TE OGH 2017/12/6 13Os130/17t

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Veröffentlicht am 06.12.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Albert S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hayk D***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 25. August 2017, GZ 51 Hv 33/17p-76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hayk D***** werden zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Hayk D***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hayk D***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A) und der schweren Nötigung nach §§ 12 dritter Fall, 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in der Zeit vom 29. März 2017 bis zum 31. März 2017 (US 7) in O***** zur Ausführung von Albert S***** unmittelbar (§ 12 erster Fall StGB) begangener strafbarer Handlungen beigetragen, nämlich dazu, dass dieser

(A) der Mitarbeiterin der V***** Tanja B***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe 40.745 Euro abnötigte, indem er mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz (US 9) den Tatort auswählte und auskundschaftete, die Tat plante, Albert S***** zum Tatort führte und sich als Fluchtwagenfahrer bereithielt, sowie

(B) Mitarbeiter der V***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zum Unterlassen seiner Verfolgung zu nötigen versuchte, indem er Rindenmulch kaufte und damit einen sodann von Albert S***** als Bombenattrappe verwendeten Einkaufstrolly füllte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hayk D***** geht fehl.

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden von der Beschwerde nicht angesprochen) – über schuld- oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS-Justiz RS0106268).

Hievon ausgehend nennt das Gesetz fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen:

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn – nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, somit aus objektiver Sicht – nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS-Justiz RS0117995 [insbesonders T3 und T4]).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS-Justiz RS0118316).

Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 438). Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (15 Os 51/04, SSt 2004/43; RIS-Justiz RS0119089).

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS-Justiz RS0116732 und RS0118317).

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS-Justiz RS0099431).

In Bezug auf alle fünf Fehlerkategorien ist die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS-Justiz RS0119370).

Wo das Gesetz auf einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit Verfahrensergebnissen abstellt (Z 5 zweiter Fall und Z 5 fünfter Fall), ist überdies der entsprechende Aktenbezug herzustellen (vgl RIS-Justiz RS0124172).

Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde, indem sie – großteils ohne konkreten Konnex zu entscheidenden Tatsachen – einzelne Elemente der tatrichterlichen Beweiswürdigung (US 11 bis 15) isoliert angreift und aus spekulativen Ansätzen sowie behaupteter „allgemeiner Lebenserfahrung“ anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse ableitet.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wird mit dem Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0115902).

Entsprechendes gilt für den Hinweis auf zwei Passagen der Verantwortung des Beschwerdeführers, weil die Rüge insoweit nicht erkennen lässt, welche konkreten, dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen hiedurch erheblich bedenklich erscheinen sollen.

Auch das übrige Vorbringen der Tatsachenrüge entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil insoweit der unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes unerlässliche Aktenbezug (13 Os 60/03, SSt 2003/47; RIS-Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310) fehlt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Ebenso war mit der Berufung des Angeklagten Hayk D***** zu verfahren. Dieser wurde nämlich zu einer Freiheitsstrafe (§ 18 StGB) sowie zur Strafe der Konfiskation (§ 19a StGB) verurteilt, führte aber seine Berufung nicht aus und erklärte auch bei deren Anmeldung nicht, gegen welche Sanktion sie sich richtet (§ 296 Abs 2 StPO iVm § 294 Abs 4 erster Satz StPO und § 294 Abs 2 vierter Satz StPO).

In Bezug auf den Ausspruch über die Konfiskation überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde, dass dem Urteil nicht geltend gemachte, gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO anhaftet, weil das Erstgericht die in § 19a Abs 2 StGB zwingend vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich unterließ (RIS-Justiz RS0088035 [insbesondere T7], jüngst 13 Os 47/17m).

Mit Blick auf die Zurückweisung der Berufung des Angeklagten Hayk D***** war das Konfiskationserkenntnis bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Die Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht;

Textnummer

E120174

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00130.17T.1206.000

Im RIS seit

27.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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