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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der E H in H, geboren am 5. März 1981, vertreten durch Dr. Alexander Anderle, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Bauernstraße 9/WDZ III, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. März 1999, Zl. 205.577/0-XII/36/98, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin reiste am 25. Mai 1998 legal in Österreich ein, um als Saisonarbeitskraft bei einem Bauern zu arbeiten. Ihre Aufenthaltsberechtigung in Österreich endete am 20. Juli 1998. Am 31. Juli 1998 beantragte sie die Gewährung von Asyl. Sie sei jugoslawische Staatsangehörige, stamme aus dem Kosovo (Orahovac) und gehöre der albanischen Volksgruppe an. Die derzeitige Situation im Kosovo erlaube es ihr nicht, in die Heimat zurückzukehren. Sie habe bis zu ihrer Ausreise im Hause ihres Schwiegervaters gewohnt. Dieses sei während ihres Aufenthaltes in Österreich von Granaten getroffen und zerstört worden, was sie im Fernsehen gesehen habe. Sie fürchte, im Zuge von Angriffen erschossen zu werden. Nach Ende der Unruhen im Kosovo wolle sie wieder ihr Heimatland zurückkehren.
Mit Bescheid vom 28. September 1998 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I) und erklärte ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Jugoslawien gemäß § 8 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II).
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die zu dem damaligen Zeitpunkt noch minderjährige Beschwerdeführerin durch ihren gesetzlichen Vertreter u.a. vor, es sei bekannt, dass sich die serbischen Angriffe nicht nur gegen politisch aktive Albanischstämmige richten, sondern gegen die Gesamtheit der Bevölkerung, wobei es offensichtlich Ziel sei, die Kosovo-Albaner zu vertreiben, wenn nicht sogar zu töten. Angesichts der völlig ungewissen Situation sei der Beschwerdeführerin eine Rückkehr in ihr Heimatland keinesfalls zumutbar, zumal ihr Ehemann in Österreich lebe und für sie sorgen könne.
Mit Schreiben vom 16. Februar 1999 teilte der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) der Beschwerdeführerin mit, dass er u.a. von folgenden Feststellungen zur allgemeinen Situation im Kosovo auszugehen beabsichtige:
Die von jugoslawischen Einheiten verübten Kampfhandlungen hätten teilweise das Ziel verfolgt, die Bevölkerung aus ihren Dörfern zu vertreiben und deren Eigentum mutwillig zu vernichten, um eine Rückkehr zu erschweren. Etwa um den 1. Oktober 1998 sei es zu einem Abflauen der Kampfhandlungen und zu einem Rückzug der Armeeeinheiten gekommen, wobei sich allerdings die Einsätze der jugoslawischen Spezialpolizei fortgesetzt hätten. Im Gefolge des "Holbrooke/Milosevic-Übereinkommens" vom 13. Oktober 1998 sei es zu einem Rückzug der serbischen Sicherheitskräfte gekommen und beschränke sich deren Präsenz im Wesentlichen auf die wichtigeren Straßen und Städte im Kosovo. Über die Hauptstraßen zurückkehrende Flüchtlinge seien den Kontrollen der serbischen Sicherheitskräfte ausgesetzt. Ein Großteil der unter freiem Himmel aufhältigen Flüchtlinge sei in ihre großteils zerstörten Dörfer zurückgekehrt. Von den serbischen Einheiten geräumte Gebiete seien teils wieder von der UCK in Besitz genommen worden. Es käme zwar wiederholt zu kleineren Kämpfen zwischen Angehörigen der UCK und serbischen Polizisten, doch sei festzuhalten, dass die Zerstörung von Häusern und Eigentum durch Regierungstruppen und Spezialpolizisten seit dem 13. Oktober 1998 zurückgegangen sei. Der im "Holbrooke/Milosevic-Abkommen" vorgesehene Waffenstillstand sei zunächst weitgehend eingehalten worden; seit Jänner 1999 komme es wieder zu Übergriffen serbischer Sicherheitskräfte und begrenzten Kampfhandlungen. Auch sei die im genannten Abkommen enthaltene Amnestieregelung nicht umgesetzt worden. Angesichts der gegenwärtigen Situation, die durch lediglich vereinzelte Kampfhandlungen und Terroranschläge sowie weiterlaufende Strafverfahren gegen politisch exponierte Personen gekennzeichnet sei, könne nicht festgestellt werden, dass jeder nach Jugoslawien zurückkehrende Flüchtling allein wegen seiner albanischen Abstammung und Herkunft aus dem Kosovo Verfolgung durch die staatlichen Behörden zu befürchten hätte. Die Beschwerdeführerin gehöre nicht zu einer jener (näher bezeichneten) Personengruppen, die in hohem Maß gefährdet seien, Verfolgungshandlungen durch jugoslawische Behörden bzw. Sicherheitskräfte zu erleiden. Abschließend wurde die Beschwerdeführerin eingeladen, zu diesen Ausführungen binnen acht Tagen Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführerin bzw. deren gesetzlicher Vertreter äußerten sich zu diesem Vorhalt nicht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung in beiden Spruchpunkten ab. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Zerstörung ihres vor der Ausreise nach Österreich bewohnten Hauses stelle offenbar keine konkret gegen sie gerichtete Verfolgungshandlung, sondern eine aus der bürgerkriegsähnlichen Situation resultierende Beeinträchtigung dar, wie sie von der gesamten dort lebenden Bevölkerung erduldet werden müsse. Es fehle ein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass die Beschwerdeführerin nach einer Rückkehr in ihr Heimatland Verfolgungshandlungen seitens der serbischen Behörden zu befürchten hätte. In diesem Zusammenhang sei einerseits auf die im Gefolge des "Holbrooke/Milosevic-Abkommens" vom 13. Oktober 1998 eingetretene Verbesserung der Situation hinzuweisen; andererseits auf den Umstand, dass keine Indizien dafür vorhanden seien, dass die Beschwerdeführerin "ins Blickfeld" der serbischen Behörden geraten sein könnte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragt darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/01/0305 in einem weitgehend vergleichbaren Beschwerdefall (der angefochtene Bescheid erging am 4. März 1999 und betraf eine aus dem Bezirk Vucitrn stammende Beschwerdeführerin) war im Zeitpunkt der Bescheiderlassung - anders als die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde legte - eine asylrelevante Gefährdung nicht nur für bestimmte Personengruppen gegeben. Für die aus dem Bezirk Orahovac stammende Beschwerdeführerin gelten die dortigen Überlegungen in gleicher Weise, sodass gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung jenes Erkenntnisses verwiesen wird.
Hinsichtlich der Entscheidung gemäß § 8 AsylG verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Begründung im Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0566.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. Juni 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999010303.X00Im RIS seit
20.11.2000