TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/30 L513 2164021-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.2017
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Entscheidungsdatum

30.11.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L513 2164030-1/8E

L513 2164020-1/9E

L513 2164026-1/7E

L513 2164021-1/8E

L513 2164034-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. DDr. Friedrich KINZLBAUER, LL.M über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die Rechtsanwalts-Partnerschaft MARSCHALL & HEINZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zl. 1087116304-151340902, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. DDr. Friedrich KINZLBAUER, LL.M über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die Rechtsanwalts-Partnerschaft MARSCHALL & HEINZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zl. 1087118505-151341046, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. DDr. Friedrich KINZLBAUER, LL.M über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch die Rechtsanwalts-Partnerschaft MARSCHALL & HEINZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zl. 1087121805-151341105, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. DDr. Friedrich KINZLBAUER, LL.M über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch die Rechtsanwalts-Partnerschaft MARSCHALL & HEINZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zl. 1087119807-151341062, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. DDr. Friedrich KINZLBAUER, LL.M über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch die Rechtsanwalts-Partnerschaft MARSCHALL & HEINZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zl. 1128753107-161219248, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an:

I.1. Bisheriger Verfahrenshergang

I.1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern des Drittbeschwerdeführers, des Viertbeschwerdeführers und der in Österreich geborenen Fünftbeschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführer, gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als BF1 bis BF5 bezeichnet, sind Staatsangehörige des Irak sowie der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig. Der BF1, die BF2, der BF3 und der BF4 reisten im September 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 14.09.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Die BF5 wurde am XXXX in Österreich geboren und stellte in der Folge am 05.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.1.1.1. Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Heiligenkreuz/ L. gab der BF1 am 15.09.2015 zu den Gründen seiner Flucht aus dem Heimatland befragt an, von unbekannten Personen mit dem Tode bedroht worden zu sein, da er für einen hohen Politiker als Chauffeur gearbeitet hätte. Des Weiteren habe er sich der Volksarmee anschließen und gegen das Regime des Islamischen Staates mitkämpfen müssen. Er sei Familienvater und habe nicht in den Krieg ziehen wollen. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

Die BF2 schilderte im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Heiligenkreuz/ L. am 15.09.2015, dass ihr Ehegatte von unbekannten Personen mit dem Tode bedroht worden sei, da er für einen hohen Politiker als Chauffeur gearbeitet hätte. Des Weiteren habe sich dieser der Volksarmee anschließen und gegen das Regime des Islamischen Staates mitkämpfen müssen. Der BF1 sei Familienvater und habe nicht in den Krieg ziehen wollen. Sie habe Angst um ihr Leben und das Leben ihrer Familienmitglieder. Deshalb sei sie ihrem Ehegatten gefolgt. Bei einer Rückkehr fürchte sie um ihr Leben. Der BF3 und der BF4 hätten keine eigenen Fluchtgründe.

I.1.1.2. Am 06.12.2016 erfolgte eine Einvernahme des BF1 und der BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge kurz als "BFA" bezeichnet).

Befragt, ob er im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht habe und ihm diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert worden sein, führte der BF1 zunächst aus, dass er bei der Ankunft erschöpft und müde gewesen sei. Er könne sich an seine Angaben nicht mehr erinnern, aber er hätte so ziemlich alles angegeben. Die Erstbefragung sei rückübersetzt worden.

Zu den Gründen der Antragstellung befragt gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er von von Seiten einer Miliz bedroht worden sei. Während seiner Arbeit für XXXX (nachfolgend: IB) – einem der größten Händler und Geschäftsmänner im Irak und XXXX – seien zu ihm um 20.00 Uhr drei bewaffnete Personen einer Miliz in die Wohnung gekommen und hätten von ihm – unter Einräumung einer Bedenkzeit von zwei Tagen - verlangt, bei der Entführung von IB behilflich zu sein. Am nächsten Tag habe er IB über den Vorfall informiert, welcher die Sicherheitsbehörden und die Polizei informiert habe, welche Personenschutz zur Verfügung stellen wollten. Am 23.10.2012 sei er am Weg zur XXXX gewesen. Hierbei sei – nach Ablauf der Zweitagesfrist - auf einmal auf ihn geschossen worden. Zum Glück sei das Fahrzeug kugelsicher gewesen. Er sei zurück auf das Arbeitsareal gefahren und habe sich anschließend nach Kerbela begeben, wo er ca. zwei Jahre und sechs Monate geblieben sei. Die Milizen hätten ihn dann vorerst nicht gefunden. Dennoch sei er von den Bewohnern der Ortschaft unter großen Druck gesetzt worden. Er sei auch schikaniert worden, da er Sunnit sei und nicht beten bzw. sich nicht ihren Ritualen anschließen würde. Nachdem der Islamische Staat in Mossul einmarschiert sei, hätten die Leute begonnen, sich den Milizen der Al-Hashd Al-Sha'abi anzuschließen und ihnen Geld zu spenden. Er habe sich dort auch anschließen sollen. Die Schikanen seien immer mehr geworden. Seine Gattin habe ein Kopftuch tragen müssen, sich nicht mehr schminken und keine Hosen mehr tragen dürfen. Er hätte sich mit ihnen gestritten und so hätten sie erfahren, dass er Sunnit sei. Ein in der Nähe wohnender Freund habe in Erfahrung gebracht, dass die Bewohner des Ortes daraufhin den Milizen bezüglich seiner Person Bescheid geben wollten. Sein Freund habe sich Sorgen gemacht, dass ihn die Milizen dann noch erkennen würden und habe ihm dieser geraten, die Ortschaft sofort zu verlassen.

Einmal seien die Milizen auch bei seinen Eltern gewesen und hätten ihn gesucht. Dies sei bereits im Dezember oder Jänner, eher Jänner 2013, gewesen.

Zu den Gründen der Antragstellung befragt gab die Zweitbeschwerdeführerin an, aufgrund ihrer Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit keine Probleme in der Heimat gehabt zu haben. Allerdings sei ihr Mann aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit bzw. seien sie von schiitischen Milizen bedroht worden. In Kerbela habe sie Kopftuch tragen müssen.

In der Folge bestätigte sie aufgrund der Probleme ihres Mannes geflüchtet zu sein. Ferner wolle sie kein Kopftuch tragen und weiterhin Hosen bzw. Jeans anziehen.

Ihr Mann habe als Chauffeur bei einem großen Geschäftsmann gearbeitet. Es seien zwei oder drei bewaffnete Milizen in die Wohnung gekommen, die vom BF1 gewollt hätten, ihnen bei der Entführung dieses Geschäftsmanns behilflich zu sein. Man habe dem BF1 eine Frist von zwei Tagen zugestanden. Ihr Ehemann habe seinen Vorgesetzten über den Vorfall benachrichtigt. Es sei die Sicherheitsbehörde verständigt worden, dass sie Personenschutz bekommen würden. Zwei Tage später sei auf ihren Mann und den Vorgesetzten in einem kugelsicheren Fahrzeug geschossen worden. Daraufhin habe der BF1 die Arbeit aufgegeben. Ihr Gatte trinke Alkohol und gehe nicht zum täglichen Gebet. Sie seien von den Nachbarn schikaniert und unter Druck gesetzt worden. Ein Freund des BF1 habe eines Tages angerufen und gesagt, dass die Nachbarn sie bei den Milizen verraten wollen. Sie mache ihre Fluchtgründe auch für den BF3 und den BF4 geltend.

Dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin wurde im Übrigen die Möglichkeit eingeräumt, in die länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak Einsicht und gegebenenfalls binnen einer Frist von einer Woche schriftlich Stellung zu nehmen. Der BF1 und die BF2 verzichteten auf diese Möglichkeit.

Im Rahmen der Einvernahmen brachten der BF1 und die BF2 mehrere Dokumente in Vorlage. Konkret handelte es sich hierbei um die irakischen Personalausweise der BF1 bis BF4 im Original, einen irakischen Dienstausweis des BF1 im Original und drei Farbfotografien.

I.1.2. Der jeweilige Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid des BFA gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der jeweilige Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

I.1.2.1. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausführliche Feststellungen.

I.1.2.2. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete das BFA das Vorbringen der Beschwerdeführer als unglaubwürdig.

I.1.2.3. In der rechtlichen Beurteilung wurde jeweils begründend dargelegt, warum der von den Beschwerdeführern vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass deren Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

I.1.2.4. Hinsichtlich des Inhaltes der angefochtenen Bescheide im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

I.1.3. Mit Verfahrensanordnung vom 19.06.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG jeweils amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

I.1.4. Gegen die angefochtenen Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 01.07.2017 Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

I.1.4.1. Zunächst wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer als Fluchtgründe Verfolgung aus religiösen und politischen Gründen bzw. wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe angegeben hätten. Die Beschwerdeführer seien im Irak wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit, ihrer beruflichen Tätigkeit und ihrer mit der streng-islamischen Ordnung im Irak unvereinbaren westlichen Orientierung schweren Verfolgungshandlungen durch radikal schiitische Milizen, die mit dem irakischen Staat verbunden seien, ausgesetzt gewesen. Außerdem befürchte die BF2 Verfolgung aus geschlechtsspezifischen Gründen aufgrund ihrer westlichen Lebenseinstellung.

I.1.4.2. In der Folge wurde moniert, dass die Erklärungen des BFA bei näherer Begutachtung nicht stichhaltig seien. Die Beschwerdeführer hätten sehr konkrete Angaben gemacht, die von der Behörde entsprechend zu würdigen gewesen wären. Die Art und Weise des BFA, den Beschwerdeführern die Glaubwürdigkeit abzusprechen, sei daher nicht überzeugend. Unverständlich seien schon die Vorwürfe des BFA bezüglich angeblich fehlenden Detailreichtums der Angaben der Beschwerdeführer. Jedenfalls wäre es dem BFA offen gestanden, Recherchen im Irak zu den Fluchtgründen anzustellen, wenn deren Aussagen bezweifelt werden würden.

Hinzuweisen sei auch darauf, dass das BFA offensichtlich keinerlei Diskrepanzen in den Aussagen der Beschwerdeführer untereinander erkennen habe können, andernfalls solche mit Sicherheit in der Beweiswürdigung angeführt worden wären. Ebenso wenig habe das BFA Widersprüche in den individuellen Aussagen der Beschwerdeführer erkennen können.

Hinsichtlich der Vorwürfe bezüglich der Konkretisierungen in der Einvernahme beim BFA gegenüber der polizeilichen Erstbefragung sei festzustellen, dass diese nicht einmal gesetzlich dazu gedacht sei, die Fluchtgründe eines Asylwerbers erschöpfend darzustellen.

I.1.4.3. Die Verfolgungsgefahr der Beschwerdeführer sei insbesondere auch deshalb aktuell, da die staatlichen Institutionen des Irak von den bewaffneten radikal-schiitischen Milizen dominiert werden würden und der Konflikt im Irak eine immer mehr konfessionelle Dimension angenommen habe, zumal der irakische Staat zur Bekämpfung des IS intensiv auf die Hilfe gerade dieser Milizen angewiesen sei. Die Beschwerdeführer hätten daher in anderen Landesteilen keine Fluchtalternative zur Verfügung und könnten keinen Schutz seitens der irakischen Behörden erwarten. Auch sei unter Verweis auf die vom BFA herangezogenen Länderberichte festzuhalten, dass diese die Bedrohung der Beschwerdeführer eindrücklich schildern würden.

I.1.4.4. Die Befürchtungen der Beschwerdeführer durch radikale Schiiten einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, seien daher nicht spekulativ, sondern realistisch und sie würden durch die Länderberichte bestätigt werden. Verfolgungshandlungen, wie sie von den Beschwerdeführern beschrieben worden seien, seien nicht (bloß) kriminelle Handlungen, sondern Teil einer tiefergehenden Strategie radikaler Schiiten im Irak, den interkonfessionellen Bürgerkrieg anzuheizen.

I.1.4.5. Im Übrigen wurde - unter auszugsweiser Zitierung der UNHCR-Richtlinien zum Schutzbedarf irakischer Flüchtlinge bezüglich der Situation von Frauen - ausgeführt, dass von der Behörde auch die geschlechtsspezifische Verfolgung der BF2 im Irak nicht beachtet worden sei.

Die BF2 habe in der Einvernahme vor dem BFA ausführlich zum Ausdruck gebracht, inwiefern ihre westlich orientierte Lebenseinstellung der streng islamischen Gesellschaftsordnung im Irak widerspreche, und dass sie in der Ausübung ihrer fundamentalen Menschenrechte eingeschränkt gewesen sei. Auch der BF1 habe über die Einschränkungen, denen die BF2 unterlegen sei, berichtet.

I.1.4.6. Zudem sei die Befürchtung gerechtfertigt, dass im Falle eines Sieges der irakischen Streitkräfte über den IS, der eigentliche Bürgerkrieg erst beginnen werde. Die Länderberichte würden ebenfalls zeigen, dass die derzeitigen Anti-IS-Operationen die politische Instabilität fördern, da der irakische Premierminister dadurch noch abhängiger vom Iran und den schiitischen Milizen werde, obwohl die schiitischen Milizen für eine Vielzahl schwerer Menschenrechtsverletzungen verantwortlich seien. Die allgemeine Situation im Irak sei daher weiterhin instabil und eine Abschiebung der Beschwerdeführer wäre unverantwortlich.

I.1.4.7. Jedenfalls wäre den Beschwerdeführern aufgrund der allgemeinen Sicherheits- und Menschenrechtssituation im Irak und der Gefahr, dass die Beschwerdeführer mangels familiären und sozialen Auffangnetzes in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden, subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen.

I.1.4.8. Auch hinsichtlich des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführer sei eine nur unzureichende Behandlung mit deren Vorbringen erfolgt. Der bloße Verweis auf die Aufenthaltsdauer könne die Integration der Beschwerdeführer in Österreich nicht entkräften. Die Beschwerdeführer hätten sich schon in Österreich integriert, die deutsche Sprache erlernt und soziale Kontakte geknüpft. Die Kinder würden mit Erfolg die Schule besuchen und die Beschwerdeführer seien arbeitsfähig und -willig.

I.1.4.9. Das Bundesamt habe sich in seiner Beweiswürdigung auf das Zitieren vorgeformter, formelhafter Textbausteine beschränkt, ohne den Fall der Beschwerdeführer einer ordnungsgemäßen Prüfung zu unterziehen. Den Erklärungen dazu fehle jeglicher Begründungswert. Das Vorbringen der Beschwerdeführer entspreche der Wahrheit, sei glaubwürdig und gründlich substantiiert. Den Beschwerdeführern drohe in ihrer Heimat Verfolgung iSd GFK und es wäre ihnen daher Asyl zu gewähren gewesen. Allenfalls wäre ihnen subsidiärer Schutz zuzuerkennen oder eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären gewesen.

Es stelle eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, dass die Behörde es verabsäumt habe, sich mit der konkreten Situation der Beschwerdeführer und der aktuellen Situation im Irak auseinanderzusetzen. Die Verpflichtung, ein amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen, bedeute, dass die konkrete und aktuelle Situation untersucht werde. Dies sei in diesem Fall verabsäumt worden, insbesondere dadurch, dass dem Bundesamt als Spezialbehörde ausreichend Material vorliegen müsste, aus dem die Verfolgungssituation erkennbar sei.

Dadurch, dass sich die belangte Behörde nicht mit der konkreten Situation der Beschwerdeführer auseinandergesetzt habe, sei eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer nicht möglich gewesen.

I.1.4.10. Abschließend wurden daher die Anträge gestellt, den Beschwerdeführern die Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen; allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren; allenfalls die angefochtenen Bescheide aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an das BFA zurückzuverweisen; einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation im Irak befasst; eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen; allenfalls eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären; allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung in den Irak unzulässig sei.

I.1.4.11. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

I.1.5. Im Rahmen einer Urkundenvorlage vom 24.08.2017 brachte die gewillkürte Rechtsvertretung ein Konvolut an Dokumenten bezüglich der Integration der Beschwerdeführer in Österreich in Vorlage. Konkret handelte es sich hierbei um ein Liste persönlicher Kontakte, eine Einstellungszusage des BF1, ein irakisches Arbeitszeugnis des BF1, Schreiben bezüglich der fußballerischen Aktivitäten des BF3, die Geburtsurkunde der BF5, eine Schulbesuchsbestätigung des BF3, Bestätigungen der Wohnortgemeinde bezüglich des BF1, der BF2 und des BF3 (Deutschkurs Niveau A1 bzw. schulische Nachmittagsbetreuung) und ein Mietvertrag vom 23.07.2016.

I.1.6. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

1.4. Familienverfahren

§ 34 AsylG 2005 lautet:

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

Gemäß § 2 Absatz 1 Z 22 leg. cit. ist somit ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren mit den oa. Familienangehörigen vor.

1.5. Verweise, Wiederholungen

1.5.1. Das erkennende ist Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.

1.5.2. Ebenso ist es nicht unzulässig, Teile der Begründung des Bescheides der Verwaltungsbehörde wörtlich wiederzugeben. Es widerspricht aber grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen eines (insoweit erstmals entscheidenden) Gerichts, wenn sich der Sachverhalt, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung nicht aus der Gerichtsentscheidung selbst, sondern erst aus einer Zusammenschau mit der Begründung der Bescheide ergibt. Die für die bekämpfte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen müssen aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen, da nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof möglich ist (Erk. d. VfGH v. 7.11.2008, U67/08-9 mwN).

1.5.3. Grundsätzlich ist im gegenständlichen Fall anzuführen, dass das BFA ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchführte und in der Begründung der angefochtenen Bescheide die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenfasste. Das BFA hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation im Irak auf Grundlage ausreichend aktuellen und unbedenklichen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation der Beschwerdeführer gebracht.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

2.1. Basierend auf dem Ergebnis des Beweisverfahrens sind folgende Feststellungen zu treffen:

2.1.1. Die Beschwerdeführer

Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige und gehören der arabischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft an.

Die Identität der Beschwerdeführer steht fest. Die Beschwerdeführer tragen den im Spruch angeführten Namen und sind an dem angegebenen Datum geboren.

Die Eltern und vier Geschwister des BF1 und die Eltern sowie vier Brüder der BF2 leben nach wie vor im Irak.

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin besuchten mehrere Jahre die Schule, wobei sowohl der BF1 als auch die BF2 die Matura erfolgreich ablegten. Der BF1 absolvierte in der Folge eine zweijährige Ausbildung an der Universität für Elektrotechnik. Anschließend war der BF1 im Irak in verschieden Berufsfeldern tätig, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu sichern. Die BF2 begann ebenfalls ein Universitätsstudium, welches von ihr jedoch nicht abgeschlossen wurde, zumal sie in der Folge den Haushalt der Familie organisierte.

Der BF1 und die BF2 sind gesunde, arbeitsfähige Menschen, wobei der BF1 auch über Berufserfahrung verfügt, sowie mit bestehenden Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Der BF1, die BF2, der BF3 und der BF4 verfügen über ein irakisches Ausweisdokument und eine Wohnmöglichkeit im Familienverband.

2.1.2. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer bzw. dessen Familie vor der nunmehrigen Ausreise von Angehörigen einer Miliz verfolgt oder bedroht wurde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder Verfolgung durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.

Die Beschwerdeführer leiden weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.

Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der Beschwerdeführer festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

2.1.3. Der BF1, die BF2, der BF3 und der BF4 halten sich seit etwa Mitte September 2015 in Österreich auf. Sie reisten rechtswidrig in Österreich ein, sind seither Asylwerber und verfügen über keinen anderen Aufenthaltstitel. Die BF5 wurde am XXXX in Österreich geboren.

In Österreich leben - mit Ausnahme eines Cousins des BF1 - keine Verwandten der Beschwerdeführer. Die Beschwerdeführer befinden sich in der Grundversorgung, leben von staatlicher Unterstützung und sind der BF1 und die BF2 in Österreich noch keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Der BF1 und die BF2 absolvier(t)en einen Deutsch-Sprachkurs und der BF3 besucht hier die Schule bzw. befindet sich in der schulischen Nachmittagsbetreuung. Der BF1 verfügt über eine Einstellungszusage für eine Pizzeria. Die Beschwerdeführer knüpften im Bundesgebiet soziale Kontakte, wobei der BF3 im Fußballbereich aktiv ist.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration der Beschwerdeführer in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Abgesehen von der BF5 haben die Beschwerdeführer mit Ausnahme ihres nunmehrigen Aufenthalts in Europa ihr gesamtes Leben im Irak verbracht, wo sie sozialisiert wurden und wo sich nach wie vor ihre nächsten Verwandten aufhalten.

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sind strafrechtlich unbescholten.

2.1.4. Die Lage im Herkunftsstaat Irak

Zur aktuellen Lage im Irak wird auf die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde in den bekämpften Bescheiden verwiesen, die auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden. Insbesondere wurden nachstehende länderkundliche Feststellungen (unter Heranziehung der in den angefochtenen Bescheiden im Detail angeführten und nachstehend abgekürzt zitierten Quellen) getroffen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die nachstehenden Ausführungen zum Themenbereich "Frauen/ Kinder" lediglich im Bescheid der BF2, des BF3, des BF4 und der BF5 zu finden sind:

> Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformation vom 16.2.2017:

* Update Sicherheitslage allgemein: (Relevant für Abschnitt 3 - Sicherheitslage und 5 - Sicherheitskräfte)

Iraqi Body Count dokumentierte für 2016 über 16.000 zivile Todesfälle durch Gewalt (hier nach Monaten aufgeschlüsselt: Jänner bis Dezember 2016):

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(Iraqi Body Count 13.2.2017):

Neben den derzeit aufgrund der Mossul-Offensive besonders hohen zivilen Todeszahlen in der Provinz Ninewa sterben auch in Bagdad täglich mehrere Menschen durch Gewalt (insbesondere durch improvisierte Sprengsätze).

UNAMI, die UN-Mission für den Irak, veröffentlichte die folgenden Zahlen, die von Seiten der Staatendokumentation zu einer Grafik zusammengefasst wurden:

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(Quelle: Zahlen UNAMI 1.2.2017, Darstellung: Staatendokumentation)

Bei dieser Statistik handelt es sich um absolute Mindestzahlen. UNAMI wurde bei der Verifizierung der Opfer behindert. Darüber hinaus starb eine unbekannte Zahl an Menschen auf Grund von indirekten Folgen des Konfliktes, wie das Fehlen von Wasser, Nahrung, medizinischer Versorgung, etc. Des Weiteren ist zu beachten, dass UNAMI nach Beginn der Offensive zur Rückeroberung Mossuls und anderer Gebiete in Ninewa zahlreiche Berichte von zivilen Todesopfern erhalten hat, die aufgrund der Lage nicht verifiziert werden konnten. UNAMI lieferte für den Monat Dez. 2016 keine Zahlen der getöteten Iraker insgesamt, sondern ausschließlich Zahlen für die zivilen Opfer. Bei jenen Monaten, die mit Stern versehen sind, ist die Zahl der in Anbar getöteten Zivilisten nicht enthalten ist.

Die Zahl der Zivilpersonen, die im Jänner 2017 im Irak getötet wurden, beträgt 382, die Zahl der Verletzten 908. Bagdad war, wie fast jeden Monat die am stärksten betroffene Provinz, Ninewa und Salahuddin waren ebenfalls besonders stark betroffen (UNAMI 1.2.2017).

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Seit August 2014 wurden im Irak von Seiten der US-geführten Koalition über 10.000 Luftschläge durchgeführt. Bis Februar 2016 waren es noch knapp 7.000 Luftschläge, die bis dahin durchgeführt worden waren (BBC 20.1.2017).

Die folgende Grafik zeigt die groben Kontrollgebiete der unterschiedlichen Akteure, wobei die Kategorie "Iraqi government" auch die Popular Mobilisation Forces (Volksmobilisierungseinheiten / Hashd al-Shaabi – bestehend aus fast ausschließlich schiitischen Milizen) umfasst:

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(BBC 20.1.2017)

2016 war für den Irak ein weiteres turbulentes Kriegsjahr. Die Terrormiliz Islamischer Staat büßte durch den Verlust wichtiger Städte (u.a. Ramadi Anfang 2016 und Falluja im Juni 2016) massiv an Territorium ein. [ ] Die derzeit laufende Offensive zur Rückeroberung Mossuls ist nach wie vor im Gange. Der IS, der noch knapp 4.000 Kämpfer in Mossul haben dürfte, wehrt sich mit Selbstmordkommandos, Scharfschützen, Drohnenbomben und chemischen Waffen, wie Chlor- und Senfgas (IFK 1.2017). (Näheres zu Mossul s. u.)

Die territoriale Zurückdrängung des IS hat die Zahl der terroristischen Anschläge in den genannten Provinzen nicht wesentlich verringert, in manchen Fällen sogar eine asymmetrische Kriegsführung des IS mit verstärkten terroristischen Aktivitäten provoziert (AA 7.2.2017). Der IS führte im Irak im Jahr 2016 über ein Dutzend Selbstmordanschläge und Autobomben-Anschläge durch. Am 3. Juli 2016 kamen bei einem Autobomben-Anschlag in Bagdad über 200 Menschen ums Leben, hunderte weitere wurden verletzt. Der IS hält weiterhin ungefähr 3.200 jesidische Frauen und Kinder fest, die meisten davon werden in Syrien festgehalten (HRW 1.2017).

Laut UNAMI hat der IS seine Anschläge zunehmend auf Märkten und in Wohngegenden verübt, und hat dabei vorwiegend auf Zivilisten, auch Frauen, Kinder und ältere Personen abgezielt (UNAMI 1.2.2017). Am 2.1.2017 fand beispielsweise in einer belebten Straße im schiitisch dominierten Viertel Sadr City in Bagdad ein größerer Autobombenanschlag statt, bei dem 35 Menschen starben und über 60 verletzt wurden (BBC 2.1.2017).

Im Zusammenhang mit der Zurückdrängung des Kontrollgebietes des IS sieht das Institute for the Study of War (ISW) bereits jetzt das erneute Aufflammen von Aufständen von Seiten der Sunniten im Irak, die durch die Schwächung des IS und den dadurch entstehenden Freiraum wieder Fuß fassen können. Regierungsfeindliche Gruppen formieren sich einerseits, weil die Sunniten im konfessionell geprägten Konflikt von der schiitisch dominierten Regierung weiterhin zunehmend marginalisiert werden, und sie Angst vor den an Bedeutung gewinnenden vom Iran aus gelenkten schiitischen Milizen haben. Andererseits werden diese Probleme von Seiten der bereits/nach wie vor existierenden radikalen Gruppen wie Al Qaeda und ex-/neo-baathistischen Gruppen wie Jaysh al-Rijal al-Tariqa al-Naqshbandiya (JRTN) benutzt, um sunnitische Bürger für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Diese Gruppen sind - Annahmen des ISW zufolge - bereits jetzt zunehmend für Anschläge im Irak verantwortlich. Die US-geführte Koalition gegen den IS habe sich zu sehr auf das Zurückdrängen des IS konzentriert und andere Organisationen vernachlässigt (ISW 7.2.2017).

Bei der Rückeroberung IS-kontrollierter Gebiete kam es weiterhin zu Exekutionen, Folter und Misshandlungen der örtlichen Bevölkerung durch schiitische Milizen der Popular Mobilisation Forces (HRW 1.2017).

Bzgl. der schiitisch-schiitischen Konflikte in Bagdad und im Süden des Landes s. Abschnitt über Innenpolitik.

Rund 17 Millionen Menschen (53 Prozent der Bevölkerung) sind im Irak von Gewalt betroffen. Die irakischen Sicherheitskräfte sind nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen. Gerichte und Sicherheitskräfte verfügen nicht über ausreichend qualifiziertes Personal, es fehlt an rechtsstaatlichem Grundverständnis. Gewalttaten bleiben oft straflos. Die Schwäche der irakischen Sicherheitskräfte erlaubt es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa’ib Ahl al-Haq und der Kata’ib Hisbollah, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. (AA 7.2.2017).

* Mossul-Offensive: (Relevant für Abschnitt 3 - Sicherheitslage)

Die seit zwei Jahren geplante Offensive auf die zweitgrößte Stadt des Irak, Mossul, die Hochburg des IS im Irak, startete überstürzt im Oktober 2016, ohne die Frage der politischen Nachfolge in Mossul geklärt zu haben. Die Kampagne wird von einer sehr heterogenen Koalition aus lokalen und regionalen Akteuren mit unterschiedlichen Interessen geführt (IFK 1.2017).

Die irakische Armee hatte in der letzten Januarwoche des Jahres 2017 – mehr als drei Monate nach dem Start der Offensive – den Ostteil Mossuls für befreit erklärt. Die Extremisten wehren sich jedoch heftig und setzen dabei vor allem sprengstoffbeladene Autos mit Selbstmordattentätern oder Scharfschützen ein. Bis zur vollständigen Einnahme der Stadt dürfte es noch Wochen oder Monate dauern (Standard 1.2.2017).

Der [bevölkerungsreichere] Westteil Mossuls ist nach wie vor in den Händen des IS. Die Vereinten Nationen rechnen mit Militäraktionen zur Rückeroberung des Westteils in den kommenden Wochen. Ein Massenexodus kann dabei nicht ausgeschlossen werden. Aus dem Ostteil sind laut IOM (International Organization for Migration) im Zuge der Kämpfe 180.000 Menschen geflohen, 550.000 seien vor Ort geblieben (NNZ 24.1.2017).

Allgemein wird angenommen, dass die Einheiten bei der Eroberung des Westteiles auf noch größeren Widerstand treffen werden. Darüber hinaus verzeichnet die von den USA trainierte und ausgestattete Eliteeinheit Counter Terrorism Service (CTS), auf die sich der Irak bei der Eroberung Mossuls hauptsächlich verlässt, massive Verluste ("über 50 Prozent"). Auch bei der irakischen Armee würde es herbe Verluste geben, wobei jedoch die irakischen Behörden selbst keine Zahlen bekanntgeben (Al-Jazeera 31.1.2017).

Im Zuge der Offensive zur Rückeroberung der IS-Gebiete in und um Mossul evakuierte der IS Zivilisten, um diese als menschliche Schutzschilde zu benutzen (HRW 1.2017).

Die schiitischen Milizen (inzwischen rechtlich der regulären Armee gleichgestellt – s.u.) werden von vielen (insbesondere von vielen Sunniten) mehr gefürchtet als der IS. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Zeugen berichten von Folter, Schlägen und Ermordungen. Im Zuge der Befreiung der Stadt Mossul nimmt das Terrain, das die Milizen unter ihrer Kontrolle haben, stark zu. Die Stadt Mossul ist von den Milizen [und den kurdischen Peschmerga] umzingelt (BBC 3.12.2016), wobei vereinbart war, dass die Milizen die Stadt nicht betreten werden, jedoch wird berichtet, dass (vermutliche) Miliz-Angehörige im Ostteil der Stadt auf Zivilisten schießen (MEM 8.2.2017).

* Innenpolitik (Relevant für Abschnitt 2 – Politische Lage):

Die derzeitigen Anti-IS-Operationen sind zwar insofern erfolgreich, als sie den IS schwächen, gleichzeitig verschärfen sie aber die politische Instabilität. Die vom Iran unterstützten schiitischen Milizen haben gemeinsam mit der Partei des Ex-Premiers Nouri al-Maliki dem amtierenden Premier Abadi gedroht, ein Misstrauensvotum gegen ihn auszusprechen. Abadi steht in Gefahr sein Amt zu verlieren, und muss Zugeständnisse gegenüber den Milizen machen. Abadi war es beispielsweise auch nicht möglich, die Milizen davon abzuhalten, ihre Operationen in Tal Afar wieder aufzunehmen (ISW 7.2.2017).

Zusätzlich dazu hat das irakische Parlament im November 2016 die Volksmobilisierungseinheiten (Popular Mobilisation Forces/Hashd al-Shaabi) – jene Milizen, die wie die irakischen Sicherheitskräfte gegen den IS kämpfen – rechtlich der Armee gleichgestellt. [ ] Die meisten dieser Milizen sind schiitisch, etliche davon sind vom Iran abhängig, sind radikal und werden der Verbrechen an Sunniten beschuldigt. [ ] Diese rechtliche Gleichstellung ist ganz nach dem Geschmack von Expremier Nuri al-Maliki, der zurück an die Macht will und dessen neue politische Hausmacht die Milizen sind (Standard 28.11.2016).

Maliki gelingt es auch zunehmend mit Misstrauensanträgen gegenüber Abadis Ministern die Regierung zerbröckeln zu lassen. Der Verteidigungsminister und der Finanzminister wurden im Jahr 2016 bereits entlassen (Standard 23.9.2016). Über die Sommermonate 2016 wurden mit derartigen Methoden bereits fünf Minister erfolgreich abgesetzt (AA 7.2.2017).

Auch für die Region Kurdistan im Irak ist die Frage, ob Maliki zurück an die Macht kommt, von großer Bedeutung. Massoud Barzani, der Präsident der Kurdischen Regionalregierung [Amtszeit bereits abgelaufen - er befindet sich aber nach wie vor Amt], hat immer wieder mit Ankündigungen, die Unabhängigkeit Kurdistans erklären zu wollen, aufhorchen lassen. Falls Maliki zurückkehren würde, würde er dies in die Tat umsetzen, so Barzani (Ekurd Daily 23.1.2017).

Insbesondere auch im Süden des Irak regt sich verstärkter Widerstand gegen Malikis Vorhaben, an die Spitze der Macht zurückkehren zu wollen. Die Anhänger der Sadr-Bewegung wollen mittels Demonstrationen die Hoffnung Malikis auf eine Rückkehr verhindern. Ein inner-schiitischer Konflikt zwischen Sadristen und Maliki-Anhängern ist spürbar, auch wenn diesbezügliche militärische Auseinandersetzungen unwahrscheinlich sind (Al Monitor 26.12.2017). Am 11. Februar kam es in Bagdad allerdings zu schiitisch-schiitischen Zusammenstößen. Sicherheitskräfte der schiitisch dominierten Regierung schossen auf schiitische Demonstranten der regierungskritischen Sadr-Bewegung. Dabei wurden mindestens 6 Personen getötet, weitere hunderte wurden verletzt, außerdem wurden dabei Raketen in die "Green Zone" (ehemalige internationale Zone, in der sich viele Regierungs- und Botschaftsgebäude befinden) geschossen. Gerichtet war die Demonstration v.a. gegen den konfessionell-ethnischen Proporz in der irakischen Politik. Die Sadr-Bewegung richtet sich zwar v.a. auch gegen eine Rückkehr Malikis, gerade diesem könnte jedoch der Aktivismus Sadrs nutzen, da er den amtierenden Premier Abadi zusätzlich schwächt (MEE 12.2.2017, vgl. Standard 13.2.2017).

* Flüchtlinge/Internvertriebene (Relevant für Abschnitt 11 - IDPs und Flüchtlinge):

Rund 3 Millionen Menschen wurden seit Januar 2014 intern-vertrieben, an ihre Heimatorte konnten in dieser Zeit rund 1,5 Millionen zurückkehren. Die folgende Grafik veranschaulicht die Zahl der IDPs nach der jeweiligen Region, in die sie geflüchtet sind:

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(IOM 2.2.2017)

In der Region Kurdistan-Irak alleine halten sich mehr als 11,3 Millionen Binnenvertriebene auf. Über 10 Millionen Menschen, also rund ein Drittel der Bevölkerung, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 7.2.2017). Bezüglich der Rückkehr von IDPs ist insbesondere Tikrit nennenswert, das eine unerwartete Wendung erlebt hat. Nachdem die Popular Mobilisation Forces nach der Rückeroberung in einem Racheakt zunächst ganze Stadtteile niederbrannten und andere Menschenrechtsverletzungen begingen (MOI 11.2.2016), konnten inzwischen die meisten der ursprünglichen Einwohner Tikrits zurückkehren. Allerdings ist der Großteil der Stadt zerstört und die Infrastruktur noch nicht wieder vollständig hergestellt (WP 23.11.2016).

Beispielsweise wird berichtet, dass von den rund 50.000 Familien, die von Salahuddin nach Kirkuk kamen, es nur 20.000 Familien möglich war, in rückeroberte Gebiete zurückzukehren, die übrigen Familien beschuldigen schiitische Milizen, dass diese sie nicht zurückkehren lassen würden (Rudaw 10.1.2017).

Innerhalb der letzten zwei Jahre seien ungefähr 900.000 Vertriebene nach Hause zurückgekehrt (Stand 23.11.2016), vorwiegend in sunnitische Städte wie Fallujah, Ramadi und Tikrit. An Orte zurückzukehren, an denen Sunniten in Nachbarschaft mit Schiiten oder Kurden gelebt hatten, ist für Sunniten besonders schwierig, und Hunderttausenden war dies nicht möglich, obwohl der IS dort bereits verdrängt wurde. Sunniten leiden unter dem Pauschalverdacht, mit dem IS zu sympathisieren. In manchen Orten, die die Popular Mobilisation Forces vom IS zurückerobert hatten, werden überhaupt keine ehemaligen Ortseinwohner zurückgelassen. Oft spielen dabei auch Stammeskonflikte oder Rachefeldzüge eine Rolle (WP 23.11.2016). Für Rückkehrer besteht oft auch die Gefahr, Opfer von explosiven Kampfmittelrückständen zu werden. Teilweise werden IDPs von Behörden aufgefordert in ihre Häuser zurückzukehren, obwohl die sehr reale Gefahr besteht, dass diese mit Sprengfallen versehen sind (MRG 22.12.2016).

Tikrit kann, wie erwähnt, am ehesten noch als "E

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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