TE Lvwg Erkenntnis 2017/12/5 LVwG-2016/46/2231-4

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Veröffentlicht am 05.12.2017
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Entscheidungsdatum

05.12.2017

Index

86/01 Veterinärrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
L64007 Tierseuchen Veterinärpolizei Tirol

Norm

TSG 1909 §64
VStG §5 Abs1
Rotwild-Tbc-BekämüfungsplanV Tir 2011 §3 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag. Linda Wieser über die Beschwerde des AA, geboren am xx.xx.xxxx, vertreten durch RA BB, Adresse 1, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom xx.xx.xxx, Zahl XXXX, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe in der Höhe von Euro 4.360,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Wochen) auf Euro 800,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage 17 Stunden) herabgesetzt wird.

Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens der belangten Behörde mit Euro 80,00 neu festgesetzt.

2.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrenslauf:

Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom xx.xx.xxx, Zl XXXX, wurde dem Beschwerdeführer folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

„Für das Revier GJ U, das sich gemäß Anlage 2 der Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung, LGBl. Nr. 68/2011 idF LGBl. Nr. 26/2014, in der Überwachungszone befindet, wurden für das Jagdjahr 2014 folgende Abschusszahlen vorgeschrieben:

gesamt: 77 Stück Rotwild

davon 24 Stück Spießer oder Hirsche der Klasse I bis III, 27 Stück Schmal- oder Alttiere und 26 Stück Kälber

Herrn AA, geboren am xx.xx.xxxx in Y, wohnhaft in Adresse 2, X, wird als zuständiges Jagdschutzorgan für das Revier GJ U zur Last gelegt, im Seuchenbekämpfungszeitraum vom 02.07.2014 bis zum 31.12.2014, 24:00 Uhr, im Revier GJ U die vom Amtstierarzt gemäß § 3 Abs. 1 Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung vorgeschriebenen Abschusszahlen nicht erfüllt zu haben, da an Stelle von 27 Stück Schmal- oder Alttiere, 26 Stück Kälber sowie 24 Stück Spießer oder Hirsche der Klasse I bis III, lediglich 15 Stück Schmal- oder Alttiere, 13 Stück Kälber sowie 18 Stück Spießer oder Hirsche der Klasse I bis III erlegt wurden und somit nach Ende des Seuchenbekämpfungszeitraumes noch 12 Stück Schmal- oder Alttiere, 13 Stück Kälber sowie 6 Stück Spießer oder Hirsche der Klasse I bis III ausständig sind.

...“

Wörtlich angeführt wurden noch die §§ 64 Tierseuchengesetz, RGBl Nr 177/1909 idF BGBl I Nr 80/2013 (kurz: TSG), § 1 Abs 1 und Abs 2 und § 3 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit zur Bekämpfung der Tuberkulose in Rotwildbeständen (Rotwild-Tbc-Verordnung), BGBl II Nr 181/2011, sowie § 2 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Z zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom xx.xx.xxxx, GZ XXX.

Dadurch habe der Beschuldigte eine Verwaltungsübertretung gemäß den §§ 64 TSG iVm § 1 der Rotwild-Tbc-Verordnung iVm § 3 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung iVm § 2 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Z zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom xx.xx.xxxx, GZ XXX, begangen und wurde daher über ihn gemäß § 64 TSG eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 4.360,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Wochen) verhängt. Weiters wurde dem Beschuldigten gemäß § 64 VStG ein Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens in der Höhe von Euro 436,00 vorgeschrieben.

Gegen dieses Straferkenntnis brachte der rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte fristgerecht Beschwerde ein und führte darin im Wesentlichen aus, dass trotz großer Anstrengungen und ohne Verschulden des Beschwerdeführers die Abschussvorgaben nicht vollständig erfüllt worden seien.

Zu Festlegung der Abschüsse habe sich der Amtstierarzt eines Berufsjägers eines anderen Bundeslandes bedient. Dieser habe einen theoretischen Bestand von Rotwild bzw dessen Altersaufbau, gemeinsam für mehrere Reviere errechnet. Es sei keine Begehung des Reviers der GJ U erfolgt.

In früheren Jahren seien die im Abschussplan festgesetzten Zahlen erfüllt worden. Mit Auftreten der Tbc ab 2011 sei der Abschuss wesentlich höherer Stückzahlen vorgeschrieben worden. Diese seien jedes Jahr weiter angehoben worden. Die Abschussvorgaben seien nicht mehr erfüllbar gewesen, trotz aller Bemühungen durch den Beschwerdeführer und dem zweiten Berufsjäger der GJ U. Durch die erfolgreichen Abschüsse sei aber im Jahr 2014 tatsächlich weniger Wild im Revier vorhanden gewesen, als bei der Festlegung der Vorgaben vermutet. In den Vorjahren seien auch viele weibliche Tiere abgeschossen worden, sodass weniger Nachwichs vorhanden gewesen sei und daher auch weniger junge Tiere für die Erfüllung der Vorgaben in der GJ U vorhanden gewesen seien.

Die vielen Abschüsse konnten und könnten nur mit beinahe täglichen Jagdeinsätzen erzielt werden. Durch den starken Jagddruck werde das noch lebende Wild auch immer scheuer und schwieriger zu bejagen. Auch Störungen des Wildes durch Tourismus seien zu berücksichtigen.

Es würden regelmäßig Schalldämpfer und Nachtsichtgeräte eingesetzt, sowie Nachtabschüsse getätigt. Kirrungen würden durchgeführt.

Es sei ein schlüssiger Antrag auf Einholung eines Gutachtens über den tatsächlichen Wildstand im gegenständlichen Revier erfolgt. Es seien auch keine Feststellungen darüber erfolgt, ob der Beschwerdeführer nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft habe. Des weiteren lägen Begründungsmängel vor.

Auch sei die verhängte Geldstrafe unangemessen hoch. Die lange Verfahrensdauer sei zu berücksichtigen.

Aufgrund dieses Beschwerdevorbringens wurde der Akt dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 6.03.2017, Zl LVwg-2016/46/2231-1, wurde der Amtssachverständige DI CC vom Amt der Tiroler Landesregierung, Landwirtschaftliches Schulwesen, Jagd und Fischerei, damit beauftragt eine jagdfachliche Stellungnahme dazu abzugeben, ob der von der belangten Behörde nach dem TSG vorgeschriebene Abschuss in der GJ U des Jahres 2014 aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse im Revier objektiv erfüllbar war, dies insbesondere unter Berücksichtigung der Angaben in der Beschwerde vom xx.xx.xxxx.

Im Gutachten vom xx.xx.xxxx, Zl XXX, führte der Amtssachverständige nach Darlegung des Befundes im Wesentlichen aus, dass die im Jagdjahr 2014/2015 vorgeschriebenen 77 Stück Rotwild als zu hoch angesetzt erscheine.

Am xx.xx.xxxx wurde vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Amtssachverständige DI CC und der Beschwerdeführer mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung erschienen. Als Zeuge einvernommen wurde DD als Berufsjäger in der GJ U im Jagdjahr 2014/2015.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die Sachverhaltsdarstellung des Amtstierarztes vom xx.xx.xxx, die Anordnung des Amtstierarztes vom xx.xx.xxx, Zl XXX, die vorläufige Mindestabschussanordnung gemäß Schreiben des Amtstierarztes vom xx.xx.xxxx, xxx, den Auszug aus dem Gutachten des EE vom xx.xx.xxxx, das Schreiben des EE vom xx.xx.xxxx, die PowerPoint- Präsentation von FF ohne Datum, die Verordnung der belangten Behörde zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom xx.xx.xxxx, Zl XXX, die Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers am xx.xx.xxxx, die Stellungnahme des Amtstierarztes vom xx.xx.xxxx, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Dokumente und Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei (vgl OZ 3 S 4 bis 6) und des jagdfachlichen und wildökologischen Amtssachverständigen (vgl OZ 3 S 8 bis 9) im Rahmen der Verhandlung sowie eines weiteren Zeugen (ehemaliger Arbeitskollege des Beschwerdeführers, vgl OZ 3 S 6 bis 8).

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer war im Jagdjahr 2014/15 Jagdleiter der Genossenschaftsjagd U im Bezirk Z, welche zum W V gehört.

Die GJ U verfügt über eine Gesamtfläche von 3.991,45 ha und erstreckt sich auf einer Seehöhe von rund 1.060 bis annähernd 2.900 Meter. Das Jagdgebiet weist überwiegend alpinen Charakter auf (lediglich 28,3 % des Gebietes besteht aus Wald). Ca 60,3 % der Jagdgebietsfläche sind Rotwildsommerlebensraum.

Dieses Genossenschaftsjagdgebiet wurde gemäß § 2 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Verordnung (Fassung: BGBl II Nr 181/2011) zum Seuchengebiet erklärt. Es unterliegt der aufgrund § 3 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Verordnung ergangenen Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol (Fassung: LGBl Nr 26/2014), wobei es dem in Anlage 2 dieser Verordnung umschriebenen Überwachungsgebiet zugehört, und der Verordnung der belangten Behörde zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom xx.xx.xxxx, Zl XXX, wobei es dem diesbezüglichen Überwachungsgebiet zugehört.

Seit dem Beginn der Tbc-Seuchenbekämpfung im Jahr 2011 wurden im Jagdgebiet der GJ U bis zur Gutachtenserstellung am xx.xx.xxxx 224 Stück Rotwild erlegt. Von 2004 bis 2010 wurden 251 Stück Rotwild erlegt und als Streckenabschüsse gemeldet. Es wurden im Schnitt 36 Stück Rotwild pro Jahr erlegt. Mit Auftreten der Tbc in diesem Gebiet musste aus veterinärmedizinischer Sicht der Rotwildbestand abgesenkt werden.

Mit Schreiben des Amtstierarztes der belangten Behörde vom xx.xx.xxx, Zl xxx, wurde dem Beschuldigten folgendes vorgeschrieben:

Für das Revier GJ U wird lt. Abschussbesprechung vom xx.xx.xxxx für Rotwild folgender Mindestabschuss bis zum xx.xx.xxxx angeordnet:

Gesamtabschuss: 77 Stück Rotwild

Wobei folgender Aufteilungsschlüssel zu beachten ist:

24 Hirsche (Spießer, Hirsche der Klasse I bis III)

27 Tiere (Schmal- und Alttiere) und

26 Kälber (männlich und weiblich)

Ausnahmen bzw. Änderungen von dieser Abschussanordnung sind in schriftlicher Form mit entsprechender Begründung bei der Veterinärbehörde zu beantragen.

Bei Nichterfüllung der Abschussvorgaben wird für allfällige Strafverfahren zur Strafbemessung der Abschuss mit Stichtag xx.xx.xxxx herangezogen.

Ein Antrag auf eine Änderung oder Ausnahme der Abschussanordnung wurde vom Beschwerdeführer nicht gestellt.

Als bestelltes Jagdschutzorgan war der Beschwerdeführer für die Erfüllung der nach dem TSG vorgeschriebenen Abschüsse verantwortlich.

Die mit Schreiben des Amtstierarztes der belangten Behörde vom xx.xx.xxx für das Genossenschaftsjagdgebiet U verfügte Mindestabschussanordnung für Rotwild wurde insofern nicht erfüllt, da an Stelle von 27 Stück Schmal- oder Alttieren, 26 Stück Kälbern sowie 24 Stück Spießern oder Hirschen der Klasse I bis III, lediglich 15 Stück Schmal- oder Alttiere, 13 Stück Kälber sowie 18 Stück Spießer oder Hirsche der Klasse I bis III erlegt wurden und somit nach Ende des Seuchenbekämpfungszeitraumes noch 12 Stück Schmal- oder Alttiere, 13 Stück Kälber sowie 6 Stück Spießer oder Hirsche der Klasse I bis III ausständig waren.

Sonstige Maßnahmen, wie zB Nachtabschüsse, Ankirrung oder die Verwendung eines Nachtsichtgerätes, welche im Rahmen der Tbc-Seuchenbekämpfung erlaubt sind, wurden seitens des Beschwerdeführers durchgeführt.

Aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse im Genossenschaftsjagdgebiet U war die Anordnung des Amtstierarztes nur in Bezug auf 65 Stück Rotwild erfüllbar.

III.    Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich insbesondere aus den im Verwaltungsakt erliegenden Gutachten für das Jahr 2014 des EE vom xx.xx.xxxx, die ergänzende Stellungnahme des EE vom xx.xx.xxxx, die PowerPoint-Präsentation von FF ohne Datum, sowie insbesondere aus dem vom Landesverwaltungsgericht Tirol eingeholten Gutachten vom xx.xx.xxxx.

Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf die Ausführungen des jagdfachlichen und wildökologischen Amtssachverständigen im Rahmen der Verhandlung. Der Amtssachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass in der Anordnung nicht die richtige Stückzahl vorgeschrieben worden war, die geringere aber und diese bei einer anderen Jagdstrategie erfüllbar gewesen wäre. Die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers konnte nicht überzeugen bzw ergibt sich aus der Stellungnahme des Amtssachverständigen klar und deutlich, dass der Beschwerdeführer nicht alle Mittel ausgeschöpft hat um die Anordnung zu erfüllen. Der Sachverständige hat auch nachvollziehbar und plausibel dargelegt, dass die Vorschreibung in Bezug auf 65 Stück nachvollziehbar sei.

III.    Rechtliche Erwägungen:

Zum Tatzeitpunkt waren das TSG idF BGBl I Nr 80/2013, die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit zur Bekämpfung der Tuberkulose in Rotwildbeständen (Rotwild-Tbc-Verordnung), BGBl II Nr 181/2011, und die Verordnung des Landeshauptmannes vom 6. Juli 2011, mit der ein Bekämpfungsplan zur Hintanhaltung der Weiterverbreitung und zur Tilgung der Tbc beim Rotwild im Tiroler Lechtal erlassen wird (Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung), LGBl Nr 68/2011 in der Fassung LGBl Nr 26/2014, in Kraft. Sofern nichts anderes erwähnt wird, beziehen sich die unten stehenden Ausführungen auf diese Fassungen des TSG und der angeführten Verordnungen.

Gemäß § 1 Abs 1 TSG findet dieses Gesetz Anwendung auf Haustiere sowie Tiere, die wie Haustiere oder in Tiergräten oder in ähnlicher Weise gehalten werden. Es findet gemäß § 1 Abs 2 TSG auf Wild in freier Wildbahn nach Maßgabe der Bestimmungen des § 1 Abs 5 (sowie des § 41 Z 4) TSG Anwendung.

Gemäß § 64 TSG begeht eine Verwaltungsübertretung und wird, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, mit Geldstrafe bis zu 4 360 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft, wer den sonstigen in diesem Bundesgesetz enthaltenen oder auf Grund desselben erlassenen Anordnungen oder dem unmittelbar anwendbaren Recht der EU auf dem Gebiet des Veterinärwesens zuwiderhandelt.

§ 64 TSG stellt einen Auffangtatbestand dar, eine Blankettstrafnorm.

Gemäß § 1 Abs 4 erster Satz TSG hat der Bundeskanzler für den Fall des seuchenartigen Auftretens von anderen als den im § 16 genannten Erkrankungen bei Tieren oder bei Gefahr eines solchen Auftretens durch Verordnung nach den jeweiligen veterinärpolizeilichen Erfordernissen unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der Wissenschaft festzusetzen, welche Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und in welchem Umfang diese Bestimmungen auf die jeweiligen Erkrankungen anzuwenden sind. Nach § 1 Abs 5 TSG hat der Bundesminister für Gesundheit und Umwelt ferner, soweit dies nach dem Stande der Wissenschaft zur Verhinderung von Tierseuchen erforderlich ist, durch Verordnung festzusetzen, auf welche Arten von Wild in freier Wildbahn und in welchem Umfang die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden sind.

Eine solche nach § 1 Abs 5 TSG erlassene Verordnung ist die Rotwild-Tbc-Verordnung. Durch sie wird der Anwendungsbereich des TSG auf die darin genannten Arten von Wild in freier Wildbahn erstreckt, und zwar auf Rotwild (Wildtiere), soweit es sich in einem durch gesonderte Kundmachung festgelegten Seuchengebiet aufhält (vgl § 1 Abs 1 Rotwild-Tbc-Verordnung). Für anwendbar erklärt werden näher aufgezählte Bestimmungen des TSG, darunter insbesondere diejenigen, welche die Ermächtigungen für Bekämpfungsmaßnahmen enthalten, so zB die §§ 23, 24 Abs 4 und 25 (vgl § 1 Abs 2 Rotwild-Tbc-Verordnung).

Die öffentliche mündliche Verhandlung fand am xx.xx.xxxx unter Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner rechtsfreundlichen Vertretung und des jagdfachlichen und wildökologischen Amtssachverständigen statt. Der Beschwerdeführer brachte sowohl in der Beschwerde als auch anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor, dass ihm aus mehreren Gründen kein Verschulden anzulasten sei. Es seine Kirrungen und Nachtabschüsse durchgeführt worden, auch ein Schalldämpfer sei verwendet worden.

Wie festgestellt, befindet sich das gegenständliche Genossenschaftsjagdgebiet in jenem Gebiet, welches zum Seuchengebiet gemäß § 2 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Verordnung erklärt wurde und unterliegt der aufgrund § 3 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Verordnung ergangenen Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung, wobei es dem in Anlage 2 umschriebenen Überwachungsgebiet zugehört.

Gemäß § 3 Abs 1 der Rotwild-Tbc-Bekämpfungsplan-Verordnung hat der Amtstierarzt in Ausübung unmittelbarer Befehlsgewalt sowohl für die Bekämpfungszone als auch für die Überwachungszone Abschüsse von Rotwild nach veterinärfachlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der epidemiologischen Gegebenheiten nach Alter, Geschlecht und Nutzung gegliedert sowie nach Maßgabe von der Behörde festgesetzter Abschusszeiten anzuordnen.

§ 2 der Verordnung der belangten Behörde zur Bekämpfung der Tuberkulose beim Rotwild vom xx.xx.xxxx, Zl XXX, enthält eine im Wesentlichen gleiche Ermächtigung für Anordnungen des Amtstierarztes. Konkret hat der Amtstierarzt nach dieser Bestimmung in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt sowohl für die Bekämpfungszone als auch für die Überwachungszone Abschüsse von Rotwild nach veterinärfachlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der epidemiologischen Gegebenheiten nach Alter, Geschlecht und Nutzung gegliedert, anzuordnen.

Wie festgestellt, wurde das gegenständliche Eigenjagdgebiet in dieser Verordnung der Überwachungszone zugewiesen.

Aus dem Zusammenwirken des TSG und der näher beschrieben Verordnungen folgt, dass für das in Rede stehende Genossenschaftsjagdgebiet – auch soweit es Rotwild in freier Wildbahn anlangt – sowohl das TSG im bestimmten Umfang als auch die aufgrund der Verordnungen vorgesehen Seuchenbekämpfungsmaßnahmen, darunter auch die Tötung von Tieren (vgl § 25 TSG), einschlägig waren.

Die konkrete Anordnung gegenüber dem Beschwerdeführer als zuständigem Jagdschutzorgan für die GJ U erging aufgrund der Abschussanordnung vom xx.xx.xxx.

Infolge der Erstreckung des Anwendungsbereichs des TSG und der darin vorgesehenen Seuchenbekämpfungsmaßnahmen auf Rotwild in freier Wildbahn verwirklicht derjenige, der einer Abschussanordnung nicht entspricht, schon weil er damit gegen eine aufgrund des TSG ergangene Anordnung verstößt, das Tatbild einer Verwaltungsübertretung und ist nach der Blankettstrafnorm des § 64 TSG zu bestrafen.

Gemäß den getroffenen Feststellungen wurden im gegenständlichen Jagdgebiet im Seuchenbekämpfungszeitraum anstelle von 27 Stück Schmal- oder Alttieren, 26 Stück Kälbern sowie 24 Stück Spießern oder Hirschen der Klasse I bis III, lediglich 15 Stück Schmal- oder Alttiere, 13 Stück Kälber sowie 18 Stück Spießer oder Hirsche der Klasse I bis III erlegt. Insofern hat der Beschwerdeführer die Anordnung des Amtstierarztes vom xx.xx.xxx nicht erfüllt, sodass er den objektiven Tatbestand der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung verwirklicht hat.

Was die innere Tatseite betrifft, ist festzuhalten, dass gemäß § 5 Abs 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens bedeutet dabei, dass die Behörde von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer bestimmten Tatsache zu überzeugen ist (vgl VwGH 01.10.1997, 96/09/0007). Der Täter hat hierzu initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat also ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und die entsprechenden Beweismittel vorzulegen oder konkrete Beweisanträge zu stellen.

Diese Glaubhaftmachung ist dem Beschwerdeführer aber nur teilweise gelungen.

Die Nichterfüllung der gegenständlichen Anordnung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar und trifft diesfalls die Glaubhaftmachung seines mangelnden Verschuldens gemäß dem zweiten Satz des § 5 Abs 1 VStG den Beschwerdeführer.

Im vorliegenden Fall geht aus dem festgestellten Sachverhalt zwar hervor, dass grundsätzlich die Voraussetzungen für die Abschussanordnung des Amtstierarztes der belangten Behörde gegeben waren, dies jedoch nur im Hinblick auf 65 Stück Rotwild. Grundlage für eine Bestrafung kann nur ein rechtmäßiger Befehl sein. Rechtmäßig war die Anordnung des Amtstierarztes der belangten Behörde soweit sie 65 Stück Rotwild betrifft. In Bezug auf dieses 65 Stück Rotwild hat der Beschwerdeführer jedoch keine relevanten Umstände vorgebracht, die ein fehlendes Verschulden aufzeigen können. Wie dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.02.1986, 84/03/0317, entnommen werden kann, ist ein Verschulden an der Nichterfüllung des bewilligten (vorgeschriebenen) Abschusses dann nicht gegeben, wenn die Erfüllung des Abschusses objektiv unmöglich ist. Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, war die Anordnung des Amtstierarztes auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse im gegenständlichen Jagdgebiet im festgestellten Zeitraum in Bezug auf 65 Stück Rotwild erfüllbar.

Die Problematik der Tuberkulosebekämpfung beim Rotwild ist dem Beschwerdeführer wie allen Jägern im Bezirk Z bekannt. Es wäre nun an ihm gelegen gewesen, rechtzeitig dafür Vorsorge zu treffen, dass der vorgeschriebene Abschuss auch tatsächlich erfüllt wird.

In Anbetracht der Tragweite der Tbc-Problematik im Bezirk Z und der damit verbundenen Verantwortung der Jagschutzorgane, derer sich der Beschwerdeführer spätestens seit der angeordneten Maßnahme bewusst sein hätte müssen, ist ihm vorzuwerfen, dass er nicht absolut jede ihm zur Verfügung stehende Möglichkeit, insbesondere unter Heranziehung alternativer Jagdmethoden, ausgeschöpft hat, um die Mindestabschussanordnung zu erfüllen.

Der Unrechtsgehalt der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung ist durchaus erheblich. Die Erfüllung der veterinärbehördlichen Abschussanordnungen ist unabdingbare Vorrausetzung zur effektiven Bekämpfung der gegenständlichen Tierseuche.

Hinsichtlich des Verschuldens war – wie erwähnt – von Fahrlässigkeit auszugehen.

Mildernd war die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, als erschwerend war nichts zu werten.

Zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen hat der Beschwerdeführer bekannt gegeben, über ein Nettoeinkommen von EUR 1.400,-- zu verfügen und einen Kredit in der Höhe von EUR 20.000,-- habe. Es konnte daher von durchschnittlichen Verhältnissen ausgegangen werden.

Im Zusammenhalt all dieser für die Strafbemessung relevanten Aspekte ist das Landesverwaltungsgericht im Ergebnis zur Ansicht gelangt, dass für die dem Beschwerdeführer angelastete Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von nunmehr EUR 800,-- zu verhängen ist. Eine Strafherabsetzung hatte deswegen zu erfolgen, weil die Anordnung des Amtstierarztes der belangten Behörde nur soweit sie 65 Stück Rotwild betrifft rechtmäßig war. Eine weitere Herabsetzung der verhängten Geldstrafe kam deswegen nicht in Frage, weil diese in der nunmehr bestimmten Höhe jedenfalls als erforderlich erachtet wird, um dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung ausreichend Rechnung zu tragen. Letztlich haben auch generalpräventive Erwägungen gegen eine weitere Herabsetzung gesprochen. Die Verhängung der möglichen Höchststrafe bei der ersten Verwaltungsübertretung erschien weit überhöht.

Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 45 Abs 1 letzter Satz VStG haben nicht vorgelegen. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach von einem geringfügigen Verschulden nur dann gesprochen werden kann, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl VwGH 17.04.1996, 94/03/0003 ua). Im gegenständlichen Fall haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dem Beschwerdeführer ein wesentlich geringerer Sorgfaltsverstoß zur Last liegt, als bei anderen Übertretungen der betreffenden Verhaltensnormen.

Anknüpfend an die erfolgte Herabsetzung der Geldstrafe hatte auch eine Anpassung der Ersatzfreiheitsstrafe und des Kostenbeitrages zu erfolgen.

Zumal der Beschwerde gegen das Straferkenntnis Berechtigung zukommt, war der Beschwerdeführer nicht zur Leistung eines Kostenbeitrages für das Beschwerdeverfahren zu verpflichten.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

IV.      Begründung für die Nichtzulassung der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall war im Wesentlichen der Sachverhalt zu klären. Vor diesem Hintergrund liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht vor und war auszusprechen, dass die ordentliche Revision unzulässig ist.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Linda Wieser

(Richterin)

Schlagworte

Abschussanordnung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2016.46.2231.4

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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