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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §4 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Salzburg-Land in 5026 Salzburg, Aignerstraße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 4. März 2016, Zl. RV/6101107/2015, betreffend Körperschaftsteuer 2011 bis 2013 sowie die Körperschaftsteuervorauszahlung 2015 (mitbeteiligte Partei: H GmbH in E, vertreten durch Mag. Josef Hauser, Steuerberater in 5301 Eugendorf, Ischlerbahnstraße 23), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Bei der Mitbeteiligten, die ihren Gewinn gemäß § 5 EStG 1988 nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr ermittelt, fand im Jahr 2015 eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (im Folgenden: GPLA-Prüfung) betreffend die Jahre 2010 bis 2014 statt, die mit Schlussbesprechung vom 23.6.2015 endete. Der Prüfer stellte aufgrund einer Selbstanzeige u.a. Honorarzahlungen an wesentlich beteiligte Gesellschafter fest, was in den Jahren 2011 bis 2013 zur Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen (im Folgenden: DB) und Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag (im Folgenden: DZ) durch das Finanzamt führte (Bescheide vom 29.6.2015). Weiters wurde bei der Mitbeteiligten eine Außenprüfung durchgeführt, deren Schlussbesprechung ebenfalls am 23.6.2015 stattfand. Im Anschluss an diese Prüfung verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 2011 bis 2013 und erließ am 2.9.2015 neue Sachbescheide für diese Jahre.
2 Die Mitbeteiligte brachte gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2011 bis 2013 Beschwerde ein und stellte den Antrag, die aus der GPLA-Prüfung resultierenden Nachforderungen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für die Körperschaftsteuer 2011 bis 2013 zu berücksichtigen.
3 Das Finanzamt wies die Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2011 bis 2013 mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab, woraufhin die Mitbeteiligte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und führte aus, dass die gegenständlichen Lohnabgaben die Wirtschaftsjahre 2010/2011 bis 2012/2013 beträfen. In diesen Jahren sei die Verbuchung und Bezahlung jener Aufwendungen erfolgt, für die im Rahmen der 2015 durchgeführten GPLA-Prüfung Lohnabgaben vorgeschrieben worden seien. Die Mitbeteiligte habe die Honorare der Gesellschafter in den Jahresabschlüssen ausgewiesen, und deren Beteiligungsverhältnis sei bekannt gewesen. Im gegenständlichen Fall sei somit "ein klar zu Tage tretender Sachverhalt zunächst rechtlich falsch beurteilt und deswegen kein DB und kein DZ für diese Zahlungen" verrechnet worden.
5 § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 weise der "richtigen" Bilanzierung und daraus resultierend der periodengerechten Gewinnbesteuerung den Vorrang vor dem Grundsatz der Gesamtgewinnbesteuerung zu. Für die Frage, ob eine Bilanz "richtig" sei, vertrete der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der subjektiven Richtigkeit bezogen auf den Zeitpunkt der Bilanzerstellung. Eine unzutreffende Rechtsansicht stehe einer Berichtigung der in Verkennung der Rechtslage erstellten Bilanz niemals entgegen. Genau dieser Fall liege im Revisionsfall vor. Die Rechtsfrage sei, ob bestimmte offen ausgewiesene Betriebsausgaben der Mitbeteiligten zu einer DBoder DZ-Pflicht für wesentlich beteiligte Gesellschafter führten. Diese Frage sei zunächst falsch beantwortet worden. Eine Bilanzberichtigung sei daher geboten und nach Maßgabe der Bestimmungen des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 durchzuführen. Im Revisionsfall komme hinzu, dass unmittelbar nach Vorschreibung der Lohnabgaben für die Jahre 2010 bis 2014 - aus anderen Gründen - eine Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 2011 bis 2013 verfügt worden sei. Ziel einer amtswegigen Wiederaufnahme sei es, das Besteuerungsergebnis eines Veranlagungsjahres insgesamt richtig zu stellen. Auch aus diesem Grund seien die aus der GPLA-Prüfung resultierenden Nachforderungen zu berücksichtigen.
6 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht mit der Begründung für unzulässig, dass "die für das gegenständliche Verfahren entscheidungswesentliche Judikatur zum Thema der periodengerechten Berücksichtigung von Aufwänden und Erträgen und zur Durchführung von Bilanzberichtigungen an der Wurzel einhellig" sei.
7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamtes.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 In der Revision wird zur Zulässigkeit ausgeführt, dass die Bildung einer Rückstellung gemäß § 9 Abs. 3 zweiter Satz EStG 1988 nur dann zulässig sei, wenn "mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist". Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei dafür erforderlich, dass mit dem Entstehen einer Schuld aufgrund der bisherigen Erfahrungen "ernsthaft, somit mit größter Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist". Gelegentlich werde hinzugefügt "ernsthaft also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit" oder "mit großer Wahrscheinlichkeit". Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes bedeute "ernsthaft", dass mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme sprechen müssten. Inwiefern diese Grundsätze auch dann zu beachten seien, wenn eine Verbindlichkeit dem Grunde nach bereits entstanden sei, der Anspruchsberechtigte davon aber keine Kenntnis habe und somit zum maßgeblichen Bilanzstichtag keine Umstände vorlägen, die dafür sprächen, dass mit der Inanspruchnahme durch den Berechtigten ernsthaft zu rechnen sei, sei fraglich. Soweit ersichtlich liege zu dieser Rechtsfrage keine Rechtsprechung vor, weshalb das Finanzamt die Revision für zulässig erachte.
12 Bei der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 bewirkt die bei dieser Gewinnermittlungsart zu beachtende Maßgeblichkeit der unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, dass innerhalb des von den steuerlichen Vorschriften vorgegebenen Rahmens eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung für die steuerliche Gewinnermittlung besteht, wenn eine solche Verpflichtung für die Unternehmensbilanz gegeben ist (vgl. z.B. VwGH 29.3.2017, Ra 2016/15/0005, mwN).
13 Gemäß § 4 Abs. 2 EStG 1988 idF vor dem Abgabenänderungsgesetz 2012 (AbgÄG 2012), BGBl. I Nr. 112/2012, muss der Steuerpflichtige die Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung erstellen. Ist die Vermögensübersicht nicht nach diesen Grundsätzen erstellt oder verstößt sie gegen zwingende Vorschriften des EStG 1988, so muss er sie auch nach dem Einreichen beim Finanzamt berichtigen.
14 Mit dem AbgÄG 2012 wurde § 4 Abs. 2 EStG 1988 dahingehend erweitert, dass eine steuerwirksame Berichtigung von Fehlern, die sich in mehreren Besteuerungsperioden auswirken, auch dann möglich sein soll, wenn ihrer Steuerwirksamkeit ausschließlich die eingetretene Verjährung entgegen steht. Daran, dass unrichtige Bilanzansätze bis zur Wurzel zurückverfolgt und korrigiert werden müssen, änderte sich durch die Neufassung des § 4 Abs. 2 EStG 1988 nichts (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 1960 BlgNR 24. GP 18).
15 Eine unzutreffende, wenn auch durch (Teile der) Fachliteratur und Verwaltungspraxis gestützte Rechtsansicht des Abgabepflichtigen steht einer Berichtigung der in Verkennung der Rechtslage erstellten (Steuer-)Bilanz niemals entgegen (vgl. z.B. VwGH 29.10.2003, 2000/13/0090, siehe auch Doralt et al, EStG17, § 4 Tz 129, mit weiteren Nachweisen).
16 Das Bundesfinanzgericht stellte im angefochtenen Erkenntnis fest, dass von der Mitbeteiligten ein klar zu Tage tretender Sachverhalt zunächst rechtlich falsch beurteilt und deswegen kein DB und kein DZ für diese Zahlungen berücksichtigt worden sei. Aus welchen Gründen nicht vom Anfallen der in Rede stehenden lohnabhängigen Abgaben ausgegangen worden ist, ist eine auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage. Dass dem Bundesfinanzgericht bei der Feststellung des Sachverhalts ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler unterlaufen wäre, wird im Zulässigkeitsvorbringen nicht behauptet. Wenn aber die in Rede stehenden Lohnabgaben aufgrund einer unzutreffenden Rechtsansicht der Mitbeteiligten nicht berücksichtigt worden sind, ist eine Bilanzberichtigung jedenfalls möglich. Mit dem Zulässigkeitsvorbringen wird folglich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhängt.
17 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. November 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016150042.L00Im RIS seit
27.12.2017Zuletzt aktualisiert am
15.02.2018