TE Lvwg Erkenntnis 2017/12/11 LVwG-2017/34/0865-31

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Veröffentlicht am 11.12.2017
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Entscheidungsdatum

11.12.2017

Index

83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 2002 §73 Abs1
AWG 2002 §2 Abs1 Z1
AWG 2002 §15 Abs3
AWG 2002 §15 Abs4a
AWG 2002 §15 Abs5
AWG 2002 §15 Abs5a
AWG 2002 §15 Abs5b

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin MMag. Dr. Barbara Besler über die Beschwerde des AA, geboren am xx.xx.xxxx, vertreten durch BB Rechtsanwälte in Y, Adresse 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 19.01.2017, Zahl ****, betreffend Untersagung rechtswidrigen Handelns nach § 73 Abs 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) (Spruchpunkt I.) und Behandlungsauftrag gemäß § 73 Abs 1 AWG 2002 (Spruchpunkt II.) nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht:

1.   Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Beschwerdeführer ist Einzelunternehmer und bietet beispielsweise Baggerarbeiten, Steinschlichtungen, Planierungen, Aushübe, Schremmarbeiten, Entwässerungen an. Das von ihm im Jahr 2010 gegründete Unternehmen ist ein Erdbauunternehmen.

DD, der Stiefvater des Beschwerdeführers, ist grundbücherlicher Alleineigentümer der Liegenschaft in EZ ***** GB W, bestehend unter anderen aus den Gst-Nr **1 und **2. Der verfahrensgegenständliche Bereich dieser Grundstücke ist in Abbildung 1 schwarz umrandet dargestellt und umfasst eine Fläche von 3.277 m².

Abbildung 1 entfernt

Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 25.07.2012, Zahl ****, untersagte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs 1 Z 1 und 2 AWG 2002 die weitere Ablagerung von Abfällen auf diesen Grundstücken und trug ihm auf, die dort abgelagerten Abfälle (Bodenaushub vermischt mit Betonbruch, Ziegelbruch, Bauschutt und Störstoffen, wie Holz, Kunststoff, Installationsmaterial, Bodenbeläge) bis zum 15.08.2012 bis hin zum Mutterboden (gewachsenem Boden) zu entfernen, ordnungsgemäß zu entsorgen und der Behörde einen entsprechenden Entsorgungsnachweis eines befugten Abfallentsorgers vorzulegen.

Gemäß dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 06.11.2015, Zahl LVwG-2014/19/1383-11, war dieser Behandlungsauftrag nicht so bestimmt formuliert, dass eine Vollstreckung durch Ersatzvornahme möglich gewesen wäre, weswegen es den Bescheid der belangten Behörde vom 26.03.2014, Zahl ****, mit dem die Ersatzvornahme angeordnet und die Vorauszahlung der Kosten aufgetragen worden waren, mit diesem Erkenntnis behob.

In Spruchpunkt I. des Bescheides vom 19.01.2017, Zahl ****, untersagte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs 1 Z 1 und 2 AWG 2002 die weitere Ablagerung von Abfällen auf Gst-Nr **1 und **2. In Spruchpunkt II. dieses Bescheides trug die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs 1 Z 1 und 2 AWG 2002 zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes auf, die dort auf einer Fläche von 3.277 m² bereits abgelagerten Abfälle (Bodenaushub vermischt mit Betonbruch, Ziegelbruch, Bauschutt und Störstoffen, wie Holz, Kunststoff, Installationsmaterial, Bodenbeläge) im Ausmaß von 7.235 m³ (+/- 32 m³) bis zum 30.05.2017 vollständig, nämlich bis hin zum Mutterboden (gewachsenem Boden) zu entfernen, ordnungsgemäß zu entsorgen und der belangten Behörde hierüber einen Entsorgungsnachweis vorzulegen.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen ins Treffen, dass das Material nicht als Abfall im Sinne des AWG 2002 zu qualifizieren sei und eine zulässige Verwertung vorliege. Es wurde die Behebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurden ein Grundbuchsauszug, die Stellungnahmen des forstfachlichen Amtssachverständigen vom 23.08.2017 und vom 28.08.2017 (OZ 4 und 8), eine Stellungnahme der belangten Behörde vom 25.08.2017 (OZ 7), die Mitteilung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 13.09.2017 (OZ 10), die Stellungnahmen des Mag. CC (Abteilung Geoinformation) vom 27.09.2017 (OZ 12 und 13), der Erlass zu landwirtschaftlichen Rekultivierungen vom 31.07.2008, die Mitteilung des Landeshauptmannes von Tirol als Abfallbehörde vom 06.10.2017 (OZ 16), das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 26.02.2014, Zahl LVwG-2013/16/3581-2 (OZ 19), die Stellungnahme des forstfachlichen Amtssachverständigen vom 16.10.2017 (OZ 20), die E-Mail des Mag. CC vom 18.10.2017 samt Beilage (OZ 26), die Stellungnahme des forstfachlichen Amtssachverständigen vom 18.10.2017 (OZ 27) und die Akten des Landesverwaltungsgerichts Tirol zu den Zahlen LVwG-2013/19/3438 und 2014/19/1383 eingeholt.

Die öffentliche mündliche Verhandlung fand am 16.10.2017 statt und wurde am 23.10. und am 14.11.2017 fortgesetzt (vgl Verhandlungsschriften in den OZ 21, 30 und 31).

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die vorangeführten Akten und die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Stellungnahmen sowie Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei (vgl OZ 21 S 3-5), des abfalltechnischen Amtssachverständigen (vgl OZ 21 S 5-7), des Mag. CC (OZ 21 S 7 und 8) und des DD als Zeugen (OZ 31 S 2 und 3). Wie sich aus den unten stehenden Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur AWG-Novelle 2010 (1005 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP) zu § 15 Abs 4a AWG 2002 ergibt, müsste der Beschwerdeführer eine bestimmte Materialqualität nachweisen. Insofern konnte von der Einholung des beantragten bodenkundlichen Gutachtens abgesehen werden.

I.   Demnach steht – ergänzend zum obigen unstrittigen Sachverhalt – nachfolgender weiterer entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Das Material im Ausmaß von 5.510 m³, das vom Beschwerdeführer ab dem Jahr 2012 ohne Vorliegens einer Bewilligung zur Verfüllung von Geländeunebenheiten auf den in Abbildung 1 dargestellten Bereich verbracht wurde, stammt von diversen Baustellen, bei denen der Beschwerdeführer als Erdbauunternehmer die Aushübe im Auftrag der jeweiligen Grundeigentümer durchgeführt hatte.

Es handelte sich dabei um Bodenaushub vermischt mit Betonbruch, Ziegelbruch, Bauschutt und Störstoffen, wie Holz, Kunststoff, Installationsmaterial, Bodenbeläge. Sofern dieses Material als Abfall zu qualifizieren ist, ist diesem die Schlüsselnummer 31411 Spezifikation 29 zuzuordnen.

Den jeweiligen Grundeigentümern ging es darum, ihre Bauvorhaben, ohne durch das Material behindert zu werden, zu vollenden. Um Material, das aus Aushüben von im Eigentum des Beschwerdeführers oder dessen Stiefvaters stehenden Grundstücken stammte, handelte es sich dabei nicht.

Der in Kapitel 7.15. des Bundes-Abfallwirtschaftsplans 2011 im Hinblick auf die Materialqualität definierte Stand der Technik für die Verwertung von Bodenaushubmaterial wurde weder eingehalten noch nachgewiesen.

Seit Ende 2014 wird kein Material mehr auf die angeführten Grundstücke verbracht. Eine weitere Verbringung von Material auf die Grundstücke ist nicht beabsichtigt.

Dem Beschwerdeführer stand als Erdbauunternehmer frei, selbst zu entscheiden, wohin er die Abfälle nach den auf den Baustellen durchgeführten Aushüben verbringt.

Weder der Beschwerdeführer noch dessen Stiefvater verfügen über die Erlaubnis für die Sammlung und Behandlung von Abfällen.

Vor dem Jahr 2012 verbrachte der Stiefvater des Beschwerdeführers Material aus diversen Bauvorhaben auf die in Abbildung 1 dargestellte Fläche bzw ließ er dort solches Material hin bringen. Zwischen 2008 und 2012 wurde hier jedenfalls Material im Ausmaß von 1.505 m³ aufgebracht.

II.  Den obigen Tatsachenfeststellungen liegt nachstehende Beweiswürdigung zugrunde:

Die Herkunft des abgelagerten Materials ergibt sich aus der Verantwortung des Beschwerdeführers. Aus der Aussage des Stiefvaters des Beschwerdeführers geht hervor, dass vor dem Jahr 2012 er selbst und nach dem Jahr 2012 der Beschwerdeführer Material auf die gegenständliche Fläche verbracht hat. Die Menge des auf die Fläche verbrachten Materials ergibt sich aus den von Mag. CC durchgeführten Erhebungen. An der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit seiner Ausführungen bestehen keine Zweifel. Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass er eine geringere Menge aufgebracht habe, wird insbesondere deshalb als Schutzbehauptung gewertet, weil die vorliegende Schüttung nach der Aussage des Stiefvaters des Beschwerdeführers nützlich ist. Der Beschwerdeführer hat selbst ausgeführt, dass bezüglich der Qualität des Materials keine Untersuchungen erfolgt sind und keine Aufzeichnungen existieren. Im Übrigen ergibt sich aus der Stellungnahme des abfalltechnischen Amtssachverständigen, welcher Schlüsselnummer dieses Material zuzuordnen wäre, wenn es als Abfall qualifiziert würde. Auch hat der abfalltechnische Amtssachverständige schlüssig dargelegt, dass der in Kapitel 7.15. des Bundes-Abfallwirtschaftsplans 2011 im Hinblick auf die Materialqualität definierte Stand der Technik für die Verwertung von Bodenaushubmaterial weder eingehalten noch nachgewiesen wurde. Die Feststellung zum subjektiven Abfallbegriff stützt sich auf die Lebenserfahrung (vgl VwGH 04.07.2001, 99/07/0177; 29.01.2004, 2000/07/0074; 25.02.2009, 2008/07/0182).

III. Der obige unstrittige und darüber hinaus festgestellte Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu beurteilen:

Nach § 2 Abs 1 AWG 2002 sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (Z 1) oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen nicht zu beeinträchtigen (Z 2). Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung gemäß § 1 Abs 3 AWG 2002 als Abfall erforderlich, wenn andernfalls die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können (Z 1), Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können (Z 2), die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann (Z 3), die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann (Z 4), Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können (Z 5), Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können (Z 6), das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können (Z 7), die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann (Z 8) oder Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können (Z 9).

Für die Feststellung, dass es sich bei einer Sache um Abfall im Sinne des § 2 Abs 1 AWG 2002 handelt, genügt es, wenn entweder der subjektive Abfallbegriff (vgl § 2 Abs 1 Z 1 AWG 2002) oder der objektive Abfallbegriff (vgl § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002) als erfüllt anzusehen ist.

Von einer Entledigung im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 AWG 2002 kann nur dann gesprochen werden, wenn die Weitergabe der Sache in erster Linie darauf abzielt, diese loszuwerden, und darin somit das überwiegende Motiv für die Weitergabe bzw Weggabe der Sache gelegen ist (vgl VwGH 04.07.2001, 99/07/0177; 29.01.2004, 2000/07/0074; 25.02.2009, 2008/07/0182). Nach der Lebenserfahrung geht es einem Bauherrn oder Bauführer, wenn bei der Realisierung von Bauvorhaben das angefallene Aushubmaterial oder Abbruchmaterial von der Baustelle weggeführt wird, im Regelfall hauptsächlich darum, das Bauvorhaben, ohne durch das Material behindert zu werden, zu vollenden, und ist somit üblicherweise mit dessen Fortschaffung von der Baustelle eine Entledigungsabsicht verbunden (vgl VwGH 25.02.2009, 2008/07/0182). Jene Grundeigentümer, deren Aushübe vom Beschwerdeführer durchgeführt wurden, wollten sich des Materials entledigen. Sohin kann auch für den vorliegenden Fall festgehalten werden, dass das Material im Ausmaß von 5.510 m³ als Abfall im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 AWG 2002 zu qualifizieren ist. Eine Sache ist schon dann als Abfall zu qualifizieren, wenn bei irgendeinem Vorbesitzer die Entledigungsabsicht bestanden hat (vgl VwGH 26.01.2012, 2010/07/0065). Ein Anwendungsbereich des § 3 Abs 1 Z 8 AWG 2002, welcher Abfälle im Sinne des § 2 AWG 2002 vom Anwendungsbereich des AWG 2002 ausnimmt, ist hier nicht gegeben. Insbesondere wurden die Materialien nicht an dem Ort, an dem sie ausgehoben wurden, für Bauzwecke verwendet, sondern diese von diversen Baustellen vom Beschwerdeführer auf den in Abbildung 1 dargestellten Bereich verbracht.

Nach § 73 Abs 1 Z 1 AWG 2002 hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen, wenn Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden.

Nach § 15 Abs 3 AWG 2002 dürfen Abfälle außerhalb von hierfür genehmigten Anlagen (Z 1) oder für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten (Z 2) nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

Nach § 15 Abs 4a AWG 2002 ist eine Verwertung nur zulässig, wenn der betreffende Abfall unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar ist und keine Schutzgüter (im Sinne von § 1 Abs 3) durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden können, sowie durch diese Maßnahme nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird.

Das Auffüllen von Geländeunebenheiten mit Abfällen ist nicht zwangsläufig als Beseitigungsmaßnahme einzustufen. Es ist sohin zu prüfen, ob hier von einer Verwertung im Sinne des § 15 Abs 4a AWG 2002 auszugehen wäre. Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur AWG-Novelle 2010 (1005 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP) kann zu § 15 Abs 4a AWG 2002 Folgendes entnommen werden:

„Eine Verwertungsmaßnahme liegt dann vor, wenn

1)   diese Verfüllung einem entsprechenden Zweck dient (zB Sicherung der Böschungen oder der Sohle einer Kiesgrube, Wiederherstellung der ursprünglichen Wasserverhältnisse, wie eine Aufschüttung auf das Niveau von 2 m über HGW) und das für diesen Zweck unbedingt erforderliche Ausmaß an Abfall nicht überschritten wird,

2)   eine bestimmte Materialqualität eingehalten und auch nachgewiesen wird (vgl dazu den diesbezüglichen Stand der Technik im Bundes-Abfallwirtschaftsplan) und

3)   die Maßnahme im Einklang mit der Rechtsordnung erfolgt (gemäß der ständigen Judikatur des VwGH erfolgt eine Maßnahme dann im Einklang mit der Rechtsordnung, wenn alle zutreffenden Bestimmungen der Materiengesetze (AWG 2002, WRG 1959, Naturschutzgesetze der Länder, ...) eingehalten werden und insbesondere die erforderlichen Genehmigungen und/oder Bewilligungen vorliegen sowie die erforderlichen Anzeigen erstattet wurden).

Wenn eine dieser Voraussetzungen (entsprechender Zweck, unbedingt erforderliches Ausmaß oder Materialqualität samt Nachweis, Einhaltung der Rechtsordnung) nicht erfüllt ist, liegt eine Beseitigungsmaßnahme (Ablagerung) vor. In diesem Fall ist entweder eine Deponiegenehmigung erforderlich (gemäß § 15 Abs 3 AWG 2002 darf eine Ablagerung nur in dafür genehmigten Deponien erfolgen) oder der Abfall zu entfernen.“.

Aus den getroffenen Feststellungen geht hervor, dass der in Kapitel 7.15. des Bundes-Abfallwirtschaftsplans 2011 im Hinblick auf die Materialqualität definierte Stand der Technik für die Verwertung von Bodenaushubmaterial weder eingehalten noch nachgewiesen wurde.

Insofern liegt hier aber keine Verwertungs-, sondern eine Beseitigungsmaßnahme vor und wäre entweder eine Deponiegenehmigung erforderlich gewesen oder ist der Abfall zu entfernen.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Beschwerdeführer hier erst ab dem Jahr 2012 Abfall abgelagert, vorher wurde von seinem Stiefvater oder in seinem Auftrag Material dorthin verbracht.

Wie festgestellt, fielen die Abfälle im Ausmaß von 5.510 m³ durch die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Erdbauunternehmer an und stand dem Beschwerdeführer frei, selbst zu entscheiden, wohin er die Abfälle nach den auf den Baustellen durchgeführten Aushüben verbringt. Er war daher Abfall(erst)erzeuger im Sinne des § 2 Abs 6 Z 2 AWG 2002 und Abfallsammler im Sinne des § 2 Abs 6 Z 3 AWG 2002, sohin Abfallbesitzer.

Nach § 15 Abs 5 AWG 2002 hat der Abfallbesitzer die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben, wenn er zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande ist. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs 3) vermieden werden; Abfälle zur Beseitigung sind regelmäßig mindestens einmal im Jahr, Abfälle zur Verwertung sind regelmäßig mindestens einmal in drei Jahren einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.

Der Abfallbesitzer ist nach § 15 Abs 5a AWG 2002 dafür verantwortlich, dass die Abfälle an einen in Bezug auf die Sammlung oder Behandlung der Abfallart berechtigten Abfallsammler oder -behandler übergeben werden (lit a) und die umweltgerechte Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle explizit beauftragt wird (lit b).

Wer Abfälle nicht gemäß Abs 5a übergibt, kann bis zur vollständigen umweltgerechten Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle nach § 15 Abs 5b AWG 2002 als Verpflichteter gemäß § 73 Abs 1 mit Behandlungsauftrag in Anspruch genommen werden.

Insofern wurde der Beschwerdeführer – was die Ablagerungen ab dem Jahr 2012 betrifft – zu Recht als Verpflichteter des Behandlungsauftrags nach § 73 AWG 2002 herangezogen.

Was die Zeit zwischen 2008 und 2012 betrifft, so wurde hier allerdings vom Stiefvater des Beschwerdeführers Material aus diversen Bauvorhaben aufgebracht bzw ließ er dort Material aufbringen.

Weder dem Verwaltungsgericht noch der Verwaltungsbehörde wird die Feststellung, wo sich der vom Beschwerdeführer abgelagerte Abfall im Ausmaß von 5.510 m³ auf der in Abbildung 1 dargestellten Fläche konkret befindet, möglich sein.

Ein bestimmt gefasster Behandlungsauftrag setzt hier folglich voraus, dass der gesamte Abfall, der auf der in Abbildung 1 dargestellten Fläche abgelagert wurde (sohin 7.015 m³), zum Gegenstand eines Behandlungsauftrags gemacht wird.

Zumal das Material, das vor dem Jahr 2012 hier abgelagert wurde, entweder vom Stiefvater des Beschwerdeführers dorthin verbracht wurde oder in seinem Auftrag hier abgelagert wurde, kommt der Beschwerdeführer als Adressat eines Behandlungsauftrags bezüglich dieses Materials nicht in Frage.

Richtigerweise ist ein Behandlungsauftrag über die Menge von 7.015 m³ (sofern es sich auch bei dem vor dem Jahr 2012 abgelagerten Material zur Gänze um Abfall handelt) gegenüber dem Beschwerdeführer und dessen Stiefvater gemeinsam zu erlassen.

Dem Verwaltungsgericht ist eine solche Vorgehensweise infolge der Tatsache, dass der bisherige Behandlungsauftrag nur gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen wurde, verwehrt.

Der Vollständigkeit halber wird auf § 73 Abs 6 AWG 2002 hingewiesen. Nach dieser Bestimmung sind die § 73 Abs 1 bis 3 AWG 2002 für Waldflächen, die dem Forstgesetz, BGBl Nr 440/1974, unterliegen, nicht anzuwenden.

Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist schon deshalb zu beheben, weil die Maßnahme bereits seit Ende 2014 abgeschlossen ist.

Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist zu beheben, weil die Erlassung eines bestimmt gefassten Behandlungsauftrags gegenüber dem Beschwerdeführer allein aufgrund obiger Ausführungen nicht möglich ist.

IV.  Begründung für die Nichtzulassung der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall war im Wesentlichen der Sachverhalt zu klären. Im Übrigen orientiert sich die Entscheidung an der oben zitierten Judikatur. Insofern liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht vor und ist auszusprechen, dass die ordentliche Revision unzulässig ist.

Landesverwaltungsgericht Tirol

MMag. Dr. Barbara Besler

(Richterin)

Schlagworte

Behandlungsauftrag;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.34.0865.31

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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