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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des TM in W, geboren am 27. März 1953, vertreten durch Dr. Nikolaus Arnold, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. Dezember 1999, Zl. 212.269/0-V/13/99, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Tunesien, der am 26. Dezember 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 1. März 1999 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 12. April 1999 niederschriftlich einvernommen.
Die Behörde erster Instanz gab in ihrem den Asylantrag abweisenden Bescheid vom 27. Juli 1999 die Angaben des Beschwerdeführers folgendermaßen wieder:
"Sie hätten Ihr Heimatland 1990 verlassen, da Sie seit den 80er-Jahren der EN-Nahda-Bewegung angehört hätten. Im September 1987 seien Sie von der Polizei angehalten und festgenommen worden, zumal im November 1987 es verstärkt zu Problemen zwischen Sicherheitsbehörden und Mitgliedern der Bewegung gekommen wäre. Sie seien an dem Tag der Festnahme an einer Demonstration vorbeigegangen, hätten an dieser jedoch nicht teilgenommen, und wären Sie gemeinsam mit anderen Personen festgenommen worden. Sie seien als Oppositioneller bei der Polizei eingetragen worden, trotzdem Sie nach einer zweistündigen Anhaltung ein Papier unterschrieben hätten, dass Sie nicht der EN-Nahda-Bewegung angehören würden.
Sie hätten nur mit dieser Bewegung gemein, dass Sie für Familienmitglieder Inhaftierter Spenden sammeln würden. Dies hätten Sie auch während Ihres Tunesienaufenthaltes von 1980 bis 1990 so gehalten und wäre einmal im Monat ein EN-Nahda-Mitglied namens Khalid Moubarak zu Ihnen gekommen und hätte die gesammelten Spenden abgeholt. Dieser hätte Ihnen gesagt, dass, falls er einmal nicht kommen würde, er im Gefängnis wäre und Sie auf sich aufpassen müssten. Im November 1990 wäre er einmal nicht erschienen, Sie hätten angenommen, dass er verhaftet worden wäre, und sei am 15.11.1990 die Polizei zu Ihnen gekommen und hätte Sie abgeholt. Auch sei zu der selben Zeit am 12., 13. oder 14.11.1990 Ihr Angestellter, ebenfalls ein EN-Nahda-Parteimitglied, verschwunden.
Sie seien zwei Wochen im Gefängnis festgehalten, geschlagen und gefoltert worden und seien für drei Tage ins Krankenhaus eingeliefert worden. Verlangt sei von Ihnen worden die Bekanntgabe des Aufenthaltsortes des Moubarak, von Nijn El-Dine Hamrouni und Belgassem Al-Naggaz. Auch seien Sie nach einem Sahnoun Al-Jauhary befragt worden, welcher im September 1994 letztendlich verstorben wäre. Bei diesen Personen hätte es sich um hochrangige EN-Nahda-Funktionäre gehandelt und sei El-Dine nunmehr in Frankreich und Belgassem in Deutschland aufhältig. Letztendlich hätten Sie sich pro Forma mit der In-Erfahrung-Bringung des Aufenthaltsortes dieser Männer einverstanden erklärt, zumal dies die einzige Möglichkeit gewesen wäre um frei zu kommen. Es sei Ihnen schließlich die Flucht vor der Polizei ins Krankenhaus gelungen und so kamen Sie von dieser frei. Sie seien auf Ihrem Weg durch die Altstadt von Tunis zu einem Haus von der Polizei verfolgt worden, welche sich links und rechts vom Tor des Hauses versteckt gehalten hätte. Sie hätten geklopft, ein Mann wäre herausgetreten und die Polizei hätte sich sofort auf diesen gestürzt. Diese Gelegenheit hätten Sie zu einem Hechtsprung in den Innenhof des Hauses genützt, hätten die Balustrade erreicht und wären so zu Ihrer Mutter geflüchtet. Anschließend wären Sie im Gebiet von Groumbalya bis zum 16.12.1990 versteckt gewesen. Nach Ihrer Flucht wären Ihre Besitztümer, Villa, Auto, Ihre Werkstätte, Boden und Grundstücke beschlagnahmt worden, und sei dies die gebräuchliche Reaktion des Staates auf solche Leute wie Sie.
Schriftliche Unterlagen würden nicht existieren und wäre Ihnen während Ihrer Inhaftierung ein Schlüssel für Ihre Werkstatt abgenommen worden. Sie hätten die Polizei zu Ihrer Werkstatt begleiten müssen und hätten Sie so die Beschlagnahmung mitbekommen. Im Jahre 1993 hätten Sie Ihr Bankkonto überprüfen lassen, zumal Sie einen Kontostand von 63.000 tunes. Dinar gehabt hätten, und hätten Sie dabei herausgefunden, dass mit Schecks alles abgehoben worden wäre.
Auf Frage Ihrer Vertreterin, ob Ihre Frau mittels Scheck hätte abheben können, führten Sie aus, dass Sie die Beschlagnahmung der Schecks und Papiere damals durch die Polizei mit eigenen Augen gesehen hätten.
Auf den Vorhalt, dass sich Abbuchungen nachvollziehen lassen würden und es jeglicher Logik entbehren würde, warum die Polizei mit Schecks abheben hätte sollen und nicht Ihr Vermögen gleich beschlagnahmt worden wäre, gaben Sie an, dass Sie nicht wissen würden, wie die Polizei das Geld abgehoben hätte, jedoch sei es auch möglich, dass korrupte Polizisten die Schecks gestohlen und so an Ihr Geld gelangt wären. Sie würden sich hier seit nunmehr neun Jahren wie im Gefängnis fühlen und hätten Sie während Ihres Deutschlandaufenthaltes den Tod Ihres Vaters versäumt.
Auf die Frage Ihrer Vertreterin, warum Sie erst jetzt einen Asylantrag stellen würden, gaben Sie an, dass Sie Angst hätten, dass Ihre Familie der Gewalt ausgesetzt werden würde und Repressalien zu befürchten hätte. Auf weitere Nachfrage Ihrer Vertreterin wie tunesische Behörden von der Asylantragstellung erfahren hätten, führten Sie aus, dass diese Spione hätten. Auch führten Sie auf Nachfrage aus, dass Sie sich sicher seien, dass tunesische Behörden von der Asylantragstellung erfahren hätten.
Die Bescheinigungen über die EN-Nahda-Partei hätten Sie 1996 über Ihren Anwalt erhalten. Da der Rechtsanwalt dieses Schriftstück verlangt hätte, hätten Sie ihm dies gegeben. Sie hätten damals nicht um Asyl angesucht, weil Ihnen der Anwalt gesagt hätte, dass Sie Ihre Familie nach Tunesien zurückschicken müssten. Ihre Familie sei im Sommer 1995 nach Österreich gekommen und sei Ihre Tochter nach einem 25-tägigen Aufenthalt nach Tunesien zurückgekehrt, Ihre Gattin sei bis Sommer 1996 in Österreich aufhältig geblieben. Ihre Tochter hätte bei Ihrer Rückkehr nach Tunesien Probleme gehabt, nämlich wäre die Polizei bei Ihr gewesen um sich von Ihrem Aufenthalt in Tunesien zu überzeugen. Auch sei Ihr die Polizei bis nach Goulette gefolgt, da sie das Gymnasium gewechselt hätte und nunmehr bei ihrem Onkel gewohnt hätte.
Die Ausreise im Jahre 1995 Ihrer Frau und Ihrer Tochter aus Tunesien sei legal erfolgt, jedoch über Beziehungen.
Auf Nachfrage, warum Sie damals nicht sofort um Asyl angesucht hätten und statt dessen Ihre Familie einer neuerlichen Gefahr in Tunesien ausgesetzt hätten, gaben Sie an, dass Ihre Tochter und Ihre Frau anfänglich nicht wirklich Opfer der Polizei gewesen wären und dass Sie Opfer von vielen Problemen von 1996 bis heute gewesen wären.
Nach der Beantwortung der Frage ersuchten Sie um nochmalige Wiederholung der Frage und gaben danach an, dass Ihnen Ihr Anwalt geraden hätte Ihre Familie nach Hause zu schicken, trotzdem sie dort Gefahr ausgesetzt gewesen wären. Auch hätte der Anwalt gesagt, dass es besser wäre Ihre Familie nach Hause zu schicken und wäre es sogar von Vorteil für Ihren Status, wenn die Familie Opfer von Repressalien oder gefangen genommen werden würden.
Auf die Frage, ob Sie in der Asylantragstellung die Möglichkeit der Legalisierung Ihres Aufenthaltes in Österreich sehen würden, zumal seit 1996 eine rechtskräftige Ausweisung gegen Sie bestehen würde, gaben Sie an, dass Sie aus Ihrem Heimatland geflüchtet wären und dass das eigentliche Problem im Verlust des Reisepasses bestehen würde. Jedoch würden Sie bei Erhalt eines Reisepasses natürlich nicht heimkehren, da dies Ihr sicherer Tod wäre.
Sie hätten die EN-Nahda-Partei von 1980 bis 1990 mit Geldspenden unterstützt und Sie seien seit 1980 Parteimitglied der EN-Nahda. Die EN-Nahda-Partei sei 1969 von Dr. Raschid Al Ghanouchi gegründet worden und hätten Sie bereits damals einen Mitgliedsausweis erhalten, nur hätte diesen die Polizei 1990 bei der Beschlagnahme Ihrer Werkstatt einbehalten. Auf Frage gaben Sie an, dass Raschid Al Ghanouchi in London im Exil leben würde.
Ihre Tätigkeit bei der Partei beschrieben Sie mit dem Sammeln von Spendengeldern. Ansonsten hätten Sie keine parteiliche Tätigkeit ausgeübt und Vorläufer der EN-Nahda-Partei würde es keine geben.
Auf den Vorhalt, warum in Ihrem Fremdenakt stehen würde, dass Sie Flugzettel verteilt hätten, gaben Sie an, dass die Polizei in Tunesien Unterlagen gefunden hätte, dass Sie bei der EN-Nahda wären, jedoch sei es nicht richtig, dass Sie bei der Fremdenpolizei angegeben hätten, Flugzettel verteilt zu haben.
Im Falle einer Rückkehr würden Sie Tod, Gefängnis oder Folter erwarten, da Sie bei der tunesischen Polizei als Krimineller und Angehöriger einer verbotenen Organisation angesehen werden würden. Auf Nachfrage, ob Sie mit einem Angestellten der tunesischen Botschaft Kontakt gehabt hätten, gaben Sie an, dass Sie 1993 oder 1994, nachdem Sie Ihr Anwalt zur Botschaft hingeschickt hätte, mit Herrn Habib Kontakt gehabt hätten. Hingeschickt seien Sie worden, um Ihren Reisepass entgegenzunehmen und um in weiterer Folge ein Visum zu erhalten. Sie seien damals zur Botschaft gegangen und hätten aber keinen Reisepass erhalten. Auf Vorhalt, dass diese Behauptung auf Grund eines Aktenvermerkes nicht nachvollzogen werden kann, gaben Sie an, dass dies eine Lüge sei und sich bei der Fremdenpolizei eine Bestätigung (befinde,) der nach Sie auf der Botschaft gewesen wären. Auf den Vorhalt, dass die erkennende Behörde davon ausgeht, dass Ihr gesamtes Vorbringen zur Asylantragstellung eine Konstruktion ist, um Ihren Aufenthalt in Österreich zu legalisieren, zumal Ihre rechtskräftige Ausweisung seit drei Jahren besteht, gaben Sie an, dass Ihre Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Nach Rückübersetzung gaben Sie an, dass man 1996 Ihrer Gattin und Ihrer Tochter nach deren Rückkehr nach Tunesien die Reisepässe entzogen hätte, diese erst am 10.02.1999 zurückgegeben hätte, nachdem Ihre Gattin gezwungen worden wäre, einen Scheidungsantrag zu unterschreiben. Außerdem seien EN-Nahda-Parteimitglieder die Dokumente auf erfolgten öffentlichen Druck im September 1998 zurückgegeben worden. Diese Information hätten Sie aus dem französischen Fernsehen und könnten Sie nicht genau sagen, ob dies das erste Mal gewesen wäre oder ob schon öfter Druck gemacht worden wäre. Seit Ihrem Aufenthalt in Österreich würden Sie keinerlei Tätigkeiten für die EN-Nahda mehr fortsetzen und würden Sie diese auch durch Spendengelder nicht mehr unterstützen."
Die Ehegattin des Beschwerdeführers, welche Anfang des Jahres 1999 nach Österreich eingereist ist und einen Asylerstreckungsantrag gemäß § 10 Asylgesetz gestellt hat, wurde ebenfalls am 12. April 1999 niederschriftlich einvernommen. Ihre Angaben wurden folgendermaßen im Bescheid der Behörde erster Instanz wiedergegeben:
"In den Jahren bis zu ihrer Ausreise 1995 sei die Polizei ein bis zwei Wochen nach Ihrer Verhaftung nach Hause gekommen und hätte sie befragt, wo Sie" (gemeint: der Beschwerdeführer) "sein würden. Ihre Ehefrau hätte angegeben, dass Sie bereits verhaftet worden wären. Anschließend wäre die Polizei in den folgenden Jahren bis 1995 zwei bis drei Mal im Monat gekommen und hätte Ihre Ehefrau ins Kommissariat vorgeladen. Dort sei diese jedes Mal nach Ihren Kontakten, Ihren Aktivitäten bzw. zu Bildern von Personen befragt worden, ob Sie zu diesen Personen Kontakt gehabt hätten. Auch sei es vorgekommen, dass Ihre Ehefrau vorgeladen, stundenlang im Kommissariat hätte warten müssen und anschließend wieder nach Hause geschickt worden wäre, mit der Aufforderung am nächsten Tag wieder zu erscheinen. Ihre Tochter wäre bei diesen Verhören dabei gewesen. Trotzdem wäre ihr eine legale Ausreise im Jahre 1995 mit einem Reisepass und einem Visum, welches durch Ihren Schwager gemeinsam mit Ihrer Tochter besorgt worden wäre, möglich. Das Visum wäre für drei Monate gültig gewesen und wäre die Einreise Ihrer Ehefrau und Tochter nach Österreich 1995 erfolgt und hätte sich Ihre Ehefrau bis Ende 1996 jedoch in Österreich aufgehalten. Es sei somit richtig, dass Ihre Ehefrau 15 Monate illegal im Bundesgebiet aufhältig gewesen wäre. Ihre Tochter wäre lediglich bis Sommer 1995 in Österreich aufhältig gewesen und dann nach Tunesien zurückgekehrt, um ihre Schuldausbildung abzuschließen. Sie wäre dann 1996 zurück nach Österreich gekommen.
Ende 1996 wäre Ihre Ehefrau zusammen mit der Tochter nach Tunesien zurückgekehrt und wären einen Tag nach der Rückkehr beiden die Pässe abgenommen worden. Regelmäßig seien beide auch wieder zu Verhören vorgeladen und zu Ihren Kontakten in Österreich befragt worden. Bis zum 10.02.1999 hätte die Polizei mit ihrer Vorgehensweise fortgesetzt. Am 10.02.1999 hätte Ihre Tochter vor dem Einvernahmezimmer warten müssen und Ihre Ehefrau sei zur Unterzeichnung von Papieren, damit sie in Ruhe gelassen und die Pässe zurückerhalten würde, aufgefordert worden, zu welchen ihr von Beamten erklärt worden wäre, dass es sich hiebei um einen Scheidungsantrag handeln würde. Nachdem Ihre Ehefrau unterzeichnet hätte, hätte sie beide Pässe zurückerhalten und hätte sie sich entschlossen, das Land zu verlassen. Mehr hätte Ihre Ehefrau dazu nicht anzugeben. Auf Nachfrage gab Ihre Ehefrau an, dass der Zweck der Behörde durch die Unterzeichnung der Scheidungspapiere der war, sich von Ihnen loszusagen und die Wiedererlangung der Reisepässe. Befragt zu den Scheidungspapieren gab Ihre Frau an, dass sie die darin angeführten Gründe nicht nennen könnte, ihr jedoch von den Beamten erklärt worden wäre, dass sie ein ruhigeres Leben führen könne und keine Repressalien mehr zu erwarten hätte. Über den genauen Inhalt hätte Ihre Ehefrau nicht nachgefragt und gab sie auf Nachfrage, ob sie nunmehr geschieden wäre an, dass der Scheidungsantrag dazu an das zuständige Gericht übermittelt und sie vor Gericht geladen hätte werden müssen. Da ihre Ehefrau jedoch nicht mehr in Tunesien aufhältig sei, würde diese nicht glauben, dass die Scheidung tatsächlich durchgeführt worden wäre.
Auf den Vorhalt, dass ihr Vorbringen nunmehr unlogisch sei, zumal sie einerseits behaupte, tunesische Behörden hätten einfach einen Scheidungsantrag aufgesetzt und sie zum Unterzeichnen gezwungen und nunmehr sei eine Scheidung ohne Ihrer Anwesenheit nicht möglich, gab sie an, dass es unmöglich wäre, ohne Anhörung vor Gericht, welche im Gesetz vorgeschrieben sei, geschieden zu werden. Das Kommissariat hätte sie zwar zwingen können, Scheidungspapiere zu unterschreiben um die Pässe wiederzuerlangen - jedoch sei es unmöglich eine Scheidung ohne Gericht durchzuführen.
Ihre Frau gab auf Aufforderung, die beschriebene unlogische Vorgehensweise der Behörden zu erklären, zumal nicht nachvollzogen werden kann, warum die Behörden ihr den seit 1996 eingezogenen Reisepass zurückerstatten und ihr somit eine Ausreise ermöglichten, obwohl Sie eine 'Zwangsscheidung' bezweckten, an, dass es sich um eine willkürliche Vorgehensweise der Polizei gehandelt hätte.
Ihre Frau wurde aufgefordert zu erklären, weshalb die Polizei bei Scheidungsanträgen willkürlich vorgehen könnte, jedoch die Durchführung einer Scheidung gesetzesabhängig sei, gab diese an, dass Scheidungsurteile vom Gericht kommen würden.
Im Falle einer Rückkehr würde Ihre Ehefrau vermuten, eingesperrt und verurteilt zu werden, könne jedoch nicht angeben weshalb, zumal sie nicht wissen würde, welche Schuld man ihr zuweisen würde.
Ihre Ehefrau wurde weiters befragt, ob sie bis zu ihrer Ausreise 1995 immer nur zu Ihrem Aufenthaltsort befragt worden wäre, bejahte sie dies und führte weiter aus, dass sie Ihren Aufenthaltsort im Jahre 1991 bekanntgegeben hätte. Auf Nachfrage, warum sie trotzdem weiter befragt worden wäre, gab Ihre Ehefrau an, dass sie auch zu Ihren Kontakten befragt bzw. die Polizei sich Zutritt in die Wohnung verschafft hätte, mit der Begründung, dass Sie wieder heimgekehrt hätten sein können.
Befragt zur Ausreise gab Ihre Ehefrau an, am 27.02.1999 gemeinsam mit Ihrer Tochter im Bundesgebiet eingetroffen zu sein und dass beiden die Reisepässe vom Schlepper abgenommen worden wären. Bereits im Jahre 1995 sei Ihre Ehefrau gemeinsam mit Ihrer Tochter ins Bundesgebiet eingereist und sei bis Dezember 1996 aufhältig gewesen. Verlassen hätte sie Tunesien legal, gemeinsam mit der Tochter. Der Grenzübergang nach Libyen sei legal mittels des Reisepasses erfolgt. Anschließend sei Ihre Ehegattin gemeinsam mit der Tochter auf einem Schiff versteckt worden und in die Türkei eingereist. Sie merkten an, dass auch die Ausreise aus Libyen offiziell und legal ebenso wie die Einreise in die Türkei unter Verwendung der Reisepässe erfolgte. Mittels Schlepper sei die Einreise nach Österreich erfolgt."
Die Behörde erster Instanz versagte den Angaben des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit mit folgender Begründung:
"Ihren Behauptungen zu den Geschehnissen in Tunesien, welche Sie zur Ausreise veranlasst hätten, kann keine Glaubhaftmachung zuerkannt werden, zumal die Schilderungen allgemein und vage gehalten sind. Auch können Sie Ihre gesamten Behauptungen zu der EN-Nahda-Partei nicht glaubwürdig darstellen, da sich bei der erkennenden Behörde der Eindruck der Konstruktion der diesbezüglichen Behauptungen, zu dem Zwecke der Asylerlangung, erhärtet.
In dieser Annahme wird die erkennende Behörde vor allem in Ihren unlogischen Handlungsweisen - trotz behaupteter Verfolgungshandlungen jahrelang im Bundesgebiet aufhältig zu sein, diesen Aufenthalt durch Ansuchen um Aufenthaltsbewilligungen zu legalisieren und letztendlich sich im Jahre 1993 selbst in die tunesische Botschaft zu begeben, anstatt um Asyl anzusuchen - erhärtet. Weiters ist für die erkennende Behörde in keinster Weise auch Ihre weitere behauptete unlogische Vorgehensweise verständlich, warum Sie Ihre bereits im Jahre 1995 im Bundesgebiet aufhältigen Familienangehörigen trotz behaupteter erfahrener behördlicher Probleme in Tunesien, neuerlich nach Tunesien zurückkehren ließen und nicht sofort ein Asylverfahren betrieben. Diese Handlungsweise ist in keinster Weise plausibel, unlogisch hinsichtlich Ihrer Behauptungen, widerspricht jeglichen Lebenserfahrungen und ist für die erkennende Behörde nicht logisch nachzuvollziehen.
Auf Grund Ihres jahrelangen unlogischen, weder mit Ihrer noch mit dem Vorbringen Ihrer Ehefrau zu vereinbarenden Vorgehensweise, wird die Behörde in der Annahme der Konstruktion Ihres Vorbringens ebenso wie in der Konstruktion der Behauptungen Ihrer Ehegattin bestärkt.
Auch kann das Vorbringen Ihrer Ehegattin nicht zur Glaubhaftmachung Ihres Vorbringens führen, zumal auch diese allgemeinen, vagen und substanzlosen Schilderungen hinsichtlich der behaupteten polizeilichen Befragungen unglaubwürdig wirken und die behaupteten Repressalien im Widerspruch zu der im Jahre 1992 erfolgten behördlichen Reisepassausstellung und den legalen Ausreisen aus Tunesien stehen.
Ebenso ist das Vorbringen zur angegebenen 'Zwangsscheidung' und Wiedererlangung der Reisepässe unlogisch und stützt sich auf unglaubwürdige und unnachvollziehbare Behauptungen.
Ihr gesamtes Vorbringen, sowie das Ihrer Ehegattin widerspricht jeder allgemeinen Lebenserfahrung, entbehrt jeglicher Logik und kann daher nicht schlüssig nachempfunden werden.
Auch ist Ihr vorgelegtes Schriftstück der Parteimitgliedsbestätigung der EN-Nahda-Partei nicht geeignet, Ihr Vorbringen glaubhafter zu gestalten, zumal einerseits es jedermann möglich ist, ein solches Schriftstück über den Computer zu erstellen, womit eine Echtheitsüberprüfung unmöglich ist, und andererseits auch diese Vorgehensweise des jahrelangen Zuwartens der Asylantragstellung trotzdem dieses Schriftstück mit dem Jahre 1996 datiert ist, ebensowenig mit Ihrem Vorbringen der angeblichen Verfolgung vereinbar ist, wie Ihre übrigen Behauptungen."
Der Beschwerdeführer habe deshalb nicht glaubhaft machen können, dass ihm in seiner Heimat asylrelevante Verfolgung bzw. eine Gefahr gemäß § 57 Fremdengesetz drohe. Die Behörde erster Instanz wies deshalb den Asylantrag ab und stellte gemäß § 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 idgF - AsylG - iVm
§ 57 Fremdengesetz fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat zulässig sei.
In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer neben dem Hinweis auf seine bereits ab dem Jahre 1992 gemachten Aussagen im fremdenpolizeilichen Verfahren und die im Verfahren vorgelegten Beweise (unter anderem eine Bestätigung der Mitgliedschaft zur EN-Nahda-Partei) auch geltend, dass mehrere namentlich genannte Personen seine Mitgliedschaft zu dieser Partei bestätigen könnten. Der Beschwerdeführer gab hinsichtlich dreier Personen an, dass diese in Frankreich bzw. Deutschland als Flüchtling anerkannt seien und ihm deren Telefonnummer bekannt sei. Hinsichtlich zweier weiterer Personen brachte der Beschwerdeführer vor, er habe mit diesen in der EN-Nahda-Partei zusammen gearbeitet, beiden sei in Österreich Asyl gewährt worden und sie lebten in Österreich. Die Adressen seien dem Beschwerdeführer bekannt.
Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren Beweismittel über die Parteien, Oppositionsbewegungen und deren Situation in Tunesien ein und hielt diese Beweismittel der Behörde erster Instanz als Partei im Berufungsverfahren vor. Die Behörde erster Instanz verwies in einer Stellungnahme darauf, dass sie die Angaben des Beschwerdeführers nach wie vor als unglaubwürdig ansehe. Sie regte an, über einen Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in Tunis überprüfen zu lassen, ob Akte bezüglich des Beschwerdeführers bzw. der Zwangsscheidung seiner Ehegattin auflägen.
Die belangte Behörde beraumte ohne Einholung weiterer Beweismittel eine öffentliche mündliche Verhandlung an. Sie führte diese Verhandlung am 1. Dezember 1999 durch und verkündete, da der Beschwerdeführer, seine Gattin und seine Tochter unentschuldigt nicht erschienen waren, den nunmehr angefochtenen Bescheid. Die belangte Behörde schloss sich der Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz vollinhaltlich an und hob darüber hinaus hervor, dass sich der Beschwerdeführer jahrelang illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe und sich trotz seiner angeblichen Kenntnis einer aktuellen Gefährdung für den Fall seiner Rückverschaffung nach Tunesien nicht gehalten gesehen habe, bei den österreichischen Asylbehörden um Asyl anzusuchen. Spätestens zum Zeitpunkt der Einreise seiner Ehegattin und seiner Tochter nach Österreich bzw. deren Schilderungen der erlebten Umstände wäre er gehalten gewesen, um Schutzgewährung zu ersuchen. Der Beschwerdeführer habe weder sein In-Kontakt-treten mit der tunesischen Botschaft in den Jahren 1993 oder 1994 "glaubhaft" darstellen können, noch "Licht in die Tatsache bringen" können, dass er trotz behaupteter Repressalien auf Grund seiner politischen Gesinnung im Jahr 1992 auf legalem Weg unter Ausstellung eines Reisedokumentes seitens der tunesischen Behörden Tunesien verlassen habe können.
Die belangte Behörde wies die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Fremdengesetz fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt unter anderem, dass die belangte Behörde den Sachverhalt von Amts wegen festzustellen gehabt hätte und auch ohne Beweisanträge die zur Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes notwendigen Beweiserhebungen anzuordnen und durchzuführen gehabt hätte. Er habe in seiner Berufung konkrete Beweisanträge hinsichtlich der Einvernahme mehrerer ihm persönlich bekannter Mitglieder der Partei in EN-Nahda zum Beweis seiner Mitgliedschaft gestellt.
Wenngleich der Beschwerdeführer zwar in der Berufung keine exakten Adressen dieser Personen genannt hat, so waren seine Angaben zum Fluchtgrund und zur Ausfindigmachung der beiden genannten Zeugen, welchen in Österreich Asyl gewährt worden sei und welche in Österreich lebten, so gestaltet, dass die belangte Behörde über diese Beweisanträge nicht einfach hätte hinweggehen dürfen. Die belangte Behörde hätte entweder aus eigenem ladungsfähige Adressen der Zeugen zu eruieren suchen müssen oder den Beschwerdeführer zur Bekanntgabe der ladungsfähigen Adressen dieser Zeugen auffordern müssen. Denn der Beschwerdeführer hat bereits anlässlich seiner Aussagen im fremdenpolizeilichen Verfahren im Jahr 1992 seine Mitgliedschaft zur EN-Nahda-Partei und die darauf beruhende politische Verfolgung in seiner Heimat - wenn auch knapp - behauptet. Das von ihm im Verfahren vorgelegte Bestätigungsschreiben eines in London aufhältigen Führungsmitgliedes dieser Partei wurde von der belangten Behörde überprüft, wobei es nicht als Fälschung zu erkennen war, sondern über die Echtheit des Schreibens keine Aussage getroffen werden konnte. Dass das Schreiben tatsächlich in London zur Post gegeben wurde, hat sich aus dem vom Beschwerdeführer beigelegten Kuvert bestätigt. Damit hat der Beschwerdeführer bereits seit Jahren - und erstmals bereits kurz nach seiner Einreise im Jahr 1990 - den nunmehr im formell gestellten Asylantrag enthaltenen Fluchtgrund inhaltlich gleichbleibend vorgebracht. Wenngleich der belangten Behörde dahingehend zuzustimmen ist, dass es merkwürdig erscheint, wenn ein aus politischen Gründen Verfolgter erst nach nahezu neunjährigem Aufenthalt im Ausland den Asylantrag stellt, so ist dieses Argument für sich allein angesichts der entgegenstehenden Aussagen und der diese zu belegen suchenden Beweisanträge nicht ausreichend, die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers daraus abzuleiten. Bei dieser Konstellation kann das unentschuldigte Fernbleiben des Beschwerdeführers von der mündlichen Verhandlung (es muss im gegenständlichen Verfahren auf Grund des rechtskräftig abgelehnten Wiederaufnahmeantrages dahingestellt bleiben, aus welchen Gründen das Fernbleiben erfolgte) keine für den Beschwerdeführer in der Wertung seiner Glaubwürdigkeit derart nachteiligen Folgen haben, dass die beantragten Beweise nicht einzuholen versucht wurden.
Das Argument der belangten Behörde zur Stützung ihrer Ansicht, der Beschwerdeführer habe sein In-Kontakt-treten mit der tunesischen Botschaft in den Jahren 1993 oder 1994 nicht glaubhaft darstellen können, ist angesichts der bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Anwesenheitsbestätigung vom 25. Oktober 1993, mit der die tunesische Botschaft in Wien die Anwesenheit des Beschwerdeführers in der Konsularabteilung an diesem Tag bestätigte, nicht nachvollziehbar. Letztendlich ist auch das Argument der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe nicht erklären können, dass er trotz behaupteter Repressalien auf Grund seiner politischen Gesinnung "im Jahre 1992" auf legalem Weg unter Ausstellung eines Reisedokuments seitens der tunesischen Behörden Tunesien habe verlassen können, nicht nachvollziehbar. Denn der Beschwerdeführer ist - wie die belangte Behörde selbst in ihrer Begründung einleitend festhält - bereits am 26. Dezember 1990 (und nicht 1992) in Österreich eingereist und hat Österreich seinen Angaben nach seither nicht mehr verlassen. Das bei seiner Einreise verwendete Reisedokument (Reisepass) war - wie dem im erstinstanzlichen Akt einliegenden Antrag auf Ausstellung eines Sichtvermerkes zu entnehmen ist - bereits am 25. August 1987 und somit vor der behaupteten erstmaligen Festnahme des Beschwerdeführers (September 1987) ausgestellt worden. Somit verbleibt, dass der Beschwerdeführer unter Verwendung seines bereits drei Jahre zuvor ausgestellten Reisedokumentes seine Heimat unbeanstandet legal verlassen hat. Da er aber weder behauptet, zum Zeitpunkt des Verlassens seiner Heimat zur Verhaftung ausgeschrieben gewesen zu sein, und die belangte Behörde die näheren Umstände bei der Ausreise aus Tunis, insbesondere die Art der Kontrolle tunesischer Staatsbürger nicht näher erforscht hat und auch die belangte Behörde selbst nicht davon ausgeht, dass seitens der tunesischen Behörden nach dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Ausreise bereits gefahndet wurde, kann letztlich auch dieser Grund die Beweiswürdigung angesichts des unterlaufenen Verfahrensmangels nicht tragen.
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren hinsichtlich Gebühren war abzuweisen, da dem Beschwerdeführer auch diesbezüglich Verfahrenshilfe gewährt wurde, kein Grund für den Widerruf oder das Erlöschen der Verfahrenshilfe zu ersehen ist und er deshalb keine Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG zu entrichten hat.
Wien, am 29. Juni 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000010103.X00Im RIS seit
20.11.2000