TE Vwgh Beschluss 2017/11/29 Ra 2015/04/0014

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
77 Kunst Kultur;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
B-VG Art133 Abs4;
DMSG 1923 §1 idF 1990/473 ;
DMSG 1923 §3 idF 1990/473 ;
GewO 1994 §74;
GewO 1994 §77;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der revisionswerbenden Parteien

1.

E P in G, 2. Prof. Mag. W H in W, 3. M H in D, 4. C W und

5.

Dr. E K, beide in F, alle vertreten durch die Concin & Partner Rechtsanwälte GmbH in 6700 Bludenz, Mutterstraße 1a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 18. Dezember 2014, Zl. LVwG-414-016/E8-2013, betreffend Errichtung und Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch; mitbeteiligte Partei: S-AG, vertreten durch Dr. Stefan Hämmerle, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Goethestraße 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch (belangte Behörde) vom 29. Mai 2013 wurde der mitbeteiligten Partei unter Vorschreibung mehrerer Auflagen die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Einkaufmarktes (Handelsgeschäft für Waren des täglichen Bedarfs) erteilt.

2 2.1. Den dagegen erhobenen - seit 1. Jänner 2014 als Beschwerden zu behandelnden - Berufungen der revisionswerbenden Parteien gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 18. Dezember 2014 insofern Folge, als es die Projektbeschreibung präzisierte und Änderungen bei den gewerbetechnischen Auflagen vornahm. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Berufungen bzw. Beschwerden ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

3 2.2. In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe fest, dass die Errichtung und der Betrieb des Einkaufsmarktes nicht geeignet sei, die revisionswerbenden Parteien in unzumutbarer Weise zu belästigen, und auch keine Gesundheitsgefährdung zu erwarten sei.

4 Es komme zu keiner Belästigung durch Gerüche aus der Betriebsanlage. Zu den Verkehrsabgasen habe der lufthygienische Amtssachverständige ausgeführt, dass die zu erwartenden Zusatzbelastungen durch Kohlenmonoxid, Stickstoffoxide und Feinstaub hinsichtlich lufthygienischer Wirkungskriterien als "irrelevant" einzustufen seien. Aus dem eingeholten lichttechnischen Gutachten ergebe sich, dass bei projektgemäßem Betrieb keine unzumutbare Belästigung der Nachbarn durch die Beleuchtung zu erwarten sei.

5 Aus lärmtechnischer Sicht hielt das Verwaltungsgericht fest, dass im Beschwerdeverfahren in mehreren mündlichen Verhandlungen alle wesentlichen Gutachten und Stellungnahmen vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen bei der Erstattung seiner Gutachten berücksichtigt worden seien. Das gelte auch für das von der mitbeteiligten Partei vorgelegte und von Ing. W erstellte schalltechnische Projekt, das entsprechend den rechtlichen Vorgaben auf seine Richtigkeit, Schlüssigkeit und Plausibilität geprüft worden sei. Hinsichtlich der Wahl der Immissionspunkte habe der gewerbetechnische Amtssachverständige ausführlich dargetan, dass sich die Auswahl der Immissionsorte am Besichtigungsergebnis anlässlich der durchgeführten Schallpegelmessungen orientiert habe.

Entgegen den Beschwerdeausführungen seien im behördlichen Verfahren mehrere repräsentative Lärmmessungen durchgeführt worden. Die Ergebnisse der Messungen deckten sich mit den Ergebnissen der schalltechnischen Ausbreitungsberechnung. Ing. W habe nachbarschaftsbezogene längere Schallpegelmessungen an den Immissionspunkten 1 bis 5 vorgenommen. Vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen seien ebenfalls mehrere Messungen mit Verkehrszählungen durchgeführt worden. Man habe die ortsübliche Schallimmission berechnet und mit den tatsächlich gemessenen Werten verglichen. Dabei hätten sich die - entsprechend den verfahrensüblichen Abläufen für ein Betriebsanlagenverfahren durchgeführten - Messungen mit den errechneten Daten gedeckt. Der gewerbetechnische Amtssachverständige habe auf Vorschlag des lärmmedizinischen Amtssachverständigen die Schallquellen mit einem Anpassungswert von +3 dB versehen. Unter Berücksichtigung dieses Anpassungswertes kämen die spezifischen Schallemissionen in der Tagzeit an der zulässigen Grenze oder darunter zu liegen. Beim Immissionspunkt 1 seien am Tag wie auch am Abend die Parkplatzgeräusche der größte Störfaktor, weshalb alle Parkplatzgeräuschanteile mit einem Anpassungswert von 5 dB einbezogen worden seien. Das dadurch ermittelte Ergebnis des Beurteilungspegels komme mit 49 dB gerade am Grenzbereich der aus technischer Sicht zumutbaren Störung zu liegen. Ähnliches gelte für den Immissionspunkt 2, der die bei der Einmündung zum Markt gegebenen Ein- und Ausfahrten von LKW betreffe.

Dem Beschwerdevorbringen, die lärmtechnische Beurteilung der Betriebsanlage anhand des "Vorarlberg-Leitfaden" sei nicht zulässig, hielt das Verwaltungsgericht entgegen, dass es sich dabei um einen behördlichen Leitfaden handle, der von fachkundigen Personen ausgearbeitet und auf der neuen ÖAL-Richtlinie aufbaue. Hinsichtlich der durch die Errichtung der Betriebsanlage befürchteten massiven Gefährdungen verwies das Verwaltungsgericht auf das Bauverfahren.

Für das Verwaltungsgericht stehe fest, dass für die revisionswerbenden Parteien die durch die gegenständliche Betriebsanlage zu erwartenden Belästigungen durch Lärm jedenfalls im zumutbaren Bereich lägen.

6 Der beigezogene medizinische Amtssachverständige habe ausgeführt, dass die Lärmsituation für die Nachbarn vor Ort bereits jetzt durch Verkehrslärm geprägt sei. Die geplante Betriebsanlage führe zwar zu einer Erhöhung insbesondere des Verkehrslärms. Die Charakteristik der Geräusche bleibe jedoch überwiegend gleich. Der medizinische Amtssachverständige sei zum Ergebnis gekommen, dass es bei plangemäßer Ausführung und unter Einhaltung der Auflage der Einschränkung der Betriebszeiten für die Nachbarn zu keinen Gesundheitsgefährdungen komme.

7 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt hat.

8 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.

9 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 5.1. Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht habe das gewerbetechnische und das ärztliche Amtssachverständigengutachten als Entscheidungsgrundlage herangezogen, obwohl diese nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechen würden. Die Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen seien nicht so begründet, dass sie auf ihre Schlüssigkeit hin überprüft werden könnten. Da das ärztliche Sachverständigengutachten darauf aufbaue, bilde auch dieses schon deshalb keine Entscheidungsgrundlage. Das ärztliche Sachverständigengutachten enthalte zudem ausschließlich allgemeine Ausführungen zu den Lärmauswirkungen auf den Menschen ohne jeglichen Bezug zur konkreten Betriebsanlage. Dieser und weitere Mängel des Amtssachverständigengutachtens würden durch den - von den revisionswerbenden Parteien beauftragten - Umweltmediziner Dozent Dr. M aufgezeigt. So lasse das Amtssachverständigengutachten wichtige Bestandteile eines formal vollständigen Gutachtens vermissen. Es bestehe nicht aus Tatsachen und Schlussfolgerungen und enthalte keine Aussagen zum Tagesgang der ortsüblichen Vorbelastung sowie der zu erwartenden Zusatzbelastung. Die Hörprobe des ärztlichen Amtssachverständigen sei nicht repräsentativ. Es fehle eine Beurteilung der von den Kraftfahrzeugen produzierten Luftschadstoffe.

Das Verwaltungsgericht habe sich zur Gänze den Ausführungen der Amtssachverständigen angeschlossen, ohne sich dabei mit den von den revisionswerbenden Parteien vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen - neben dem (bereits erwähnten) umweltmedizinischen Gutachten lägen auch schalltechnische Stellungnahmen eines privaten Sachverständigen vor - auseinanderzusetzen. Im angefochtenen Erkenntnis werde nicht nachvollziehbar aufgezeigt, warum den Amtssachverständigengutachten ein höherer Beweiswert zuzubilligen sei.

11 5.2. Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:

Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen (vgl. VwGH 26.2.2016, Ro 2014/03/0004, mwN). Dabei haben die Aussagen von Sachverständigen grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert und es besteht demnach zwischen dem Gutachten eines Amtssachverständigen und dem eines Privatsachverständigen kein verfahrensrechtlicher Wertunterschied; Amtssachverständigengutachten kommt im Rahmen der freien Beweiswürdigung kein erhöhter Beweiswert zu (vgl. VwGH 12.9.2016, Ra 2016/04/0063, mwN). Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. nochmals VwGH Ro 2014/03/0004). All dies gilt auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz (vgl. VwGH 4.7.2016, Ra 2016/04/0057).

12 Die Würdigung eines Sachverständigengutachtens ist Teil der Beweiswürdigung. Ob ein Verwaltungsgericht einem Gutachten folgt oder nicht, stellt eine Frage der Beweiswürdigung und nicht eine Frage der rechtlichen Beurteilung dar (vgl. VwGH 13.9.2017, Ra 2016/12/0118). Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. zur Überprüfung der Beweiswürdigung aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 23.2.2016, Ra 2016/01/0012, mwN).

13 Einen derartigen krassen Fehler der Beweiswürdigung zeigt die Revision nicht auf. Dass das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall die Gutachten der Amtssachverständigen für schlüssig und nachvollziehbar erachtete und seiner Entscheidung zugrunde legte, ist nicht zu beanstanden, zumal sich die Amtssachverständigen (im Rahmen mehrerer mündlicher Verhandlungen) mit den von den mitbeteiligten Parteien vorgelegten Privatgutachten auch inhaltlich auseinandergesetzt haben und insbesondere das gewerbetechnische Amtssachverständigengutachten mehrfach ergänzt wurde. Der - an sich nur zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist im Übrigen auch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 22.7.2017, Ra 2016/17/0109, mwN).

14 6.1. Die revisionswerbenden Parteien machen geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil die gewerbetechnischen Amtssachverständigengutachten mangels Messung der bestehenden Lärmbelastung an den maßgeblichen Immissionspunkten auf den Liegenschaften der revisionswerbenden Parteien unvollständig seien. So fehlten bei den Immissionspunkten 2 und 3 Messungen gänzlich und seien bei den Immissionspunkten 1b, 3b und 3c Messungen nur von 11:00 Uhr bis 15:00 Uhr durchgeführt worden. Es lägen somit keine repräsentativen Messwerte der ortsüblichen Immissionssituation im Bereich der exponierten Nachbarn vor.

15 Die revisionswerbenden Parteien rügen zudem die Wahl der Immissionspunkte. Entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe sich das Verwaltungsgericht nicht näher mit der Frage der maßgeblichen Orte für die Beurteilung der Lärmbelästigung auf den Liegenschaften der revisionswerbenden Parteien auseinandergesetzt. Es fehlten Feststellungen hinsichtlich jener der Lärmquelle am nächsten liegenden Teile der Liegenschaften der revisionswerbenden Parteien, die ihrem regelmäßigen Aufenthalt dienen können.

16 6.2. Im vorliegenden Fall wurden Lärmmessungen durchgeführt. Die revisionswerbenden Parteien bemängeln allerdings, dass dies nicht in ausreichendem Umfang erfolgt sei. Der gewerbetechnische Amtssachverständige hat dargelegt, warum zum einen zu anderen Zeitpunkten und zum anderen an bestimmten Immissionspunkten keine Messungen durchgeführt wurden. Der Amtssachverständige ist dabei auch auf die von den revisionswerbenden Parteien vorgelegte fachliche Stellungnahme von DI K eingegangen. Ausgehend davon ist dem Verwaltungsgericht nicht entgegenzutreten, wenn es die Ausführungen des Amtssachverständigen als schlüssig und nachvollziehbar ansah.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass die Beurteilung der Lärmeinwirkung auf jenen der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes abstellen muss, der bei Bedachtnahme auf die im Entscheidungszeitpunkt geltenden Vorschriften insbesondere auf dem Gebiet des Baurechts dem regelmäßigen Aufenthalt der Nachbarn, sei es in einem Gebäude, sei es außerhalb eines Gebäudes dienen kann. Allerdings fällt die Wahl der Messpunkte in den fachlichen Verantwortungsbereich des Sachverständigen; sie kann daher, soweit sie nach allgemeinem Erfahrungsgut nicht bereits als unschlüssig zu erachten ist, nur durch ein auf gleicher fachlicher Ebene stehendes Vorbringen entkräftet werden (vgl. VwGH 18.5.2016, Ra 2015/04/0093, mwN).

18 Diesen Grundsätzen wird im vorliegenden Fall insofern entsprochen, als der gewerbetechnische Amtssachverständige erläutert hat, dass sich die Auswahl der Immissionsorte am Besichtigungsergebnis anlässlich der durchgeführten Schallpegelmessungen orientiert habe und nach welchen Kriterien die kennzeichnenden Messpunkte angesetzt worden seien. Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien hat daher eine Auseinandersetzung mit der Frage der maßgeblichen Orte für die Beurteilung der Lärmbelästigung stattgefunden.

19 7.1. Die revisionswerbenden Parteien sehen schließlich in der Verwendung des "Vorarlberg-Leitfadens" eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. bringen vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit der Heranziehung dieses Leitfadens. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürften feste Grenzwerte aus bestimmten Richtlinien nicht unkritisch herangezogen werden. Vielmehr sei eine individuelle Beurteilung des Einzelfalles gefordert, was auch eine Weiterentwicklung des Lärmschutzes ermögliche. Der "Vorarlberg-Leitfaden" sei weder durch Gesetz noch durch Verordnung für Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach der Gewerbeordnung 1994 für verbindlich erklärt worden. Der Leitfaden besitze somit keine Rechtsqualität. Inhaltlich bilde der Leitfaden nicht den Stand der Technik und auch nicht den Stand der Wissenschaft ab.

20 7.2. Mit diesem Vorbringen übersehen die revisionswerbenden Parteien, dass der "Vorarlberg-Leitfaden" nur von den Sachverständigen herangezogen wird. Das von ihnen erstellte Gutachten stellt ein Beweismittel dar. Der Sachverständige liefert der entscheidenden Behörde auf Grund besonderer Fachkenntnisse die Entscheidungsgrundlage im Rahmen des maßgebenden Sachverhalts. Die Mitwirkung bei der Feststellung dieses entscheidungsrelevanten Sachverhalts durch den Sachverständigen besteht darin, dass er Tatsachen erhebt (Befund) und aus diesen Tatsachen auf Grund besonderer Fachkunde Schlussfolgerungen zieht (Gutachten). Der Sachverständige hat somit Tatsachen klarzustellen und auf Grund seiner Sachkenntnis deren allfällige Ursachen oder Wirkungen festzustellen; er muss aber immer im Bereich der Tatsachen bleiben und darf nicht Rechtsfragen lösen (vgl. VwGH 28.6.2017, Ra 2016/09/0091). Das Gutachten unterliegt - wie bereits ausgeführt -der freien Beweiswürdigung durch die Verwaltungsbehörde bzw. durch das Verwaltungsgericht (vgl. VwGH Ra 2016/12/0118, mwN).

21 Die revisionswerbenden Parteien vermögen im vorliegenden Fall nicht aufzuzeigen, inwieweit die Anwendung des "Vorarlberg-Leitfadens" zur Mangelhaftigkeit des lärmtechnischen Gutachtens geführt hätte und dies vom Verwaltungsgericht im Rahmen einer unvertretbaren Beweiswürdigung verkannt worden wäre.

22 8. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 GewO 1994 zurückzuweisen.

23 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. November 2017

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes FachgebietGutachten Beweiswürdigung der BehördeGutachten ParteiengehörBeweiswürdigung Wertung der BeweismittelAnforderung an ein GutachtenSachverständiger Erfordernis der Beiziehung TechnikerSachverständiger Aufgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015040014.L00

Im RIS seit

22.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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