Entscheidungsdatum
11.12.2017Norm
BFA-VG §18 Abs5Spruch
L526 2178896-1/3Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. P.M. SCHREY, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.11.2017, Zl. XXXX , beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gem. § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I Nr. 87/2012 idgF zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Mit Schreiben vom 11.10.2017 wurde dem BF mitgeteilt, dass am 27.6.2017 ein Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot wegen einer Verurteilung nach dem Suchtmittelgesetz eingeleitet wurde. Mit Schreiben vom 16.10.2017 erhob der BF dagegen "Einspruch" und brachte im Wesentlichen vor, dass er aufgrund seiner Inhaftierung zur Zeit keiner Arbeit nachgehen könne, davor aber bei fünf namentlich genannten Unternehmen in den dort jeweils genannten Zeiträumen gearbeitet habe. Er habe keine Vorstrafen in der Türkei oder in der EU, sei in Österreich gut integriert, spreche gut Deutsch und habe soziale Anknüpfungspunkte in Tirol. In diesem Zusammenhang listete er die Namen und Daten verschiedener Personen auf. Zudem verwies er darauf, dass er seit neun Jahren in Tirol aufhältig sei. Er habe einen Freundeskreis in der Türkei, fast seine ganze Familie sei jedoch in Österreich. Fast die ganze Aufenthaltszeit habe er in Österreich gearbeitet und möchte seine kriminelle Vergangenheit hinter sich lassen. Abschließend bat er darum, die oben genannten Punkte zu berücksichtigen und ihm noch einmal eine Chance zu geben.
2. Mit Bescheid vom 21.11.2017 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) gemäß § 52 Abs. 4 FPG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt III). Einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wird ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.)
Das BFA begründet den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unter anderem damit, dass der BF aufgrund der erfolgten Verurteilungen im Bundesgebiet massiv straffällig geworden sei. Daraus ergebe sich ein Persönlichkeitsbild, welches die Ausreise seiner Person im Angesicht der Interessen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auf jeden Fall erforderlich mache. Er habe mit seinem Verhalten bewiesen, dass er die Rechtslage im Bundesgebiet Österreichs nicht respektieren und einhalten wolle. Er habe die ihm angelasteten Verbrechen begangen, um sich eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen und sich damit seinen Suchtmittelkonsum finanzieren zu können. Aufgrund des bereits mehrfach zitierten Gesamtfehlverhaltens, insbesondere im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung, sei die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich.
Für die Behörde stehe fest, dass für den BF bei der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Es sei in seinem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Mangels Vorliegen einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr sei es ihm zumutbar, den Ausgang des Verfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Sein Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Verfahrens sei im Hinblick auf das Interesse Österreichs an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung nicht zu berücksichtigen.
2. Die fristgerecht eingebrachte Beschwerde brachte zusammengefasst vor, der Beschwerdeführer (im Weiteren: BF) lebe seit 2008 in Österreich, habe sich ein soziales Umfeld aufgebaut und spreche sehr gut Deutsch. Er sei in Österreich gut integriert und war stets bemüht, einer Arbeit nachzugehen. Zuletzt sei ihm ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot Plus" ausgestellt worden. Bei der Bemessung des Einreiseverbotes sei nach der Judikatur des VwGH das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Das sei im vorliegenden Fall aber nicht passiert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, hält sich seit dem 22.8.2008 im Bundesgebiet auf und ist Inhaber eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Plus". Der BF hat nachweislich seit dem Jahr 2010 bei verschiedenen Unternehmen als Bauhilfsarbeiter gearbeitet. Mit Urteil des LG Innsbruck vom 22.9.2017 wurde der BF wegen § 28a Abs. 3 SMG iVm § 27 Abs. 5 SMG zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Gemäß § 38 Abs. 1 StGB wurde die erlittene Vorhaft auf die verhängte Strafe angerechnet. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der BF zu datumsmäßig nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen einem unbekannten Zeitpunkt im Jahr 2015 bis Mai 2017 im Großraum Innsbruck und Jenbach vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge nach § 28 b SMG insgesamt überschreitende Gesamtmenge anderen größtenteils gewinnbringend angeboten und überlassen hat, indem er im Verlaufe einer Vielzahl gewinnbringender Verkaufshandlungen insgesamt 2.402 Gramm Cannabis zumindest 8%igen THC-Gehalts (192,16 Gramm reines THC) und 1 Gramm Kokain 20%igen Reinheitsgrades (0,2 Gramm Kokain) an 4 im Urteil genannte Personen weitergab, wobei der BF zu den Tatzeitpunkten selber an Suchtmittel gewöhnt war und diese Straftaten vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel bzw. Mittel zu deren Erwerb zu beschaffen.
2. Beweiswürdigung:
Der hierfür maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels anderweitiger gesetzlicher Anordnung liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
§ 18 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2014, idgF lautet:
"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."
Das BFA hat im gegenständlichen Verfahren gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Im vorliegenden Fall kann ohne nähere Prüfung des Sachverhaltes jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den in Aussicht genommenen Zielstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG entfallen.
Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG regelt, dass das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen amtswegig zuzuerkennen hat. Ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - wie er etwa in § 13 Abs. 3 und 4 und § 22 Abs. 1 und 3 VwGVG sowie § 30 Abs. 2 VwGG vorgesehen ist - ist in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG ist somit unzulässig (vgl. zum Ganzen den Beschluss des VwGH vom 13. September 2016, Fr 2016/01/0014, sowie dem folgend die Beschlüsse des VwGH vom 19. Juni 2017, Fr 2017/19/0023 und 0024, und vom 27. Juni 2017, Fr 2017/18/0022).
Zu B) Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Darüber hinaus liegt bei Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Antragsbegehren, aufschiebende Wirkung, Rechtsanschauung des VwGH,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:L526.2178896.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.12.2017