TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/29 L504 1418847-2

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Entscheidungsdatum

29.11.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AVG §68 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

L504 1418847-2/6E

L504 1418848-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. XXXX , geb. XXXX , beide StA. Türkei und vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2017, Zlen. 1. 535295510-170514613 und 2. 535295608-170514605, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden gemäß § 68 Abs 1 AVG idgF, 57, 10 Abs 1 Z 3 AsylG, 52 Abs 2 Z 2 u. Abs 9 FPG, 46 FPG, 55 Abs 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführenden Parteien [bP1 und bP2] stellten nach nicht rechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet erstmals am 02.11.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Es handelt sich dabei um Ehegatten türkischer Staatsangehörigkeit mit kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit und alevitischen Glaubens.

Diese Anträge auf internationalen Schutz wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 30.03.2011, Zlen. 10 10.222-BAI (bP1) und 10 10.218-BAI (bP2), gem. § 3 Abs. 1 iVm

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpuntk I.) und gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.), sowie die bP gem. § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 21.10.2013, Zlen. E6 418.847-1/2011-17E (bP1) und E6 418.848-1/2011-15E (bP2) gem. §§ 3, 8 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Diese Entscheidungen erwuchsen mit der Zustellung an die bP am 29.10.2013 in Rechtskraft. Die Behandlung der dagegen an den VfGH erhobenen Beschwerden wurde von diesem mit Beschlüssen vom 20.02.2014 abgelehnt.

2. Am 28.04.2017 stellten die bP einen weiteren, nunmehr gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Folgeanträge der bP wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl [BFA] vom 22.08.2017, Zlen.

535295510-170514613 (bP1) und 535295608-170514605 (bP2), gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt dass die Abschiebung der bP in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gem. § 55 Abs. a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.).

Dagegen wurde von den bP durch ihre Vertretung fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der bP

Die verheirateten bP sind Staatsangehörige der Türkei, alevitischen Glaubens und Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Sie führen die im Spruch angegebenen Namen und sind an den ebendort genannten Daten geboren.

Die bP1 leidet an Diabetes Typ II und muss sich regelmäßigen Kontrollen unterziehen. Die bP2 leidet an einer Schilddrüsenunterfunktion, einem erhöhten Cholesterinspiegel, und wird aufgrund der bereits eingetretenen Menopause hormonell behandelt.

Eine lebensbedrohliche, entscheidungsrelevante Erkrankung wurde damit nicht geltend gemacht.

Die bP reisten im November 2010 in das österreichische Bundesgebiet ein und haben Österreich seither nicht mehr verlassen.

Die bP1 hat in Österreich Deutschkurse besucht und die mündliche Prüfung auf dem Niveau A2 bestanden. Weiters engagiert sie sich für die Caritas Flüchtlingshilfe bzw. das Projekt "Nachbarschaftshilfe" und beteiligt sich aktiv am Leben in der Gemeinde.

Die bP2 hat in Österreich ebenso Deutschkurse besucht und die (gesamte) Prüfung auf dem Niveau A2 bestanden, sowie sich für einen B1-Kurs angemeldet. Sie hilft weiters ehrenamtlich in einem Altersheim, hat an einem Workshop betreffend Arbeitsmarktorientierung teilgenommen und einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Wie ihr Ehegatte engagiert sich die bP2 auch für die Caritas Flüchtlingshilfe bzw. das Projekt "Nachbarschaftshilfe" und beteiligt sich aktiv am Leben in der Gemeinde.

Beide bP verfügen, unter der Voraussetzung der Erteilung eines Aufenthaltstitels, über eine Einstellungszusage als Hilfskraft mit einem monatlichen Nettoverdienst in der Höhe von EUR 1.205.

Aktuell konnte eine wirtschaftliche Selbsterhaltung nicht festgestellt werden.

In Österreich leben Cousins und Cousinen der bP1, die Schwester der bP2 samt ihrer Familie, sowie zahlreiche weitere Verwandte der bP, teilweise als Asylberechtigte.

Die bP haben in Österreich zudem einige Freund- bzw. Bekanntschaften geschlossen.

In der Türkei leben die Eltern und drei Brüder der bP1, sowie die Eltern, zwei Schwestern und zwei Brüder der bP2 bzw. weitere Verwandte der bP.

1.2. Zu den Anträge der bP auf internationalen Schutz

Erster Antrag auf internationalen Schutz vom 02.11.2010 (Verfahren des maßgeblichen Vergleichsbescheides)

Im Zuge ihres ersten Antrages auf internationalen Schutz gab die bP1, befragt zu ihren Fluchtgründen, an, dass sie in der Türkei als Alevite und Kurde immer wieder diskriminiert werde. Wenn sie Arbeit gefunden habe, sei sie nach einiger Zeit wieder gekündigt worden, was ihrer Meinung nach an ihrer Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit liege. Sie befürchte nicht, in der Türkei getötet zu werden. Der bP1 gehe es darum, dass sie hier in Österreich mehr Rechte und einen höheren Lebensstandard habe. Die bP1 sei nach Österreich gekommen, damit ihr Schutz gewährt werde und sie unter menschlichen Umständen leben könne.

Sie habe zudem Angst vor der Polizei. Im Jahr 2009 habe sie einen Vorfall miterlebt, bei dem eine Gasbombe geworfen worden sei. Die bP1 sei ohnmächtig geworden und habe im Krankenhaus behandelt werden müssen. Seitdem habe sie Gedächtnisverluste. Dieser Vorfall habe ihr Leben zerstört. Die bP1 sei Kurde und Alevite und deshalb immer schlecht behandelt worden, zb. sei sie auch immer ohne Versicherung eingestellt bzw. häufig gekündigt worden. Ebenso sei sie von Kollegen provoziert bzw. von Gesprächen ausgeschlossen worden. Bei allen Arbeitsstellen sei sie mit denselben Problemen aufgrund ihrer Religions- und Volksgruppezugehörigkeit konfrontiert worden. Die bP1 habe auch Angst vor der Polizei, diese habe sie in der Türkei manchmal kontrolliert. Das habe der bP1 nicht gepasst und habe sie sich nicht sicher gefühlt.

Die bP2 führte, befragt zu ihren Fluchtgründen, aus, dass sie seit ihrer Kindheit wegen ihrer Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit immer wieder diskriminiert worden sei. Auch bei Behördengängen seien sie und ihr Ehegatte deswegen immer wieder nachteilig behandelt worden. Die bP2 glaube, dass sie als Kurdin umgebracht werde, wenn sie zurück in die Türkei müsse. Sie sei immer schlecht behandelt und unterdrückt bzw. diskriminiert worden. Deshalb habe sie auch nicht studieren können bzw. sei ihre Gesundheit ruiniert worden. Wegen derartigen Problemen, seien auch der Bruder und die Schwester bzw. Cousins und Cousinen der bP2 aus der Türkei geflohen. Diese würden jetzt als anerkannte Flüchtlinge in Österreich bzw. in der Schweiz leben.

Diese Anträge wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 30.03.2011, Zlen. 10 10.222-BAI (bP1) und 10 10.218-BAI (bP2), in allen Spruchpunkten ab- und die bP in die Türkei ausgewiesen. Beweiswürdigend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es den bP nicht gelungen sei, eine begründete Furcht vor Verfolgung tatsächlich glaubhaft zu machen.

Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 21.10.2013, Zlen. E6 418.847-1/2011-17E (bP1) und E6 418.848-1/2011-15E (bP2) gem. §§ 3, 8 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidungen wurden vom Asylgerichtshof wie folgt begründet:

bP1

"Das zentrale Vorbringen des Beschwerdeführers zur Begründung seines Asylantrages war, dass er wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe und wegen seiner Religion diskriminiert worden sei.

Dazu ist auszuführen, dass das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers ausschließlich allgemein gehalten war und sich nur auf die allgemeine Situation von Kurden und Aleviten in der Türkei – die vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen keineswegs den Schilderungen oder Behauptungen des Beschwerdeführers entspricht – bezieht. Der Beschwerdeführer vermochte es nicht, im Laufe des gesamten Verfahrens ein individuelles, seine Person betreffendes Vorbringen zu erstatten, das auf eine individuelle Verfolgung hinweisen würde.

Sofern der Beschwerdeführer diesbezüglich vorbringt, dass es ihm wegen seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit nicht möglich gewesen sei, eine Schulbildung in der Türkei abzuschließen, so ist ihm zu entgegnen, dass dies insbesondere vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen und seinen eigenen Angaben zur beruflichen Tätigkeit seiner Brüder (einer seiner Brüder sei geprüfter Steuerberater und Buchhalter, ein weiterer Bruder betreibe und besitze in Istanbul eine Textilfirma) sowie den Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers zu ihrer Schulbildung (diese habe in der Türkei ein Gymnasium absolviert, obwohl sie – wie auch der Beschwerdeführer selbst – eine Angehörige der kurdischen Volksgruppe und Alevitin sei, die in Bingöl gelebt habe und dort aufgewachsen sei) nicht glaubhaft ist.

Ebenso ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei am Arbeitsmarkt wegen seiner ethnischen Abstammung und seiner Religion diskriminiert worden, nicht glaubhaft, zumal er – seinen Angaben folgend – seit seinem zehnten Lebensjahr bis zu seiner Ausreise aus der Türkei im November 2010 durchgehend als Arbeitnehmer bei verschiedenen Firmen beschäftigt gewesen sei, wobei er einmal für einen Zeitraum von acht Jahren hindurch bei einer einzigen Firma als angelernter Schneider gearbeitet habe.

Dass der Beschwerdeführer in der Türkei wegen seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Religion von Ärzten bzw. bei medizinischen Behandlungen diskriminiert worden sei, kann vom Asylgerichtshof ebenfalls nicht nachvollzogen werden, zumal der Beschwerdeführer lediglich – nicht näher bestimmte – Wartezeiten bei Ärzten als Diskriminierung bezeichnet hat, obwohl er dabei immer wieder von Ärzten und auch einem Psychologen sowie im Krankenhaus medizinisch und auch psychologisch behandelt worden sei.

Auch kann in dem Umstand, dass der Beschwerdeführer gelegentlich auf der Straße einer Ausweiskontrolle durch Polizisten unterzogen worden sei, weder eine Diskriminierung aus rassischen oder religiösen Gründen noch eine asylrelevante Verfolgung erblickt werden.

Sofern der Beschwerdeführer vorbringt, dass er im Jahr 2009 am Heimweg von seiner Arbeitsstelle rein zufällig durch die Explosion einer Gasbombe verletzt worden sei, ist auszuführen, dass es sich bei diesem Vorfall nicht um einen gezielt gegen die Person gerichteten Angriff auf Grund seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen seiner alevitischen Religion handelt, sondern um einen tragischen Zufall oder Unglücksfall, der keine asylrelevante Verfolgung zu begründen vermag, wobei es auch dahingestellt bleiben kann, ob die Gasbombe von Polizisten oder Privatpersonen gezündet worden sei. Auch wenn der Beschwerdeführer auf Grund dieser Explosion vorübergehende oder dauerhafte gesundheitliche Schäden davon getragen habe, rechtfertigt dies alleine nicht die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten, sondern würden sich daraus lediglich zivilrechtliche Ansprüche gegen den Verursacher der Explosion ableiten lassen.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die allgemeine Situation der Kurden in der Türkei bezieht, so vermochte er keine individuelle und aktuelle asylrelevante Verfolgung glaubhaft darzulegen. Die oberflächliche Behauptung, dass der Beschwerdeführer als Kurde in der Türkei diskriminiert worden sei und man ihn als Menschen zweiter Klasse behandelt habe, vermag keinen asylrelevanten Anknüpfungspunkt darzustellen. In diesem Zusammenhang ist diesbezüglich festzuhalten, dass, soweit der Beschwerdeführer seinen Ausreisegrund generell auf seine kurdische Abstammung und den daraus resultierenden Schwierigkeiten in der Gesellschaft stützt, die schwierige allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit für sich allein nicht geeignet ist, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun. Die bloße Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden bildet daher noch keinen ausreichenden Grund für die Asylgewährung (vgl. VwGH vom 31.01.2002, 2000/20/0358).

Hinsichtlich der kurdischen Abstammung des Beschwerdeführers ist weiters auszuführen, dass sich entsprechend der Länderberichte die Situation für Kurden derart gestaltet, dass momentan keine aktuellen Berichte über die Lage der Kurden in der Türkei und damit keine von Amts wegen aufzugreifenden Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten – sohin auch einer maßgeblichen Intensität erreichenden – Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden. Gründe, warum die türkischen Behörden ein nachhaltiges Interesse an der Person des Beschwerdeführers haben sollten, wurden von diesem nicht vorgebracht.

Der Beschwerdeführer ist weiters Alevite. Aus den herangezogenen Länderberichten ergibt sich, dass die vorgefallenen Übergriffe auf Aleviten zu keiner Zeit ein solches Ausmaß angenommen und eine solche Häufigkeit aufgewiesen haben, dass angesichts der Größe der betroffenen Bevölkerungsgruppe davon auszugehen wäre, Aleviten müssten in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Organe oder ihnen zuzurechnender Übergriffe anderer Bevölkerungsgruppen rechnen. Aleviten berichten vielmehr selbst, dass sie ihre Religion in der Türkei relativ frei ausüben können.

Weiters können allgemeine Diskriminierungen, etwa soziale Ächtung, für sich genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweisen. Bestimmte Benachteiligungen (wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit) bis zur Erreichung einer Intensität, dass deshalb ein Aufenthalt des Beschwerdeführers im Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl VwGH 07.10.1995, 95/20/0080; 23.05.1995, 94/20/0808), sind hinzunehmen.

Soweit in gegenständlicher Beschwerde ausgeführt wird, dass zahlreiche – nicht näher genannte – Verwandte des Beschwerdeführers (Cousins und Cousinen) in Österreich und der Schweiz als anerkannte Flüchtlinge leben würden, ist hieraus nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer aus diesem Grund eine (asylrelevante) Verfolgung zu befürchten habe. Diesbezüglich wurde vom Beschwerdeführer auch nichts Konkretes behauptet.

In diesem Zusammenhang ist auch grundsätzlich festzuhalten, dass es in der Türkei keine "Sippenhaft" in dem Sinne gibt, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen – etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten – werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen.

Hinsichtlich der Wiedereinreise in die Türkei ist auszuführen, dass, wenn der türkischen Grenzpolizei bekannt ist, dass es sich um eine abgeschobene Person handelt, diese nach Ankunft in der Türkei einer Routinekontrolle unterzogen wird, die einen Abgleich mit dem Fahndungsregister nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalten kann. Abgeschobene können dabei in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend zum Zwecke einer Befragung festgehalten werden. Das Auswärtige Amt hat in den vergangenen Jahren Fälle, in denen konkret Behauptungen von Misshandlung oder Folter in die Türkei abgeschobener Personen (vor allem abgelehnter Asylbewerber) vorgetragen wurden, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten durch seine Auslandsvertretungen überprüft. Dem Auswärtigen Amt ist seit vier Jahren kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde.

Auf Grund obiger Ausführungen geht der Asylgerichtshof davon aus, dass der Beschwerdeführer in der Türkei keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr in die Türkei ausgesetzt sein wird. Der Asylgerichtshof vermag eine aktuelle und individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aus einem in der GFK taxativ aufgezählten Grund nicht zu erkennen, weshalb von keiner Verfolgung im Heimatstaat ausgegangen werden kann.

Sofern in gegenständlicher Beschwerde die Einholung eines psychologischen bzw. psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer an einer krankheitswertigen psychischen Störung leide, woraus sich die Unzulässigkeit einer Abschiebung in die Türkei ergebe, und die Einholung eines neurologischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass das Gehirn des Beschwerdeführers seit der Bombenexplosion ernste Schäden erlitten habe, woraus sich ebenfalls die Unzulässigkeit einer Abschiebung in die Türkei ergebe, beantragt wurde, ist auszuführen, dass bereits vom Bundesasylamt ein neurologisches und klinisch-psychologisches Gutachten eingeholt wurde. Aus diesem Gutachten vom 21.01.2011 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer weder depressiv noch ängstlich sei und sich auch keine Hinweise auf einen erhöhten Neurotizismus oder Persönlichkeitsstörungen ergeben hätten. Zusammengefasst hätten keine psychischen Störungen nachgewiesen werden können.

Dieses Gutachten vom 21.01.2011 wurde dem Beschwerdeführer im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 23.02.2011 vom Bundesasylamt zur Kenntnis gebracht und ihm auch die Gelegenheit eingeräumt, eine Stellungnahme dazu abzugeben. Weder bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 23.02.2011 als auch in gegenständlicher Beschwerde wurde die Fachkompetenz des Gutachters oder die die Richtigkeit dieses Gutachtens vom Beschwerdeführer in Zweifel gezogen, weshalb im Hinblick auf das eindeutige Ergebnis dieses Gutachtens den Anträgen auf Einholung weiterer psychologischer bzw. psychiatrischer oder neurologischer Gutachten nicht zu folgen war.

Was den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers anbelangt, so ist festzuhalten, dass laut dem vom Bundesasylamt eingeholten neurologischen und klinisch-psychologischen Gutachten vom 21.01.2011 beim Beschwerdeführer keine psychischen Störungen werden konnten. Da der Beschwerdeführer somit weder an psychischen oder anderen Erkrankungen noch an einer lebensbedrohliche Erkrankung leidet, ist somit die Erheblichkeitsschwelle des Art 3 EMRK nicht erreicht und lässt sich daraus auch kein Abschiebeschutz ableiten.

Sofern eine etwaige medizinische Behandlung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr in die Türkei erforderlich sein sollte, ist auszuführen, dass es in der Türkei neben dem staatlichen Gesundheitssystem, das eine medizinische Grundversorgung garantiert, mehr und mehr leistungsfähige private Gesundheitseinrichtungen gibt, die in jeglicher Hinsicht EU-Standard entsprechen. Das türkische Gesundheitssystem verbessert sich laufend, sodass landesweit Behandlungsmöglichkeiten für alle Krankheiten gewährleistet sind und insbesondere auch psychiatrische Erkrankungen in staatlichen Krankenhäusern angemessen behandelt werden. Diese Einschätzung wurde vom Beschwerdeführer auch implizit bestätigt, indem er vorbrachte, dass er sowohl von Ärzten, einem Psychiater und in einem Krankenhaus behandelt worden sei. Es ist daher jedenfalls von einer – gegebenenfalls – entsprechenden Behandlungsmöglichkeit des Beschwerdeführers in der Türkei auszugehen.

bP2

"Das zentrale Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Begründung ihres Asylantrages war, dass sie wegen ihrer Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe und wegen ihrer Religion diskriminiert worden sei.

Dazu ist auszuführen, dass das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin ausschließlich allgemein gehalten war und sich nur auf die allgemeine Situation von Kurden und Aleviten in der Türkei – die vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen keineswegs den Schilderungen oder Behauptungen der Beschwerdeführerin entspricht – bezieht. Die Beschwerdeführerin vermochte es nicht, im Laufe des gesamten Verfahrens ein individuelles, ihre Person betreffendes Vorbringen zu erstatten, das auf eine individuelle Verfolgung hinweisen würde.

Sofern die Beschwerdeführerin diesbezüglich vorbringt, dass es ihr wegen ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit nicht möglich gewesen sei, eine Universitätsausbildung in der Türkei zu erhalten, so ist ihr zu entgegnen, dass dies insbesondere vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen und ihren eigenen Angaben, sie habe die erforderliche Punkteanzahl bei der Studienberechtigungsprüfung nicht erreicht und sei ein zweites Mal zu dieser Prüfung nicht mehr angetreten, nicht glaubhaft sei. Ebenso können die überaus allgemein gehaltenen Angaben der Beschwerdeführerin, sie sei während der Schulzeit diskriminiert worden, nicht nachvollzogen werden, zumal die Beschwerdeführerin die schulische Ausbildung in einem Gymnasium positiv abgeschlossen habe.

Ebenso ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei am Arbeitsmarkt wegen ihrer ethnischen Abstammung und ihrer Religion diskriminiert worden, nicht glaubhaft, zumal sie – ihren Angaben folgend – zwei Jahre lang einer Beschäftigung als Köchin nachgegangen sei. Dass die Beschwerdeführerin zuvor versucht habe, eine Arbeitsstelle zu bekommen oder von einem möglichen Arbeitgeber alleine wegen ihrer ethnischen Abstammung und ihrer Religion abgelehnt worden sei, hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet.

Auch kann in dem Umstand, dass Anträge der Beschwerdeführerin von Behörden "nicht so schnell" behandelt worden seien, weder eine Diskriminierung aus rassischen oder religiösen Gründen noch eine asylrelevante Verfolgung erblickt werden.

Soweit sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen auf die allgemeine Situation der Kurden in der Türkei bezieht, so vermochte sie keine individuelle und aktuelle asylrelevante Verfolgung glaubhaft darzulegen. Die oberflächliche Behauptung, dass die Beschwerdeführerin als Kurdin in der Türkei diskriminiert worden sei und man sie als Menschen zweiter Klasse behandelt habe, vermag keinen asylrelevanten Anknüpfungspunkt darzustellen. In diesem Zusammenhang ist diesbezüglich festzuhalten, dass, soweit die Beschwerdeführerin ihren Ausreisegrund generell auf ihre kurdische Abstammung und die daraus resultierenden Schwierigkeiten in der Gesellschaft stützt, die schwierige allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit für sich allein nicht geeignet ist, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen die Asylwerberin gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun. Die bloße Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden bildet daher noch keinen ausreichenden Grund für die Asylgewährung (vgl. VwGH vom 31.01.2002, 2000/20/0358).

Hinsichtlich der kurdischen Abstammung der Beschwerdeführerin ist weiters auszuführen, dass sich entsprechend der Länderberichte die Situation für Kurden derart gestaltet, dass momentan keine aktuellen Berichte über die Lage der Kurden in der Türkei und damit keine von Amts wegen aufzugreifenden Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten – sohin auch einer maßgeblichen Intensität erreichenden – Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden. Gründe, warum die türkischen Behörden ein nachhaltiges Interesse an der Person der Beschwerdeführerin haben sollten, wurden von dieser nicht glaubhaft vorgebracht.

Die Beschwerdeführerin ist weiters Alevitin. Aus den herangezogenen Länderberichten ergibt sich, dass die vorgefallenen Übergriffe auf Aleviten zu keiner Zeit ein solches Ausmaß angenommen und eine solche Häufigkeit aufgewiesen haben, dass angesichts der Größe der betroffenen Bevölkerungsgruppe davon auszugehen wäre, Aleviten müssten in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Organe oder ihnen zuzurechnender Übergriffe anderer Bevölkerungsgruppen rechnen. Aleviten berichten vielmehr selbst, dass sie ihre Religion in der Türkei relativ frei ausüben können.

Weiters können allgemeine Diskriminierungen, etwa soziale Ächtung, für sich genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweisen. Bestimmte Benachteiligungen (wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit) bis zur Erreichung einer Intensität, dass deshalb ein Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl VwGH 07.10.1995, 95/20/0080; 23.05.1995, 94/20/0808), sind hinzunehmen.

Sofern in gegenständlicher Beschwerde ausgeführt wurde, dass der in der Schweiz lebende Bruder und viele Verwandte der Beschwerdeführerin mit der PKK sympathisiert hätten bzw. dass diesen eine oppositionell politische Gesinnung unterstellt worden sei, weshalb sie in der Türkei verfolgt worden seien und ihnen in Österreich und der Schweiz Asyl gewährt worden sei, und weshalb auch im Fall der Beschwerdeführerin ein asylrelevanter GFK-Grund vorliegen würde, da die Beschwerdeführerin durch staatliche Akteure aufgrund der sozialen Gruppe der Familie – Sippenhaftung – verfolgt werden würde, ist grundsätzlich festzuhalten, dass es laut den getroffenen Feststellungen in der Türkei keine "Sippenhaft" in dem Sinne gibt, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen – etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten – werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen.

Dass die Beschwerdeführerin, ihre Eltern oder ihre nach wie vor in der Türkei lebenden Geschwister und sonstigen Familienangehörigen allein wegen des Umstandes, dass dem in der Schweiz lebenden Bruder der Beschwerdeführerin oder ihren beiden in Österreich lebenden Cousins oder sonstigen Verwandten eine Nähe zur PKK oder eine oppositionell politische Gesinnung unterstellt worden sei, einer strafrechtlichen oder sonstigen Verfolgung ausgesetzt seien, wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht behauptet. Die Beschwerdeführerin und ihr Vater seien nur gelegentlich nach dem Aufenthaltsort des Bruders der Beschwerdeführerin befragt worden. Diese Angaben der Beschwerdeführerin decken sich mit den Ausführungen in den getroffenen Feststellungen, dass nach türkischem Recht aussagepflichtige Familienangehörige – etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten – zu Vernehmungen geladen werden, um z.B. über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden, und dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich nicht verfolgt oder nicht bestraft werden. Kurzfristige Anhaltungen, Verhöre und Hausdurchsuchungen sind aber für sich allein nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die asylrechtliche Relevanz aufweisen – nicht geeignet, die Flüchtlingseigenschaft zu indizieren (VwGH vom 05.06.1996, 96/20/0323, VwGH vom 18.12.1996, 95/20/0651, VwGH vom 11.12.1997, 95/20/0610).

Da somit in der Türkei ein "Durchschlagen" der Verfolgung auf Familienmitglieder in Form einer "Sippenhaftung" nicht zu befürchten und nach türkischem Recht weder vorgesehen noch zulässig ist, gehen die diesbezüglichen Ausführungen in gegenständlicher Beschwerde ins Leere.

Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin laut ihren Angaben während der mündlichen Beschwerdeverhandlung – im Gegensatz zu den Ausführungen in gegenständlicher Beschwerde – niemals festgenommen und zwei Tage lang angehalten worden sei, weshalb darauf nicht näher einzugehen war.

Sofern die Beschwerdeführerin vorbrachte, dass sie an Newrozfesten in der Türkei teilgenommen habe, ist darauf nicht näher einzugehen, da diese Teilnahmen für ihre Person keinerlei behördliche, gerichtliche oder sonstige Konsequenzen nach sich gezogen hätten.

Hinsichtlich der Wiedereinreise in die Türkei ist auszuführen, dass, wenn der türkischen Grenzpolizei bekannt ist, dass es sich um eine abgeschobene Person handelt, diese nach Ankunft in der Türkei einer Routinekontrolle unterzogen wird, die einen Abgleich mit dem Fahndungsregister nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalten kann. Abgeschobene können dabei in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend zum Zwecke einer Befragung festgehalten werden. Das Auswärtige Amt hat in den vergangenen Jahren Fälle, in denen konkret Behauptungen von Misshandlung oder Folter in die Türkei abgeschobener Personen (vor allem abgelehnter Asylbewerber) vorgetragen wurden, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten durch seine Auslandsvertretungen überprüft. Dem Auswärtigen Amt ist seit vier Jahren kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde.

Auf Grund obiger Ausführungen geht der Asylgerichtshof davon aus, dass die Beschwerdeführerin in der Türkei keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr in die Türkei ausgesetzt sein wird. Der Asylgerichtshof vermag eine aktuelle und individuelle Verfolgung der Beschwerdeführerin aus einem in der GFK taxativ aufgezählten Grund nicht zu erkennen, weshalb von keiner Verfolgung im Heimatstaat ausgegangen werden kann."

Diese Entscheidungen erwuchsen mit der Zustellung an die bP am 29.10.2013 in Rechtskraft. Die Behandlung einer dagegen an den VfGH erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 20.02.2014 abgelehnt.

Zweiter Antrag der bP auf internationalen Schutz der bP vom 28.04.2017

Am 28.04.2017 stellten die bP den zweiten und gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Einvernahme durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gaben die bP, befragt nach dem Grund der neuerlichen Asylantragstellung, zusammengefasst im Wesentlichen an, dass sie aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppen- und ihrer alevitischen Religionszugehörigkeit ständig Probleme hätten bzw. ihnen bei einer Rückkehr in die Türkei Gefängnis drohen würde.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch einen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen für Asyl (BFA) am 22.06.2017 gaben die bP Folgendes an:

bP1

"[...]

F: Was würden Sie befürchten, wenn Sie in die Türkei zurück müssten?

A: Ich lebe seit 7 Jahren nicht mehr in der Türkei und ich stamme von der kurdischen Minderheit ab. Mein Nachnahme ist XXXX . Das ist auch eine Konfession im Islam. Ich habe auch keine türkischen Dokumente. Ich werde bestimmt sofort ins Gefängnis eingesperrt.

F: Aus welchen Umständen folgern Sie dies?

A: Mein Schwager sitzt im Gefängnis obwohl er sich gar nichts zu Schulden kommen lassen hat. Daher kann ich mich diesem Gedanken anschließen, dass wenn ich in die Türkei kommen sollte, werde ich verhaftet.

F: Seit wann ist Ihr Schwager im Gefängnis?

A: Ich weiß es nicht ganz genau. Aber seit längerer Zeit ist er im Gefängnis. Auch meine Cousins sind im Gefängnis. Seit längerer Zeit.

F: Sind seit dem Abschluss Ihres ersten Verfahrens irgendwelche Änderungen oder Neuerungen bezüglich Ihrer Befürchtungen eingetreten?

A: Meine früheren Angaben habe ich vollständig gemacht. Wegen meiner Ehefrau habe ich beschlossen hierher zu kommen. Alle Angaben, welche ich früher gemacht habe, sind richtig. Inzwischen sind in der Türkei sehr viele HDP-Parteiangehörige im Gefängnis. Wenn ich auch in die Türkei zurückkommen sollte, dann werde ich auch festgenommen.

F: Welchen Zusammenhang hat die Festnahme von HDP-Parteimitgliedern mit Ihrer Person?

A: Mein Schwager ist HDP Mitarbeiter (RV: Mitglied oder Mitarbeiter? DM fragt nochmals nach). Ja Mitglied. Dadurch, dass ich XXXX heiße und eine kurdische Abstammung habe, werde ich bestimmt in Haft genommen.

F: Seit wann sind Ihnen diese Umstände bekannt?

A: Ich wurde mehrere Male in der Türkei, wegen meiner kurdischen Abstammung und alevitischen Konfession benachteiligt. Ich habe kaum einen Monat versichert gearbeitet, dann hat man mich wegen meiner Konfession und Abstammung hinausgeworfen. Ich bin auch ein Mensch, der auch auf dieser Welt, das Recht hat zu Leben und zu Arbeiten. Dadurch, dass ich diese Rechte in der Türkei nicht bekam, habe ich beschlossen, dieses Land zu verlassen.

F: Gibt es irgendwelche Anzeichen, dass nach Ihnen gesucht oder gefahndet wird?

A: Nein.

F: Was erwartet Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland?

A: Als ersten Schritt in der Türkei werde ich festgenommen und gefragt wo ich seit sieben Jahren gelebt habe und werde eingesperrt.

F: Wären Sie abgesehen wirtschaftlich in der Lage, sich in Ihrem Herkunftsstaat niederzulassen und dort Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten?

A: Nein.

F: Wieso nicht?

A: Wenn ich die Möglichkeit früher gehabt hätte, dann hätte ich mein Heimatland nicht verlassen und wäre nicht hierhergekommen.

(Anm.: Der LA fragt beim DM wegen der Zeitform der Übersetzung nach. Die Angaben sind so wie protokolliert richtig)

F: Wie machen das Ihre Brüder?

A: Die haben auch ähnliche Schwierigkeiten und werden niemals integriert (laut DM: oder akzeptiert). Die Brüder sind auch mit demselben Problemen, der kurdischen Abstammung und alevitischen Religionszugehörigkeit, konfrontiert.

(Anm.: Die letzten Angaben werden der VP rückübersetzt und nachgefragt ob diese so korrekt seien. Diese bestätigt)

[...]

Frage des RV an Antragsteller: Sie haben vorher gesagt, dass Sie wegen Ihrer Ehefrau hierhergekommen sind. Was meinen Sie damit?

A: Meine Frau hat in der Türkei, als wir noch nicht verheiratet waren, wegen Ihres alevitischen Glaubensbekenntnisses und der kurdischen Abstammung viele Probleme gehabt. Nachdem ich sie geheiratet habe, haben die Probleme weiterbestanden. Der Bruder meiner Frau wurde wegen seiner kurdischen Abstammung und alevitischen Glaubensbekenntnisses in der Schweiz aufgenommen und hat Asyl erhalten.

[...]

F: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Asylverfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?

A: Alle meine Verwandten haben in Europa um Asyl angesucht. Wer sich retten kann, hat sich von der Türkei gerettet und sich ins Ausland abgesetzt. Ich habe sehr viele Verwandte in Deutschland, in der Schweiz, in Wien, in Salzburg, auch hier.

F: Hatten Sie die Gelegenheit alles zu sagen, was Sie wollten?

A: Ich bin seit 7 Jahren hier und ich liebe Österreich. Ich möchte hier weiterhin leben und bleiben.".

bP2

"[...]

Grund der Antragstellung:

F: Ihr erster Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig abgewiesen. Aus welchen Gründen stellten Sie im April erneut einen Antrag auf internationalen Schutz?

A: Nachdem mein Mann durch die Polizei kontrolliert wurde. Wir wollten nicht zurück und haben daraufhin den zweiten Antrag durch unseren neuen Anwalt bzw. bei der Polizei beantragt. Wir wollen auf keinen Fall in die Türkei zurückkehren.

F: Und aus welchen Gründen können Sie nicht zurückkehren?

A: Dadurch, dass wir kurdischer Abstammung sind und die türkische Regierung gegen uns ist. Wir möchten auf keinen Fall in die Türkei zurück. Wenn wir dort ankommen werden wir inhaftiert. Der Ministerpräsident Erdogan hat alle kurdischen Abgeordneten ins Gefängnis gesperrt. Alle HDP-Abgeordneten sind in Haft. Wenn wir in die Türkei zurückgehen sollten, werden auch in Haft genommen. Deswegen fürchten wir uns und möchten hierbleiben. Mein Schwager gehört zur HDP-Partei und ist deshalb seit 7 Monaten in Haft. Sein Name ist Izzet Ter.

F: Welchen Zusammenhang haben Ihre Schilderungen mit Ihrer Person?

A: Da wir alle kurdischer Abstammung sind, werden wir von der türkischen Regierung beziehungsweise Erdogan nicht akzeptiert und werden in Haft genommen.

F: Gibt es irgendwelche Anzeichen, dass nach Ihnen gesucht oder gefahndet wird?

A: Nachdem ich seit 7 Jahren hier im Ausland lebe, weiß ich nicht ob ich irgendeine gesetzliche Beanstandung habe. Aber es ist bestimmt so, dass wenn ich in die Türkei gehe, ohne jegliches Dokument, dann werde ich bestimmt sofort festgenommen und inhaftiert.

F: Wieso sollte das geschehen?

A: Unsere Schuld ist unsere kurdische Abstammung. Wir dürfen unsere Sprache nicht sprechen und sind dort praktisch nicht erwünscht. Alle meine Verwandten sind hier in Europa durch Asyl da. Mein Bruder, Schwestern, Cousins/Cousininnen sind auch hier. Sie haben alle um Asyl angesucht und wurden aufgenommen.

F: Wie machen das Ihre Brüder und Schwestern in der Türkei?

A: Wenn sie die Möglichkeit hätten, wären sie auch ins Ausland geflüchtet. Es hat aber nicht jeder die Möglichkeit ins Ausland zu fahren oder zu kommen.

F: Seit wann sind Ihnen die heute geschilderten Gründe bekannt?

A: In der Türkei geht die Regierung die kurdischen Leute sehr hart an. Im Fernsehen wird nicht alles gezeigt. Aber durch Massenmedien und durch eigene Informationen haben wir die Lage sehr kritisch erfahren. Viele Dörfer wurden bombardiert und viele kurdische Menschen wurden getötet. Die Schuld liegt beim Staatspräsident Erdogan.

F: Was hat sich seit Abschluss Ihres ersten Verfahrens in Bezug auf Ihre Befürchtungen oder Rückkehrsituation geändert?

A: Wir möchten hier bleiben. Auf keinen Fall in die Türkei zurückgehen. Wenn wir dorthin kommen sollten, werden wir sofort inhaftiert. Hier gibt es Freiheit und wir möchten auch leben. Ich möchte hier bleiben.

F: Möchten Sie diesbezüglich noch etwas angeben?

A: Hier habe ich keine Angst. In der Türkei habe ich ständig Angst. Hier bin ich frei. Hier wird meine Religionsangehörigkeit und Sprache nicht beanstande, aber in der Türkei schon. Hier fühle ich mich frei und ich verstehe mich mit meinen Nachbarn sehr gut. Ich fühle mich innerhalb dieser Gemeinschaft wohl.

[...]

F: Was erwartet Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland?

A: Wenn wir das Land betreten, werden wir sofort verhaften.

F: Aus welchem Grund würden Sie sofort verhaftet werden?

A: Nachdem wir eine kurdische Abstammung haben - wenn wir die Türkei betreten, werden wir nach jetziger Gesetzeslage inhaftiert.

[...]

F: Sie haben gesagt, dass Sie nach jetziger Gesetzeslage inhaftiert würden, was meinen Sie damit? (Frage wird aufgrund eines Verständigungsproblems wiederholt)

A: Vor sieben Jahren haben wir unser Heimatland verlassen. Wenn wir nach sieben Jahren zurückkehren würden, werden wir mit Sicherheit inhaftiert. Ich liebe Österreich. Ich möchte hier bleiben und hier leben. Ich fürchte mich sehr vor meinem Heimatland. Dort gibt es für mich keine Überlebenschance.

[...]".

In weiterer Folge wurden vom Vertreter der bP Stellungnahmen eingebracht.

Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden sodann vom BFA mit Bescheiden vom 22.08.2017, Zlen. 535295510-170514613 (bP1) und 535295608-170514605 (bP2), gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt dass die Abschiebung der bP in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gem. § 55 Abs. a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.).

Gegen diese Bescheide wurde von den bP durch ihre Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wird darin vorgebracht, dass die bP neue Sachverhalte behauptet hätten, die sich alle nach der Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 21.10.2013 ereignet hätten. Zudem sei auch eine wesentlich verschlechterte Sicherheitslage der Kurden in der Türkei vorgetragen worden. Das BFA hätte jedenfalls eine andere Entscheidung treffen müssen. Zudem wurde beantragt, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat Türkei

Das BFA legte seiner Entscheidung umfassende Länderfeststellungen zur aktuellen Lage in der Türkei bzw. zur Situation der bP im Falle einer Rückkehr in die Türkei zugrunde, denen die bP nicht substantiiert entgegengetreten sind. Die Quellen liegen auch dem BVwG vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des BVwG, das sich aus der ständigen Beobachtung der aktuellen Quellenlage zur Lage im Herkunftsstaat ergibt. Angesichts der erst kürzlich ergangenen Entscheidung des BFA weisen die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf.

Von den bP wurde zwar eine Änderung der allgemeinen Lage behauptet, jedoch nicht dargelegt, inwiefern sie selbst konkret davon betroffen wären, wie aus den rechtlichen Ausführungen hervorgeht.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsverfahrensakten des BFA zum vorangegangenen und zum gegenständlichen Verfahren sowie aus den Gerichtsakten des Asylgerichtshofes zu den Anträgen der bP auf internationalen Schutz, sowie dem hg. Verfahrensakt.

Hinsichtlich der Feststellungen zur gesundheitlichen Situation der bP ist auszuführen, dass von den bP den entsprechenden Ausführungen des BFA nicht entgegengetreten und auch nicht behauptet wurde, dass etwa eine entsprechende Behandlung in der Türkei nicht möglich wäre bzw. sie deswegen irgendwelche Schwierigkeiten zu bewerkstelligen hätten.

3. Rechtliche Beurteilung

A)

Zu Spruchpunkt I.

Zur Abweisung gem. § 68 Abs. 1 AVG

1. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG und wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 68 Abs 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern (VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).

Bei der Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig ausgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich gebliebener Sach- und Rechtslage stützen durfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung nicht neu geltend gemacht werden oder im Berufungsverfahren von der Partei ausgewechselt werden (s. z.B. VwSlg. 5642 A, VwGH 28.11.1968, 571/68, 23.5.1995, 94/04/0081; zu Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. aber VwSlg. 12799 A).

Identität der Sache im Sinne des § 68 Abs 1 AVG liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in den bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 30.1.1989, 88/10/0150).

Ob der nunmehr vorgetragene Sachverhalt, der sich vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag zugetragen haben soll, im Erstverfahren auch vorgetragen wurde oder nicht, ist im Folgeverfahren bei der Prüfung der Rechtskraft ohne belange. Auch ein Sachverhalt, der nicht vorgetragen wurde, ist von der Rechtskraftwirkung des Vorbescheides mitumfasst (vgl. auch Erk. d. VwGH vom 17.9.2008, 2008/23/0684, AsylGH vom 17.4.2009, GZ. E10 316.192-2/2009-8E).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.3.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321).

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind, vgl. z.B. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321); in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.05.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235), wobei für die Prüfung der Zulässigkeit des Zweitantrages von der Rechtsanschauung auszugehen ist, auf die sich die rechtskräftige Erledigung des Erstantrages gründete (VwGH 16.7.2003, 2000/01/0237, mwN).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss. Erk. d. VwGH v.26.2.2004, 2004/07/0014; 12.12.2002, 2002/07/0016; 15.10.1999; 9621/9997). Identität der Sache i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG liegt selbst dann vor, wenn die Behörde in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren etwa eine Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hätte (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 08.04.1992, Zl. 88/12/0169, ebenso Erk. d. VwGH v. 15.11.2000, 2000/01/0184).

Da sich der Antrag auf internationalen Schutz nicht nur auf den Status eines Asylberechtigten, sondern "hilfsweise" bei Nichtzuerkennung dieses Status auch auf die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten richtet, sind bei Folgeanträgen nach dem AsylG 2005 auch Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).

Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft – der also für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen keine Asyl- oder Refoulementrelevanz zukäme, sodass eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages von vornherein ausgeschlossen erscheint –, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. etwa VwGH vom 04.11.2004, 2002/20/0391; 19.2.2009, 2008/01/0344).

Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. die Erkenntnisse vom 10.06.1998, 96/20/0266, und vom 15. Oktober 1999, 96/21/0097).

1.1. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

1.1.1. Als Vergleichsbescheid ist im Falle mehrfacher Asylfolgeanträge derjenige Bescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden – und nicht etwa nur ein Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen – wurde (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis vom 26.06.2005, 2005/20/0226, mwN).

Wie aus dem gegenständlichen Verfahrensgang hervorgeht, stellen die maßgeblichen Vergleichsbescheide die Erkenntnisse des Asylgerichtshofes vom 21.10.2013, Zlen. E6 418.847-1/2011-17E (bP1) und E6 418.848-1/2011-15E (bP2) dar, womit die Beschwerden gegen die Abweisung der ersten Anträge auf internationalen Schutz in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen wurden. Die Erkenntnisse wurden am 29.10.2013 rechtswirksam zugestellt und erwuchsen in Rechtskraft.

Der Asylgerichtshof bestätigte darin im Wesentlichen, dass das als ausreisekausal dargelegte Vorbringen nicht glaubhaft war und sich auch aus der allgemeinen Lage in der Türkei kein Grund für die Zuerkennung von internationalem Schutz ergibt.

Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asyl- oder Refoulementrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages – allenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens – mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen (vgl. VwGH 4.11.2004 sowie u.a. die Erkenntnisse vom 25.10.2005, 2005/20/0372, vom 22.12.2005, 2005/20/0556 sowie 2005/20/0300; 19.2.2009, 2008/01/0344).

Eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes liegt nicht vor, wenn die ursprüngliche Entscheidung davon ausging, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei und mit dem neuerlichen Antrag unter Vorlage entsprechender Beweismittel darzutun versucht wird, dass die Angaben sehr wohl wahr seien (VwGH 30.1.1989, 88/10/0150).

Das BFA legte im gegenständlichen Verfahren nachvollziehbar dar, dass die bP aufgrund der behaupteten Gefährdung wegen der kurdischen Volksgruppen- und der alevitischen Religionszugehörigkeit wie schon bereits in ihrem ersten Verfahren einen konkreten Bezug zu ihrer Person nicht herstellen hätten können. Ebenso sei das Vorbringen in Bezug auf die vorliegenden Länderberichte nicht nachvollziehbar und könne auch nicht festgestellt werden, dass die bP bei einer Rückkehr jedenfalls verhaftet würden. Das diesbezügliche Vorbringen sei äußerst vage und könne nicht nachvollzogen werden, weshalb sie sich weiterhin in Gefahr wägen würden. Auch aufgrund der derzeitigen allgemeinen Lage nach dem Putschversuch in der Türkei sei keine Gefährdung gerade der bP ersichtlich.

Der Sachverhalt in Bezug auf die konkret die bp betreffenden Gründe habe sich nicht geändert und sei daher davon auszugehen, dass sich das Vorbringen der bp weiterhin auf dieselben Umstände stütze, welche bereits Inhalt eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gewesen seien.

Mit ihren Ausführungen in der Beschwerde ist es den bP nicht gelungen, der Beweiswürdigung des BFA sub

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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