TE Vwgh Beschluss 2017/10/24 Ra 2017/06/0035

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Veröffentlicht am 24.10.2017
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Index

L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Kärnten;
L70702 Theater Veranstaltung Kärnten;
L82000 Bauordnung;
L82002 Bauordnung Kärnten;
L82252 Garagen Kärnten;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

AufwandersatzV VwGH 2014;
BauRallg;
BauvorschriftenG Krnt 1985 §4 Abs3 litb;
BauvorschriftenG Krnt 1985 §4 Abs3;
BauvorschriftenG Krnt 1985 §9;
VwGG §21 Abs1 Z4;
VwGG §48 Abs3 Z2;
VwGG §53;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision der P GmbH in W, vertreten durch Mag. Thomas Di Vora, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Lendgasse 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 28. Dezember 2016, KLVwG-153-155/11/2016, betreffend Versagung der Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde Wolfsberg; weitere Partei: Kärntner Landesregierung; mitbeteiligte Parteien:

1. H GmbH, 2. W GmbH, beide vertreten durch die Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kalchberggasse 6-8; 3. S A), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin beantragte eine Baubewilligung für den Umbau (Bauteil 1) eines bestehenden Gebäudes und einen Zubau (Bauteil 2) sowie die Errichtung von 16 PKW-Abstellplätzen und eines Müll- und Fahrradabstellplatzes auf den Grundstücken Nr. X und Y, KG W. Für das anhängige Verfahren ist relevant, dass der Bauteil 1 die Aufstockung des derzeit zweigeschoßigen Gebäudes um ein weiteres Geschoß und den Ausbau des Dachgeschoßes zur Schaffung von zwei Wohn- und zwei Büroeinheiten umfasst. Auf das Bauvorhaben ist der Bebauungsplan für die Wolfsberger Altstadt vom 12. Februar 2009 i.d.F. vom 27. September 2012 (im Folgenden: Altstadtbebauungsplan) anzuwenden.

2 Die Drittmitbeteiligte ist seit Juli 2016 Eigentümerin der dem Baugrundstück im Norden gegenüber liegenden Grundstücke Nr. Z und W; zwischen dem Baugrundstück und den Grundstücken der Drittmibeteiligten liegt die S-Gasse (mit einer Breite von etwa 5 m). Die Rechtsvorgängerin der Drittmitbeteiligten erhob rechtzeitig Einwendungen gegen das Bauvorhaben.

3 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 28. Juli 2015 wurde der Revisionswerberin die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen erteilt.

4 Die dagegen erhobenen Berufungen unter anderem der Rechtsvorgängerin der Drittmitbeteiligten wurden mit Bescheid des Stadtsenates der Stadtgemeinde Wolfsburg vom 16. November 2015 abgewiesen.

5 Mit dem angefochtenen "Erkenntnis" (vom 28. Dezember 2016) wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG) die Beschwerde der Erstmitbeteiligten ab (Spruchpunkt I) und jene der Zweitmitbeteiligten zurück (Spruchpunkt I), gab der Beschwerde der Drittmitbeteiligten statt, hob den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde Wolfsburg vom 16. November 2015 auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Stadtrat der Stadtgemeinde Wolfsburg zurück (Spruchpunkt III). Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt IV).

Begründend führte das LVwG - soweit verfahrensrelevant - aus, von der Rechtsvorgängerin der Drittmitbeteiligten sei vorgebracht worden, das Bauvorhaben beeinflusse den Lichteinfall in ihrem Gebäude. Gemäß § 8 Altstadtbebauungsplan seien in der zeichnerischen Darstellung festgelegte zwingende Baulinien einzuhalten, für die übrigen Baulinien kämen die Abstandsbestimmungen der Kärntner Bauvorschriften (K-BV) zur Anwendung. Für das Baugrundstück seien keine zwingenden Baulinien eingetragen. Das LVwG gehe zwar davon aus, dass der Erlassung des Altstadtbebauungsplanes abstandsrelevante Überlegungen vorangegangen seien, weil in dessen § 8 Bestimmungen über die Abstände von Grundstücksgrenzen und Gebäuden festgelegt worden seien. Die Berufungsbehörde habe jedoch nicht geprüft, inwiefern eine Beeinträchtigung (Freiraum, natürliche Belichtung) des Bestandsgebäudes der Drittmitbeteiligten mit der geplanten Aufstockung des Bauteiles 1 einhergehe. Aus der Aktenlage gehe nicht hervor, ob im Erdgeschoß des Gebäudes der Drittmitbeteiligten Wohn- oder Geschäftsräume situiert seien sowie wie viele Belichtungsöffnungen und welche Raumkonfigurationen vorhanden seien. Insofern könne nicht beurteilt werden, inwieweit das Bauvorhaben durch eine Beeinträchtigung der Belichtung die Interessen der Gesundheit der Drittmitbeteiligten berühren könnte und ob jener Freiraum gewahrt bliebe, der zur angemessenen Nutzung von Grundstücken und Gebäuden auf den Nachbargrundstücken erforderlich sei.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision zusammengefasst vor, im Altstadtbebauungsplan werde die Beibehaltung der geschlossenen Bebauung ausdrücklich angeordnet, wodurch eine Abstandsregelung im Sinn des § 4 Abs. 2 K-BV getroffen werde. Daher seien die Bestimmungen des Abs. 1 letzter Satz und der §§ 5 bis 10 K-BV nicht anzuwenden. Fallbezogen würden die Regelungen über die Anzahl der Geschoße, über die Gebäudehöhe sowie die Bebauungsdichte eingehalten; es sei somit fraglich, auf Basis welcher Rechtsgrundlage das LVwG die Erhebung der Anzahl der Belichtungsöffnungen und -flächen sowie der Raumkonfigurationen auftrage. Dass Abstandsflächen nicht eingehalten würden, habe das LVwG nicht festgestellt. Das Kärntner Baurecht kenne auch keine Bestimmung, welche dem Nachbarn eine bestimmte Belichtung oder Belüftung garantiere (Hinweis auf VwSlg 6032/A).

10 Den unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zufolge enthält der Altstadtbebauungsplan für die Baugrundstücke keine zwingenden Baulinien. Die Anordnung der Beibehaltung einer geschlossenen Bauweise stellt - entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsansicht - jedenfalls keine Abstandsregelung zur S-Gasse dar, sodass sich der zu dieser Grundgrenze einzuhaltende Mindestabstand aus den §§ 4 bis 10 K-BV ergibt (vgl. zur Frage der Parteistellung eines Nachbarn betreffend die Abstandsregelungen zu einer öffentlichen Verkehrsfläche nochmals das hg. Erkenntnis Ro 2015/06/0021, Rzen 26f).

11 Das LVwG ging davon aus, dass keine Baufluchtlinie gegenüber der S-Straße festgelegt sei. Ohne Feststellungen zu den Abstandsflächen des Bauteiles 1 gemäß § 5 iVm § 7 Abs. 3 K-BV gegenüber der öffentlichen Verkehrsfläche zu treffen, ging es weiters von der Notwendigkeit der Prüfung der Belichtungsverhältnisse auf den Grundstücken der Drittmitbeteiligten aus. Angesichts einer - laut Einreichplänen - Höhe der nördlichen Außenwand des Bauteiles 1 in dem den Grundstücken der Drittmitbeteiligten gegenüber liegenden Bereich von etwa 11 m und einer Breite der Verkehrsfläche von etwa 5 m ist offenkundig, dass die nordseitigen Abstandsflächen des Bauteiles 1 (§ 5 Abs. 1 K-BV: sechs Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und den durch eine Linie verbundenen Schattenpunkten bei einem Lichteinfall von 45 Grad) in die angrenzende Verkehrsfläche weiter als bis zu ihrer halben Tiefe (§ 7 Abs. 3 K-BV) hineinreichen. Somit wäre eine Bewilligung der Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen gemäß § 9 K-BV erforderlich.

12 Es trifft zwar zu, dass Nachbarn im Kärntner Baurecht nicht generell ein Recht eingeräumt wird, dass die Belichtungsverhältnisse durch eine Baumaßnahme nicht verschlechtert werden. Soll jedoch - wie im vorliegenden Fall - die Tiefe von Abstandsflächen gemäß § 9 K-BV verringert werden, sind die in § 4 Abs. 3 leg. cit. festgelegten Interessen maßgebend (vgl. W. Pallitsch/Ph. Pallitsch/W. Kleewein, Kärntner Baurecht5, Anm. 3 zu § 4 K-BV). Folglich ging das LVwG im Ergebnis zutreffend davon aus, dass zu prüfen ist, ob eine angemessene Nutzung des Nachbargrundstückes gewährleistet bleibt, wobei der Mangel einer ausreichenden Belichtung (§ 4 Abs. 3 lit. b K-BV) eine angemessene Benutzung ausschließen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2015, 2013/06/0019).

13 Dass das LVwG die ergänzenden Ermittlungen selbst hätte durchführen müssen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. März 2015, Ro 2015/22/0011), wird in der Revision nicht vorgebracht.

14 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil dann, wenn eine Revisionsbeantwortung von mehreren mitbeteiligten Parteien gemeinsam erstattet wird, der Aufwandersatz so zu ermitteln ist, wie wenn nur der Erstmitbeteiligte die Revisionsbeantwortung eingebracht hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/07/0034).

Wien, am 24. Oktober 2017

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Belichtung Belüftung BauRallg5/1/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017060035.L00

Im RIS seit

21.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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