TE Vwgh Beschluss 2017/11/22 Ra 2017/06/0201

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Veröffentlicht am 22.11.2017
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BauO Tir 1989 §42 Abs1;
BauO Tir 2011 §36 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Dr. Bayjones und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision des G P in I, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 3. August 2017, LVwG-2017/40/1359-9, betreffend Bewilligung für die Benützung von Fremdgrund (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtmagistrat Innsbruck; weitere Partei:

Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. A E in I,

2. W S in R, 3. Dr. M B in I, alle vertreten durch Dr. Martin Baldauf, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8, weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die mitbeteiligten Parteien als Miteigentümer der Grundstücke Nr. X/2 und Nr. X/6, KG P., beantragten mit Eingabe vom 8. September 2016 die Genehmigung der vorübergehenden Inanspruchnahme des im Eigentum des Revisionswerbers stehenden Nachbargrundstückes Nr. Y, KG P., für die Herstellung einer Baustellenzufahrt für die Dauer der Errichtung der Wohnanlage P.- Straße 29c, jedenfalls aber für 18 Monate, gemäß § 36 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011).

2 Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 4. April 2017 wurde der Revisionswerber als Eigentümer des Grundstückes Nr. Y gemäß § 36 Abs. 3 TBO 2011 verpflichtet, die vorübergehende Benützung seines Grundstückes zugunsten der Ausführung des mit näher genannten Bescheiden bewilligten Bauvorhabens im Anwesen P.-Straße 29c für die Dauer von 18 Monaten ab Rechtskraft des Bescheides in einem näher genannten Ausmaß zu dulden (1. Nutzung des Grundstückes Nr. Y im Rahmen einer Fahrtrasse in einer Breite von 5 m und einer Längsausdehnung von 45 m; 2. Abtragung des Unterbodens und Herstellung einer Bauzufahrt durch Einbringung eines Frostkoffers; 3. Herstellung des vorherigen Zustandes nach Beendigung der Bauarbeiten;

4. Überfahren des Luftraumes des Grundstückes Nr. Y durch die während der Bauzeit auf der Liegenschaft der Antragsteller befindliche Krananlage, dies ohne Lasten).

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) vom 3. August 2017 als unbegründet abgewiesen. Spruchpunkt 2. des Bescheides des Stadtmagistrates Innsbruck wurde durch die Wortfolge "und Aufbringen von Bruchasphalt sowie Herstellung eines Bauzaunes entlang der Baustellenzufahrt" ergänzt. Weiters wurde der Spruch durch einen Punkt 5. (betreffend die Entfernung des Sockelmauerwerkes in Stahlbeton einschließlich Maschendrahtzaun in einem näher genannten Bereich in einer Breite von 5,0 m, die Entfernung des Maschendrahtzaunes an der Grundgrenze in einer Länge von 14,0 m sowie die Wiederherstellung der genannten Einfriedungen nach Abschluss der Bauarbeiten) ergänzt. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Das in der Zulässigkeitsbegründung der Revision erstattete Vorbringen, es fehle im Zusammenhang mit der Auslegung der Bestimmung des § 36 Abs. 2 lit. a und b TBO 2011 Rechtsprechung zur Rechtsfrage, wann von unverhältnismäßig hohen Mehrkosten bei einem Bauvorhaben auszugehen sei, trifft nicht zu.

9 So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 12.12.1991, 91/06/0123, zum Begriff der unverhältnismäßig hohen Mehrkosten in der mit § 36 Abs. 2 TBO 2011 insoweit vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 42 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung 1989 ausgesprochen, dass 17 % Mehrkosten jedenfalls dann als unverhältnismäßig anzusehen seien, wenn (wie damals) mit dem Einschwenken in den Luftraum durch einen Turmkran zwar in den eigentumsrechtlichen Herrschaftsbereich der Nachbarn vorübergehend eingegriffen werde, damit jedoch objektiv kein in die Abwägung der Verhältnismäßigkeit einzubeziehendes, zumindest andeutungsweise erkennbares Interesse der Nachbarn berührt werde (vgl. dazu auch VwGH 20.9.1994, 94/05/0188).

10 Im Erkenntnis vom 2.11.2016, 2013/06/0206, hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem hervorgehoben, dass der damalige Beschwerdeführer dem Gutachten des Amtssachverständigen, wonach alternative Baugrubensicherungssysteme mit erheblichen Mehrkosten verbunden wären und sich gleichzeitig die Beeinträchtigung des Grundstückes des Beschwerdeführers als gering darstelle, nicht im Sinne der hg. Rechtsprechung entgegengetreten sei.

11 Auch im vorliegenden Fall ist der Revisionswerber den gutachterlichen Ausführungen des beigezogenen hochbautechnischen Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Nach der darauf gestützten Beurteilung des LVwG würde die Durchführung der Bauarbeiten ohne Benützung des Grundstückes Nr. Y des Revisionswerbers Mehrkosten in der Höhe von EUR 353.826,-- (ca. 22,5 %) verursachen. Gleichzeitig würde nach den Darlegungen des angefochtenen Erkenntnisses in der bewilligten Variante für die Herstellung einer Zufahrt für Baufahrzeuge lediglich eine Teilfläche von 225 m2 (ca. 1,33 % der Gesamtfläche) des insgesamt 16.904 m2 großen, landwirtschaftlich als Wiese genutzten Grundstückes Nr. Y in Anspruch genommen. Ferner erfolgte ein Überschwenken des Luftraumes des Grundstückes ohne Lasten, wodurch die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstückes nicht beeinträchtigt und kein erkennbares Interesse der Nachbarn berührt (Verweis auf das bereits zitierte Erkenntnis VwGH 12.12.1991, 91/06/0123) würde.

12 Dem tritt der Revisionswerber nicht entgegen. Angesichts dessen ist das LVwG - was in der Zulässigkeitsbegründung der Revision gar nicht konkret behauptet wird - auch nicht von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

13 Für das Erfordernis der Berücksichtigung des in der Revision behaupteten Umstandes, es seien die beschränkten Zufahrtsmöglichkeiten in die Kaufpreisbildung eingeflossen (offenbar gemeint: beim seinerzeitigen Erwerb der Liegenschaft der mitbeteiligten Parteien), im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens von "unverhältnismäßig hohen Mehrkosten" gibt es keinen gesetzlichen Anhaltspunkt.

14 Die diesbezüglichen Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung zeigen überdies schon deswegen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil der Revisionswerber auch die weiteren Erwägungen des LVwG, alternative Baumethoden seien auch mit entsprechenden Risiken für die darüber hinaus beanspruchten Nachbargrundstücke durch Überschwenken des Luftraumes mit Lasten (nicht nur über Verkehrsflächen sondern auch über bestehende Wohnhäuser) sowie mit einer möglichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer verbunden, nicht in Frage stellt (vgl. zur fehlenden Wahlmöglichkeit bei zu befürchtenden Schäden auch VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0104, Rn 26, mwN).

15 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. November 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017060201.L00

Im RIS seit

27.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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