TE Vwgh Erkenntnis 2000/6/28 99/12/0279

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Veröffentlicht am 28.06.2000
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
72/13 Studienförderung;

Norm

ABGB §144;
ABGB §146;
ABGB §166;
ABGB §167;
ABGB §672;
StudFG 1992 §19 Abs2 Z3;
StudFG 1992 §19 Abs4;
StudFG 1992 §19 Abs6 Z2 idF 1998/I/077;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenring 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 29. Juni 1999, Zl. 54.019/48-I/D/4a/99, betreffend Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2 des Studienförderungsgesetzes 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1970 geborene Beschwerdeführer betreibt das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Er legte die erste Diplomprüfung am 19. Juni 1993, die zweite Diplomprüfung am 2. Februar 1999, im insgesamt 11. Semester nach Ablegung der

1. Diplomprüfung, ab. Er überschritt damit die gesetzliche Studiendauer um insgesamt 5 Semester im 2. Abschnitt. Vorliegendenfalls ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Studienbeihilfe im anschließenden Doktoratsstudium strittig.

Der Beschwerdeführer hat zwei uneheliche Kinder, Franziska, geboren am 6. Februar 1994, und Felix, geboren am 25. Juni 1996. Er lebt mit den Kindern und der Mutter der Kinder im gemeinsamen Haushalt (Anmerkung: Schon in einer Niederschrift über die Anerkennung der Vaterschaft zur mj. Franziska vom 11. Februar 1994 scheint beim Beschwerdeführer, beim Kind und bei der Mutter des Kindes die gleiche Anschrift auf). Mit Beschluss des Pflegschaftsgerichtes vom 5. Februar 1997 (Rechtskraftbestätigung vom 6. März 1997; Daten nach der in den Akten befindlichen Beschlussausfertigung) wurde ihm und der Mutter der Kinder (auf Grund eines Antrages vom 20. September 1996 und im Hinblick auf einen befürwortenden Bericht des Amtes für Jugend und Familie vom 9. Dezember 1996) gemeinschaftlich die Obsorge hinsichtlich dieser beiden Kinder übertragen

Unter dem Datum 3. März 1999 (Einlaufstampiglie: 5. März) brachte der Beschwerdeführer unter Verwendung eines amtlichen Vordruckes einen Antrag auf Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit im zweiten Studienabschnitt ein und begründete diesen mit "Pflege und Erziehung eines Kindes bis zum 3. Lebensjahr" (Wortlaut der angekreuzten Rubrik). In einem ergänzenden schriftlichen Vorbringen vom 4. März 1999 führte er aus, dass er einen günstigen Studienerfolg aufgewiesen habe. Die Studienzeitüberschreitung habe sich "nicht aus dem Studium selbst" ergeben, sondern vielmehr daraus, dass er sich mit seiner Lebensgefährtin, welche selbst kurz vor dem Abschluss ihres Landschaftsplanungsstudiums an der Universität für Bodenkultur stehe, gemeinsam und weitestgehend "auf uns selbst gestellt" um die beiden gemeinsamen Kinder Franziska und Felix gekümmert habe. Hiezu sei auch festzuhalten, dass die Großeltern der Kinder berufstätig seien und in Kärnten und in der Steiermark lebten, weshalb sie nur in Ausnahmesituationen "unter die Arme" hätten greifen können. Der Senat der Studienbeihilfebehörde befürwortete den Antrag.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 4. Juni 1999 wurde der Antrag mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass keine ausreichenden Gründe für die Rechtfertigung des überwiegenden Ausmaßes der Studienzeitverkürzung vorlägen. Insbesondere sei die Pflege und Erziehung der beiden Kinder erst ab dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, ab welchem der Beschwerdeführer durch die Übertragung der Obsorge zur Pflege und Erziehung gesetzlich verpflichtet worden sei. Dies sei der 5. Februar 1997 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Beschwerdeführer bereits am Ende des 7. Semesters des 2. Studienabschnittes befunden. Überdies könne die Pflege und Erziehung eines Kindes in einem Nachsichtsverfahren nämlich nur für dessen erste drei Lebensjahre geltend gemacht werden. Der Beschluss des Pflegschaftsgerichtes datiere vom 5. Februar 1997, das sei ein Tag vor dem 3. Geburtstag seiner Tochter gewesen. Wenn nun die Pflege und Erziehung eines Kindes über einen Zeitraum von 3 Jahren im Ausmaß von maximal 2 Semestern als Nachsichtsgrund zu berücksichtigen sei, so könne die Pflege und Erziehung eines Kindes über einen Zeitraum von einem Tag vorliegendenfalls keine Berücksichtigung finden.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er geltend machte, dass die Studienbeihilfenbehörde in der Vergangenheit die Pflege und Erziehung der Kinder bei der Verlängerung der Anspruchsdauer innerhalb des Diplomstudiums sehr wohl berücksichtigt habe. Weiters habe der Senat der Studienbeihilfenbehörde den Antrag befürwortet. Außerdem sei die Pflege und Erziehung eines Kindes zu berücksichtigen, wie sich aus § 19 Abs. 2 StudFG ergebe, Abs. 4 leg. cit. sei nur ein Sonderfall gegenüber diesem Abs. 2. Tatsächlich habe er mit seiner Lebensgefährtin gemeinsam die Kinder gepflegt und erzogen, sodass es rechtswidrig sei, dies unberücksichtigt zu lassen. Überdies sei seine Lebensgefährtin durch ihr Studium und darüber hinaus durch einen Tutoriumsaufenthalt zeitlich in Anspruch genommen worden, weshalb die Erziehung der gemeinsamen Tochter ohne seine Mitwirkung schwer beeinträchtigt gewesen wäre (es folgten umfangreiche Beweisanträge).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage nach dem StudFG führte die belangte Behörde begründend aus, die Anwendung des § 19 Abs. 4 StudFG setze voraus, dass während jener Zeit, für die eine Studienbehinderung infolge Pflege und Erziehung von Kindern geltend gemacht werde, auch eine gesetzliche Verpflichtung zur Pflege und Erziehung bestanden habe. Gemäß § 166 ABGB komme bei unehelichen Kindern die Obsorge der Mutter allein zu. Gemäß § 167 ABGB habe das Gericht auf gemeinsamen Antrag der Eltern zu verfügen, dass beiden Elternteilen die Obsorge für das Kind zukomme, wenn die Eltern mit dem Kind in dauernder häuslicher Gemeinschaft lebten und diese Verfügung für das Wohl des Kindes nicht nachteilig sei. Ein solcher Beschluss wirke hinsichtlich der Übertragung der Obsorge immer nur für die Zukunft, nie rückwirkend. Die gesetzliche Verpflichtung zur Pflege und Erziehung von unehelichen Kindern treffe den Vater daher erst dann, wenn eine solche Verfügung vorliege.

Daraus sei klar abzuleiten, dass § 19 Abs. 4 StudFG nur hinsichtlich des Sohnes des Beschwerdeführers anwendbar sei, weil seine Tochter zum Zeitpunkt, als ihm die gesetzliche Obsorge übertragen worden sei, bereits das 3. Lebensjahr "praktisch vollendet" gehabt habe. "Unter Berücksichtigung" des § 19 Abs. 4 StudFG könnten daher nur für ein Kind zwei Semester der Überschreitung der Studienzeit berücksichtigt werden.

Zum Vorbringen, dass § 19 Abs. 4 StudFG nur eine Sonderbestimmung hinsichtlich der grundsätzlich bereits im § 19 Abs. 2 Z. 3 StudFG berücksichtigten Umstände (unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis) enthalte, sei zur Auslegung dieser Bestimmung auf die Regierungsvorlage zur Novelle des Studienförderungsgesetzes durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 619/1994 zu verweisen (1591 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XVIII GP). Mit dieser Novelle sei im § 19 Abs. 6 Z. 2 StudFG ausdrücklich ein Verweis auf § 19 Abs. 4 leg. cit. als berücksichtungswürdiger Grund aufgenommen worden. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage heiße es: (Zitat im Original) "Auch Kindererziehung wird damit zum Nachsichtsgrund bei Studienzeitüberschreitungen, die zum Ausschluss vom Anspruch der Studienbeihilfe geführt haben". Daraus lasse sich der Schluss ziehen, dass bis zu diesem Zeitpunkt trotz eines Verweises auf § 19 Abs. 2 leg. cit. der Gesetzgeber die Kindererziehung nicht als wichtigen Grund angesehen habe, der eine Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit gerechtfertigt hätte. Erst mit dem ausdrücklichen Verweis auf § 19 Abs. 4 leg. cit. sei die Kindererziehung auch für die Nachsicht von der Studienzeitüberschreitung anwendbar gemacht worden. Nicht nur die "authentische Interpretation" durch diese Materialien führten zu diesem Ergebnis, sondern auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Dieser habe in seinem Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 96/12/0040, zwar festgestellt, dass dem § 19 Abs. 4 StudFG für Fälle der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten keine ausschließliche Bedeutung zukomme. Allerdings habe er die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 2 Z. 3 StudFG in Ergänzung zu § 19 Abs. 4 leg. cit. für Fälle besonderer Probleme bei der Pflege und Erziehung von Kindern (besondere Pflegeleistung der Eltern wegen schwerer Erkrankung des Kindes) eingegrenzt. Derartige besondere Behinderungen, die über das übliche Ausmaß der für Kleinkinder erforderlichen Pflege hinausgingen, habe der Beschwerdeführer weder geltend gemacht noch seien sie aus den Akten ersichtlich. Der Umstand, dass beide Eltern studierten und zusätzlich durch andere Tätigkeiten (Abhaltung von Tutorien) im Ausmaß ihrer zeitlichen Verfügbarkeit für das Kind eingeschränkt seien, bedeute ja nicht, dass Kinder einen überdurchschnittlichen Pflegeaufwand beanspruchten.

Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass - wie im erstinstanzlichen Bescheid zutreffend festgestellt worden sei - von den vom Beschwerdeführer geltend gemachten wichtigen Gründen lediglich die Pflege und Erziehung seines Sohnes im Ausmaß von 2 Semestern zu berücksichtigen sei. Diese 2 Semester stellten jedenfalls nicht das überwiegende Ausmaß der insgesamt 5 Semester dauernden Studienzeitüberschreitung des 2. Studienabschnittes des Beschwerdeführers dar.

Auf die Aufnahme der vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise sei zu verzichten gewesen, weil im Hinblick auf die dargelegte rechtliche Beurteilung es nicht auf den tatsächlich erforderlichen und auch erbrachten Aufwand für die Pflege und Erziehung der Kinder ankomme.

Der Umstand, dass die Studienbeihilfenbehörde bei der Bemessung der Studienbeihilfe im 2. Studienabschnitt des Diplomstudiums in Verkennung der Rechtslage für beide Kinder die Verlängerung der Anspruchsdauer gemäß § 19 Abs. 4 StudFG "vorgenommen" habe, vermöge daran nichts zu ändern, dass vorliegendenfalls die Frage neu zu prüfen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer hat unaufgefordert eine Gegenäußerung zur Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist auf Grund der zeitlichen Lagerung das StudFG 1992, BGBl. Nr. 305, grundsätzlich in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 23/1999 anzuwenden. Hinsichtlich der Bestimmungen des § 19 StudFG, deren Änderung durch die zuvor genannte Novelle erst mit 1. September 1999 in Kraft trat, ist das Gesetz in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 77/1998 anzuwenden (§ 15 Abs. 3 leg. cit. - betreffend den Anspruch für ein Doktoratsstudium - ist gemäß § 75 Abs. 19 leg. cit. hier in der bis zum 28. Februar 1998 geltenden Fassung anzuwenden).

Die Verlängerung der Anspruchsdauer aus wichtigen Gründen ist im § 19 StudFG geregelt. Die Anspruchsdauer ist nach Abs. 1 zu verlängern, wenn der Studierende nachweist, dass die Studienzeitüberschreitung durch einen wichtigen Grund verursacht wurde.

Wichtige Gründe im Sinne des Abs. 1 sind gemäß Abs. 2:

1. Krankheit des Studierenden, wenn sie durch fachärztliche Bestätigung nachgewiesen wird,

2.

Schwangerschaft der Studierenden und

3.

jedes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, wenn den Studierenden daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach Abs. 3 bewirkt eine Schwangerschaft die Verlängerung der Anspruchsdauer um ein Semester.

Die Pflege und Erziehung eines Kindes vor Vollendung des dritten Lebensjahres, zu der der Studierende während seines Studiums gesetzlich verpflichtet ist, bewirken nach Abs. 4 die Verlängerung der Anspruchsdauer um insgesamt höchstens zwei Semester je Kind, ohne dass es eines weiteren Nachweises über die Verursachung der Studienverzögerung bedarf.

Der Leiter der Studienbeihilfenbehörde hat gemäß § 19 Abs. 6 StudFG auf Antrag des Studierenden und nach Anhörung des zuständigen Senates der Studienbeihilfenbehörde

              1.              bei Studien im Ausland, überdurchschnittlich umfangreichen und zeitaufwändigen wissenschaftlichen Arbeiten oder ähnlichen außergewöhnlichen Studienbelastungen die Anspruchsdauer um ein weiteres Semester zu verlängern oder

              2.              bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der Z. 1 oder der Abs. 2 und 4 die Überschreitung der zweifachen Studienzeit des ersten Studienabschnittes zuzüglich eines Semesters (§ 20 Abs. 2 und § 21 Abs. 2) oder die Überschreitung der Studienzeit des zweiten und dritten Studienabschnittes um mehr als vier Semester (§ 15 Abs. 2 (Anmerkung: nunmehr richtig Abs. 3)) nachzusehen,

wenn das überwiegende Ausmaß der Studienzeitüberschreitung auf die genannten Gründe zurückzuführen und auf Grund der bisherigen Studienleistungen zu erwarten ist, dass der Studierende die Diplomprüfung (das Rigorosum) innerhalb der Anspruchsdauer ablegen wird.

Kern des Streites ist, ob die vom Beschwerdeführer behauptete Pflege und Erziehung seiner Tochter einen wichtigen Grund im Sinne des § 19 Abs. 6 Z. 2 StudFG darstellen kann oder nicht.

§ 19 Abs. 4 StudFG setzt voraus, dass der Studierende zur Pflege und Erziehung des Kindes gesetzlich verpflichtet ist. Eine solche Verpflichtung kann sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben (so nach § 144 ABGB hinsichtlich beider Eltern eines ehelichen Kindes, oder nach § 166 ABGB hinsichtlich der Mutter des unehelichen Kindes), oder auch mittelbar, wenn dem Studierenden Pflege und Erziehung durch eine gerichtliche Entscheidung übertragen wurde (dieser Aspekt ist hier von Belang). Letzteres erfolgte hinsichtlich des Beschwerdeführers mit der Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes vom 5. Februar 1997, wobei diese Übertragung frühestens mit der Wirksamkeit dieses Beschlusses (das ist in der Regel mit der Zustellung) erfolgte; wann dies genau der Fall war, lässt sich den vorgelegten Akten nicht entnehmen (wohl spätestens am 6. März 1997, weil mit diesem Tag die Rechtskraft bestätigt wurde). Auf die Datierung dieses Beschlusses kommt es entgegen der möglicherweise dem erstinstanzlichen Bescheid zugrundeliegenden Auffassung nicht an (das bedeutet, dass unter Bedachtnahme auf die üblichen Manipulationsfristen der besagte Beschluss ohnedies erst nach dem 3. Geburtstag der Tochter des Beschwerdeführers wirksam geworden sein dürfte, sodass die im erstinstanzlichen Bescheid angeschnittene "Ein-Tages-Problematik" wohl gar nicht gegeben war). Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer vor Wirksamkeit des besagten Beschlusses zur Pflege und Erziehung seiner Kinder im Sinne des § 19 Abs. 4 StudFG nicht "gesetzlich verpflichtet" war. Seine diesbezügliche Gegenargumentation insbesondere in der Äußerung zur Gegenschrift verfängt nicht. Es ist freilich richtig, dass der Beschwerdeführer vor Übertragung der Obsorge auch für seine Tochter unterhaltspflichtig war, und es ist auch richtig, dass Unterhalt bei einem gemeinsamen Haushalt grundsätzlich in natura zu leisten ist. Ebenso ist nicht unrichtig, dass zum Unterhalt auch die "Erziehung" gerechnet wird. Nach der Definition des § 672 ABGB "begreift" Unterhalt "Nahrung, Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse, und zwar auf lebenslang, wie auch den nötigen Unterricht in sich. Alles dieses wird auch unter Erziehung verstanden". Das vermag aber daran nichts zu ändern, dass dem Beschwerdeführer als außerehelichem Vater die Pflege und Erziehung (§ 146 ABGB) hinsichtlich seiner Kinder vor Übertragung der Obsorge nicht zukam (nach dem Gesagten auch nicht im Sinne des § 19 Abs. 4 StudFG).

Die Berücksichtigung einer Studienverzögerung durch die behauptete Pflege und Erziehung der minderjährigen Franziska durch den Beschwerdeführer käme aber - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nach § 19 Abs. 2 Z. 3 StudFG in Betracht. Sollte die Auffassung der belangten Behörde dahin gehen, dass die Berücksichtigung der Pflege und Erziehung eines Kindes vor Vollendung des 3. Lebensjahres (grundsätzlich) nur gemäß § 19 Abs. 4 in Betracht käme, also auf Grund einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung, ansonsten (außer bei einem außergewöhnlichen Pflegeaufwand) aber nicht, ist dem nicht zu folgen, zumal ein solches Ergebnis keineswegs als sachgerecht und gesetzlich geboten angesehen werden könnte. Der Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Gesetzesmaterialien der Novelle BGBl. Nr. 619/1994 steht dem nicht entgegen. Abs. 2 und Abs. 4 des § 19 gelten seit Inkrafttreten des StudFG 1992 in der Stammfassung. Der hier maßgebliche Teil des § 19 Abs. 6 Z. 2 leg. cit. lautete bis zu dieser Novelle: "... bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der Z. 1 oder des Abs. 2 die Überschreitung der zweifachen Studienzeit ..."; auf Grund der Novelle hatte dieser Teil zu lauten: "...bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der Z. 1 oder der Absätze 2 und 4 die Überschreitung der zweifachen Studienzeit ...". Dies wird in den erläuternden Bemerkungen (GP XVIII RV 1591, Seite 14, zu Z. 13) lapidar wie folgt begründet: "Auch Kindererziehung wird damit zum Nachsichtsgrund bei Studienzeitüberschreitungen, die zum Ausschluss vom Anspruch auf Studienbeihilfe geführt haben". Diese Begründung ist unzutreffend (siehe dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1996, VfSlg. Nr. 14442/1996, und Novak, Österreichisches Studienrecht, Anm. 50 zu § 19 StudFG), daraus ergibt sich jedenfalls nicht, dass das Gesetz zwingend in dem von der belangten Behörde vertretenen Sinne auszulegen wäre. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinen Erkenntnissen zunächst vom 24. Jänner 1996, Zl. 94/12/0179, und in weiterer Folge vom 17. September 1997, Zl. 95/12/0220, ausgeführt hat, regelt Abs. 4 einen Sonderfall, der aber an sich unter die Generalklausel des Abs. 2 Z. 3 fällt, in der Weise, dass für diesen Fall ohne weiteren Nachweis über die Ursache ebenfalls einer Verlängerung der Anspruchsdauer bewirkt wird. Dies, so heißt es in diesen Erkenntnissen, sei einerseits im Hinblick auf die Erfahrung erfolgt, dass mit der Obsorge für ein Kleinkind eine erhebliche Beeinträchtigung für die Betreuungsperson verbunden sei, andererseits im Hinblick auf die Vereinfachung des Ermittlungsverfahrens. Die Argumentation der belangten Behörde gibt keinen Anlass, von dieser Beurteilung (dass Abs. 4 einen Sonderfall regle, der aber an sich unter die Generalklausel fiele) abzugehen. Hier liegt hinsichtlich der mj. Franziska im Zeitraum vor der Übertragung der Obsorge an den Beschwerdeführer eben nicht der Regelfall des Abs. 4 vor, dass der Studierende das Kind auf Grund einer gegebenen gesetzlichen Verpflichtung pflegt und erzieht. Andererseits unterscheidet sich der Fall vom Faktischen her, folgte man den Behauptungen des Beschwerdeführers, nicht von der Pflege und Erziehung eines ehelichen Kindes im gemeinsamen Haushalt, hinsichtlich dessen Pflege und Erziehung bereits ab Geburt beiden Eltern zukommt. Ein solcher Sachverhalt - Pflege und Erziehung im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern - kann, insbesondere aus der Sicht des Kindes (also einer Person, die gemäß § 21 Abs. 1 ABGB unter dem besonderen Schutz der Gesetze steht), keinesfalls als von der Rechtsordnung unerwünscht angesehen werden, zumal einerseits § 137 Abs. 1 ABGB (wonach die Eltern für die Erziehung ihrer minderjährigen Kinder zu sorgen und überhaupt ihr Wohl zu fördern haben) gleichermaßen für eheliche wie für uneheliche Kinder gilt (s. beispielsweise Pichler in Rummel, Kommentar zum ABGB I2, RZ 1 zu § 137), und andererseits davon ausgegangen werden kann, dass Kleinkindern (um solche geht es hier) der Familienstand ihrer Eltern (also ob miteinander verheiratet oder nicht) schon mangels intellektueller Erfassbarkeit des rechtlichen Unterschiedes ganz irrelevant sein wird. Jedenfalls bewirken die - vom Gesetzgeber auf Grund typologischer Unterschiede als erforderlich erachteten - teilweise unterschiedlichen familienrechtlichen Regelungen für eheliche und uneheliche Kinder nicht zwingend, dass - vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles - die behauptete Pflege und Erziehung der minderjährigen Franziska vor Übertragung der gemeinsamen Obsorge nach § 19 (hier: Abs. 2 Z. 3) StudFG keinesfalls eine Berücksichtigung finden könnte.

Abgesehen davon, dass es darauf im Beschwerdefall nicht ankommt, ist auch kein Ansatz dafür ersichtlich, den Eltern des Kindes (und damit auch dem Beschwerdeführer) etwa entgegenzuhalten, dass sie den Antrag gemäß § 167 ABGB (Übertragung der gemeinschaftlichen Obsorge) nicht schon früher gestellt haben. Eine solche Übertragung der gemeinschaftlichen Obsorge nach § 167 ABGB ist nämlich für eine faktische, harmonische, gemeinsame Ausübung der Obsorge keineswegs erforderlich; das Unterbleiben einer solchen Übertragung schließt ein Einvernehmen mit dem obsorgeberechtigten Elternteil (hier: der Mutter) auch nicht aus . Gerade die Möglichkeit eines einvernehmlichen Vorgehens der Eltern eines ehelichen Kindes nach Scheidung der Ehe und Zuweisung der Obsorge an einen Elternteil allein gemäß § 177 ABGB war aber für den Verfassungsgerichtshof (mit-)bestimmend, Anträge zweier Rechtsmittelgerichte in Pflegschaftssachen, das Wort "allein" im Abs. 1 des § 177 ABGB als verfassungswidrig aufzuheben, abzuweisen (VfSlg 14301/1995, hier insbes. S 502, Abschnitt gg). Vor diesem Hintergrund kann daher der Umstand, dass allenfalls eine Übertragung der gemeinschaftlichen Obsorge gemäß § 167 ABGB bei früherer Antragstellung zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre, dem Beschwerdeführer jedenfalls grundsätzlich nicht entgegengehalten werden; ob besondere Umstände allenfalls eine abweichende Beurteilung gebieten könnten, kann dahingestellt bleiben, weil es im Beschwerdefall dafür keine Anzeichen gibt.

Aus dem Gesagten folgt aber andererseits, dass eine Berücksichtigung der Pflege und Erziehung dieses Kindes bei der im Beschwerdefall gegebenen Konstellation (fehlen des Übertragungsaktes nach § 167 ABGB bei - behaupteter - Pflege und Erziehung auch durch den ae. Vater), wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zutrifft, nur im Ausmaß von höchstens zwei Semestern in Betracht kommt, weil außergewöhnliche Umstände nicht behauptet wurden und ansonsten ein unsachlicher Widerspruch zu § 19 Abs. 4 StudFG bestünde (zur Regelung des Abs. 4, wonach unter gewöhnlichen Verhältnissen bei typologischer Betrachtung eine Berücksichtigung von bloß zwei Semestern erfolgen kann, siehe das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 96/12/0040).

Dem Beschwerdeführer wäre daher im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit zu geben gewesen, die behauptete Pflege und Erziehung seiner Tochter Franziska (auch) vor Übertragung der Obsorge (in einer Art und Weise, wie sie typologisch der Pflege und Erziehung eines Kindes vor Vollendung des 3. Lebensjahres entsprechen würde, zu welcher der Studierende während seines Studiums gesetzlich verpflichtet wäre) unter Beweis zu stellen.

Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Juni 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999120279.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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