Verfügung gestanden wären.
Aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse in den Jagdgebieten wäre die Anordnung des Amtstierarztes durch den Beschwerdeführer allein erfüllbar gewesen.
II. Den obigen Tatsachenfeststellungen liegt nachstehende Beweiswürdigung zugrunde:
Dass die Anordnung des Amtstierarztes aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse in den Jagdgebieten durch den Beschwerdeführer allein erfüllbar gewesen wäre, stützt sich auf das Gutachten (OZ 4) des mit der Tierseuche im Bezirk X seit 2012 befassten allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Fachgebiet Jagd CC und dessen mündliche Erörterung in der Verhandlung (vgl OZ 7). Das Gutachten des Sachverständigen CC stützt sich wiederum auf die Gutachten des jagdfachlichen Amtssachverständigen vom 16.03.2015 bzw vom 30.03.2015 und des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen aus dem Fachbereich Wild- und Jagdschäden FF vom 31.03.2015. Wie sich aus dem Gutachten (OZ 4 S 1) ergibt, hat der Sachverständige die Berechnungen des jagdfachlichen Amtssachverständigen und des Sachverständigen FF überprüft und ist zum Schluss gekommen, dass die vorliegend vorgeschriebenen Mindestabschüsse gerechtfertigt waren. Die Verantwortung des Beschwerdeführers, dass im Seuchenbekämpfungszeitraum kein Wild vorhanden gewesen sei und er alles ihm zumutbare und mögliche unternommen habe um die Abschussanordnung zu erfüllen, wird durch den Sachverständigen CC widerlegt. Seitens des Gerichts bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Gutachten, die sich im Wesentlichen decken. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer den in der Abschussanordnung enthaltenen Mindestabschuss von 10 Stück insofern akzeptiert, als er trotz des in der Abschussanordnung enthaltenen Hinweises keinen Antrag bei der Veterinärbehörde gestellt hat. Insgesamt ergibt sich aus den vorliegenden Gutachten zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft hat und die Abschussanordnung bei einer anderen Jagdstrategie erfüllbar gewesen wäre, und zwar durch den Beschwerdeführer allein.
III. Der obige unstrittige und darüber hinaus festgestellte Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu beurteilen:
Schuldspruch:
Zur Zeit der Tat waren das TSG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 80/2013, die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit zur Bekämpfung der Tuberkulose in Rotwildbeständen (Rotwild-Tbc-Verordnung), BGBl II Nr 181/2011, und die Verordnung des Landeshauptmannes vom 6. Juli 2011, mit der ein Bekämpfungsplan zur Hintanhaltung der Weiterverbreitung und zur Tilgung der Tbc beim Rotwild im Tiroler Wtal erlassen wird (Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung), LGBl Nr 68/2011 in der Fassung LGBl Nr 26/2014, in Kraft. Sofern nichts anderes erwähnt wird, beziehen sich die unten stehenden Ausführungen auf diese Fassungen des TSG und der angeführten Verordnungen.
Gemäß § 1 Abs 1 TSG findet dieses Gesetz Anwendung auf Haustiere sowie Tiere, die wie Haustiere oder in Tiergärten oder in ähnlicher Weise gehalten werden. Es findet gemäß § 1 Abs 2 TSG auf Wild in freier Wildbahn nach Maßgabe der Bestimmungen des § 1 Abs 5 (sowie des § 41 Z 4) TSG Anwendung.
Gemäß § 64 TSG begeht eine Verwaltungsübertretung und wird, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, mit Geldstrafe bis zu 4 360 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft, wer den sonstigen in diesem Bundesgesetz enthaltenen oder auf Grund desselben erlassenen Anordnungen oder dem unmittelbar anwendbaren Recht der EU auf dem Gebiet des Veterinärwesens zuwiderhandelt.
§ 64 TSG stellt einen Auffangtatbestand dar, eine Blankettstrafnorm.
Gemäß § 1 Abs 4 erster Satz TSG hat der Bundeskanzler für den Fall des seuchenartigen Auftretens von anderen als den im § 16 genannten Erkrankungen bei Tieren oder bei Gefahr eines solchen Auftretens durch Verordnung nach den jeweiligen veterinärpolizeilichen Erfordernissen unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der Wissenschaft festzusetzen, welche Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und in welchem Umfang diese Bestimmungen auf die jeweiligen Erkrankungen anzuwenden sind. Nach § 1 Abs 5 TSG hat der Bundesminister für Gesundheit und Umwelt ferner, soweit dies nach dem Stande der Wissenschaft zur Verhinderung von Tierseuchen erforderlich ist, durch Verordnung festzusetzen, auf welche Arten von Wild in freier Wildbahn und in welchem Umfang die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden sind.
Eine solche nach § 1 Abs 5 TSG erlassene Verordnung ist die Rotwild-Tbc-Verordnung. Durch sie wird der Anwendungsbereich des TSG auf die darin genannten Arten von Wild in freier Wildbahn erstreckt, und zwar auf Rotwild (Wildtiere), soweit es sich in einem durch gesonderte Kundmachung festgelegten Seuchengebiet aufhält (vgl § 1 Abs 1 Rotwild-Tbc-Verordnung). Für anwendbar erklärt werden näher aufgezählte Bestimmungen des TSG, darunter insbesondere diejenigen, welche die Ermächtigungen für Bekämpfungsmaßnahmen enthalten, so zB die §§ 23, 24 Abs 4 und 25 (vgl § 1 Abs 2 Rotwild-Tbc-Verordnung).
Wie festgestellt, befinden sich die gegenständlichen Jagdgebiete in jenem Gebiet, welches zum Seuchengebiet gemäß § 2 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Verordnung erklärt wurde und unterliegen der aufgrund § 3 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Verordnung ergangenen Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung, wobei sie der in Anlage 2 umschriebenen Überwachungszone zugehören.
Gemäß § 3 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung hat der Amtstierarzt in Ausübung unmittelbarer Befehlsgewalt sowohl für die Bekämpfungszone als auch für die Überwachungszone Abschüsse von Rotwild nach veterinärfachlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der epidemiologischen Gegebenheiten nach Alter, Geschlecht und Nutzung gegliedert sowie nach Maßgabe von der Behörde festgesetzter Abschusszeiten anzuordnen.
§ 2 der Verordnung der belangten Behörde zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom 18.05.2015, Zahl ****, enthält eine im Wesentlichen gleiche Ermächtigung für Anordnungen des Amtstierarztes. Konkret hat der Amtstierarzt nach dieser Bestimmung in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt sowohl für die Bekämpfungszone als auch für die Überwachungszone Abschüsse von Rotwild nach veterinärfachlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der epidemiologischen Gegebenheiten nach Alter, Geschlecht und Nutzung gegliedert, anzuordnen.
Wie festgestellt, wurden die gegenständlichen Jagdgebiete in dieser Verordnung der Überwachungszone zugewiesen.
Aus dem Zusammenwirken des TSG und der näher beschriebenen Verordnungen folgt, dass für das in Rede stehende Jagdgebiet – auch soweit es Rotwild in freier Wildbahn anlangt – sowohl das TSG im bestimmten Umfang als auch die aufgrund der Verordnungen vorgesehenen Seuchenbekämpfungsmaßnahmen, darunter auch die Tötung von Tieren (vgl § 25 TSG), einschlägig waren.
Die konkrete Anordnung gegenüber dem Beschwerdeführer als zuständigem Jagdschutzorgan (der Verwaltungsgerichtshof hegte in seinem Erkenntnis vom 27.04.2015, Ro 2015/11/0009, keine Zweifel gegenüber wem eine solche Anordnung zu erlassen ist; vgl zudem § 1 Abs 2 Rotwild-Tbc-Verordnung, in dem auf Bestimmungen des TSG verwiesen wird) erging aufgrund der Abschussanordnung vom 23.06.2015.
Infolge der Erstreckung des Anwendungsbereichs des TSG und der darin vorgesehenen Seuchenbekämpfungsmaßnahmen auf Rotwild in freier Wildbahn verwirklicht derjenige, der einer Abschussanordnung nicht entspricht, schon weil er damit gegen eine aufgrund des TSG ergangene Anordnung verstößt, das Tatbild einer Verwaltungsübertretung und ist nach der Blankettstrafnorm des § 64 TSG zu bestrafen.
Gemäß den getroffenen Feststellungen wurden im gegenständlichen Jagdgebiet im Seuchenbekämpfungszeitraum anstelle von 10 Stück Rotwild, davon 4 Stück Zuwachsträger (Schmal- oder Alttiere) und 6 Stück Rotwild der übrigen Klassen, nur 5 Stück Rotwild, davon 1 Stück Schmal- oder Alttier und 4 Stück Rotwild der übrigen Klassen erlegt. Insofern hat der Beschwerdeführer die Anordnung des Amtstierarztes vom 23.06.2015 nicht erfüllt, sodass er den objektiven Tatbestand der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung verwirklicht hat.
Was die innere Tatseite betrifft, ist festzuhalten, dass gemäß § 5 Abs 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens bedeutet dabei, dass die Behörde von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer bestimmten Tatsache zu überzeugen ist (vgl VwGH 01.10.1997, 96/09/0007). Der Täter hat hierzu initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat also ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und die entsprechenden Beweismittel vorzulegen oder konkrete Beweisanträge zu stellen.
Die Nichterfüllung der gegenständlichen Anordnung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar und trifft diesfalls die Glaubhaftmachung seines mangelnden Verschuldens gemäß dem zweiten Satz des § 5 Abs 1 VStG den Beschwerdeführer.
Diese Glaubhaftmachung ist dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht gelungen. Wie dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.02.1986, 84/03/0317, entnommen werden kann, ist ein Verschulden an der Nichterfüllung des bewilligten (vorgeschriebenen) Abschusses dann nicht gegeben, wenn die Erfüllung des Abschusses objektiv unmöglich ist. Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, war die Anordnung des Amtstierarztes auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse in den Jagdgebieten für den Beschwerdeführer allein im festgestellten Zeitraum erfüllbar.
In Anbetracht dieser Feststellung hat der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.
Die Bestrafung erfolgte daher dem Grund nach zu Recht.
Strafbemessung:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Nach Abs 2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Unrechtsgehalt der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung ist durchaus erheblich. Die Erfüllung der Anordnung des Amtstierarztes ist unabdingbare Voraussetzung zur effektiven Bekämpfung der gegenständlichen Tierseuche.
Zum Zeitpunkt der Tat war der Beschwerdeführer unbescholten, dies war mildernd zu berücksichtigen. Erschwerungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Wie oben ausgeführt, ist von Fahrlässigkeit auszugehen.
Hinsichtlich seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfälligen Sorgepflichten wird von den vom Beschwerdeführer in der Verhandlung gemachten Angaben ausgegangen.
Aufgrund der oben angeführten – für die Strafzumessung relevanten – Kriterien kann mit der nunmehr verhängten Geldstrafe das Auslangen gefunden werden. Mit dieser Geldstrafe wird der gesetzliche Strafrahmen zu circa 16 Prozent ausgeschöpft. Eine Geldstrafe in dieser Höhe ist jedenfalls geboten, um dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung hinreichend Rechnung zu tragen.
Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach den §§ 20 und 45 Abs 1 letzter Satz VStG lagen nicht vor. Die Anwendung des § 20 VStG ist bereits mangels Überwiegens von Milderungsgründen ausgeschieden. Hinsichtlich des § 45 Abs 1 letzter Satz VStG fehlt es an dem hier geforderten geringfügigen Verschulden. Der Beschwerdeführer hat vielmehr den typischen Unrechts- und Schuldgehalt der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung verwirklicht.
Zumal der Beschwerde gegen das Straferkenntnis Berechtigung zukommt, war der Beschwerdeführer nicht zur Leistung eines Kostenbeitrages für das Beschwerdeverfahren zu verpflichten, waren aber die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verwaltungsstrafverfahrens entsprechend anzupassen.
IV. Begründung für die Nichtzulassung der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall war im Wesentlichen der Sachverhalt zu klären. Im Übrigen orientiert sich die Entscheidung an der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 27.04.2015, Ro 2015/11/0009). Vor diesem Hintergrund liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht vor und war auszusprechen, dass die ordentliche Revision unzulässig ist.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
MMag. Dr. Barbara Besler
(Richterin)
Schlagworte
Abschussanordnung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.34.2139.7Zuletzt aktualisiert am
27.12.2017