Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art13 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der A M G, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. Mai 2017, W212 2131200-1/4E, betreffend Visum nach § 35 AsylG 2005, (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft Nairobi) zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige von Eritrea, brachte am 13. Jänner 2016 bei der Österreichischen Botschaft Nairobi einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ein. Sie brachte vor, Eritrea am 16. August 2014 - weil dort ein Diktator herrsche, keine politische Freiheit bestehe und es dort nicht sicher sei - verlassen zu haben und am 19. August 2014 in Äthiopien eingereist zu sein. In Äthiopien habe sie über ein Jahr gelebt. Dann sei sie in den Südsudan gereist, wo sie sich einen Monat lang aufgehalten habe. In der Folge sei sie nach Uganda weitergereist, wo sie zwei Monate geblieben sei. Dann habe sie entschieden, nach Kenia zu kommen, um ihr Vorhaben, mit ihrem Ehemann zu leben, zu betreiben. Dem Antrag wurde (unter anderem) eine Kopie des ihren Ehemann betreffenden Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 2. Juli 2015 beigelegt, wonach ihm gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Mit ihm wolle sie nun gemeinsam im Bundesgebiet leben. Sie könne nicht in ihr Heimatland zurück. Dort würde sie verhaftet werden. Auch wenn sie von einem Land zum anderen ziehe, fühle sie sich nicht wohl wegen "Verhaftung durch die Polizei und Unsicherheit".
2 Einem in den Akten befindlichen Vermerk der Österreichischen Botschaft Nairobi zufolge ist mit der Revisionswerberin am 16. Februar 2016 ein "informelles Interview" geführt worden.
Dabei gab sie an, dass ihr Vater bereits verstorben sei. Die Mutter, zwei Schwestern und vier Brüder lebten gemeinsam in Eritrea.
Ihr Ehemann habe einen Bruder, der in Israel lebe. Ein weiterer Bruder von ihm sei verstorben. Seine Eltern und seine beiden Schwestern lebten in Eritrea.
Die Hochzeit zwischen der Revisionswerberin und ihrem Ehemann sei "traditionsmässig" von den Eltern arrangiert worden. Sie habe die Wahl der Eltern widerspruchlos akzeptiert. Nach der Hochzeit hätten die Ehepartner zehn Tage im Haus der Eltern des Ehemannes gelebt. Dann sei seine "Frist" vorüber gewesen und er habe wieder seinen Dienst im "National Youth Service", der "lebenslänglich" sein könne, antreten müssen. Er sei als Lehrer mit einem Monatslohn von US$ 5,-- eingesetzt gewesen. Wenn man sich weigere (gemeint: den Dienst zu versehen), werde man eingesperrt.
Nach den zehn Tagen habe die Revisionswerberin ihren Ehemann nie wieder gesehen. Sie habe aber von Bekannten erfahren, dass er drei Monate später Eritrea verlassen habe. Er sei bis Israel gereist, wo er die nächsten fünfeinhalb Jahre gelebt und auch als Kellner gearbeitet habe. In dieser Zeit habe sie mit ihm telefonisch Kontakt gehabt. Da seine Aufenthaltsberechtigung in Israel in der Folge nicht verlängert worden sei, sei er "zurück" in den Sudan gekommen. Von dort aus sei er letztlich via "Uganda, Türkei und Griechenland" nach Österreich gereist. Seit seiner Ankunft in Österreich hätten die Revisionswerberin und ihr Ehemann fast täglich telefonisch Kontakt gehalten. Ihr Ehemann schicke ihr auch Geld, damit sie die Miete für ihre Unterkunft bezahlen könne. Sie sei ebenfalls im Rahmen ihrer Tätigkeit für das "National Youth Service" als Lehrerin ausgebildet worden. In Österreich wünsche sie sich "irgendeinen Job, egal welchen".
3 Mit Schreiben vom 16. Februar 2016 wurden die Unterlagen des Visumverfahrens der Revisionswerberin von der Österreichischen Botschaft Nairobi dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelt.
4 In der Folge teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Österreichischen Botschaft Nairobi gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit Schreiben vom 22. März 2016 mit, dass es nach Prüfung der Sachlage davon ausgehe, dass die Gewährung des Status der Asylberechtigten oder der subsidiär Schutzberechtigten an die Revisionswerberin nicht wahrscheinlich sei. Es habe kein gemeinsames Familienleben der Ehepartner gegeben. Diese hätten lediglich zehn Tage im Haus der Eltern des Ehemannes zusammengelebt und danach nur noch telefonisch Kontakt gehabt.
5 Im Rahmen des daraufhin von der Österreichischen Botschaft Nairobi eingeräumten Parteiengehörs wiederholte die Revisionswerberin in ihren Stellungnahmen vom 8. April 2016 und vom 11. April 2016 im Wesentlichen ihre bereits im Zuge der Befragung gemachten Angaben. Sie führte ergänzend aus, dass sich die kurze Dauer des Zusammenlebens damit erkläre, dass der Ehemann sich wieder an seinem "Militär Training Stützpunkt" habe melden müssen. Er habe Glück gehabt, dass er überhaupt für die Hochzeit "so lange frei" bekommen habe. Nach seiner Flucht habe er nicht mehr nach Eritrea zurückgehen können. Während seiner Auslandsaufenthalte sei er mit der Revisionswerberin in telefonischem Kontakt gestanden und habe ihr immer Geld geschickt, um sie zu unterstützen. Lediglich in der Zeit von April 2014 bis Oktober 2015 hätten sie den Kontakt verloren. Sie hätten immer beabsichtigt, das gemeinsame Familienleben fortzusetzen. In der Zeit der Trennung hätten sie einander gesucht. Gerade dass die Ehe immer noch bestehe, obwohl die Partner schon so lange räumlich getrennt seien, zeige, dass ein Familienleben bereits existent sei.
6 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dem diese Stellungnahmen von der Österreichischen Botschaft Nairobi übermittelt wurden, teilte dieser mit Schreiben vom 20. April 2016 mit, dass es nach neuerlicher Prüfung unter Berücksichtigung der Stellungnahmen an der "negativen Wahrscheinlichkeitsprognose" festhalte. Es könne nach der von § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 geforderten Fortsetzung eines bestehenden gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK nicht gesprochen werden. Ein Familienleben im Herkunftsland habe offenkundig nie bestanden. Nach den übereinstimmenden Angaben der Revisionswerberin und "der Ankerperson" (gemeint: des Ehemanns der Revisionswerberin) habe es ein solches nur zehn Tage lang gegeben. Es sei in der Folge kein Versuch unternommen worden, das Familienleben wieder aufzunehmen, obwohl sich der Ehemann in sicheren Drittländern aufgehalten, von dort aus "angeblich" mit der Revisionswerberin Kontakt gehalten und ihr Geld geschickt habe. Der Ehemann habe sich von 4. Dezember 2008 bis 24. April 2014 in Israel aufgehalten und als Koch gearbeitet. Dort habe er auch über einen Aufenthaltstitel verfügt, der mehrfach verlängert worden sei. Er habe in Israel mit vier Verwandten legal in einer Wohnung gelebt. Hätte die Revisionswerberin ein so großes Interesse an der Fortsetzung des Familienlebens gehabt, wie es nun behauptet werde, hätte dieses - wie es dem Ehemann bereits mit anderen Verwandten möglich gewesen sei - schon in Israel stattfinden können.
7 Mit Bescheid vom 25. April 2016 wies die Österreichische Botschaft Nairobi den Antrag der Revisionswerberin gemäß § 35 AsylG 2005 ab. In der Begründung verwies die Behörde auf die Mitteilungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, wonach die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten oder der subsidiär Schutzberechtigten an die Revisionswerberin nicht wahrscheinlich sei.
8 In der dagegen erhobenen Beschwerde führte die Revisionswerberin - wie bereits zuvor - aus, ihr Ehemann habe zehn Tage nach der Verehelichung erneut zum Militär einrücken müssen. Der Wehrdienst in Eritrea sei verpflichtend und werde regelmäßig auf unbestimmte Zeit verlängert. Im Juni 2008 habe der Ehemann verbotenerweise seine Eltern besucht, weshalb er wegen unerlaubter Abwesenheit vom Dienst hätte festgenommen werden sollen. Daraufhin sei er aus Eritrea geflohen. Die Eheleute hätten sobald als möglich wieder Kontakt zueinander aufgenommen und seien bis dato in Verbindung geblieben. Bei der ersten möglichen legalen Gelegenheit zur Familienzusammenführung habe die Revisionswerberin den gegenständlichen Antrag gestellt. Das ausschlaggebende Kriterium für die Familienzusammenführung sei das Bestehen einer Ehe und nicht das Bestehen eines Familienlebens. Das Abstellen auf die Dauer des gemeinsamen Haushaltes im Herkunftsland sei im Rahmen der Familienzusammenführung von Flüchtlingen auch unionsrechtswidrig.
9 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27. Juni 2016 wies die Österreichische Botschaft Nairobi die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab. In ihrer Begründung führte die Behörde aus, die Nachprüfung der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl durch die Botschaft komme nach der ständigen Rechtsprechung nicht in Betracht. Die Botschaft sei an diese gebunden und habe keinen eigenen Entscheidungsspielraum. Es sei unstrittig, dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vorliege.
Ungeachtet dessen teile aber auch die Österreichische Botschaft Nairobi die Einschätzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dass ein Familienleben eine gewisse Intensität aufweisen müsse, wozu - und zwar auch nach der Rechtsprechung des EGMR - auch "ein gemeinsamer Haushalt bzw. ein gemeinsames Zusammenleben" gehöre. Es sei im Fall der Revisionswerberin nicht zu sehen, dass ein solches Familienleben bestanden habe.
10 Daraufhin brachte die Revisionswerberin einen Vorlageantrag ein, den sie im Wesentlichen mit den bereits bisher ins Treffen geführten Argumenten begründete.
11 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
12 In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - aus, gemäß § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 sei dem Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren dann stattzugeben, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK in einem anderen Staat nicht möglich sei. Daraus ergebe sich, dass ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK bestehen müsse, welches in Österreich fortgesetzt werden solle.
13 Nach der Judikatur des EGMR seien für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten Nahebeziehung auch die Intensität und die Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung. Der Rechtsprechung des EGMR sei aber auch zu entnehmen, dass ein Zusammenleben keine unbedingte Voraussetzung sei, um ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK zu begründen. Es könnten auch andere Faktoren herangezogen werden, um eine hinreichend ausgeprägte Nahebeziehung zu belegen.
14 Im gegenständlichen Fall sei daher nicht allein das kurze Zusammenleben der Revisionswerberin mit ihrem Ehemannes von nur zehn Tagen beachtlich. Es gebe auch eine Reihe anderer Hinweise, die am Bestehen einer Nahebeziehung zweifeln ließe:
Die Ehe sei arrangiert worden. Eine Beziehung oder auch nur näherer Kontakt habe zwischen der Revisionswerberin und ihrem Ehemann vor der Eheschließung nicht bestanden. Einen gemeinsamen Haushalt hätten die Ehepartner nie gegründet. Sie hätten sich nur für zehn Tage gemeinsam im Haus der Eltern des Ehemannes befunden. Als der Ehemann drei Monate später seine Eltern besucht habe, habe sich die Revisionswerberin dort nicht mehr aufgehalten. Zudem habe der Ehemann während dieser Zeit nur seine Eltern, nicht aber die Revisionswerberin besucht, obwohl sie aus derselben Stadt stammten und die Revisionswerberin zu dieser Zeit auch noch dort gelebt habe. Bei der Befragung durch die Österreichische Botschaft Nairobi habe die Revisionswerberin angegeben, von der Flucht des Ehemannes aus Eritrea erst Monate danach durch Bekannte erfahren zu haben. In einer späteren Stellungnahme habe sie dagegen ausgeführt, diesbezüglich vom Ehemann "kontaktiert" worden zu sein. Der Ehemann habe fünf Jahre legal in Israel gelebt und gearbeitet, ohne dass der Versuch unternommen worden sei, das Familienleben in Israel aufzunehmen. Seit der Eheschließung vor acht Jahren bestehe nach den eigenen Angaben der Revisionswerberin zwischen ihr und ihrem Ehemann lediglich telefonischer Kontakt. Überdies seien keine Belege für die behauptete finanzielle Unterstützung vorgelegt worden. Die Schilderung der die Flucht des Ehemannes auslösenden Ereignisse durch die Revisionswerberin weiche in wesentlichen Punkten vom Vorbringen des Ehemannes in dessen Asylverfahren ab.
Es könne somit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht entgegen getreten werden, wenn es eine hinreichend stark ausgeprägte Nahebeziehung und damit ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK als nicht gegeben ansah. Die Beziehung zwischen der Revisionswerberin und ihrem Ehemann stelle sich als soweit gemindert dar, dass von einer "Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens" im Sinn des § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 nicht gesprochen werden könne.
Art. 8 EMRK schreibe aber auch nicht vor, dass in jedem Fall der Familienzusammenführung (gemeint: dem Familienangehörigen) der Status des Asylberechtigten oder des subsidiären Schutzes zu gewähren wäre. Für einwanderungswillige Fremde stelle ein Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) den Regelfall dar, um einen Aufenthaltstitel, etwa im Rahmen der Familienzusammenführung nach § 46 NAG, zu erlangen.
15 Die Erhebung einer ordentlichen Revision sei nicht zulässig, weil sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie eine ohnehin klare Rechtslage habe stützen können.
16 Gegen diese Entscheidung erhob die Revisionswerberin (außerordentliche) Revision, die vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof leitete in der Folge das Vorverfahren ein, in der die vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision (unter anderem und mit näherer Begründung) vor, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob § 35 Abs. 1 und Abs. 5 AsylG 2005 so auszulegen sei, dass nur ab einer bestimmten Dauer des Familienlebens zwischen Ehepartnern nach Eheschließung vor Flucht im Herkunftsstaat eine Einreiseerlaubnis erteilt werden dürfe oder ob die - unstrittig geschlossene - Ehe ohne weitere Prüfung der Intensität des im Herkunftsstaat gepflegten Familienlebens zu einer Einreiseerlaubnis nach § 35 AsylG 2005 führen müsse. Außerdem habe sich das Bundesverwaltungsgericht nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass aufgrund des im Herkunftsstaat bestehenden Zwanges, den Militärdienst auf unbestimmte Zeit leisten zu müssen, und nur willkürlich Urlaub gewährt werde, kein geregeltes Familienleben möglich sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich aber auch mit der Richtlinie 2011/95/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (in der Folge: Statusrichtlinie) nicht auseinandergesetzt. Aus dem Wortlaut des Art. 2 lit. j dieser Richtlinie gehe hervor, dass bei verheirateten Paaren gerade nicht auf eine bestimmte Dauer abzustellen sei, sondern es sei ausreichend, dass die Ehe bereits im Herkunftsstaat bestanden habe. Auch auf die Richtlinie 2003/86/EG (Familienzusammenführungsrichtlinie) hätte das Bundesverwaltungsgericht Bedacht nehmen müssen.
18 Die Revision erweist sich - zur Klärung der angesprochenen Rechtslage - als zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
19 Zunächst ist zu den maßgeblichen Bestimmungen festzuhalten, dass gemäß § 75 Abs. 24 (dritter bis fünfter Satz) AsylG 2005 die §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden sind. Auf Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde.
20 Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag nach § 35 AsylG 2005 von der Revisionswerberin am 13. Jänner 2016 gestellt. Das Verfahren über diesen Antrag war somit bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig, sodass hier § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 anzuwenden war.
21 § 35 AsylG 2005 in der hier maßgeblichen Fassung lautete
auszugsweise:
"Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.
(2) ...
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2
ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn
das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages
auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des
Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten
wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt
nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten
oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein
Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres
mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) ..."
22 § 34 AsylG 2005, auf den sich § 35 AsylG 2005 bezieht, hatte (auszugweise) folgenden Wortlaut:
"Familienverfahren im Inland
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten
zuerkannt worden ist;
2. ... oder
3. ...
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines
Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des
Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit
Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im
Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des
Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht
möglich ist und
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten
zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) ...
(4) ...
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) ..."
23 Aus der historischen Entwicklung jener Vorschriften in den österreichischen Asylgesetzen, die sich mit der Beantragung von Asyl bzw. internationalem Schutz aus dem Ausland befassen, wird deutlich, dass der Gesetzgeber im Laufe der letzten Jahrzehnte eindeutig und zunehmend einschränkend das Ziel verfolgt hat, ein Asylverfahren bzw. ein Verfahren zur Gewährung von internationalem Schutz nur in Bezug auf Personen zu führen, die sich im Bundesgebiet befinden. Dass dabei - auch für Familienangehörige von Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten in Österreich - keine Ausnahme gemacht werden soll, lässt sich klar erkennen (vgl. VwGH 1.3.2016, Ro 2015/18/0002 bis 0007, Rn. 18).
24 Für das geltende Recht, das Anträge auf internationalen Schutz aus dem Ausland nicht mehr kennt, ist entsprechend den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes sicherzustellen, dass über den Antrag auf Erteilung des Einreisetitels eines Familienangehörigen des in Österreich befindlichen Schutzberechtigten in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren entschieden wird und insbesondere auch Gesichtspunkte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Familienleben nach Art. 8 EMRK berücksichtigt werden. Diesen Erfordernissen kann im geltenden Recht auch ohne Zulassung eines Antrags auf internationalen Schutz aus dem Ausland entsprochen werden.
Der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, erscheint für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist. Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht. Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die (niedrigere) Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überwinden. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, steht unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip nicht im Widerspruch (vgl. auch dazu VwGH 1.3.2016, Ro 2015/18/0002 bis 0007, Rn. 30f).
Im Rahmen des vorgesehenen Rechtsschutzsystems, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden, wie es in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnet wird, vor dem Verwaltungsgericht überprüft werden kann, steht es dem Bundesverwaltungsgericht offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Dies setzt voraus, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegengehalten werden (vgl. nochmals VwGH 1.3.2016, Ro 2015/18/0002 bis 0007, Rn. 32).
25 § 34 Abs. 2 AsylG 2005 legt nun jene Kriterien fest, unter denen die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, (auch) dem Familienangehörigen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat.
Darauf nimmt § 35 Abs. 4 AsylG 2005 Bezug, wenn davon gesprochen wird, dass die Vertretungsbehörde dem Fremden ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen hat, wenn das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist.
Dies bedeutet, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, um die Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 gesetzmäßig erstatten zu können, auch zu prüfen hat, ob entsprechend § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist. Denn nur dann, wenn auch diese Voraussetzung zu bejahen ist, kann davon ausgegangen werden, dass es gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 zu einer Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Familienangehörigen kommen kann.
26 Nach dem oben Gesagten ist im Fall eines Beschwerdeverfahrens vom Bundesverwaltungsgericht auch in diesem Punkt die Einschätzung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.
27 In diesem Sinn hat das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall eine Beurteilung dahingehend vorgenommen, ob mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit - entsprechend dem oben dargestellten Prüfkalkül - die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 für den Fall eines in der Folge von der Revisionswerberin zu stellenden Antrages auf internationalen Schutz zu bejahen sind.
Dabei ist es zum Ergebnis gekommen, dass schon von einer Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens nicht gesprochen werden könne.
28 Die Revisionswerberin verweist darauf, dass ein Familienleben nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwischen Ehegatten ipso iure bestehe. Dies mag zutreffen (vgl. etwa den diesbezüglichen Hinweis in VwGH 2.8.2016, Ra 2016/20/0152), es bedeutet aber auch unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK nicht, dass in jedem Fall durch die Nichterteilung eines Einreisetitels in das Recht auf Privat- und Familienleben in unzulässiger Weise eingegriffen würde. Da mit den hier gegenständlichen Bestimmungen nach dem oben Gesagten insbesondere auch Gesichtspunkte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Familienleben nach Art. 8 EMRK Berücksichtigung finden sollen, was auch durch den Verweis auf eben diese Norm in § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 zum Ausdruck kommt, ist davon auszugehen, dass damit eine Verletzung dieses verfassungsgesetzlich geschützten Rechts hintangehalten werden soll. Zudem macht nur bei solcher Sichtweise die weitere Voraussetzung Sinn, wonach die Zuerkennung des Schutzstatus an den Familienangehörigen nach dieser Bestimmung nur dann erfolgen darf, wenn die Weiterführung des Familienlebens nicht in einem anderen Staat möglich ist. Hingegen lässt sich aus dieser Bestimmung nicht ableiten, dass - was offenbar die Revisionswerberin vor Augen hat - die Voraussetzung des § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 immer schon allein dann erfüllt wäre, wenn überhaupt der Anwendungsbereich des Art. 8 EMRK eröffnet ist.
29 Gerade vor dem Hintergrund der Wahl der (einschränkenden) Formulierung, wonach zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens gegeben sein muss, kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, dass das bloß formale Band der Verwandtschaft oder Eheschließung hinreichend sein sollte. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zur insoweit identen Vorgängerregelung des § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) idF vor der AsylG-Novelle 2003 ("Die Behörde hat auf Grund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren, wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten EMRK, BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.") in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, 2001/01/0429 (verstärkter Senat), festgehalten, (der damalige) § 11 Abs. 1 AsylG umschreibe als materielle Voraussetzung für die Asylerstreckung, dass dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinn von Art. 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich sei. Genau betrachtet würden damit zwei Voraussetzungen aufgestellt, nämlich erstens ein bestehendes Familienleben im Sinn von Art. 8 EMRK zwischen "Hauptasylwerber" und Erstreckungswerber und zweitens die Unmöglichkeit, dieses in einem anderen Staat fortzusetzen (Pkt. 4. der Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses). Es ergebe sich - so der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 23. Jänner 2003 unter Pkt. 6.4. der Entscheidungsgründe weiter - "ohne weiteres" aus (dem damals geltenden) § 11 Abs. 1 AsylG, dass ein bei Antragstellung minderjähriger (und zu diesem Zeitpunkt auch die materiellen Voraussetzungen erfüllender) Deszendent nicht stets in den Genuss von Asyl durch Erstreckung (bei Asylgewährung an einen Elternteil) gelangen könne. Der Wegfall eines bestehenden Familienlebens im Sinn von Art. 8 EMRK schließe nämlich, unabhängig vom Erreichen der Volljährigkeitsgrenze, eine Erstreckung von Asyl auf "Kinder" jedenfalls aus. Damit korrespondierend wurde im genannten Erkenntnis auch festgehalten, dass - nach dem damals geltenden § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG - die Beendigung der Familieneinheit einen Grund für die Aberkennung von Asyl darstellen könne (Pkt. 5.4. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses 2001/01/0429).
30 Auch aus anderen Bestimmungen ergibt sich, dass der Gesetzgeber - und zwar selbst dann, wenn die Familienzusammenführung unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten sein sollte - nicht jedem Angehörigen eines Asylberechtigten (ebenfalls) den Status eines Asylberechtigten einräumen wollte (vgl. zur aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der insoweit vergleichbaren früheren Rechtslage des § 10 und § 11 AsylG vor der AsylG-Novelle 2003 VwGH 12.6.2003, 99/20/0426, insbes. Pkt. 4.1. der Entscheidungsgründe). So ist der Anwendungsbereich von § 35 AsylG 2005 in jenen Fällen nicht eröffnet, in denen die Voraussetzung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005, wonach (ua. etwa) im Fall von Ehegatten nur dann die Eigenschaft als Familienangehöriger im Sinn des § 35 AsylG 2005 gegeben ist, wenn die Ehe bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, fehlt. Ist dies der Fall, besteht allerdings die Möglichkeit der Familienzusammenführung nach anderen Bestimmungen. Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ist Familienangehörigen (nach der Begriffsbestimmung des Familienangehörigen in § 2 Abs. 1 Z 9 NAG kommt es bei Ehegatten im Anwendungsbereich des NAG auf Zeit und Ort der Eheschließung nicht an) von Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles (des NAG) erfüllen, ein Quotenplatz vorhanden ist, der Zusammenführende Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt. Dabei hat der Gesetzgeber auch Vorkehrungen getroffen, um selbst im Fall des Fehlens von Voraussetzungen, die an sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben sein müssen, eine Verletzung von aus Art. 8 EMRK herrührenden Rechten hintanzuhalten (vgl. insbesondere § 11 Abs. 3 und § 46 Abs. 2 NAG).
31 Auch die Ausführungen der Revisionswerberin zum Unionsrecht führen nicht zu dem von ihr gewünschten Ergebnis.
32 Soweit in der Revision die Familienzusammenführungsrichtlinie angesprochen wird, ist darauf hinzuweisen, dass das Kapitel V ("Familienzusammenführung von Flüchtlingen") dieser Richtlinie jene Vorschriften enthält, die auf die Familienzusammenführung von Flüchtlingen, die von den Mitgliedstaaten anerkannt worden sind, Anwendung finden (Art. 9 Abs. 1 Familienzusammenführungsrichtlinie).
33 Gemäß Art. 9 Abs. 3 dieser Richtlinie lässt dieses Kapitel Rechtsvorschriften, nach denen Familienangehörigen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird, unberührt.
34 Schon daraus ergibt sich, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen eines Asylberechtigten selbst der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Die Erlangung eines Visums nach § 35 AsylG 2005 zielt aber gerade darauf ab, dem Drittstaatsangehörigen einen Einreisetitel zum Zweck des Stellens eines Antrages auf internationalen Schutz im Inland zu ermöglichen.
35 Zwar nahm der Gesetzgeber mit der Regelung des § 35 AsylG 2005 auch auf unionsrechtliche Regelungen der Familienzusammenführungsrichtlinie Bedacht (vgl. dazu etwa VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0230), was letztlich dazu führen kann, dass in bestimmten Konstellationen der Familienzusammenführung dem Familienangehörigen weitergehende Rechte - etwa durch die Gewährung des Status des Asylberechtigten - eingeräumt werden als es die Familienzusammenführungsrichtlinie vorsieht. Dies lässt diese Richtlinie auch ausdrücklich zu. Gemäß Art. 3 Abs. 5 Familienzusammenführungsrichtlinie berührt diese Richtlinie nicht das Recht der Mitgliedstaaten, günstigere Regelungen zu treffen oder beizubehalten.
36 Somit ist festzuhalten, dass die Bestimmungen des § 34 und § 35 AsylG 2005 Fälle erfassen können, die an sich der Familienzusammenführungsrichtlinie unterliegen würden, gleichzeitig aber den Familienangehörigen eine günstigere Rechtsstellung einräumen als es diese Richtlinie verlangt.
37 Dann kann es allerdings nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, wenn nicht allen Angehörigen von Asylberechtigten dieser Status eingeräumt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung darstellt, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und ihnen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Diesem Zweck wird aber - beispielsweise - nicht entsprochen, wenn den Eltern eines im Lauf des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet würde, weil sie bei Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen würden. Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweist sich daher (etwa) in einer solchen Konstellation von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen eines Fremden auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn zu entsprechen; sie sind vielmehr auf andere - im NAG und im Fremdenpolizeigesetz 2005 eröffnete - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Erteilung von entsprechenden Einreisetitel zu verweisen (vgl. VwGH 21.2.2017, Ra 2016/18/0253, 0254).
38 Ausgehend davon, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht zum Regelungsinhalt hat, wann einem Familienangehörigen eines anerkannten Flüchtlings ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist, sondern (nur) Vorgaben dazu enthält, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen ein für den Zweck der Familienzusammenführung vorgesehener Aufenthaltstitel zu erteilen ist (vgl. Art. 13 Abs. 2 iVm Art. 2 lit. e dieser Richtline), ist es somit unschädlich, wenn für die Erteilung eines Visums nach § 35 AsylG 2005, dessen Erteilung nicht nur die Familienzusammenführung ermöglichen soll, sondern auch dazu dient, dem Familienangehörigen die Gelegenheit einzuräumen, zwecks Erlangung eines besonderen Schutzstatus im Weg des § 34 AsylG 2005 eine - wie oben unter Hinweis auf die Rechtsprechung dargelegt wurde: nur im Inland zulässige - Antragstellung auf internationalen Schutz vornehmen zu können, gegenüber der Familienzusammenführungsrichtlinie weitergehende Voraussetzungen festgelegt werden.
39 Sofern sich eine Familienzusammenführung durch Inanspruchnahme des § 35 AsylG 2005 als nicht möglich erweist, ist von einem Antragsteller - wie bereits erwähnt - ein anderer Weg im Rahmen weiterer - ebenfalls die Familienzusammenführungsrichtlinie umsetzender - Vorschriften zu beschreiten, um die Familienzusammenführung zu erreichen. Insbesondere ist hier (nochmals) § 46 NAG zu erwähnen, der im Rahmen der Familienzusammenführung die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Familienangehörigen ermöglicht, wenn der Zusammenführende (wie im vorliegenden Fall) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt (§ 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG). Dass einem Drittstaatsangehörigen die Zuerkennung desselben Schutzstatus wie dem bereits in Österreich lebenden Fremden versagt bleibt, kann somit von vornherein nicht zur Verletzung der Familienzusammenführungsrichtlinie führen. Schon deshalb muss hier nicht geprüft werden, ob einzelne für die Erteilung eines Visums nach § 35 AsylG 2005 maßgebliche Voraussetzungen in Widerspruch zu dieser Richtlinie stehen könnten.
40 An diesem Ergebnis vermag auch nichts zu ändern, dass sich der Gesetzgeber - ausweislich der Materialien zur Änderung des § 34 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (FrÄG 2017, BGBl. I Nr. 145/2017) gerade im Hinblick auf die Familienzusammenführungsrichtlinie (vgl. IA 2285/A BlgNR
25. GP 82: "Vor dem Hintergrund der Bestimmungen der Familienzusammenführungs-RL, hat die Z 2 jeweils zu entfallen."), die, wie bereits erwähnt, günstigere Regelungen (hier in der Form der Gewährung der Familienzusammenführung nicht bloß durch Erteilung eines Aufenthaltstitels, sondern durch Einräumung desselben Schutzstatus, wie er dem Zusammenführenden zuerkannt wurde) ausdrücklich zulässt - entschlossen hat, künftig die Prüfung des bisher in § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 enthaltenen Kriteriums entfallen zu lassen und stattdessen in § 34 Abs. 6 Z 3 AsylG 2005 angeordnet wird, dass im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG) "dieser Abschnitt" - demnach der vierte Abschnitt des vierten Hauptstückes des AsylG 2005, der dessen §§ 34 und 35 umfasst - nicht anzuwenden ist (ob mit diesen Änderungen des § 34 AsylG 2005 vor dem Hintergrund der Erläuterungen zur Schaffung der neuen Z 3 in § 34 Abs. 6 AsylG 2005 (IA 2285/A BlgNR 25. GP 82f.), wonach der (künftige) Verweis auf die Fälle des § 30 NAG bedeute, dass sich Fremde (auch im Rahmen des Verfahrens nach § 34 AsylG 2005) auf eine Ehe, eingetragene Partnerschaft oder Adoption nicht berufen dürfen, wenn ein gemeinsames Eheleben nicht geführt wird oder die Annahme an Kindes statt ausschließlich oder vorwiegend der Erlangung eines Aufenthaltsrechts dient, überhaupt eine inhaltliche Änderung der Rechtslage herbeigeführt werden sollte, kann im gegenständlichen Fall mangels Anwendbarkeit dieser gemäß § 73 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 erst mit 1. November 2017 in Kraft gesetzten Bestimmungen dahingestellt bleiben).
41 Art. 2 Statusrichtlinie lautet auszugsweise:
"Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a)
...
j)
‚Familienangehörige' die folgenden Mitglieder der Familie der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die sich im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat aufhalten, sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat:
-
der Ehegatte der Person, der internationaler Schutz
zuerkannt worden ist, oder ihr nicht verheirateter Partner, der mit ihr eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem Recht oder der Praxis des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich vergleichbar behandelt werden wie verheiratete Paare;
- ...
k) ..."
Art. 23 Abs. 1 Statusrichtlinie hat folgenden Wortlaut:
"Artikel 23
Wahrung des Familienverbands
(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Familienverband aufrechterhalten werden kann.
(2) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Schutzes erfüllen, gemäß den nationalen Verfahren Anspruch auf die in den Artikeln 24 bis 35 genannten Leistungen haben, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn der Familienangehörige aufgrund der Kapitel III und V von der Gewährung internationalen Schutzes ausgeschlossen ist oder ausgeschlossen wäre.
(4) Unbeschadet der Absätze 1 und 2 können die Mitgliedstaaten aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung die dort aufgeführten Leistungen verweigern, einschränken oder entziehen.
(5) Die Mitgliedstaaten können entscheiden, dass dieser Artikel auch für andere enge Verwandte gilt, die zum Zeitpunkt des Verlassens des Herkunftslandes innerhalb des Familienverbands lebten und zu diesem Zeitpunkt vollständig oder größtenteils von der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, abhängig waren."
42 Auf die - in der Begründung für die Zulässigkeit erwähnte -
Bestimmung des Art. 2 lit. j Statusrichtlinie kommt die Revision in ihren Ausführungen zu den Revisionsgründen nicht mehr zurück.
Für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht ersichtlich, dass sich aus den Vorschriften der Statusrichtlinie ergeben würde, dass einem nicht im Bundesgebiet aufhältigen Familienangehörigen allein aufgrund des Bestehens formeller familiärer Bande - wie etwa dem Eheband - der Status des Asylberechtigten zuerkannt werden müsste. Art. 2 lit. j Statusrichtlinie, auf den sich Art. 23 Abs. 2 dieser Richtlinie bezieht, sieht (unter anderem) ausdrücklich vor, dass nur dann (im Sinn dieser Richtlinie) von Familienangehörigen (hier: eines Asylberechtigten) gesprochen werden kann, wenn sich diese "im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat aufhalten", und "sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat".
43 Im vorliegenden Fall fehlt es schon daran, dass sich die Revisionswerberin im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat wie ihr Ehemann aufhalten würde.
44 Überdies kann davon, dass im Sinn des Art. 23 Abs. 1 Statusrichtlinie der "Familienverband aufrechterhalten werden kann", dann nicht gesprochen werden, wenn familiäre Bindungen zu verneinen sind.
45 Folgte man der Ansicht der Revisionswerberin, wäre selbst das Vorliegen einer Zwangsehe oder einer Aufenthaltsehe für die hier vorzunehmende Beurteilung in jedem Fall unbeachtlich. Dass dies der (Unions-)Gesetzgeber in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Kauf genommen hätte, ist aber nicht anzunehmen (vgl. dazu, dass den Familiennachzug einschränkende und nicht übermäßig erschwerende Maßnahmen, die der Bekämpfung von Zwangsehen dienen, auch mit der Familienzusammenführungsrichtlinie im Einklang stehen, das Urteil des EuGH vom 17. Juli 2014, Noorzia, C-338/13, Rn. 15 und 16; vgl. zur Möglichkeit, im Anwendungsbereich der Familienzusammenführungsrichtlinie die Familienzusammenführung abzulehnen oder einen bestehenden Aufenthaltstitel zu entziehen, wenn keine tatsächlichen ehelichen oder familiären Bindungen bestehen oder sie nicht mehr bestehen, sowie wenn die Ehe oder Lebenspartnerschaft nur zu dem Zweck geschlossen bzw. die Adoption nur vorgenommen wurde, um der betreffenden Person die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat zu ermöglichen, des Näheren deren Art. 16).
46 Somit erweist es sich als zutreffend und auch nicht im Widerspruch mit unionsrechtlichen Vorgaben stehend, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über den nach § 35 AsylG 2005 gestellten Antrag nicht allein auf den formellen Bestand der Ehe abgestellt hat.
47 Entgegen den Ausführungen in der Revision hat sich das Bundesverwaltungsgericht bei seinen Erwägungen zur Frage, ob die von der Revisionswerberin letztlich der Sache nach angestrebte Erteilung des Status der Asylberechtigten der (in einem anderen Staat nicht möglichen) Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens dient, nicht bloß auf den Umstand zurückgezogen, dass sich das Zusammenleben nach der Eheschließung nur auf zehn Tage beschränkt habe. Es hat im Besonderen auch ins Treffen geführt, dass die Ehepartner bislang, obwohl sie dazu bereits seit längerem die Möglichkeit gehabt hätten, eine Familienzusammenführung - etwa in Israel - nie betrieben oder gar ins Auge gefasst hätten. Dem wurde von der Revisionswerberin im Verfahren nichts entgegengesetzt. Auch die Revision schweigt zu diesem Thema. Am Boden der oben wiedergegebenen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis, aus denen ableitbar ist, dass das Bundesverwaltungsgericht - auch bezogen auf seine Beweiswürdigung in nicht unschlüssiger Weise - letztlich zum Ergebnis kommt, bisher habe kein maßgebliches tatsächlich geführtes Familienleben stattgefunden, kann nicht davon gesprochen werden, das angefochtene Erkenntnis habe zu der von der Revisionswerberin geltend gemachten Rechtsverletzung geführt.
Daran ändert fallbezogen auch nichts, dass das Bundesverwaltungsgericht maßgebliche Feststellungen und die damit in Zusammenhang stehende Beweiswürdigung in seiner Entscheidung disloziert (erst) im Rahmen der rechtlichen Beurteilung dargelegt hat, weil im vorliegenden Fall die maßgeblichen Erwägungen ausreichend klar offengelegt wurden und diese auch soweit nachvollziehbar sind, sodass sowohl die Rechtsverfolgung durch die Revisionswerberin als auch die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht in entscheidungswesentlichem Ausmaß beeinträchtigt wurden.
48 Vor diesem Hintergrund ist für die Revision auch mit dem Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 10. Juli 2014, Tanda-Muzinga, 2260/10 (NLMR 4/2014, S. 1ff), nichts zu gewinnen. Der EGMR nahm in diesem Urteil darauf Bezug, dass das Familienleben des dortigen Beschwerdeführers nur aufgrund seiner Flucht unterbrochen worden sei, die aus begründeter Furcht vor Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention erfolgt sei, weshalb ihm die Trennung von seiner Familie nicht habe vorgeworfen werden können. Der Nachzug seiner Frau und seiner Kinder, die selbst in einen dritten Staat geflüchtet waren, habe das einzige Mittel dargestellt, um das Familienleben wiederaufzunehmen (Rn. 74 dieses Urteils).
Anders als im hier vorliegenden Fall stand in jenem Fall, der dem genannten Urteil des EGMR zugrunde lag, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens nie in Frage. Der dortige Beschwerdeführer war zunächst in Begleitung seiner Frau und seiner beiden Kinder nach Kamerun geflüchtet, wo ein drittes gemeinsames Kind geboren wurde. Nach der weiteren Fluchtbewegung des dortigen Beschwerdeführers, die ihn nach Frankreich führte, suchte dieser für seine Frau und Kinder kurz nach der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft um Familienzusammenführung an.
49 Damit unterscheidet sich dieser Fall aber grundlegend vom hier gegenständlichen Fall, in dem das Bundesverwaltungsgericht unter Berücksichtigung der Angaben der Revisionswerberin und ihres Ehemannes letztlich zum Ergebnis gekommen ist, es bestünde zwischen diesen beiden kein maßgebliches tatsächliches familiäres Verhältnis, das es im Sinn des Art. 8 EMRK geboten erscheine lasse, den Familiennachzug im Weg der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zulassen zu müssen.
50 Sohin liegt die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vor. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
51 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. November 2017
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017190218.L00Im RIS seit
27.12.2017Zuletzt aktualisiert am
18.05.2018