Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. R***** W*****, und 2. N***** W*****, beide vertreten durch Dr. Karl Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** F*****, vertreten durch Mag. Gerhard Walzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Juli 2017, GZ 38 R 49/17p-19, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht mit der Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren selbst sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge des Berufungswerbers nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RIS-Justiz RS0042963 [T58]). Eine Ausnahme besteht dann, wenn das Berufungsgericht das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels erster Instanz mit einer bloßen Scheinbegründung abtut und die Mängelrüge in Wirklichkeit daher gar nicht erledigt, oder ein krasser Fall einer unhaltbaren Begründung vorliegt, der jedes Beurteilungsspielraums entbehrt (RIS-Justiz RS0041032 [T13, T14]; RS0042963 [T63]; 9 ObA 63/17f).
Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat sich ausführlich mit der Mängelrüge der Beklagten auseinandergesetzt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Erstgericht gemäß § 279 ZPO ausgesprochene Befristung der Parteieneinvernahme der Beklagten sei insbesondere deshalb berechtigt gewesen, weil die Beklagte zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vorgebracht habe, wann ihr Erscheinen bei Gericht möglich sein werde, weshalb der Durchführung der Parteieneinvernahme der Beklagten ein Hindernis von ungewisser Dauer entgegen stehe, ist entgegen der Annahme der Revision nicht unhaltbar. Einer weiteren Begründung bedarf diese Beurteilung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
2. Nach ständiger Rechtsprechung steht jedem Teilhaber einer Gemeinschaft das Recht zu, die zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen, deren es zur Wahrung seines Anteilsrechts bedarf (RIS-Justiz RS0013417). Auch ein Minderheitseigentümer kann daher die Beseitigung rechtswidriger Eingriffe nicht nur gegenüber Dritten, sondern auch im petitorischen und possesorischen Verfahren begehren (RIS-Justiz RS0013384 [T1]).
Aus der Berechtigung eines Teilhabers zur Erhebung der Räumungsklage folgt aber nicht, dass in allen Fällen auch die Übergabe des geräumten Objekts an ihn allein zu erfolgen hat. Dazu bedürfte dieser eines eigenen Rechtstitels (RIS-Justiz RS0013226). Die Räumung iSd § 349 EO kann von der Übergabe der geräumten Liegenschaft an den betreibenden Gläubiger auch nicht getrennt werden (RIS-Justiz RS0004430). Fehlt ein solcher Rechtstitel, wären die Miteigentümer insgesamt berechtigt, weshalb im Übergabeverfahren sämtliche Miteigentümer als Berechtigte zu nennen sind (RIS-Justiz RS0013226 [T2, T4]).
Das Räumungsbegehren muss daher auf Übergabe der geräumten Bestandobjekte an alle Miteigentümer gerichtet werden (1 Ob 242/98i). Diesen von der Rechtsprechung geforderten Anspruch erfüllt das vorliegende Klagebegehren mit der Formulierung „...und geräumt an sämtliche Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****, KG ***** zu übergeben...“. Dass das Erstgericht im Spruch der klagsstattgebenden Entscheidung anstelle des Wortes „sämtliche“ das Wort „die“ verwendet hat, ist keine relevante Änderung des in der Klage gestellten Begehrens. Die namentliche Nennung aller Miteigentümer, an die die geräumten Bestandobjekte zu übergeben sind, wird von der Rechtsprechung nicht gefordert. Dies ist auch nicht notwendig, weil das auch auf Übergabe gerichtete Klagebegehren durch die Bezeichnung „die Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****, KG *****“ iSd § 226 ZPO hinreichend bestimmt ist (vgl RIS-Justiz RS0037420). Die Überlegungen der Revisionswerberin zu den Anforderungen an die Bezeichnung der Prozessparteien (§ 75 Z 1 ZPO) vermögen die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung nicht in Zweifel ziehen.
Mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war daher die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Schlagworte
;Textnummer
E120164European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00074.17Y.1128.000Im RIS seit
22.12.2017Zuletzt aktualisiert am
22.12.2017