Entscheidungsdatum
05.12.2017Norm
BFA-VG §18 Abs2 Z1Spruch
L516 2178439-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch MigrantInnenverein St Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2017, Zahl XXXX zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ersatzlos behoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 02.03.2015 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK.
2. Das BFA wies diesen Antrag vom 02.03.2015 [im Spruch des Bescheides wohl irrtümlich: "02.03.2017", Anm] mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 25.10.2017 gem § 55 AsylG ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gegen diesen eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs 3 FPG (Spruchpunkt I) und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II). Das BFA gewährte gestützt auf § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise.
3. Mit Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.
4. Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht zur Gänze Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhaltsfeststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise am 15.12.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 31.08.2011, C7 314670-1/2008/7E, sowohl hinsichtlich Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen (AS 193 ff).
1.2. Der Beschwerdeführer leistete nach Abschluss jenes Asylverfahrens Ladungen des Fremdenpolizeilichen Büros zu Einvernahmen am 21.11.2011 und 05.01.2012 Folge und wirkte auch an der Stellung eines Antrages an die pakistanische Botschaft in Wien zur Ausstellung eines Reisepasses mit (AS 139 ff; AS 154).
1.3 Der Beschwerdeführer stellte am 02.03.2015 an das BFA einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK, gab zur einer Verfahrensanordnung des BFA vom 25.09.2015 mit Schreiben vom 27.10.2015 eine Stellungnahme ab, äußerte sich zu einer Verständigung des BFA vom 03.11.2015 mit Schreiben vom 19.11.2015 und leistete ebenso einer Ladung des BFA zu einer niederschriftlichen Einvernahme am 21.08.2017 Folge. Er richtete mit Schriftsatz vom 03.09.2017 eine weitere Stellungnahme und antwortete schließlich auf eine weitere Verständigung des BFA vom 13.09.2017 mit Schreiben vom 13.10.2017 (AS 206, 210, 213, 224, 239 ff, 270, 272, 287 f).
1.4. Der Beschwerdeführer verfügt bis auf den Zeitraum vom 23.01.2014 bis 13.08.2014 seit 12.02.2007 durchgehend über eine aufrechte Hauptwohnsitzmeldung im Zentralen Melderegister.
1.5. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
1.6. Das BFA begründete im angefochtenen Bescheid zu Spruchpunkt IV die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wie folgt (AS 337 f):
"Der Tatbestand der Ziffer 1 ist in Ihrem Fall erfüllt. Sie stellten am 15.12.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Asylantrag wurde negativ entschieden. Sie waren davon in Kenntnis und führten ihren illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet weiter fort. Die Verpflichtung zur Ausreise ignorierten Sie. Sie waren lediglich zum Aufenthalt berechtigt, als über Ihren Asylantrag entschieden wurde. Ansonsten waren Sie niemals im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Dieser humanitäre Antrag beim Bundesamt begründet kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Ihre sofortige Ausreise ist im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend erforderlich. Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. § 18 Abs 2 BFA-VG seiht bei Vorliegen des oben genannten Tatbestandes zwingend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung vor. Mangels Vorliegens einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Verfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Verfahrens war im Hinblick auf das Interesse Österreichs an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung nicht zu berücksichtigen. Wie auch schon oben unter Spruchpunkt I ausführlich erörtert, stellt Ihr Verbleib in Österreich eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Ihre sofortige Ausreise ist daher erforderlich."
2. Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen
2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, wobei zu den jeweils getroffenen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten (AS) angeführt sind. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit ergeben sich aus dem Strafregister der Republik Österreich, jene zu den Hauptwohnsitzmeldungen aus dem Zentralen Melderegister.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Behebung von Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides
Rechtsgrundlagen
3.1. Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2. Gemäß § 18 Abs 2 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn 1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist, 2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder 3. Fluchtgefahr besteht.
Zum gegenständlichen Verfahren
3.3. § 18 Abs 2 Z 1-3 BFA-VG in der geltenden Fassung entspricht § 57 Abs 1 Z 1-3 FPG 2005 idF BGBl 28/2011 (ErläutRV RV 2144 XXIV. GP) und laut den ErläutRV zu jenem § 57 FPG erfolgten die Z 1 und 3 in direkter Umsetzung des Art 7 Abs 4 der Rückführungs-RL (1078 der Beilagen XXIV. GP). Gem Art 7 Abs 4 der Rückführungs-RL (2008/115/EG) können die Mitgliedstaaten davon absehen, eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, oder sie können eine Ausreisefrist von weniger als sieben Tagen einräumen, wenn Fluchtgefahr besteht oder der Antrag auf einen Aufenthaltstitel als offensichtlich unbegründet oder missbräuchlich abgelehnt worden ist oder die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt.
3.4. Zur Auslegung des Art 7 Abs 4 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) ist auf das Urteil des Gerichtshofes Europäischen Union (EuGH) vom 11.06.2015 in der Rechtssache Zh und O, C-554/13 zu verweisen. Der EuGH hat in jener Entscheidung festgestellt, dass ein Mitgliedstaat gehalten ist, den Begriff "Gefahr für die öffentliche Ordnung" im Sinne von Art 7 Abs 4 der Richtlinie 2008/115 im Einzelfall zu beurteilen, um zu prüfen, ob das persönliche Verhalten des betreffenden Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. Stützt sich ein Mitgliedstaat auf eine allgemeine Praxis oder irgendeine Vermutung, um eine solche Gefahr festzustellen, ohne dass das persönliche Verhalten des Drittstaatsangehörigen und die Gefahr, die dieses Verhalten für die öffentliche Ordnung darstellt, gebührend berücksichtigt werden, verkennt er die Anforderungen an eine individuelle Prüfung des in Rede stehenden Falles und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (EuGH 11.06.2015, Zh und O, C-554/13, EU:C:2015:377, Rz 50).
3.5. Der EuGH hat in der soeben zitierten Entscheidung des Weiteren festgestellt, dass der Begriff Gefahr für die öffentliche Ordnung, wie er in Art 7 Abs 4 der Rückführungsrichtlinie vorgesehen ist, jedenfalls voraussetzt, dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Daraus folgt, dass im Rahmen der Beurteilung dieses Begriffs jedes tatsächliche oder rechtliche Kriterium zur Situation des betreffenden Drittstaatsangehörigen maßgeblich ist, das geeignet ist, die Frage zu klären, ob sein persönliches Verhalten eine solche Bedrohung begründet (ebenda, Rz 60-61).
3.6. Unter Berücksichtigung dieser Judikatur des EuGH hat das BFA fallbezogen nicht dargelegt, dass außer der sozialen Störung, die der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers darstellt, vom Beschwerdeführer eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Für das Bundesverwaltungsgericht sind auch sonst keine Anhaltspunkte dahingehend ersichtlich, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Die von der belangten Behörde auf § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG gestützte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde erweist sich somit als verfehlt.
3.7. Es war daher der Spruchteil IV des angefochtenen Bescheides spruchgemäß ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.
3.8. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt IV spruchreif war und die Trennung – auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen – auch zweckmäßig erscheint. Über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.
Zu B)
Revision
3.9. Da die Rechtslage eindeutig bzw durch die zitierte Rechtsprechung des EuGH geklärt ist, liegt kein Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0343; 17.02.2015, Ra 2014/01/0172). Es ist daher die Revision nicht zulässig.
3.10. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzloseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:L516.2178439.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.12.2017