TE Vwgh Beschluss 2017/11/30 Ra 2017/18/0293

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Veröffentlicht am 30.11.2017
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

BFA-VG 2014 §16 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §33;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des R M in W, vertreten durch Mag. Gabriele Knizak LL.M., Rechtsanwältin in 1010 Wien, Herrengasse 8/8/12, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2017, Zl. W226 2147037-3/2E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 10. Mai 2017 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber, einem russischen Staatsangehörigen, den Status des Asylberechtigten ab, gewährte ihm weder subsidiären Schutz noch einen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und erklärte die Abschiebung in die Russische Föderation für zulässig. Gleichzeit sprach das BFA aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und erließ gegen den Revisionswerber ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

2 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), das ihm mit Schreiben vom 19. Juni 2017 vorhielt, es gehe davon aus, dass die Beschwerde verspätet sei, weil sie nicht innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist gemäß § 16 BFA-VG eingebracht worden sei.

3 Mit Eingabe vom 26. Juni 2017 äußerte der Revisionswerber verfassungsrechtliche Bedenken gegen die (verkürzte) zweiwöchige Beschwerdefrist und regte an, das BVwG möge beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 16 Abs. 1 BFA-VG gemäß Art. 89 iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG beantragen. Sollte das BVwG die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken jedoch nicht teilen und die Beschwerde als verspätet ansehen, beantragte der Revisionswerber mit näherer Begründung "eventualiter" die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 3. Juli 2017 wies das BVwG den Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Mit Beschluss vom 1. August 2017 wies das BVwG überdies die Beschwerde als verspätet zurück.

5 Mit der vorliegenden Revision wendet sich der Revisionswerber gegen die Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrags und macht zur Zulässigkeit - zusammengefasst - geltend, das BVwG gehe zu Unrecht davon aus, dass der Revisionswerber seine Wiedereinsetzungsgründe im Laufe des Verfahrens ausgewechselt habe. Außerdem lege es einen zu strengen Sorgfaltsmaßstab an und werfe dem Revisionswerber deshalb unberechtigterweise ein grobes Verschulden an der Säumnis vor. Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes zwar nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG aber nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

8 In Anwendung dieser gesetzlichen Vorgaben ist die Revision nicht zulässig. Die Lösung der Revision hängt von den geltend gemachten Rechtsfragen nämlich nicht ab. Dem BVwG ist vielmehr anzulasten, dass es über den Eventualantrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unzulässigerweise bereits entschieden hat, bevor der Eventualfall eingetreten ist (vgl. dazu etwa VwGH 19.6.2015, Ra 2014/02/0178, mit weiteren Nachweisen). Dieser Fehler wird in der Zulassungsbegründung der außerordentlichen Revision aber nicht angesprochen und kann daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht aufgegriffen werden.

9 Im Ergebnis gereicht dieser Umstand dem Revisionswerber aber nicht zum Nachteil, weil der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. Oktober 2017, E 2966/2017-6, den Beschluss des BVwG vom 1. August 2017, mit dem die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen worden war, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes aufgehoben hat. Die Beschwerde des Revisionswerbers war daher als rechtzeitig anzusehen, weshalb es des Wiedereinsetzungsantrags gar nicht bedurfte.

10 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. November 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017180293.L00

Im RIS seit

27.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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