Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des ED in Graz, geboren am 28. November 1975, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. August 1998, Zl. 200.381/0-V/15/98, betreffend § 7 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers, eines liberianischen Staatsangehörigen, gegen die seinem Asylantrag gemäß § 7 AsylG nicht stattgebende Entscheidung des Bundesasylamtes ab.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer in Liberia von Angehörigen der Bürgerkriegspartei des Charles Taylor im Mai 1996 zwangsrekrutiert worden sei. Der Beschwerdeführer sei im Juli 1996 aus einem Ausbildungslager der "Rebellen" geflüchtet. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich nach Auffassung der belangten Behörde kein Anhaltspunkt dafür, dass die "von den Rebellen erfahrene Behandlung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund für den Berufungswerber ungünstiger erfolgt wäre bzw. die Bestrafung wegen Verweigerung oder Desertion aus diesen Gründen im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen ungünstiger erfolgen würde". Im Übrigen sei seinem Vorbringen, selbst wenn auf Grund seiner Flucht aus dem Ausbildungslager eine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungsmaßnahme zu befürchten wäre, die mangelnde Aktualität entgegenzuhalten. Denn der Beschwerdeführer sei dem auf behördlichen Ermittlungen beruhenden Vorhalt, in Liberia fänden Friedensverhandlungen statt und die Entwaffnung der verfeindeten Bürgerkriegsparteien sei eingeleitet worden, nicht glaubhaft entgegengetreten. Von einer mündlichen Berufungsverhandlung sah die belangte Behörde ohne Begründung ab.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerde rügt zu Recht, dass sich die belangte Behörde nicht mit den zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung aktuellen Verhältnissen in Liberia auseinander gesetzt hat. Auch die Behörde erster Instanz hat dazu nach dem Akteninhalt keine nachvollziehbaren Ermittlungen angestellt. Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass mit Charles Taylor gerade der Führer der Bürgerkriegspartei, aus deren Ausbildungslager nach erfolgter Zwangsrekrutierung er geflüchtet sei, (jedenfalls schon seit) dem Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Behörde erster Instanz der an der Macht befindlichen Regierung vorsteht. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Berufungsverhandlung lagen bei dieser Sachlage nicht vor (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, wonach ein Absehen von der grundsätzlich vorgesehenen Verhandlung dann zulässig ist, wenn der Sachverhalt "nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt" wurde). Die in der Beschwerde bekämpften - sehr kursorisch gehaltenen und eine nachhaltige Änderung der maßgeblichen Situation nicht ausreichend begründenden - Feststellungen über die Besserung der allgemeinen Lage in Liberia vermögen die Entscheidung der belangten Behörde schon mit Rücksicht darauf nicht zu begründen, dass es gerade die Soldaten des nunmehrigen Staatspräsidenten gewesen sein sollen, deren Rache der Beschwerdeführer - wegen seiner Flucht aus der erfolgten Zwangsrekrutierung - gefürchtet haben will. Hiezu und zu den Erfordernissen einer auf die (nachhaltige) Änderung der Umstände im Heimatland des Asylwerbers gestützten Bescheidbegründung ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0399 (ebenfalls Liberia betreffend) zu verweisen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Hinsichtlich der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965 hingewiesen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. Juni 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998200489.X00Im RIS seit
20.11.2000