Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 4. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Schlager und Dr. Kretschmer als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen einer einstweiligen Maßnahme über die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 3. März 2017, AZ D 159/14, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo. 2005 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird keine Folge gegeben.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 3. März 2015, D 159/14, wurde über den Disziplinarbeschuldigten *****, Rechtsanwalt in *****, nach Durchführung einer mündlichen Disziplinarverhandlung die einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 19 Abs 1 Z 1 DSt verhängt. Der Disziplinarrat sprach aus, dass die einstweilige Maßnahme gemäß § 19 Abs 4 DSt spätestens nach sechs Monaten, jedenfalls aber gemäß § 19 Abs 5 DSt mit der rechtskräftigen Beendigung dieses Disziplinarverfahrens außer Kraft tritt.
Anlass für die verhängte Maßnahme war, dass gegen den Disziplinarbeschuldigten zu 32 St 47/14h der Staatsanwaltschaft Wien ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15 Abs 1, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB sowie wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 12, 288 Abs 1 und Abs 4 StGB geführt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Beschluss erhob der Disziplinarbeschuldigte Beschwerde mit dem Antrag, seine Sperre aufzuheben. Subsidiär stellte er den Antrag, seiner Beschwerde nach Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung Folge zu geben und die Sperre aufzuheben.
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 19 Abs 1 Z 1 DSt kann der Disziplinarrat einstweilige Maßnahmen bereits dann beschließen, wenn gegen einen Rechtsanwalt ein Strafverfahren nach der StPO geführt wird. Für die Verhängung der einstweiligen Maßnahme ist nicht der Nachweis einer gerichtlich strafbaren Handlung erforderlich, sondern es genügt eine bereits darauf abstellende ausreichende Verdachtslage (vgl RIS-Justiz RS0119609, RS0107306). Zusätzlich ist eine Besorgnis von schweren Nachteilen für die rechtssuchende Bevölkerung oder für das Ansehen des Rechtsanwaltsstandes gefordert (RIS-Justiz RS0078293). Derartige schwere Nachteile für die Bevölkerung sind aufgrund des eingeleiteten Strafverfahrens bereits mit der Möglichkeit gegeben, dass der vom Rechtsanwalt seinem Mandanten geschuldete Einsatz vor Strafgerichten nicht mehr gewährleistet ist, wenn sich dieser selbst als Beschuldigter bzw Angeklagter zu verantworten hat (RIS-Justiz RS0104960, RS0056748, RS0056752).
Der Beschwerde sind nun keinerlei Argumente zu entnehmen, die das Vorliegen der Voraussetzung dieser einstweiligen Maßnahme in Zweifel ziehen. Die vom Disziplinarbeschuldigten im Rechtsmittel ins Treffen geführten Gründe, wonach der Disziplinarrat die im Strafakt erliegenden Gutachten und die Widersprüche in den Aussagen der vernommenen Zeugen nicht beachtet hätte, der Disziplinarbeschuldigte bereits aus der Untersuchungshaft entlassen worden und bei der Errichtung des Testaments durch Mag. Rudolf B***** nicht anwesend, sondern im Ausland gewesen sei, bereits drei ihn vollständig entlastende Schriftsachverständigengutachten vorliegen und die drei mehrmals vernommenen Testamentszeugen den Sachverhalt „vollkommen nachvollziehbar“ dargelegt hätten, stellen lediglich eigenständige Würdigungen des Beschwerdeführers der im Ermittlungsverfahren hervorgekommenen Beweise dar, stellen aber die Voraussetzungen für die Verhängung der einstweiligen Maßnahme nicht in Frage.
Die abschließenden Ausführungen des Disziplinarbeschuldigten, die Sperre hätte nur die Funktion der „Desavouierung“ und Kreditschädigung seiner Person; sie erschiene durch deren Publizität übertrieben; überdies sei die Argumentation, diese Maßnahme sei zum Schutz der rechtssuchenden Bevölkerung ergriffen worden, eine bloße Scheinbegründung, entbehren jeglichen sachlichen Substrats.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Die begehrte Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung findet im Gesetz (§ 56 DSt) keine Deckung. Den Kriterien des Art 6 EMRK (vgl dazu EGMR v 5. April 2016, Appl. 33060/10, NL 2016, 129) wurde bereits durch die mündliche Verhandlung vor dem Disziplinarrat Genüge getan, zumal bei der hier vorgenommenen Überprüfung der Beschwerdeargumente ohne eigene Ermittlungen aufgrund der Aktenlage in der Sache entschieden werden konnte (vgl Meyer-Ladewig/ Harrendorf/König, EMRK4 Art 6 Rz 175; Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 24 Rz 107 ff).
Textnummer
E120173European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0270DS00003.17Y.1204.000Im RIS seit
27.12.2017Zuletzt aktualisiert am
11.06.2018