TE Bvwg Beschluss 2017/11/30 G306 2174895-1

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Veröffentlicht am 30.11.2017
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Entscheidungsdatum

30.11.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G306 2174895-1/2E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Rumänien, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 17.07.2017, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerden wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze

a u f g e h o b e n und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

z u r ü c k v e r w i e s e n .

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde mit Urteil des Landesgerichtes (im Folgenden: LG) XXXX, Zl. XXXX, wegen des Vergehens §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten wobei der überwiegende Teil von 10 Monaten bedingt - unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren - nachgesehen wurde.

Mit am 13.06.2017 dem BF übermittelten Schreiben wurde dieser seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) über das Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt sowie über die in Aussicht genommene Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt. In einem wurde der BF zudem zur Stellungnahme, binnen 14 Tagen aufgefordert. Der BF brachte keine Stellungnahme ein.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid, dem BF zugestellt am 18.07.2017, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), diesem gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt. (Spruchpunkt II.) sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA.VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Mit per Fax am 25.07.2017 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF vermittels seiner ausgewiesenen Vertretung Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG). Darin wurde neben der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und Anberaumung einer mündlichen Verhandlung in eventu, die Behebung des Bescheides, in eventu die Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes und die Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes beantragt.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA vorgelegt und sind am 30.10.2017 (3 Monate nach Beschwerdeeinbringung) beim BVwG eingelangt.

1. Feststellungen

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFAVG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchteil A):

Zur Zurückverweisung:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Vor dem Hintergrund der soeben zitierten Bestimmung hatte die gegenständliche Entscheidung in Beschlussform zu ergehen.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur -soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft- anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme der genannten Einschränkungen die im Erk. des VwGH vom 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG). Der VwGH hat nun zusammengefasst in ständiger Rechtsprechung betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des für die Entscheidung jeweils maßgebenden Sachverhaltes durch das Bundesasylamt als Asylbehörde erster und nunmehr auch letzter administrativbehördlicher Instanz durchzuführen ist.

Eine Zurückweisung der Sache gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029). "Die Begründung muss also erkennen lassen, welchen konkreten (VwGH 19.5.1994, 90/07/0121; 29.8.1995, 94/05/0196; 20.10.2004, 2001/08/0020; vgl. auch Rz 7), für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden (VwGH 3.3.2004, 99/18/0461) Sachverhalt die Behörde im Einzelnen (VwSlg 285A/1948) als erwiEsen angenommen und daher ihrer Entscheidung (dh ihrer rechtlichen Beurteilung [VwGH 13.9.2001, 97/12/0184]) zugrunde gelegt hat (vgl. VwGH 12.1.1994, 92/13/0272; 3.9.2002, 2002/09/0055; 3.3.2004, 99/18/0461)." (Hengstschleger/Leeb, AVG § 60 Rz 18).

Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, ist dies in der gegenständlichen Rechtssache vom Bundesamt jedoch in qualifizierter Weise unterlassen worden.

Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren erweist sich in wesentlichen Punkten als "sehr mangelhaft":

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet:

"(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" betitelte § 51 NAG lautet:

"§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen."

Der österreichische Gesetzgeber unterscheidet in den Bestimmungen des § 66 Abs 1 letzter Satz und § 67 Abs 1 FPG zwischen "normalen", "schwerwiegenden" und "zwingenden" Ausweisungsgründen. Auch wenn § 66 Abs 1 letzter Satz FPG dem Wortlaut zufolge nur die Ausweisung betrifft, muss diese Bestimmung auch im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes beachtet werden. Aus Sicht des Gemeinschaftsrechts handelt es sich sowohl bei einem Aufenthaltsverbot als auch bei einer Ausweisung um "restriktive Maßnahmen", die nur nach Maßgabe der Bestimmungen des Artikel 27 und 28 der Freizügigkeitsrichtlinie zulässig sind.

Der Begriff "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" wird in Artikel 11 Abs 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichlinie) verwendet und in den Tatbeständen des § 53 Abs 3 FPG näher definiert. Eine solche "schwerwiegende Gefahr" ist im Sinne der abgestuften Gefährdungsprognose (vgl VwGH vom 22. Februar 2011, 2008/18/0025) unterhalb der "schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" iSd Artikel 28 Abs 2 der Freizügigkeitsrichtlinie einzuordnen. Unter welchen Voraussetzungen "schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" eine aufenthaltsbeendende Maßnahme unbedingt erforderlich machen, ist im FPG nicht geregelt. Die Bestimmung des § 56 des Aufenthaltsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland kann aber als Orientierungsmaßstab herangezogen werden.

Da vom BF, der aufgrund seiner rumänischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines Aufenthalts im Bundesgebiet seit zehn Jahren nicht erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG und nicht § 67 Abs. 1 Satz 4 FPG für Unionsbürger zu Anwendung.

Die Zulässigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist dann gegeben, wenn vom Fremden auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet wird. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Die belangte Behörde hat grundsätzlich und zutreffend den § 67 FPG als Rechtsgrundlage für das Aufenthaltsverbot herangezogen. Sie ist auch Richtigerweise davon ausgegangen, dass für die Erstellung der Gefährdungsprognose nicht der Maßstab des vierten Satzes - der eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik verlangt - anzuwenden war, weil ja der BF seinen Aufenthalt noch nicht seit 10 Jahren im Bundesgebiet hatte.

Die belangte Behörde hat es jedoch vollkommen unterlassen hinreichende Ermittlungsschritte anzustrengen bzw. herbeizuschaffen die es ermöglichen würden eine Gefährderprognose erstellen zu können. Im Verwaltungsakt befindet sich lediglich der Beschluss über die Untersuchungshaft (AS 3 ff) sowie eine Strafkarte des Landesgericht XXXX (AS 25 ff). Im Akt befindet sich kein Gerichtsurteil und keine Strafregisterauskunft betreffend des BF. Eine Prognoseentscheidung hat die belangte Behörde offensichtlich auf Grund des Beschlusses über die Untersuchungshaft getroffen. Die belangte Behörde hat offensichtlich das Strafurteil weder gesehen noch gelesen und konnte sie sich über den Tathergang, die Bewegungsgründe des Strafgerichts bezüglich verhängte Strafe (Strafbemessungsgründe) nicht in ihre Beurteilung miteinbezogen werden. Das war auch der Grund dafür, dass die belangte Behörde in ihrem Bescheid gar keine nachvollziehbare Gefährderprognose getroffen hat. Die belangte Behörde stellt dem BF zur Last liegende und den Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bildete Straftat im angefochtenen Bescheid nur dem Beschluss über die Untersuchungshaft des Strafgerichtes folgend dahin fest, dass lediglich das Gericht, die Urteilsdaten, die maßgeblichen Strafbestimmungen, die verhängte Strafen angeführt wurden. Das reicht jedoch nicht für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose. Es wären konkrete Feststellungen zu den einzelnen, die Verurteilungen des BF zugrunde liegenden Straftaten zu treffen gewesen. Die belangte Behörde führt in ihrem Bescheid immer wieder die Verurteilung wegen des Verbrechens und die 15 monatige Freiheitsstrafe an. Richtig ist jedoch, dass der BF kein Verbrechen sondern ein Vergehen begangen hat und des Weitern wurde der überwiegende Teil von 10 Monaten bedingt nachgesehen auch diese Tatsache wurde von der belangten Behörde vollkommen ignoriert. Des Weitern ist es überhaupt nicht nachvollziehbar warum die belangte Behörde bei einer unbedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten die höchstmöglichen Zeitrahmen von 10 Jahre Aufenthaltsverbot verhängt.

Mit Blick auf die Verwaltungsverfahren geltenden Grundsätze, insbesondere jenes der Offizialmaxime und der materiellen Wahrheit, (vgl. Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahren9 (2011), Rz 315ff), wonach die belangte Behörde zur amtswegigen Ermittlung des verfahrensrelevanten Sachverhaltes verpflichtet ist, wäre es der belangten Behörde aufgrund ihrer mangelhaften Ermittlungen sohin verwehrt gewesen, den gegenständlichen Sachverhalt als im Sinne eines umfassenden Ermittlungsverfahrens hinreichend geklärt anzusehen. Insofern erweist sich die verfahrensgegenständliche Entscheidung der belangten Behörde als sachlich nicht hinreichend begründet und sohin mangelhaft. Wie die belangte Behörde zu den Feststellungen gelangte, dass der BF im Bundesgebiet keine Familienangehörige, keine Privatleben usw. hat obwohl der BF nie eine Stellungahme abgegeben hat und von der belangten Behörde - obwohl leicht möglich - nie niederschriftlich einvernommen wurde, entzieht sich der Kenntnis des Gerichtes.

Aus Sicht des Gerichts verstößt das Vorgehen der belangten Behörde im konkreten Fall somit gegen die in § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG 2005 determinierten Ermittlungspflichten, wonach diese den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen hat.

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des BFA und das diesem zugrunde liegende Verfahren aufgrund der Unterlassung der notwendigen Ermittlungen zu wesentlichen Punkten und hinreichender Begründung somit als mangelhaft zu bewerten. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde weder als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren vor dem Bundesamt mit den oben dargestellten Mängeln behaftet. Weit reichende Erhebungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach durch das Bundesverwaltungsgericht zu tätigen. In Anbetracht des Umfanges der noch ausstehenden Ermittlungen würde deren Nachholung durch das erkennende Gericht ein Unterlaufen der vorgesehenen Konzeption des Bundesverwaltungsgerichtes als gerichtliche Rechtsmittelinstanz bedeuten. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

Zusammenfassend ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und dieser damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer negativen behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG).

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß der angefochtene Bescheid des BFA gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die gegenständliche Rechtssache an das BFA als zuständige erstinstanzliche Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesamt wird in dem neuerlich zu führenden Verfahren, bezughabende Ermittlungsschritte, insbesondere wird sie das Gerichtsurteil anfordern müssen um überhaupt eine Gefahrenprognose erstellen zu können. Die belangte Behörde wird nach weiteren Ermittlungsschritte und nach hinreichender Beweiswürdigung rechtlich zu würdigen haben ob vom BF eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Sie wird daher die nur 5-monatige Freiheitsstrafe, die Delikte - Ladendiebstähle - miteinfließen lassen müssen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Ermittlungspflicht, Gefährdungsprognose,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, strafrechtliche
Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:G306.2174895.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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