TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/21 W111 1254997-3

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Veröffentlicht am 21.11.2017
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Entscheidungsdatum

21.11.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §88 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W111 1255380-3/5E

W111 1255000-3/6E

W111 1255014-3/5E

W111 1254997-3/5E

W111 1254996-3/5E

W111 1411102-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, 2.) XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, 3.) XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine,

4.) XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, und 5.) XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine und 6.) XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, jeweils vertreten durch XXXX in XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 31.05.2014, Zln. 1.) 13-732581501/14618829, 2.) 13-527183210/14618853, 3.) 13-250025103/14618861, 4.) 13-732581708/14618888, 5.) 13-733527305/14618896 und 6.) 13-791449808/14618900, zu Recht erkannt:

A) Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, stattgegeben und die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Erstbeschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, und die Zweitbeschwerdeführerin, eine Staatsbürgerin der Ukraine, sind verheiratet und Eltern der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer, welche jeweils die ukrainische Staatsbürgerschaft besitzen.

Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes jeweils vom 12.07.2010, Zln.

1.) D7 255380-6/2008/19E, 2.) D7 255000-1/2008/18E, wurde die Ausweisung der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, iVm § 10 Abs. 5 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, als auf Dauer unzulässig erklärt.

Den beschwerdeführenden Parteien wurden in weiterer Folge jeweils "Rot-Weiß-Rot-Karten Plus" ausgestellt.

2. Am 17.04.2014 brachten die beschwerdeführenden Parteien die diesem Verfahren zugrunde liegenden Anträge auf Ausstellung von Fremdenpässen ein.

3. Mit den im Spruch angeführten, nunmehr angefochtenen, Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 31.05.2014 wurden die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Ausstellung eines Fremdenpasses jeweils gemäß § 88 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, zurückgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die beschwerdeführenden Parteien nicht unter den in § 88 Abs. 1 FPG taxativ aufgezählten Personenkreis, für welchen die Ausstellung eines Fremdenpasses in Frage käme, fallen würden. Nachdem die beschwerdeführenden Parteien nicht unter den Adressatenkreis jener Norm fielen, bestünde für die Behörde keine Möglichkeit der Ausstellung von Fremdenpässen an die beschwerdeführenden Parteien. Diese seien weder staatenlos, noch ungeklärter Staatsangehörigkeit, weiters würden sie über kein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfügen oder die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EU" erfüllen. Eine beabsichtigte Auswanderung sei durch die beschwerdeführenden Parteien ebensowenig behauptet worden, wie besondere Leistungen im Interesse des Bundes bzw. eines Landes.

4. Gegen die dargestellten Bescheide richten sich die am 20.06.2014 fristgerecht eingebrachten Beschwerden, in welchen zusammenfassend ausgeführt wurde, der Asylgerichtshof habe erkannt, dass eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine respektive nach Indien für die Familie unzulässig wäre, wodurch die Tatsache untermauert werde, dass eine Auswanderung aus dem Bundesgebiet zur Beschaffung des erforderlichen Reisedokuments nicht zumutbar wäre, ebensowenig sei in Ermangelung der hierfür erforderlichen Unterlagen die Beschaffung eines Reisedokuments über die Vertretungsbehörde möglich; es sei ihnen mitgeteilt worden, dass selbst eine Antragstellung ihrerseits nicht möglich wäre. Aufgrund der Lage, in welcher sich die Familie befinde, werde um Ausstellung von Fremdenpässen gemäß § 88 Abs. 1 Z 4 FPG ersucht.

5. Die gegenständlichen Beschwerdevorlagen langten am 14.07.2014 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Verfügung vom 29.07.2017 wurden die gegenständlichen Rechtssachen der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem unstrittigen Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

2.2. Der mit "Ausstellung von Fremdenpässen" betitelte § 88 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013, lautet:

"(1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt – EU" (§ 45 NAG) gegeben sind;

4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder

5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.

(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

(3) Die Gestaltung der Fremdenpässe wird entsprechend den für solche Reisedokumente international üblichen Anforderungen durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. Im Übrigen hat die Verordnung den für Reisepässe geltenden Regelungen des Paßgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, zu entsprechen.

(4) Hinsichtlich der weiteren Verfahrensbestimmungen über die Ausstellung eines Fremdenpasses, der Bestimmungen über die Verarbeitung und Löschung von personenbezogenen Daten und der weiteren Bestimmungen über den Dienstleister gelten die Bestimmungen des Paßgesetzes entsprechend."

2.3. Fallgegenständlich erfolgte im Rahmen der angefochtenen Bescheide eine Zurückweisung der Anträge auf Ausstellung von Fremdenpässen gemäß § 88 Abs. 1 FPG, welche im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die beschwerdeführenden Parteien durch den in der zitierten Norm umschriebenen Personenkreis, für welchen die Ausstellung eines Fremdenpasses grundsätzlich in Frage käme, nicht umfasst wären. Mit dieser Argumentation nahm die Behörde jedoch bereits eine inhaltliche Würdigung im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausstellung von Fremdenpässen vor, welche in Form meritorischer Entscheidungen zu erfolgen gehabt hätte.

Wurde von der Unterbehörde der Antrag der Partei rechtswidrigerweise zurückgewiesen, weil sie zB zu Unrecht der Meinung war, dass in der vorliegenden Angelegenheit keine Sachentscheidung zu treffen sei (weil eine solche nicht vorgesehen wäre [VfSlg 15.629/1999], sie nicht zuständig sei oder sonst eine Prozessvoraussetzung fehle [Thienel4 269]), hat die Berufungsbehörde nur über die ungerechtfertigte Zurückweisung zu entscheiden und diese ersatzlos zu beheben (VwSlg 8991A/1976; Hauer/Leukauf6 AVG § 66 Anm 12; Hellbling 408; Hengstschläger3 Rz 525; Wielinger10 Rz 237) (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 106).

Vollständigkeitshalber festzuhalten bleibt, dass im Rahmen der angefochtenen Bescheide auch nicht näher begründet wird, weshalb im Falle der beschwerdeführenden Parteien, deren Ausweisung aus dem Bundesgebiet für auf Dauer unzulässig erklärt worden war, nicht vom Vorliegen eines unbefristeten Aufenthaltsrechts ausgegangen wird.

2.4. Da die Behörde zu Unrecht zurückweisende anstelle von Sachentscheidungen getroffen hat, waren die angefochtenen Bescheide ersatzlos zu beheben, wodurch die Verfahren über die am 17.04.2014 eingebrachten Anträge auf Ausstellung von Fremdenpässen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wieder offen sind und in weiterer Folge einer inhaltlichen Beurteilung zuzuführen sein werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

2.5. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, ersatzlose Behebung, Fremdenpass,
meritorische Entscheidung, Rechtswidrigkeit, Reisedokument,
Voraussetzungen, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W111.1254997.3.00

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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