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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des Z S in W, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. September 2017, W246 1432786-2/8E, betreffend u.a. Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 28. August 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, von den Taliban mit dem Tod bedroht worden zu sein. Sein Vater sei Offizier der Nationalarmee gewesen und im Haus der Familie von den Taliban getötet worden. Den Revisionswerber und seinen Bruder hätten die Taliban verletzt und bedroht.
2 Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Februar 2013 wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen und der Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie eine befristete (und in der Folge verlängerte) Aufenthaltsberechtigung erteilt.
3 Die gegen die Nicht-Zuerkennung von internationalem Schutz gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 23. Juli 2015 ab.
4 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. Jänner 2015 wurde der Revisionswerber zu einer bedingt nachgesehenen vierwöchigen Freiheitsstrafe wegen Sachbeschädigung sowie Delikten nach dem Suchtmittelgesetz verurteilt. Mit Urteil vom 22. Dezember 2015 verurteilte das Landesgericht für Strafsachen Wien den Revisionswerber (als jungen Erwachsenen) wegen des Delikts der Vergewaltigung zu einer bedingt nachgesehenen (zusätzlichen) Freiheitsstrafe von 18 Monaten.
5 In der Folge erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber (nach dessen Einvernahme) mit Bescheid vom 29. Oktober 2016 den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot. Zudem stellte es fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte es mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
6 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. September 2017 ab, verkürzte lediglich die Dauer des Einreiseverbots und erklärte die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sei im Ermittlungsverfahren vor der "Erstbehörde" nur behauptet und nicht durch ein Sachverständigengutachten geprüft worden. Außerdem bestehe keine Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens.
9 Neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfenden Verfahrensmangel setzt die Zulässigkeit der Revision voraus, dass sie von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel jedoch nur ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass es abstrakt möglich sein muss, im Fall eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. zB VwGH 7.9.2016, Ra 2015/19/0300).
10 Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revision nicht gerecht, zeigt sie doch nicht konkret auf, welche Ergebnisse bei Einholung des geforderten Sachverständigengutachtens zu erwarten gewesen wären. Im Übrigen stellt die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein "ausreichend ermittelter Sachverhalt" vorliegt, oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. VwGH 20.10.2014, Ra 2014/12/0014).
11 Soweit der Revisionswerber vorbringt, es bestehe keine Rechtsprechung dahingehend, inwieweit sich "jahrelange Integration im Bundesgebiet und die Integrationsmaßnahmen, wie das fleißige Nachgehen einer Arbeit, der sprachlichen Integration und der Übernahme der österreichischen typischen Werte" im Sinn des Art. 8 EMRK auf die Aberkennung subsidiären Schutzes auswirke, reicht hier der Hinweis auf die fallbezogen maßgeblichen Bestimmungen des § 9 Abs. 1 Z 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Soweit der Revisionswerber mit seinem Vorbringen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes ausspricht, ist dem zu entgegnen, dass zur Auslegung und zur Reichweite des Art. 8 EMRK vielfältige höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt (vgl. zu den allgemeinen Kriterien zB VwGH 21.4.2011, 2011/01/0132; zu familiären Beziehungen unter Erwachsenen VwGH 2.12.2014, Ra 2014/18/0100, und VwGH 2.8.2016, Ra 2016/20/0152).
12 Zudem ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074). Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 4.8.2016, Ra 2015/21/0249, mwN).
13 Das Bundesverwaltungsgericht nahm im vorliegenden Fall eine ausführliche Beurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK vor und kam zu Recht zu dem Schluss, dass zwar gewichtige familiäre sowie private Interessen des Revisionswerbers bestünden (unter anderem in Hinblick auf den mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden erwachsenen Bruder), dass aber (insbesondere angesichts der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers) die öffentlichen Interessen an seiner Ausreise überwiegen. Nach ständiger Rechtsprechung besteht nämlich ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewalt- und Eigentumskriminalität (vgl. VwGH 22.2.2017, Ra 2017/19/0043, mwN).
14 Wenn der Revisionswerber überdies ausführt, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, ob eine Vergewaltigung ein Verbrechen im Sinn des § 17 StGB darstelle, das eine Aberkennung des subsidiären Schutzes rechtfertige, übersieht er, dass es auf diese Frage im vorliegenden Fall nicht ankommt. Die Aberkennung des subsidiären Schutzes erfolgte nämlich nicht auf Grund des Tatbestandes des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005, der auf eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) abstellt. Die Aberkennung stützte sich vielmehr auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, also auf das Nicht(mehr)vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung von subsidiärem Schutz. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen (vgl. VwGH 12.8.2014, Ra 2014/06/0015).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 22. November 2017
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017190474.L00Im RIS seit
22.12.2017Zuletzt aktualisiert am
25.01.2018