Entscheidungsdatum
04.12.2017Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L516 2177859-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Bangladesch, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017, XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehörige von Bangladesch, stellte am 15.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 19.10.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.
2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG (Spruchpunkt II) ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gegen diesen eine Rückkehrentscheidung gem § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Das BFA sprach zudem aus, dass für die freiwillige Ausreise keine Frist bestehe (Spruchpunkt IV).
3. Mit Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.
4. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 30.10.2017 zugestellten Bescheid des BFA am 23.11.2017 Beschwerde erhoben.
5. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 28.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhaltsfeststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer begründete bei der Erstbefragung am 15.09.2015 seinen Antrag damit, dass er Mitglied der oppositionellen Jamahad Partei in Bangladesch sei, die Omlik Partei an die Macht gekommen sei und ihnen das Leben schwer gemacht habe. Er sei von jenen geprügelt, unter Druck gesetzt und sogar mit der Waffe bedroht worden, weshalb er geflüchtet sei (AS 9). Bei er Einvernahme am 19.10.2017 brachte er vor, es habe am 05.01.2014 eine Wahl gegeben, welche jedoch nicht richtig gewesen sei. Die BNP und die Jamati Islam hätten nicht teilgenommen. Die Awami League sei ganz allein an der Macht und an der Wahl beteiligt gewesen. Nachdem die Wahl fertig gewesen sei, hätten sie als Mitarbeiter viele Demonstrationen gemacht; im Zuge dessen seien sie verfolgt, belästigt und geschlagen worden. Einmal sei er sogar bedroht worden und man habe ihn auch angegriffen. Man habe sie zwingen wollen, der Awami League beizutreten. Ihnen seien Angebote gemacht worden, für diese zu arbeiten. Er sei wegen jenem Angriff bei der Polizei gewesen und habe Anzeige erstatten wollen, doch Parteileute hätten die Polizei angerufen und ihr gesagt, dass jene diese Anzeige nicht entgegennehmen solle, was diese dann auch nicht getan habe. Zwei Monate nach dem Angriff sei der Beschwerdeführer nicht mehr zu Hause gewesen, man habe jedoch bei seiner Tür angeklopft und habe ihn finden wollen. Man habe Drohungen ausgesprochen, ihn gesucht und mit dem Umbringen bedroht, da er nicht beigetreten sei. Seine Mutter habe ihn dann angerufen, und ihm gesagt, dass er nicht nach Hause kommen solle. Er sei zunächst nach Jessore, dann nach Indien. Er sei von 3-4 Personen in der Nacht attackiert und auf verschiedenste Weise getreten worden. Er habe durch den Wald fliehen können. Dann habe er sich nicht aus dem Haus getraut. An jenem Tag sei er nur leicht verletzt worden, später sei er schwerer verletzt worden. Er sei angegriffen worden und es sei sehr viel Blut geflossen. Er sei auch bewusstlos geworden (AS 151 ff).
1.2. Das BFA hat sich zur Begründung der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers im Rahmen der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides im Einzelnen mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und in einer über drei Seiten erstreckenden Argumentationskette ausgeführt, weshalb es das Vorbringen des Beschwerdeführers im Detail für nicht glaubhaft erachtet (AS 210-212).
1.3. Die auf § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG gestützte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde begründete das BFA wie folgt (AS 224):
"Wie oben ausgeführt, liegt Ziffer 5 in Ihrem Fall vor. So wurde vom Bundesamt festgestellt, dass Ihr Vorbringen gänzlich als unglaubwürdig zu betrachten ist und Ihr Vorbringen offensichtlich nicht den tatsächlich erlebten Ereignissen entspricht. "
2. Beweiswürdigung
2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz. Die Feststellungen zu den Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren sowie zu den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid ergeben sich konkret aus den im Akt einliegenden Niederschriften und dem angefochtenen Bescheid, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten (AS) angeführt sind.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
Ersatzlose Behebung von Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides
Rechtsgrundlage
3.1. Gemäß § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.
Zum gegenständlichen Verfahren
3.2. Das BFA hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall auf § 18 Abs 1 Z 5 BFA-VG gestützt, was demnach voraussetzt, dass " das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht". Diese Bestimmung entspricht § 6 Abs 1 Z 4 AsylG idF AsylG 1997 BGBl. I Nr. 101/2003; diese wiederum entspricht § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung des AsylG 1997. Aufgrund der nur unmaßgeblich veränderten, im Wesentlichen aber nahezu wortidenten Formulierungen dieser Bestimmungen ist bei der Prüfung des Vorliegens dieses Tatbestands - somit als Prüfungsmaßstab für die Frage, ob ein Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht - jedenfalls die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Vorgängerbestimmungen heranzuziehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung ausgesprochen, dass bei einem von der Behörde als unglaubwürdig angenommenen Vorbringen noch nichts darüber ausgesagt wird, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreicht, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 in der Stammfassung als erfüllt angesehen werden kann. Letzteres kann nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss unmittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich quasi "aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte müssen klar auf der Hand liegen, sei es allenfalls auch deshalb, weil nach einem Ermittlungsverfahren "Hilfstatsachen" (z.B. fehlende Kenntnis der behaupteten Stammessprache) substantiell unbestritten bleiben. Im Ergebnis setzt die im gegebenen Zusammenhang erforderliche "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" somit voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entspricht (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0214; 31.1.2002, 2001/20/0381; 11.6.2002, 2001/01/0266). Nur dann, wenn es "unmittelbar einsichtig" ist und sich das Urteil quasi "aufdrängt", die Schilderungen des Asylwerbers, die für die Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblich sind, seien tatsächlich wahrheitswidrig, erreicht das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfüllt ist (VwGH 27.9.2001, 2001/20/0393). Bei der Anwendung des § 6 AsylG 1997 kann es typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, aber nicht um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (VwGH 19.12.2001, 2001/20/0442).
3.3. Fallbezogen hat sich das BFA im Einzelnen mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und in einer über drei Seiten erstreckenden Argumentationskette ausgeführt, weshalb es das Vorbringen des Beschwerdeführers im Detail für nicht glaubhaft erachtet (AS 210-212). Eine bloß "schlichte Unglaubwürdigkeit" des Vorbringens reicht jedoch für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht aus (vgl VwGH 22.10.2003, 2002/01/0086). Dazu kommt, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu den entsprechenden Vorfassungen dieses Tatbestandes ausgeführt hat, dass § 6 Z 3 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 76/1997 (nunmehr § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG) lediglich dann anwendbar ist, wenn das gesamte Vorbringen zu einer Bedrohungssituation den Tatsachen offensichtlich nicht entspricht; seine Anwendbarkeit scheidet aus, wenn das Vorbringen auch nur in einem Punkt möglicher Weise auf eine wahre Tatsache gestützt wird; auf Einzelaspekte gestützte Erwägungen – wie dies auch im vorliegenden Fall vom BFA vorgenommen wurde – erweisen sich somit für die Anwendung des Tatbestandes der offensichtlichen Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens zur Bedrohungssituation als nicht tragfähig (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0214).
3.4. Für den vorliegenden Fall hat die soeben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daher zur Folge, dass entgegen der Annahme des BFA die Voraussetzung für die Ziffer 5 gegenständlich nicht vorlag und damit die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung unzulässig war.
3.5. Es war daher der Spruchteil V des angefochtenen Bescheides spruchgemäß ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt. Dem Beschwerdeführer ist daher vom BFA bis auf weiteres auch eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen (§ 51 AsylG).
3.6. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt V spruchreif war und die Trennung – auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen – auch zweckmäßig erscheint.
3.7. Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis IV des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.
Zu B)
Revision
3.8. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.
3.9. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzloseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:L516.2177859.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.12.2017