TE Bvwg Beschluss 2017/12/5 L503 2172129-1

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Veröffentlicht am 05.12.2017
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Entscheidungsdatum

05.12.2017

Norm

AlVG §24
AlVG §25
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L503 2172129-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. ENZLBERGER und Mag. SIGHARTNER über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS XXXX vom 16.08.2017 zur Versicherungsnummer XXXX , nach ergangener Beschwerdevorentscheidung vom 13.09.2017, GZ: XXXX , beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird die Beschwerdevorentscheidung

vom 13.09.2017, GZ: XXXX , insoweit mit dieser der Beschwerde nicht stattgegeben wurde, aufgehoben und die Angelegenheit gem. § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gem. Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Mit Bescheid vom 16.08.2017 widerrief das AMS gemäß § 24 Abs 2 AlVG den Bezug des Arbeitslosengeldes durch die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: "BF") in der Zeit vom 1.6.2017 bis zum 27.6.2017 und verpflichtete die BF gemäß § 25 Abs 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von €

669,44.

Begründend führte das AMS aus, die BF habe die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum vom 1.6.2017 bis zum 27.6.2017 zu Unrecht bezogen, da sie während dieses Zeitraums in einem vollversicherten Dienstverhältnis gestanden sei.

2. Mit Schreiben vom 22.8.2017 erhob die BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 16.8.2017. Darin gab die BF an, hier müsse es sich um einen "bedauerlichen Irrtum" handeln. Konkret habe sie nämlich bis 30.4.2017 beim Dienstgeber V. gearbeitet, vom 1.5.2017 bis 27.6.2017 sei sie arbeitslos gewesen und vom 28.6.2017 bis 30.7.2017 habe sie beim Dienstgeber A. in K. gearbeitet, was sie auch ordnungsgemäß bei Beginn dieser Tätigkeit telefonisch gemeldet habe. Sie ersuche um nochmalige Überprüfung, da sie keinen Fehler gemacht habe.

3. Am 4.9.2017 richtete das AMS ein Schreiben an die BF zur Wahrung des Parteiengehörs. Darin wurde eingangs darauf hingewiesen, dass die BF im Zeitraum 1.6.2017 bis 27.6.2017 Arbeitslosengeld in Höhe von € 24,32 täglich bezogen und darüber hinaus für den Zeitraum vom 12.6.2017 bis 16.6.2017 pauschale Kursnebenkosten ersetzt erhalte habe. Am 20.6.2017 habe die BF das AMS von einer geringfügigen Beschäftigung bei der Firma A. in Kenntnis gesetzt. Am 28.6.2017 habe sich die BF wegen Arbeitsaufnahme abgemeldet.

Mit Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes habe das AMS erfahren, dass die BF bereits in der Zeit ab 1.6.2017 bei der Firma A. vollversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, woraufhin das AMS mit dem angefochtenen Bescheid das Arbeitslosengeld mangels Vorliegen von Arbeitslosigkeit vom 1.6.2017 bis zum 27.6.2017 widerrufen und den entsprechenden Betrag zurückgefordert habe.

Abschließend wurde dazu wörtlich wie folgt ausgeführt: "Wenn die Speicherung im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht mit dem tatsächlichen Zeitraum Ihrer Beschäftigung übereinstimmen, wenden Sie sich ehest an Ihren ehemaligen Dienstgeber und an die OÖ.GKK, um ggf. eine Umspeicherung zu erwirken."

Der BF werde Gelegenheit gegeben, dazu bis spätestens 12.9.2017 schriftlich Stellung zu nehmen.

4. Eine Stellungnahme der BF langte der Aktenlage zufolge nicht ein.

5. Mit Bescheid vom 13.9.2017 gab das AMS der Beschwerde der BF im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung teilweise statt. Die teilweise Stattgebung lautete lediglich dahingehend, dass von der BF Kurskosten in Höhe von € 2,95 nicht rückgefordert werden; im Übrigen wurde die Beschwerde gänzlich abgewiesen (Rückforderungsbetrag anstatt € 669,44 nunmehr € 666,49).

Begründend wurde zunächst der bisherige Verfahrensgang dargestellt, wie er bereits im Schreiben zur Wahrung des Parteiengehörs vom 4.9.2017 wiedergegeben worden war.

Sodann wies das AMS im Rahmen der rechtlichen Beurteilung darauf hin, dass Arbeitslosigkeit nicht bestehe, wenn die BF in einem Beschäftigungsverhältnis steht, welches der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt (und somit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist). Wenn die BF einwende, sie sei erst ab 28.6.2017 beim Dienstgeber A. (gemeint wohl: vollversicherungspflichtig) beschäftigt gewesen, so müssten ihr die Daten des Hauptverbandes entgegen gehalten werden, wonach sie in der Zeit vom 1.6.2017 bis zum 31.7.2017 in einem vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis beim Dienstgeber A. gestanden sei. Diesem Umstand habe die BF im Rahmen des Parteiengehörs nicht widersprochen und sei auch keine Umspeicherung erfolgt, weswegen das AMS davon ausgehe, dass die Speicherung beim Hauptverband korrekt sei.

Das Arbeitslosengeld sei zu widerrufen, wenn sich die Zuerkennung nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstelle. Das AMS widerrufe daher das Arbeitslosengeld mangels Vorliegen von Arbeitslosigkeit für die Zeit vom 1.6.2017 bis 27.6.2017. Die BF habe das Beschäftigungsverhältnis, welches bereits ab 1.6.2017 bestanden habe, dem AMS nicht gemeldet. Dadurch habe die BF die Meldepflicht nach § 50 AlVG verletzt und einen Rückforderungstatbestand des § 25 Abs 1 AlVG verwirklicht. Das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1.6.2017 bis 27.6.2017 in der Höhe von insgesamt € 666,49 (täglich € 24,32 x 27 Tage, täglich € 1,97 x 5) sei daher von der BF rückzufordern. Den Betrag von € 2,95 (Kurskosten € 0,59 x 5 Tage) fordere das AMS von der BF nicht zurück.

6. Mit Schreiben vom 25.9.2017 stellte die BF fristgerecht einen Vorlageantrag. Darin verwies die BF auf die Begründung ihrer Beschwerde und betonte, dass sie im Zeitraum vom 1.6. bis 30.6.2017 ihrer geringfügigen Beschäftigung bei der Firma A. nachgegangen sei, wobei diese geringfügige Beschäftigung bereits seit 11.1.2016 bestehe; in diesem Zusammenhang bringe sie auch die Lohnabrechnung Juni 2016 [Anmerkung des BVwG: richtig wohl: 2017] in Vorlage). Im nun relevanten Zeitraum habe sie nur einen Verdienst innerhalb der Geringfügigkeitsgrenze gehabt, wie auch aus der Lohnabrechnung ersichtlich sei. Erst ab 1.7.2017 habe sie bei der Firma A. ein Dienstverhältnis gehabt, bei dem sie über der Geringfügigkeitsgrenze verdient habe. Warum die Firma A. diesen Sachverhalt durch Meldungen bei der OÖGKK anders dokumentiert hat, könne sie nicht angeben.

Überdies habe die BF im Zeitraum 12.6.2017 und vom 19.6. bis 23.6.2017 einen Workshop beim AMS W. "Job Flash" besucht. Sie könne also in diesem Zeitraum nicht über der Geringfügigkeitsgrenze tätig gewesen sein.

Als Beweismittel führte die BF ein allfälliges Nachfragen bei der Firma A. an.

Vorgelegt wurde von der BF eine "Lohn-Gehaltsabrechnung" vom Juni 2017 des Dienstgebers A. Daraus geht hervor, dass an die BF im Juni 2017 (30 Tage) ein Brutto-Entgelt in Höhe von € 542,47 (netto € 490,54) geleistet wurde. Zudem geht daraus hervor, dass die BF im Juni 2017 einerseits 12 Stunden zu einem Stundenlohn von € 9,3 und andererseits 22,5 Stunden zu einem Stundenlohn von € 9,83 gearbeitet hat.

7. Am 2.10.2017 legte das AMS den Akt dem BVwG vor, wobei anlässlich der Beschwerdevorlage auf die von der BF vorgelegte Lohn- und Gehaltsabrechnung verwiesen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die BF stand seit 11.1.2016 in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis beim Dienstgeber A.

Diese geringfügige Beschäftigung hat die BF dem AMS zumindest am 20.6.2017 bekannt gegeben: An diesem Tag wurde vom AMS protokolliert, dass die BF das AMS über ihre geringfügige Beschäftigung beim Dienstgeber A. seit 1.11.2016 informiert hat. Gleichzeitig wurde zu dieser Bekanntgabe der BF vom AMS unter "Erledigungsvermerk" allerdings Folgendes eingetragen: "Bereits bekannt und erfasst".

Am 28.6.2017 meldete sich die BF wegen Aufnahme eines (vollversicherten) Dienstverhältnisses beim Dienstgeber A. vom Bezug ab.

Beim Hauptverband wurde sodann für den gesamten Monat Juni 2017 ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis der BF beim Dienstgeber A. gespeichert.

Die BF gab in ihrer Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid des AMS sinngemäß an, sie habe erst ab 28.6.2017 (gemeint wohl: vollversicherungspflichtig) beim Dienstgeber A. gearbeitet.

Im Rahmen der bekämpften Beschwerdevorentscheidung begründete das AMS den gegenständlichen Widerruf und die Rückforderung im Wesentlichen damit, es sei nunmehr ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis der BF beim Dienstgeber A. während des gesamten Juni 2017 beim Hauptverband gespeichert – diesem Umstand habe die BF im Rahmen des Parteiengehörs im Übrigen nicht widersprochen bzw. habe sie offensichtlich auch keine "Umspeicherung" veranlasst -, sodass während des gesamten Juni 2017 keine Arbeitslosigkeit vorgelegen sei; da die BF darüber hinaus das Beschäftigungsverhältnis nicht bereits ab 1.6.2017 gemeldet habe, liege zudem ein Rückforderungstatbestand im Sinne von § 25 Abs 1 AlVG vor.

Vorgelegt wurde von der BF im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eine "Lohn-Gehaltsabrechnung" vom Juni 2017 des Dienstgebers A. Daraus geht hervor, dass an die BF im Juni 2017 (30 Tage) ein Brutto-Entgelt in Höhe von € 542,47 (netto € 490,54) geleistet wurde. Zudem geht daraus hervor, dass die BF im Juni 2017 einerseits 12 Stunden zu einem Stundenlohn von € 9,3 und andererseits 22,5 Stunden zu einem Stundenlohn von € 9,83 gearbeitet hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des AMS.

2.2. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt:

So ist unbestritten und auch beim Hauptverband gespeichert, dass die BF seit 11.1.2016 in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis beim Dienstgeber A. stand. Aus den vom AMS wiedergegebenen Datenbankeinträgen geht zudem hervor, dass die BF diese geringfügige Beschäftigung dem AMS zumindest am 20.6.2017 bekannt gegeben hat, wobei diesbezüglich vom AMS eingetragen wurde: "Bereits bekannt und erfasst".

Aus einem wiedergegeben Datenbankeintrag des AMS folgt zudem, dass sich die BF am 28.6.2017 wegen Aufnahme eines (vollversicherten) Dienstverhältnisses beim Dienstgeber A. vom Bezug abgemeldet hatte. Der Umstand, dass sodann für den gesamten Monat Juni 2017 ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis der BF beim Dienstgeber A. gespeichert wurde, folgt aus einer Abfrage beim Hauptverband und ist unbestritten.

Aus der Beschwerde der BF – in Zusammenhang mit den Datenbankeinträgen des AMS - ist zudem abzuleiten, dass die BF dahingehend argumentiert, sie habe erst ab 28.6.2017 vollversicherungspflichtig beim Dienstgeber A. gearbeitet. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass im – offensichtlich nicht von der BF selbst verfassten und insgesamt fehlerbehafteten (z. B. Wiedergabe falscher Jahreszahlen) – Vorlageantrag (irrtümlich) davon die Rede ist, die BF sei erst ab 1.7.2017 in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis beim Dienstgeber A. gestanden.

Die getroffenen Feststellungen zur Argumentation des AMS ergeben sich unmittelbar aus der Beschwerdevorentscheidung; die Feststellungen zur von der BF vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnung folgen aus ebendieser.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom 13.9.2017, insoweit mit dieser der Beschwerde nicht stattgegeben wurde und Zurückverweisung der Angelegenheit gem. § 28 Abs 3 VwGVG

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen

3.1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gem. § 56 Abs 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Das Vorschlagsrecht für die Bestellung der erforderlichen Anzahl fachkundiger Laienrichter und Ersatzrichter steht gem. § 56 Abs 4 AlVG für den Kreis der Arbeitgeber der Wirtschaftskammer Österreich und für den Kreis der Arbeitnehmer der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte zu; die vorgeschlagenen Personen müssen über besondere fachliche Kenntnisse betreffend den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenversicherung verfügen.

Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1.2. § 28 VwGVG lautet auszugsweise:

[...]

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

[...]

3.1.3. Will das Verwaltungsgericht die Sache an die Behörde zurückverweisen, so ist die in der Sache ergangene Beschwerdevorentscheidung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz oder Abs. 4 VwGVG aufzuheben (VwGH vom 17.12.2015, Zl. Ro 2015/08/0026).

3.2. Zum Widerruf bzw. zur Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitslosengeldes und zum Vorliegen von Arbeitslosigkeit:

§ 24 Abs. 2 AlVG lautet auszugsweise:

§ 24. (2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich

nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. [ ]

§ 25 Abs. 1 AlVG lautet auszugsweise:

§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung

einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. [ ]

§ 12 AlVG lautet auszugsweise:

§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

[ ]

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

a) wer in einem Dienstverhältnis steht;

[ ]

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt [ ]

3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:

3.3.1. Aus dem Beschwerdevorbringen der BF in Zusammenschau mit dem Akteninhalt – insbesondere den Datenbankeinträgen des AMS – geht im Ergebnis klar hervor, worauf die Argumentation der (rechtsunkundigen) BF abzielt: Ihr Vorbringen lautet dahingehend, sie sei seit 11.1.2016 in einem geringfügigen Dienstverhältnis beim Dienstgeber A. gestanden und habe bei diesem Dienstgeber (erst) am 28.6.2017 eine vollversicherungspflichtige Beschäftigung angetreten.

3.3.2. Wenn das AMS in der bekämpften Beschwerdevorentscheidung vermeint, bereits aufgrund des Umstands, dass nunmehr ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis der BF beim Dienstgeber A. während des gesamten Juni 2017 beim Hauptverband gespeichert ist (wobei die BF diesem Umstand im Rahmen des Parteiengehörs nicht widersprochen bzw. auch offensichtlich keine "Umspeicherung" veranlasst habe), liege während des gesamten Juni 2017 keine Arbeitslosigkeit vor, so verkennt das AMS dabei die ständige Rechtsprechung des VwGH zur vorliegenden Konstellation, die im Folgenden kurz zitiert wird:

"Hat die Partei in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung widerrufen und zurückgefordert worden war, vorgebracht, in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis tätig gewesen zu sein, muss sich die Berufungsbehörde mit diesem Vorbringen auseinandersetzen und prüfen, ob die Partei während dieses Beschäftigungsverhältnisses tatsächlich einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden (und daher im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a iVm Abs. 6 lit. a AlVG Arbeitslosigkeit ausschließenden) Entgeltanspruch gehabt hat. Sie ist von eigenen Ermittlungen nur dann enthoben, wenn das Bestehen eines die Vollversicherungspflicht und die Arbeitslosenversicherungspflicht für den genannten Zeitraum begründenden Beschäftigungsverhältnisses bescheidmäßig rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2003, Zl. 2000/08/0054).

[ ]

Für die Beurteilung eines Anspruches auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ist eine zeitraumbezogene Betrachtungsweise geboten: Der Umstand, dass der Sozialversicherungsträger den Beschwerdeführer mit Monatsanfang als vollversichert eintrug, vermag nichts an dem Umstand zu ändern, dass dieser bis zum 27. April 2011 in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis stand und damit - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - als arbeitslos iSd § 12 Abs. 3 lit. a iVm Abs. 6 lit. a AlVG anzusehen ist. § 471h ASVG, wonach die Pflichtversicherung bei Zusammentreffen zweier oder mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse rückwirkend beginnen kann, ist auf das Zusammentreffen von geringfügiger Beschäftigung mit Vollversicherung nicht anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, Zl. 2011/08/0307)." [VwGH vom 2.5.2012, Zl. 2011/08/0190].

Diese Grundsätze gelten nach ständiger Rechtsprechung des VwGH im Übrigen auch dann, wenn die die vollversicherte Beschäftigung beim selben Dienstgeber erfolgte wie die vorangegangene geringfügige Beschäftigung (vgl. z. B. VwGH vom 14.3.2013, Zl. 2013/08/0002).

3.3.3. Zusammengefasst bedeutet die dargestellte Rechtsprechung des VwGH, dass der bloße Hinweis auf ein beim Hauptverband gespeichertes vollversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht ausreichend ist; vielmehr hat das AMS – sofern kein Versicherungspflichtbescheid vorliegt – den Sachverhalt selbst entsprechend zu ermitteln, wobei bei einem Wechsel von teil- auf vollversichert (auch beim selben Dienstgeber) eine zeitraumbezogene Betrachtung vorzunehmen ist und nicht eine Vollversicherung für den ganzen Kalendermonat angenommen werden darf.

3.3.4. Ausgehend von der verfehlten Rechtsansicht des AMS liegt dem BVwG nun ein grob mangelhafter Sachverhalt vor: Es wurden nämlich keinerlei Ermittlungen bzw. Feststellungen zur Frage getätigt, ob die BF tatsächlich – wie aus ihrem Beschwerdevorbringen abgeleitet werden kann – ihr Beschäftigungsausmaß beim Dienstgeber A. (erst) am 28.6.2017 von geringfügig auf vollversichert erhöht hat. Wäre dies nämlich tatsächlich der Fall, so wäre die Vollversicherungspflicht entgegen der Speicherung beim Hauptverband erst mit 28.6.2017 eingetreten. Diese Möglichkeit schließt auch die von der BF vorgelegte Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung vom Juni 2017, die ein Entgelt knapp über der Geringfügigkeitsgrenze ausweist, nicht aus, zumal darin nicht zwischen Entgelten vor und Entgelten nach einer allfälligen Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes differenziert wird.

Vielmehr wären die erwähnten entscheidungswesentlichen Umstände – konkret: ob bereits für den gesamten Juni 2017 ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis vereinbart worden war oder aber, ob bzw. wann es zu einer allfälligen Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes kam – vom AMS unter Beiziehung des Dienstgebers A. zu klären gewesen.

Zusammengefasst liegt dem BVwG kein brauchbarer, sondern ein qualifiziert mangelhafter Sachverhalt im Sinne des Erkenntnisses des VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 vor, sodass mit einer Zurückverweisung im Sinne von § 28 Abs 3 VwGVG vorzugehen ist. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das AMS gem. § 28 Abs 3 letzter Satz VwGVG an die rechtliche Beurteilung durch das BVwG gebunden ist. Dies bedeutet insbesondere, dass erst aber einer allfälligen Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes von teil- auf vollversichert keine Arbeitslosigkeit mehr vorliegt.

Aus den dargestellten Gründen war spruchgemäß mit einer Behebung und Zurückverweisung vorzugehen, insoweit der Beschwerde der BF nicht bereits im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung stattgegeben wurde. Das AMS wird somit in einem allfälligen Folgeverfahren einen Bescheid unter Zugrundelegung der oben getätigten Ausführungen zu erlassen haben. Sollte das AMS im Übrigen wiederum zum Ergebnis kommen, dass bei der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine Arbeitslosigkeit vorlag und eine Rückforderung auszusprechen ist, so werden auch eingehendere Feststellungen zur Frage zu treffen sein, ob der BF eine Meldepflichtverletzung zur Last zu legen ist; hier sei nur angemerkt, dass die BF laut Aktenlage ihre geringfügige Beschäftigung seit 1.11.2016 (möglicherweise erst) am 20.6.2017 bekannt gegeben hat, andererseits wurde diesbezüglich vom AMS am 20.6.2017 aber vermerkt, das geringfügige Dienstverhältnis der BF sei bereits "erfasst".

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gem. § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da es zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsgericht kassatorisch zu entscheiden vermag, eine klare und aktuelle (siehe insbesondere die Erkenntnisse des VwGH vom 10.09.2014, Zl. Ra 2014/08/0005 und vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063) höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt. Darüber hinaus besteht, wie dargestellt, auch eine einheitliche Rechtsprechung des VwGH zur Frage, ab wann bei einer Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes von teil- auf vollversichert keine Arbeitslosigkeit mehr vorliegt.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. Aufgrund der Aufhebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Schlagworte

Arbeitslosengeld, Dienstverhältnis, Ermittlungspflicht, Kassation,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:L503.2172129.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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