Index
E3L E09301000Norm
BAO §115 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der S GmbH in F, vertreten durch die Klagenfurter Wirtschaftstreuhand GmbH in 9020 Klagenfurt, Kempfstraße 23, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 10. Juli 2015, Zl. RV/4100410/2011, betreffend Umsatzsteuer 2007, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine auf dem Gebiet der Erzeugung und des Handels mit Jagdwaffen und Jagdzubehör tätige GmbH.
2 Am 12.8.2007 beantragte X beim Flughafen Graz Thalerhof anlässlich seiner Ausreise in die Schweiz die Bestätigung der Ausfuhr einer von der Revisionswerberin erworbenen Jagdwaffe. Vorgelegt wurde eine Rechnung der Revisionswerberin vom 30.7.2007 mit einem Warenwert von 66.000 € ohne Umsatzsteuer. Vom Zollamt Graz wurde der Austritt bestätigt und am Formular U 34 vermerkt, dass X über einen inländischen Wohnsitz verfüge.
3 Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde die Steuerfreiheit der Lieferung unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 Z 3 lit. a UStG 1994 mit der Begründung versagt, dass der Abnehmer im Falle des so genannten Touristenexportes keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet haben dürfe, was bei X aber der Fall sei. Das Finanzamt folgte dieser Feststellung durch Erlassung eines Umsatzsteuerfestsetzungsbescheides für Juli 2007.
4 In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde wies die Revisionswerberin darauf hin, dass § 7 Abs. 1 Z 3 lit. c UStG 1994 im zweiten Satz eine Spezialdefinition enthalte, wonach als Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt der Ort gelte, der im Reisepass eingetragen sei. Der schweizerische Reisepass des Kunden enthalte keinen Hinweis auf einen inländischen Wohnsitz des Abnehmers, sodass alle Voraussetzungen für die Steuerfreiheit des Umsatzes erfüllt seien.
5 In seiner abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte das Finanzamt aus, dass der Revisionswerberin spätestens im Zeitpunkt des Rücklangens des Formulars U 34 ersichtlich gewesen sei, dass X über einen Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet verfüge.
6 Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag. Vor dem Bundesfinanzgericht legte die Revisionswerberin den Ablauf des Geschehens wie folgt dar:
7 Anlässlich eines Österreich-Termins sei X mit seinem Privatflugzeug nach Graz gekommen. Der Gesellschafter-Geschäftsführer der Revisionswerberin habe das Jagdgewehr vereinbarungsgemäß X am Flughafen in einem verschließbaren Gewehrkoffer übergeben. Um die Verbringung des Gewehrs in den Sicherheitsbereich des Flughafens zu ermöglichen, habe die Polizei verständigt werden müssen. Ein Zöllner sei zum Zweck der Bestätigung der Ausfuhr zugezogen worden. Diesem sei ein komplettes Aktenkonvolut bestehend aus Rechnung, Ausfuhrbewilligung, Einfuhrbewilligung, U 34 und einem ausgefüllten Zollausfuhrdokument, wie es normalerweise Speditionen verwendeten, vorgelegt worden. Der Zöllner sei mit den Unterlagen ins Büro gegangen und nach kurzer Zeit mit dem abgestempelten Formular U 34 zurückgekommen, ohne eine weitere Bemerkung zu machen. Der Geschäftsführer der Revisionswerberin habe mangels mitgebrachter Brille nicht gelesen, dass der Zöllner das Bestehen eines inländischen Wohnsitzes am Formular vermerkt habe und gemeint, dass das Gewehr nunmehr in die Schweizerische Eidgenossenschaft steuerfrei exportiert werden könne. Es sei unerklärlich, warum der Zöllner das Formular „U 34“ abgestempelt habe und nicht die „Zollrechtliche Ausfuhrerklärung“. In letzterem Fall wäre das Regime des Touristenexports nicht zu beachten gewesen, sodass ein allfälliger Wohnsitz des Abnehmers im Gemeinschaftsgebiet gar keine Rolle gespielt hätte.
8 In der Beschwerdeverhandlung verwies der Vertreter der Revisionswerberin auf Judikatur des EuGH, wonach die Steuerfreiheit einer Lieferung nicht alleine deswegen versagt werden dürfe, weil gewisse Formvoraussetzungen fehlten, wenn sichergestellt sei, dass der Export stattgefunden habe. Auch das Finanzamt zweifle im Revisionsfall nicht daran, dass das Gewehr Österreich verlassen habe und in der Schweizerischen Eidgenossenschaft ordnungsgemäß verzollt und in die waffenrechtliche Urkunde des Abnehmers eingetragen worden sei. Überdies stelle der im Zentralen Melderegister erfasste Inlandswohnsitz des Abnehmers keinen Wohnsitz iSd BAO dar. Der Abnehmer habe sich lediglich zum Zwecke des Grundverkehrs (oder wie sich im weiteren Verfahren herausgestellt hat, möglicherweise um einen steirischen Jagdschein zu erhalten) in Österreich angemeldet. Bei der angegebenen Wohnung handle es sich um die Wohnung des Verwalters jenes Forstes, an dessen Erwerb X interessiert gewesen sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass „ein Millionär“ im Einfamilienhaus eines Forstverwalters wohne.
9 Der Vertreter des Finanzamtes hielt dem entgegen, dass es sich bei X um keinen „ausländischen Abnehmer“ handle. Es ginge im Revisionsfall nicht um das Nichterfüllen formaler Kriterien, sondern um inhaltliche Bedenken. Der Revisionswerberin wäre es zumutbar gewesen, den Abnehmer um Aufklärung zu bitten, wo sein Wohnsitz liege. Sei eine Anmeldung für Zwecke des Grundverkehrs in Österreich erfolgt, müssten gewisse „Kollateralschäden“ in Kauf genommen werden.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde gegen den (zwischenzeitig ergangenen) Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2007 nur insofern Folge als der Kaufpreis von 66.000 € nicht wie bisher als Nettopreis sondern als Bruttopreis beurteilt wurde.
11 Ausländischer Abnehmer nach § 7 Abs. 2 lit. a UStG 1994 sei, wer keinen Wohnsitz im Inland habe. Werde der Gegenstand der Lieferung durch den Abnehmer im persönlichen Reisegepäck ausgeführt, liege gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 eine Ausfuhrlieferung nur vor, wenn der Abnehmer keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet habe. Bei einem Gewehr handle es sich um keinen Gegenstand, der geeignet sei, im persönlichen Reisegepäck mitbefördert oder als Reisegepäck aufgegeben zu werden. Die Ausfuhr und die Einfuhr sei an das Vorliegen besonderer Bewilligungen geknüpft, weswegen auch die Polizei habe verständigt werden müssen, um die Verbringung der Jagdwaffe in den Sicherheitsbereich des Flughafens zu ermöglichen. Damit komme der Wohnsitzdefinition des drittvorletzten Satzes des § 7 Abs. 1 UStG 1994 im Revisionsfall von vornherein keine Bedeutung zu. Der Vollständigkeit halber sei jedoch angemerkt, dass die Bestimmung, wonach als Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt der Ort gelte, der im Reisepass oder sonstigen Grenzübertrittsdokument eingetragen sei, dem Unternehmer primär zur vereinfachten Nachweisführung dienen solle. Könne der Unternehmer im Zeitpunkt der Lieferung erkennen, dass tatsächlich ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet vorhanden sei, sei ihm die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit der vereinfachten Nachweisführung jedoch verwehrt.
12 Das Bundesfinanzgericht gehe vom Vorliegen eines - auch der Steuerfreiheit nach § 7 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 entgegenstehenden - Wohnsitzes des X im Inland aus. Der Revisionswerberin wäre es angesichts der länger andauernden Geschäftsbeziehung zu X (zwischen Bestellung und Lieferung des Gewehrs sei rund ein Jahr verstrichen) ohne weiteres zuzusinnen gewesen, nähere Auskünfte über den Wohnsitz des X einzuholen. Dies wäre spätestens zu dem Zeitpunkt geboten gewesen, als der Zöllner am „U 34“ das Vorliegen eines Inlandswohnsitzes vermerkt habe. Nicht zu überzeugen vermöge das Vorbringen, wonach der Gesellschafter-Geschäftsführer mangels Brille nicht gelesen habe, was vom Zöllner am Formular vermerkt worden sei. Dabei handle es sich um eine Schutzbehauptung. Dies gelte auch für die Ausführungen, wonach das Büro der Revisionswerberin immer „beide Formulare“ ausfülle, weil manchmal, wenn der Abnehmer die Ware selbst abhole, ein „normaler“ Export erklärt werde. Im Revisionsfall sei ausdrücklich eine Übergabe am Flughafen vereinbart gewesen, auf die sich die Revisionswerberin habe vorbereiten können. Der nach dem Zentralen Melderegister erfolgten polizeilichen Meldung des X habe das Bundesfinanzgericht nicht nur Indizwirkung beizumessen. Die Meldung sei nicht erst 2007 erfolgt (Meldung für Zwecke des Grundverkehrs), sondern bereits am 4.8.2003. Auch die weiteren in diesem Zusammenhang getätigten Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung (Anmeldung als Jagdgast zum Zwecke des Erwerbs eines steirischen Jagdscheins, ein Millionär wohne nicht im Einfamilienhaus des Forstverwalters) erwiesen sich nach dem Dafürhalten des Bundesfinanzgerichts als „nicht wenig plausibel“.
13 Im Revisionsfall stünden der Inanspruchnahme der Steuerfreiheit somit materiellrechtliche Kriterien und nicht bloß Formalvoraussetzungen entgegen. Im Hinblick darauf, dass das Bundesfinanzgericht dem Vorbringen der Revisionswerberin bereits auf Grund der aufgezeigten Erwägungen keinen Glauben zu schenken vermochte, habe von den beantragten Zeugenvernehmungen (zur Frage des Vorliegens eines Inlandswohnsitzes) Abstand genommen werden können.
14 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig, weil das Erkenntnis - in Würdigung des verwirklichten Sachverhalts - Ergebnis zwingender Gesetzesanwendung sei.
15 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Die Revisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts handle es sich bei der gegenständlichen Rechtsfrage, nämlich ob bei einem Touristenexport iSd § 7 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 der Wohnsitz iSd gesetzlichen Definition jener Ort sei, der im Reisepass oder sonstigen Grenzübertrittsdokument eingetragen sei, oder andere Wohnsitzdefinitionen maßgeblich seien, um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art. Die reine Anmeldung als Zweitwohnsitz begründe für sich keinen Wohnsitz iSd § 26 BAO. Weiters habe das Finanzamt nicht geprüft, ob die im Zentralen Melderegister aufscheinende Adresse des Schweizer Kunden im Einfamilienhaus des W einen Wohnsitz iSd § 26 BAO darstelle. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass ein Milliardär einen Wohnsitz im Einfamilienhaus eines Mitarbeiters nehme.
16 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Die Revision ist zulässig, sie ist auch begründet.
19 Ausfuhrlieferungen im Sinne des § 7 UStG 1994 sind gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 leg. cit. steuerfrei.
20 § 7 Abs. 1 und 2 UStG 1994 lautet:
„(1) Eine Ausfuhrlieferung (§ 6 Abs. 1 Z 1) liegt vor, wenn
1. der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet (§ 3 Abs. 8) hat oder
2. der Unternehmer das Umsatzgeschäft, das seiner Lieferung zugrunde liegt, mit einem ausländischen Abnehmer abgeschlossen hat, und der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittland befördert oder versendet hat, ausgenommen die unter Z 3 genannten Fälle.
3. Wird in den Fällen der Z 2 der Gegenstand der Lieferung nicht für unternehmerische Zwecke erworben und durch den Abnehmer im persönlichen Reisegepäck ausgeführt, liegt eine Ausfuhrlieferung nur vor, wenn
a) der Abnehmer keinen Wohnsitz (Sitz) oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat,
b) der Gegenstand der Lieferung vor Ablauf des dritten Kalendermonates, der auf den Monat der Lieferung folgt, ausgeführt wird und
c) der Gesamtbetrag der Rechnung für die von einem Unternehmer an den Abnehmer gelieferten Gegenstände 75 Euro übersteigt.
Als Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt gilt der Ort, der im Reisepaß oder sonstigen Grenzübertrittsdokument eingetragen ist. Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Ausfuhr bearbeitet oder verarbeitet worden sein.
Die vorstehenden Voraussetzungen müssen buchmäßig nachgewiesen sein.
(2) Ausländischer Abnehmer ist
a) ein Abnehmer, der keinen Wohnsitz (Sitz) im Inland hat,
b) eine Zweigniederlassung eines im Inland ansässigen Unternehmers, die ihren Sitz nicht im Inland hat, wenn sie das Umsatzgeschäft im eigenen Namen abgeschlossen hat. Eine im Inland befindliche Zweigniederlassung eines Unternehmers ist nicht ausländischer Abnehmer.“
21 Das Bundesfinanzgericht ist vom Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes des Abnehmers der Ware ausgegangen, weshalb X nicht als ausländischer Abnehmer iSd § 7 Abs. 2 UStG 1994 in Betracht komme. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision im Ergebnis zu Recht. Das Bundesfinanzgericht stützt seine Feststellung ausschließlich auf die Eintragung im Zentralen Melderegister, der nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 26 Abs. 1 BAO aber keine entscheidende Bedeutung zukommt. Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung ist steuerrechtlich das Bestehen eines Wohnsitzes stets an die objektive Voraussetzung des Besitzes - hier gleichbedeutend mit dem Innehaben - einer Wohnung geknüpft. Die polizeiliche Meldung oder die Unterlassung derselben ist ebenso wenig für die Frage des Wohnsitzes entscheidend, wie der Umstand, ob Miete bezahlt wird oder nicht. Der Wohnsitzbegriff des Steuerrechtes knüpft an die tatsächliche Gestaltung der Dinge an. Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es der tatsächlichen Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderungen jederzeit zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (vgl. VwGH 24.1.1996, 95/13/0150; sowie mit weiterführenden Hinweisen Ritz, BAO6, § 26 Tz 4 ff).
22 Im Anwendungsbereich des Unionsrechts kann sich ein davon abweichender Wohnsitzbegriff ergeben (vgl. Art. 147 Abs. 2 Richtlinie 2006/112/EG).
23 Welcher Wohnsitzbegriff dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegt, bleibt im Dunkeln, wenn es darin heißt, „der nach dem Zentralen Melderegister erfolgten polizeilichen Meldung des [X] vermochte das Bundesfinanzgericht nicht nur Indizwirkung beizumessen“. Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurde das Bestehen eines inländischen Wohnsitzes des X mit einem konkreten Vorbringen in Abrede gestellt. Zur näheren Sachverhaltsfeststellung wurden auch entsprechende Beweisanträge gestellt, denen das Bundesfinanzgericht nicht nachgekommen ist. Dass es der Revisionswerberin „ohne weiteres zuzusinnen gewesen“ wäre - im Zeitraum zwischen Bestellung der Waffe und deren Lieferung liege ein Zeitraum von rund einem Jahr - nähere Auskünfte zum Wohnsitz ihres Kunden anzustellen, ist eine Erwägung, die die Entscheidung nicht zu tragen vermag. Abgesehen davon, dass es den Abgabenbehörden obliegt, den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen, geht es bei der Frage des Bestehens eines inländisches Wohnsitzes zunächst um die Feststellung objektiver Umstände und nicht darum, ob dem Unternehmer deren Feststellung zumutbar war oder nicht. Die mögliche Frage eines Vertrauensschutzes kann sich erst dann stellen, wenn die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der streitgegenständlichen Lieferung tatsächlich nicht vorliegen sollten.
24 Der Hinweis des Finanzamtes in seiner Revisionsbeantwortung auf Art. 12 DVO (EU) Nr. 282/2011 vermag das Erkenntnis selbst im Falle seiner Anwendbarkeit (vgl. dazu Art. 65) im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zu tragen, weil auch nach dieser Bestimmung als Wohnsitz einer natürlichen Person der im Melderegister eingetragene Wohnsitz dann nicht gilt, wenn dieser Wohnsitz die tatsächlichen Gegebenheiten nicht widerspiegelt. Das Primat der tatsächlichen Verhältnisse liegt somit auch dem angeführten Artikel zu Grunde.
25 Der Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 3 UStG 1994, wonach als Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt der Ort gilt, der im Reisepass eingetragen ist, kommt - worauf in der Revisionsbeantwortung zutreffend hingewiesen wird - im Revisionsfall schon deshalb keine Relevanz zu, weil der vom Abnehmer verwendete Reisepass offenbar keine diesbezügliche Eintragung aufgewiesen hat. Aus diesem Grund kann es dahinstehen, ob eine Jagdwaffe als Reisegepäck iSd § 7 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 in Betracht kommt (vgl. Melhardt/Tumpel, UStG², § 7 Rz 34; Ruppe/Achatz, UStG4, § 7 Tz 36/4; sowie Tehler in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, [d]UStG Kommentar, § 6 Tz 512, die darin übereinstimmen, dass zum persönlichen Reisegepäck diejenigen Gegenstände gehören, die Personen bei einem Grenzübertritt mit sich führen).
26 Da der gegenständlichen Entscheidung schon nicht zu entnehmen ist, welcher Wohnsitzbegriff ihr zu Grunde liegt, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
27 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. November 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015150066.L00Im RIS seit
20.08.2021Zuletzt aktualisiert am
20.08.2021