TE Vwgh Beschluss 2017/11/23 Ra 2017/18/0291

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Veröffentlicht am 23.11.2017
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E19104000;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32013R0604 Dublin-III Art10;
AsylG 2005 §34;
EURallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des J T, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2017, Zl. I403 1434040- 2/11E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 19. Mai 2014 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich und führte dazu im Wesentlichen aus, aufgrund seiner (unterstellten) homosexuellen Orientierung und seiner im April 2014 erfolgten Konversion zum christlichen Glauben in Nigeria verfolgt zu werden.

2 Mit Bescheid vom 20. April 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 Asylgesetz 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung und sprach aus, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, es fehle an Rechtsprechung zur Frage der Handhabung des Familienverfahrens über Staatsgrenzen hinweg. Das BVwG habe festgestellt, dass der Revisionswerber seit dem Jahr 2010 verheiratet sei und die Ehefrau derzeit in einem Flüchtlingslager in Italien lebe, wohin sie als "Dublin-Fall" von Österreich aus verbracht worden sei. Sie sei in Italien Asylwerberin und es sei ihr mitgeteilt worden, dass sie mit der subsidiären Schutzgewährung in Italien rechnen dürfe. Grundsätzlich wäre entsprechend Art. 10 Dublin III-Verordnung Österreich zur Führung des Asylverfahrens der Ehefrau zuständig gewesen. Wäre die Ehefrau in Österreich verblieben, so hätte im Familienverfahren auch der Revisionswerber subsidiären Schutz erhalten können. Österreich habe aber seine Zuständigkeit abgelehnt und Italien seine Zuständigkeit bejaht, sodass die Ehegatten nunmehr in verschiedenen Mitgliedstaaten aufhältig seien und geklärt werden müsse, wie in einem solchen Fall den grundrechtlichen Vorgaben und dem Gebot des § 34 Abs. 4 AsylG 2005, Familienmitgliedern den gleichen Schutz zu gewähren, entsprochen werden könne. Die Beweiswürdigung des BVwG sei unschlüssig, da zur vorgebrachten Vergewaltigung nicht ausreichend ermittelt worden sei und würde eine darüber hinausgehende Verletzung der Ermittlungspflicht vorliegen, weil das BVwG aufgrund der möglichen Tumorerkrankung des Revisionswerbers ein Sachverständigengutachten hätte einholen müssen.

5 Die Revision erweist sich als unzulässig.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

7 Soweit die Revision ihre Zulässigkeit damit begründet, dass zur Handhabung des Familienverfahrens über die Staatsgrenze hinweg Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, ist Folgendes zu erwidern:

Nach § 34 AsylG 2005 bezieht sich das Familienverfahren eindeutig nur auf Familienangehörige, die sich (gemeinsam) im Inland aufhalten. Eine weitere Klärung der Rechtslage durch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist daher nicht erforderlich. Ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil die Ehegattin des Revisionswerbers nicht in Österreich, sondern nach den Feststellungen des BVwG in Italien als Asylwerberin aufhältig ist. Die Revision führt zwar richtig aus, dass die Dublin III-Verordnung Regelungen enthält, die grundsätzlich gewährleisten sollen, dass Familienangehörige (Ehegatten) unter den dort genannten Bedingungen ihr Asylverfahren nur in einem zuständigen Mitgliedstaat führen können, um die Familieneinheit zu wahren. Das setzt allerdings voraus, dass die Ehegatten ihr Familienverhältnis auch (rechtzeitig) offen legen und einen entsprechenden Wunsch auf gemeinsame Führung der Verfahren kundtun (vgl. Art. 10 Dublin III-Verordnung); ein Umstand, dem im gegenständlichen Fall nicht entsprochen wurde, zumal der Revisionswerber bis zur mündlichen Verhandlung vor dem BVwG über seinen Folgeantrag angegeben hatte, nicht verheiratet zu sein. Die Revision lässt auch offen, welche Lösung sie in Bezug auf die durch diese Umstände des Einzelfalles bedingte getrennte Führung der Asylverfahren der Ehegatten in zwei unterschiedlichen Mitgliedstaaten anstrebt; die Gewährung von Asyl oder subsidiären Schutz an den Revisionswerber in Österreich oder die Unterlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme lässt sich jedenfalls bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht rechtfertigen.

8 Soweit die Revision weiters vorbringt, die Beweiswürdigung sei mangelhaft, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. etwa VwGH 23.2.2016, Ra 2015/20/0142, mwN). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nur dann vor, wenn das BVwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Eine solche Mangelhaftigkeit wird vom Revisionswerber weder dargelegt, noch ist sie ersichtlich.

9 Wenn der Revisionswerber in der Revision erstmalig vorbringt, er sei vergewaltigt worden und leide eventuell an einer Tumorerkrankung, so ist dem entgegenzuhalten, dass dieses Vorbringen gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot verstößt und aus diesem Grund keine Beachtung finden kann (vgl. VwGH 25.4.2017, Ra 2016/18/0201, mwN).

10 Die Revision war daher wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 23. November 2017

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017180291.L00

Im RIS seit

27.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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