TE Bvwg Beschluss 2017/11/23 L507 2171553-1

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Veröffentlicht am 23.11.2017
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Entscheidungsdatum

23.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L507 2171551-1/4E

L507 2171553-1/4E

L507 2171549-1/4E

L507 2171547-1/4E

L507 2171546-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerden 1.) des XXXX , geb. XXXX , 2.) der XXXX , geb. XXXX , 3.) der XXXX , geb. XXXX , 4.) des XXXX , geb. XXXX und 5.) des

XXXX , geb. XXXX , alle StA. ungeklärt, alle vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.08.2017, Zlen. XXXX ,

XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerden werden die Spruchpunkte I. der bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Ehegatten; die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer sind die minderjährigen Kinder des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.

Nach illegaler Einreise in Österreich stellten die Beschwerdeführer Anträge auf internationalen Schutz.

Bei der niederschriftlichen Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.04.2015 bzw. 21.10.2015 sowie bei der niederschriftlichen Einvernahme vor einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 13.06.2017 brachten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie Angehörige der palästinensischen Volksgruppe, muslimisch-sunnitischen Glaubens und staatenlos seien. Sie hätten bis 2009 gemeinsam mit ihren Kindern im Irak, in Bagdad, gelebt und hätten den Irak im Jahr 2009 verlassen, weil sie wegen ihrer palästinensischen Herkunft und ihrer sunnitischen Religionszugehörigkeit Probleme mit schiitischen Gruppierungen gehabt hätten. Von 2009 bis 2013 hätten sie in Syrien im Lager für palästinensische Flüchtlinge Yarmuk gelebt. Nachdem das Lager in Folge der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien zerstört worden sei, seien sie in die Türkei und in weiterer Folge bis nach Österreich gereist. Die Zweitbeschwerdeführerin sei zwar in Bagdad geboren, habe aber vor ihrer Heirat (2005) in Syrien gelebt.

2. Mit Bescheiden des BFA vom 14.08.2017, Zlen. XXXX ,

XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , wurden die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß

§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG bzw. § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG befristete Aufenthaltsberechtigungen bis zum 14.08.2018 erteilt.

Im angefochtenen Bescheid des BFA betreffend den Erstbeschwerdeführer wurde zu seiner Person festgestellt, dass die Identität des Erstbeschwerdeführers nicht feststehe. Der Personalausweis des Erstbeschwerdeführers sei vom Bundeskriminalamt in Wien als Totalfälschung eingestuft worden.

Der Erstbeschwerdeführer sei staatenloser Palästinenser aus dem Irak und gehöre der muslimisch-sunnitischen Religionsgemeinschaft an. Er sei verheiratet und habe drei Kinder.

Demgegenüber wurde in der rechtlichen Begründung auf Seite 80 des angefochtenen Bescheides Folgendes ausgeführt:

"Prüfungsgegenstand im Asylverfahren gemäß § 3 AsylG 2005 ist der Herkunftsstaat des Antragstellers. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 ist der Herkunftsstaat jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.

Wie in den Feststellungen zu Ihrer Person ausgeführt, sind Sie irakischer Staatsangehöriger, weshalb Irak in ihrem Fall prüfungsrelevant ist."

Im angefochtenen Bescheid des BFA betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wurde zu Ihrer Person festgestellt, dass die Identität der Zweitbeschwerdeführerin feststehe. Die Zweitbeschwerdeführerin sei staatenlose Palästinenserin aus Syrien und muslimisch-sunnitischen Glaubens.

In den angefochtenen Bescheiden betreffend die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer wurde jeweils zur Person der Beschwerdeführer festgestellt, dass die Identitäten nicht feststehen würden. Die Beschwerdeführer seien der Sohn/die Tochter des XXXX , geb. am XXXX , staatenloser Palästinenser aus dem Irak und der XXXX , geb. am XXXX , staatenlose Palästinenserin aus dem Irak.

3. Gegen diese Bescheide wurden am 12.09.2017 gleichlautende Beschwerden erhoben, wobei unter anderem die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchteil A):

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2.2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen relevanter behördlicher Sachverhaltsermittlungen. Hinsichtlich dieser Voraussetzung gleicht die Bestimmung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG jener des § 66 Abs. 2 AVG, der als – eine – Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung gleichfalls Mängel der Sachverhaltsfeststellung normiert, sodass insofern – auch wenn § 66 Abs. 2 AVG im Gegensatz zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG als weitere Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraussetzt – auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG zurückgegriffen werden kann.

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

3. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Vom Erstbeschwerdeführer und von der Zweitbeschwerdeführerin wurde im Verfahren vor dem BFA vorgebracht, dass sie staatenlose Palästinenser seien und bis 2009 im Irak gelebt hätten. Von 2009 bis 2013 hätten die Beschwerdeführer in einem Lager für palästinensische Flüchtlinge in Syrien gelebt, wobei die Zweitbeschwerdeführerin vor ihrer Heirat im Jahr 2005 bereits für längere Zeit in Syrien aufhältig gewesen sei.

Der Erstbeschwerdeführer brachte zu Beweiszwecken bzw. zur Untermauerung seines Vorbringens eine Bestätigung der Botschaft des Staates Palästina in Damaskus vom XXXX in Vorlage, woraus hervorgeht, dass es sich beim Erstbeschwerdeführer und seiner Familie um Angehörige der Volksgruppe der Palästinenser handelt. Aus der Bestätigung von UNHCR vom XXXX geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit dem 08.09.2009 in Syrien aufhältig und als Flüchtling von UNHCR registriert worden sei. Des Weiteren brachte der Beschwerdeführer eine Berechtigungskarte von UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees) vom XXXX und eine im Jahr 1995 im Irak ausgestellte Identitätskarte für Palästinenser in Vorlage.

Bei der kriminaltechnischen Untersuchung durch das Bundeskriminalamt der im Jahr 1995 ausgestellten Identitätskarte für Palästinenser wurde festgestellt, dass es sich bei diesem Dokument um eine Totalfälschung handeln würde.

Trotz der vom Erstbeschwerdeführer in Vorlage gebrachten Dokumente, traf das BFA im angefochtenen Bescheid den Erstbeschwerdeführer betreffend – einzig gestützt auf den Befund des Bundeskriminalamtes, dass es sich bei der im Jahr 1995 im Irak ausgestellten Identitätskarte um eine Totalfälschung handeln würde, und unter gänzlicher Außerachtlassung der übrigen vom Erstbeschwerdeführer in Vorlage gebrachten Dokumente – keine konkreten Feststellungen zur Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit des Erstbeschwerdeführers.

Infolge der Unterlassung eindeutiger und konkreter Feststellungen zur Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit des Erstbeschwerdeführers ging die belangte Behörde bei der Prüfung und Beurteilung des Antrages auf international Schutz davon aus, dass es sich beim Erstbeschwerdeführer um einen Staatsangehörigen des Irak (vgl. die Ausführungen im angefochtenen Bescheid auf Seite 80) handelt, weshalb als Herkunftsstaat des Erstbeschwerdeführers der Irak angenommen und geprüft wurde.

Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wurde ebenso als im Asylverfahren zu prüfender Herkunftsstaat der Irak herangezogen, obwohl die belangte Behörde die Feststellung traf, dass es sich bei der Zweitbeschwerdeführerin um eine aus Syrien stammende staatenlose Palästinenserin handeln würde.

Weitergehende Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit der Beschwerdeführer wurden vom BFA gänzlich unterlassen.

Nach Ansicht des Bundeswartungsgerichtes sind aber vor dem Hintergrund des

§ 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz von Personen, die behaupten staatenlos zu sein, eingehende und umfangreiche Ermittlungen und darauf gestützte eindeutige und konkrete Feststellungen zur Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit der Antragsteller notwendig und unbedingt erforderlich, zumal nach

§ 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 der Herkunftsstaat der Staat ist, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besitzen, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Herkunftsstaat im Sinne dieser Bestimmung ist somit primär jener Staat, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht; nur wenn ein solcher Staat nicht existiert, wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthaltes zurückgegriffen. Auf welchen Staat diese Voraussetzungen im Einzelfall zutreffen, ist von den Asylbehörden zu ermitteln und festzustellen.

Da es sich bei den Beschwerdeführern unter Zugrundelegung der von ihnen in Vorlage gebrachten Dokumente und Bestätigungen mit großer Wahrscheinlichkeit um staatenlose Palästinenser handelt, wären auch umfangreiche Ermittlungen zum letzten dauernden (gewöhnlichen) Aufenthalt der Beschwerdeführer durchzuführen gewesen. Gestützt auf das Ergebnis dieser Ermittlungen wären sodann eindeutige Feststellungen zum letzten dauernden (gewöhnlichen) Aufenthalt der Beschwerdeführer zu treffen gewesen.

Zusammengefasst leiden die angefochtenen Bescheide unter diesen Gesichtspunkten unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen die Beschwerdeführer gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung der Beschwerdeführer unter dem Aspekt der Gewährung des Status von Asylberechtigten als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

Damit hat die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ermittlungen gänzlich unterlassen, wobei diese Ermittlungen nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht erstmals vorgenommen werden müssten.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen der belangten Behörde nicht feststeht und diese Ermittlungstätigkeit sowie die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (erstmals) durch das Bundesverwaltungsgericht selbst vorgenommen werden müsste, war gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an die Behörde vorzugehen.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich das BFA insbesondere auch mit der Frage auseinander zu setzen haben, ob es sich beim Aufenthalt der Beschwerdeführer in Syrien von 2009 bis 2013 um einen dauernden (gewöhnlichen) Aufenthalt gehandelt hat, zumal die Beschwerdeführer von UNHCR in Syrien als Flüchtlinge und auch von UNRWA registriert wurden und die Zweitbeschwerdeführerin über ein syrisches Reisedokument für palästinensische Flüchtlinge verfügt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (s. § 28 Abs. 3,

3. Satz VwGVG; vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc,

s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass die belangte Behörde das im Rahmen der Beschwerdeverfahren erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen in der Beschwerde feststeht, dass die angefochtenen Bescheide zu beheben und zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen waren.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß

Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Herkunftsstaat, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Staatsangehörigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:L507.2171553.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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