Entscheidungsdatum
29.11.2017Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W182 1262298-3/2Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017, Zl. 335154202/160132475, beschlossen:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 17 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist Staatsangehörige der Volksrepublik China, gehört der Volksgruppe der Han an, ist konfessionslos, reiste am 08.05.2005 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 12.05.2005 einen Asylantrag.
Vom Bundesasylamt am 24.05.2005 sowie am 27.05.2005 zu ihrem Antrag niederschriftlich befragt, brachte sie im Wesentlichen vor, dass sie in China als Inhaberin eines kleinen Copyshops gegen Entgelt Falun Gong Flugblätter vervielfältigt habe. Die Polizei habe sie deswegen verhaften wollen. Durch ihre Flucht im Mai 2005 sei sie einer Verhaftung zuvor gekommen. Zu ihren Familienverhältnissen gab sie an, dass ihr Vater verstorben sei und ihre Mutter in China lebe. Seitens der BF wurden keine Erkrankungen geltend gemacht.
Mit Bescheid des Bundesasylamts vom 28.06.2005, Zl. 05 06.829-EAST Ost, wurde der Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG), BGBl. I Nr. 1997/76 idF BGBI. I Nr. 2003/101, abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. festgestellt, dass die Zurückweisung Zurückschiebung und Abschiebung der BF in die VR China zulässig sei (Spruchpunkt II.) und die BF gemäß § 10 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr. 100/2005 2005, aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, die Angaben der BF seien nicht glaubhaft.
Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.02.2011 mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.02.2011 (zugestellt am 18.02.2011), Zl. C4 262.298-0/2008/10E, in allen Spruchpunkten abgewiesen, wobei begründend im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass das Vorbringen der BF unglaubwürdig sei.
1.2. Am 25.01.2016 stellte die BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).
In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.01.2016, sowie zwei Einvernahmen beim Bundesamt am 24.02.2016 und am 10.10.2017 brachte die BF im Wesentlichen vor, dass sie seit 2015 mit einem namentlich genannten Lebensgefährten in Österreich zusammenwohne. Ihre Mutter in China sei inzwischen auch verstorben, Geschwister habe sie keine. Die BF leide inzwischen u.a. an Diabetes. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat befürchte sie, sich die Medikamente, die sie als Diabetikerin benötige, nicht leisten zu können. Sie hätte dort keine Unterkunft, keine Arbeit und keine Versicherung. Sonst habe sie keine Fluchtgründe. Seitens der Behörden in China hätte sie mit keinen Sanktionen zu rechnen.
Die BF konnte ein Zertifikat über eine bestandene ÖSD A2 Deutschprüfung vorlegen. Den von der BF vorgelegten Medikamentenverordnungsblättern eines Facharztes für Innere Medizin sowie den Laborbefunden zufolge leidet die BF im Wesentlichen an erhöhten Glukose-, Tryglicerid- und Cholesterinwerten, wobei sich aufgrund der angegebenen Medikamente nach entsprechender Internetrecherche erschließen lässt, dass sie u.a. an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt ist.
1.3. Mit dem nunmehr angefochtenen, oben angeführten Bescheid des Bundesamtes vom 20.10.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG in die VR China zulässig sei (Spruchpunkt II.). Weiters wurde unter Spruchpunkt III. ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise der BF besteht.
Dazu wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die Identität der BF, die chinesische Staatsangehörige sei, nicht feststehe, weil sie keine Personendokumente in Vorlage gebracht habe. Sie sei 2005 illegal eingereist und habe den Aufenthalt nur durch die Stellung von Asylanträgen legitimiert. Ihr erster Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes unter VZ: 0506829 vom 14.04.2014 gemäß § 3, 8 AsylG abgewiesen worden, wobei auch eine Ausweisung erlassen worden sei, und sei der Bescheid in zweiter Instanz in Rechtskraft erwachsen. Im gegenständlichen Asylverfahren habe die BF keine neuen Fluchtgründe dargelegt. Auch hinsichtlich der Art. 2, 3 und 8 EMRK habe sie keinen neuen und insbesondere entscheidungsrelevanten Sachverhalt dargetan, welcher sich nach rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens im Februar 2011 ergeben habe. Die BF leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Zur allgemeinen Situation im Herkunftsland wurden entsprechende Länderfeststellungen getroffen, wobei unter Zugrundelegung einer IOM-Auskunft aus dem Jahr 2011 zusätzlich festgestellt wurde, dass Diabetes mellitus Typ 1 in China in einer namentlich genannten Provinz behandelbar sei, wobei die Behandlungskosten – wenn keine Krankenversicherung bestehe – selbst getragen werden müssen, im Falle einer Krankenversicherung könne um die Rückerstattung der Kosten für die medizinische Behandlung / Medikamente angesucht werden. Aus den im Bescheid getroffenen Länderfeststellungen zur Grundversorgung/Wirtschaft, die sehr allgemein gehalten sind, geht hinsichtlich des sozialen Sicherungssystems in China lediglich hervor, dass dieses bestimmten Personengruppen (alte Menschen, Waisen, Menschen mit Behinderung) soziale Sicherheit biete, wobei darauf hingewiesen wird, dass die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor sei. Dazu wurde seitens des Bundesamtes in der Beweiswürdigung ausgeführt: "Zu Ihren Rückkehrbefürchtungen gaben Sie lediglich wirtschaftlich geleitete Motive zu Protokoll. Sie meinten, dass Sie keine Medikamente mehr hätten, was nicht der Wahrheit entspricht, wie aus dem Länderinformationsblatt ersichtlich ist. Sie meinten noch, dass sie keine Arbeit hätten. Hier in Österreich arbeiten Sie auch nicht. In der VR- China ist eine Grundversorgung vorhanden und als Sie nach Österreich kamen, hatten Sie auch anfangs keine Unterkunft und haben sich um alles gekümmert, obwohl Sie die Landessprache nicht beherrschten. Daher stellt dies keine derartige Rückkehrbefürchtung dar". Hinsichtlich des Privat und Familienleben wurde ausgeführt: "Auch hinsichtlich Ihres Privat- u. Familienlebens in Österreich ist anzumerken, dass Sie diese Lebensgemeinschaft zu einem Zeitpunkt eingingen, in welchem Sie sich Ihren unsicheren Aufenthalt in Österreich durchaus bewusst waren. Interessant ist auch der Umstand, dass Sie Ihren Lebensgefährten schon in der VR-China kennengelernt hätten. Dass man hier von keinem schützenswerten Privatleben reden kann, zeigt jedoch besonders, dass Sie ihren Freund mit keinem Wort in Ihren fünf Jahresplänen erwähnten (Anmerkung: betrifft offenbar die Frage "Wo sehen sie sich in 5 Jahren"). Die Tatsache, dass Sie Ihren Freund seit 2005 kennen, ist nicht aussagekräftig. Nur weil man jemanden kennt, heißt dies noch lange nicht, dass eine wirkliche kontaktreiche Beziehung besteht. Sie wohnen erst seit 2015 mit Ihrem Freund zusammen. Hier kann nicht die Rede sein von einem schützenswerten Privatleben."
1.4. Dagegen wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und der Bescheid zur Gänze bekämpft. In der Beschwerde wurde das Vorbringen der BF wiederholt und insbesondere auf das Fehlen eines familiären Netzwerkes, die Mittellosigkeit, sowie die Erkrankungen der BF, deren Behandlung sie sich in der VR China nicht leisten könne, verwiesen und die Gefahr einer ausweglosen Lage für die BF im Sinne einer unmenschlichen Behandlung nach Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr ins Herkunftsland behauptet. Weiters wurde hinsichtlich der Rückehrentscheidung das Zusammenleben der BF mit einem Lebensgefährten, integrative Schritte sowie die lange Aufenthaltsdauer geltend gemacht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
Gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.
Im vorliegenden Fall kann eine Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde innerhalb der relativ kurzen Frist des § 17 Abs. 1 BFA-VG nicht getroffen werden. Die BF macht ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen (Art. 3 und 8 EMRK) geltend. Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um "vertretbare Behauptungen" handelt, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt hinsichtlich der behaupteten individuellen Situation der BF im Herkunftsland in Zusammenschau mit der im Bescheid vorgenommenen Beweiswürdigung und den getroffenen Länderfeststellungen nicht in ausreichender Weise geklärt erscheint.
Daher war der Beschwerde gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W182.1262298.3.00Zuletzt aktualisiert am
22.12.2017