TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/6 L515 1403801-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2017
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Entscheidungsdatum

06.12.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L515 1403801-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch XXXX , geb. XXXX und vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.10.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, § 57 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 idgF, § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG BGBl I Nr. 87/2012 idgF und §§ 46, 52 Abs. 2 und 9 BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 5 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF ersatzlos behoben.

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gem. § 55 Abs. 1 und 2 FPG BGBl 100/2005 idgF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch XXXX , geb. XXXX und vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.10.2017, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gem. § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I Nr. 87/2012 idgF zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge als "bP" bezeichnet), ist Staatsangehöriger der Republik Armenien und brachte nach Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich mittels eines erschlichenen Schengen-Visums am 26.5.2017 bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.

In Bezug auf das bisherige verfahrensrechtliche Schicksal bzw. das Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden:

" Sie haben am 26.04.2016 bei der LPD XXXX , vertreten durch Ihre Mutter Frau XXXX , einen Folgeantrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG eingebracht.

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Bei der niederschriftlichen Befragung vor der LPD XXXX am 26.04.2016 gab Ihre Mutter vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu wesentlichen Punkten Folgendes an:

Ihr Verfahren wurde am 21.05.2015 bereits rechtskräftig entschieden.

Warum stellen Sie jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag? Was hat sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber Ihrem bereits entschiedenen Verfahren - in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat - verändert?

Erläutern Sie umfassend und detailliert sämtliche Gründe für Ihre neuerliche Asylantragstellung und legen Sie nun alle Ihnen nunmehr zur Verfügung stehenden (neuen) Bescheinigungsmittel vor.

Unser ältester Sohn XXXX ist seit seinem 6. Lebensjahr in Österreich. Er ist jetzt 15 Jahre alt, er kann weder armenisch lesen noch schreiben. Mit 16 Jahren darf kein junger Bursche mehr Armenien verlassen aus wehrdienstlichen Gründen. Wir haben keine Existenz mehr in Armenien. Kein Haus, keine Arbeit und noch dazu hat mein Mann Probleme in Armenien. Ich habe hohe Zuckerwerte, mir geht es nicht gut. In Armenien müsste ich jegliche Behandlung privat bezahlen, dazu hab ich das Geld nicht. Im Falle einer Rückkehr nach Armenien würde mein Mann sofort mobilisiert werden, er müsste in Berg Karabach kämpfen. In Armenien haben wir keine Existenzgrundlage mehr.

Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Ihrer Rückkehr unmenschliche Behandlung,

unmenschliche Strafe, die Todesstrafe droht, oder sie mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen haben? (ja, welche?/keine)

keine

-

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.06.2016 Ihre Mutter vor einem Organwalter des Bundesamtes zu wesentlichen Punkten Folgendes an:

Vorhalt: Es war Ihnen von Geburt der Söhne bewusst, dass diese wehrpflichtig werden. Warum haben Sie das bis jetzt nicht angegeben?

Damals waren die Kinder noch klein.

Vorhalt: Der Konflikt am Berg Karabach herrscht seit ungefähr 100 Jahren. Sie haben das bisher nicht erwähnt. Warum?

Es wird einmal stärker und ruhiger. Die Kinder waren damals noch klein.

Vorhalt: Die Gefechte im April 2016 dauerten nur 3 Tage. Inwiefern wären Sie davon betroffen?

Ich habe Angst um meine Kinder. Sie könnten auch zum Krieg gebracht werden.

Vorhalt: Ihr Sohn könnte auch einen Wehrersatzdienst leisten. Was sagen Sie dazu?

In Armenien ist es sehr schwer. Die Kinder werden immer nach Karabach gebracht. Ich kenne mich gar nicht aus. Sowas gibt es nicht. Zivildienst können nur Protektionskinder machen. Die Kinder dieser Leute dürfen einfach alles.

Warum haben Sie die Identität der Kinder abgeändert?

Das habe ich im letzten Verfahren bereits erklärt. Mein Mann hat mir den falschen Namen genannt. Ich will, dass meine Kinder meinen Namen bekommen.

Sind Sie verheiratet?

Offiziell nicht.

Bringen Sie diesen Antrag nunmehr für alle Ihre bestehenden Kinder ein?

Ja. Mein Sohn XXXX hat große Angst.

Würde Ihnen im Falle der Rückkehr in Ihrem Herkunftsland Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?

Nein.

Mit mir werden nun die Feststellungen zur Situation in meinem Herkunftsland erörtert. Ich gebe dazu an:

Dem Vertreter werden 10 Tage zur Stellungnahme eingeräumt.

Frage des Vertreters:

Gibt es in Armenien ein Haus oder sonstige existenzielle Grundlagen?

Nein. Es wohnt nur meine Mutter in einer kleinen Wohnung in XXXX in Yerewan.

Könnten Sie arbeiten?

Ich denke schon.

Wollen Sie Gründe geltend machen, die gegen eine Rückkehrentscheidung sprechen? Haben Sie besondere Bindungen zu Österreich? Haben Sie hier Verwandte? Sind Sie erwerbstätig oder besuchen Sie eine Schule? Sind Sie in anderer Form integriert, z.B. Vereinsmitgliedschaften, etc.?

Welche weiterführenden Integrationsverfestigungen haben Sie seit Ihrem letzten Vorbringen erworben?

Ich habe nichts weiter vorzubringen. Aber meine Kinder. Die 2 großen sind in Sportvereinen. XXXX spielt seit 5 Jahren Fußball und ist seit einem Monat beim XXXX . XXXX ist Boxer und trainiert seit 3 Monaten. Den Verein kann ich nicht sagen. Er trainiert in der Schule am XXXX .

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Sie wurden am 24.08.2016 aufgrund einer in 2. Instanz rechtskräftigen Rückkehrentscheidung in Ihr Heimatland Armenien abgeschoben.

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Sie sind spätestens am 26.05.2017 erneut illegal ins Bundesgebiet eingereist und haben am 26.05.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG eingebracht.

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Bei der niederschriftlichen Befragung bei der PI XXXX , am 26.05.2017 gaben Sie vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt zum Fluchtgrund und zu einer allfälligen

Rückkehrgefährdung Folgendes an:

F: Ihr Verfahren wurde am 24.08.2016 bereits rechtskräftig entschieden.

Warum stellen Sie jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag? Was hat sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber Ihrem bereits entschiedenen Verfahren - in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat - verändert?

A: Zwei Wochen nach meiner Ankunft in Armenien habe ich vom Militär eine Aufforderung zur Anmeldung für den Militärdienst bekommen. Als ich dort war hat ein Mann eine Liste mit Namen vorgelesen, auf dieser Liste stand auch mein Name. Er sagte, dass diese Leute speziell trainiert werden. Zwei Monate lang wurden wir in Jerewan für den Militärdienst vorbereitet. Monatlich bekamen wir 20.000 Armenische Dram Taschengeld. Am 1. April wurden wir nach Bergkarabach verlegt und eine Woche lang trainiert. Am 2.April hat unser Training begonnen. Wir hatten drei Ausbildner und sie sagten uns wir sollen sie nicht beim Namen nennen sondern nur "Herr Trainer". Bevor ich nach Karabach gefahren bin war ich auf Besuch bei einer Nachbarin, dort sah ich ein Foto ihres Sohnes, welcher seit drei Jahren verschollen ist. In Karabach hat einer der Ausbildner ihrem Sohn sehr ähnlich gesehen. Wir haben uns gegenseitig angeschaut und er gab mir mit dem Finger ein Zeichen, dass ich nichts sagen soll. Später hat er mich angesprochen und gefragt, ob ich der XXXX sei. Ich sagte ja. Auf die Frage, ob er XXXX (Sohn meiner Nachbarin) sei sagte er ebenfalls ja. Er sagte dass er mich trainieren wird und tat das auch. Er sagte ich soll mich während des Trainings öfter Beschweren und Krankheiten vortäuschen soll. Bei jedem Training sagte XXXX ich solle flüchten. Er sagte auch, dass alle Ausbildner Medikamente zur Leistungssteigerung nehmen müssen. Am letzten Tag steckte er mir einen Zettel in die Unterhose und ich solle diesen einem anderen Ausbildner namens XXXX geben. Er sagte auch ich solle seiner Familie nichts über ihn mitteilen. Das sei sinnlos, da er sowieso nicht von dort weg kann. Als meine Ausbildung in Karabach vorbei war kam ich nach Jerewan und traf dort meinen Fußballtrainer namens XXXX . Ich fragte ihn, ob er einen anderen Fußballtrainer namens XXXX kennt. Er sagte ja und ich gab ihm den Zettel welchen mir XXXX zusteckte. Danach ging ich nach Hause. Zwei Stunden später kam XXXX zu mir nach Hause. Er sagte ich soll meine Trainingstasche mitnehmen und meinen Eltern mitteilen, dass ich für einen Monat nach Karabach fahre. Diesen einen Monat habe ich mich bei ihm zu Hause versteckt aufgehalten. XXXX sagte mir, dass ich zuerst das Land verlassen soll und dann werde er der Sache mit XXXX nachgehen. Da ich das Land nicht legal verlassen konnte hat er mich mit seinem Fahrzeug Richtung Georgien und dann nach Griechenland gefahren. In Armenien hatte ich bis jetzt keine Möglichkeit zur Schule zu gehen und ich will nicht mit 15 mit siebenjährigen Kindern in die Schule gehen um Schreiben und Lesen zu lernen. In Österreich will ich weiter Fußball trainieren und in die Schule gehen. Dieses Jahr möchte ich meinen Hauptschulabschluss machen.

F: Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?

A: Ich habe Angst umgebracht zu werden, da ich dieses Geheimnis bezüglich XXXX erfahren habe.

F: Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen? Hätten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Heimatstaat mit Irgendwelchen Sanktionen zu rechnen? Wenn ja, welche?

A: Ja vom Militär, weil ich geflüchtet bin.

F: Han Sie Ergänzungen/Korrekturen zu machen?

A: Ja, wenn Österreich mich wieder abschieben möchte, teilen Sie es mir bitte mit, weil ich dann in ein anderes Land ziehen möchte. Ich sehe aber in Österreich meine Zukunft, ich will hier Schule gehen und Fußball trainieren.

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Bei der schriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13.10.2017 gaben Sie vor einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen Folgendes an:

F: Haben Sie irgendwelche Dokumente oder sonstige Beweismittel die Sie im bisherigen Verfahren noch nicht vorgelegt haben?

A: Nein.

F: Gibt es noch irgendwelche Dokumente oder sonstige Beweismittel, die Sie noch vorlegen können?

A: Nein.

F: Schildern Sie bitte Ihre Lebensumstände in Ihrem Heimatland.

A: Ich war mit meiner Familie in Armenien. Ich bin nicht viel rausgegangen. Ich hatte nichts zu tun. Ich konnte nicht mal die Schule besuchen.

F: Wo genau kommen Sie her?

A: Ich war in Jerewan. Genau weiß ich es nicht.

F: Haben Sie zurzeit Kontakt mit irgendjemandem aus Ihrem Herkunftsland?

A: Ja, ich telefonieren mit meinen Eltern.

F: Wie gestaltet sich der Kontakt zu Ihrer Familie? Kommunizieren Sie auch über soziale Netzwerke und neue Medien?

A: Wir telefonieren im Monat 1 bis 2 über Whatsapp, Facebook, Viber.

F: Wo genau halten sich in Ihrem Heimatland Ihre Angehörigen auf?

A: Sie befinden sich in Jerwan.

F: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen den Lebensunterhalt?

A: Meine Mutter arbeitet in irgendeiner Fabrik in Armenien. Mein Vater schaut zu Hause auf die Kinder, da diese klein sind.

F: Wie viele Geschwister haben Sie?

A: 3.

F: Wie alt sind diese?

A: 14, 6 und 3

F: Welche Ausbildung haben Sie absolviert?

A: Seit 2008 bin ich zur Schule gegangen, bis zum Jahr 2016, bis zur Abschiebung.

F: Womit haben Sie in Ihrem Heimatland bisher Ihren Lebensunterhalt bestritten?

A: Ich habe nie gearbeitet.

F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen und einen Asylantrag gestellt haben von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß. Ihre Angaben im Asylverfahren werden vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet. Es ist unumgänglich, dass Sie die Wahrheit sagen, nichts verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.

A: Als ich in Jerewan ankam, wurde ich angerufen und musste zur Musterung. Alle anderen sind reingegangen. Ich und weitere 7 Personen haben eine Stunde länger gewartet. Eine Person in zivil hat uns dann abholt und in ein Zimmer gebracht. Er sagte uns, dass er eine spezielle Einheit bildet. Wir sind alle Sportler und er benötige diese Personen. Wir wurden in Jerewan für 2 Monate ausgebildet. 2 Monate später wurden wir für eine Woche nach Bergkarabach gebracht. Das war am 01. April 2016. Am 2. April haben mir mit den Trainings begonnen. Bevor ich nach Karabach gebracht wurde, war ich bei einer Nachbarin. Da habe ich das Foto ihres Sohnes gesehen. Ich habe sie gefragt, warum das Foto eingerahmt ist. Sie sagte, dass er seit 3 Jahren nicht auffindbar ist. Sie begann zu weinen. In Karabach wurde uns gesagt, dass wir von 3 Trainern ausgebildet werden. Wir durften sie nicht namentlich ansprechen, sondern nur mit "Herr Trainer". Einer dieser 3 Trainer ähnelte dem Sohn der Nachbarin sehr stark. Ich wollte zu ihm gehen. Er hat mit dem Finger ein Zeichen gemacht, dass ich schweigen soll. Einmal habe ich ihn während des Trainings gefragt, ob er XXXX sei. Er hat es bejaht. Er hat mich dann gefragt, ob ich XXXX bin, oder nicht. Während des Trainings sagte er, ich soll mich über Schmerzen beklagen, damit ich nicht weiterhin trainiert werde. Er sagte ich soll flüchten und nicht mehr zurückkehren. Beim letzten Training hat er mir einen Brief/Zettel in meine Unterhose gesteckt. Er sagte mir in Jerewan gibt es einen Trainer namens XXXX und ich soll ihm diesen Brief übergeben. Als ich in Jerewan war, habe ich meinen Trainer ersucht, dass er den anderen Trainer findet und ihm den Brief zu übergeben. Ich bin nach Hause gegangen. Dann kam mein Trainer zu mir nach Hause. Er sagte mir, dass ich meine Tasche mitnehmen soll und sagen, dass ich für einen Monat nach Karabach gehe.

F: Wie war der Name des Trainers?

A: XXXX .

F: Setzen Sie bitte fort.

A: Einen Monat lang hielt ich mich versteckt in seinem Haus auf. Er hat den Brief gelesen. Er sagte mir, dass er muss mich aus dem Land bringen und dann auch schauen, wie er XXXX aus dem Land bringt, weil er ein ehemaliger Fußballer war. Einen Monat lang hatte er meine Ausreise organisiert. Ich konnte aus Jerewan nicht ausreisen, deswegen hat mein Trainer mich mit seinem Auto nach Georgien gebracht. Von Georgien bin ich mit dem Flugzeug nach Griechenland geflogen und von Griechenland nach Wien mit dem Flugzeug.

F: Mit welchem Reisedokument sind Sie geflogen?

A: Mit meinem Pass.

F: Wo ist dieser jetzt?

A: Von Griechenland nach Österreich hat mich eine Person begleitet. Der Pass ist bei ihm geblieben.

F: Wer war diese Person?

A: Ein Freund von meinem Trainer.

F: Name!

A: Ich kenne ihn nicht.

F: Sie geben einer Person, die Sie nicht kennen, Ihren Reisepass?

A: Mein Trainer hat gesagt, dass ich meinen Reisepass bei ihm lassen soll.

F: Warum?

A: Wegen der Sicherheit.

F: Wann haben Sie den Reisepass dieser Person gegeben?

A: Nachdem das Flugzeug in Wien gelandet war.

F: Wo haben Sie diese Person kennengelernt?

A: In Griechenland habe ich ihn das erste Mal gesehen. Ich konnte mich mit ihm aber nicht verständigen, da er russisch Sprach.

F: Woher wussten Sie, dass Sie ihm den Pass geben sollten?

A: Mein Trainer hat es mir gesagt.

F: Wann?

A: In Griechenland, weil er (Trainer XXXX ) mich bis nach Griechenland begleitet hat.

F: Wieso hat Sie Ihr Trainer begleitet?

A: Ich hätte ohne ihn seinen Freund nicht gefunden. Er hat mich übernommen und mich begleitet.

F: Sie wurden dem Freund nie vorgestellt?

A: Doch.

F: Wie heißt er?

A: Hovhannes.

Vorhalt: Jetzt können Sie mir sagen, wie diese Person heißt? Vor einigen Minuten konnten Sie das nicht?

F: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

A: Ja, das war alles.

F: Wie gut kannten Sie ihre Nachbarin?

A: Sie ist eine Freundin meiner Mutter. Ich kannte den Sohn der Nachbarin. Wir haben gemeinsam gespielt, als wir Kinder waren.

F: Wie alt ist XXXX ?

A: Er ist alt 18 Jahre alt.

F: Warum ist XXXX spurlos verschwunden?

A: Das weiß ich nicht.

F: Sie haben nie darüber gesprochen?

A: Er sagte mir, dass seine Eltern nicht Bescheid wissen, wo er ist. Er kann sowieso nicht von dort weg, wo er ist.

F: Das war die Begründung, warum er keinen Kontakt zu seinen Eltern hat?

A: Wahrscheinlich.

F: Welche Ausbildung haben sie da durchgeführt?

A: Unterschiedlich. Boxen, Karate, Judo. Kampfsportarten.

F: Das war vom Militär organisiert?

A: Ja, wir wurden bei der Musterung mitgenommen.

F: Welche militärische Ausbildung haben Sie durchgeführt?

A: Wir haben gekämpft. Wir waren laufen.

F: Was war das Ziel Ihrer Ausbildung?

A: Das Ziel war, dass man uns ausbilden wollte, damit wir beim Militär an die Front geschickt werden.

F: Das heißt, Sie wurden zu einer speziellen Einheit geschickt, damit ihr dann an die Front geht?

A: Ja, das stimmt.

F: Woher kennt XXXX den XXXX ?

A: Er ist ein Freund von ihm.

F: Was ist in dem Brief gestanden?

A: Das weiß ich nicht. Mein Trainer hat es gelesen und hat nichts erzählt. Er sagte mir nur, dass es dort, wo ich war sehr gefährlich ist, und dass er mich so schnell wie möglich außer Landes bringen möchte.

F: Sie haben sich dann 1 Monat bei XXXX versteckt.

A: Ja.

Anmerkung: Vom AW wird eine kurze Trinkpause in Anspruch genommen (09:18 Uhr).

F: Hatten Sie während dieses Monats Kontakt zu Ihren Eltern?

A: Nein.

F: Können Sie mir erklären, warum Sie keinen Kontakt zu Ihren Eltern hatten?

A: Mein Trainer hat mich in seinem Haus versteckt. Er hat gesagt, dass ich niemandem erzählen soll, wo ich mich befinde.

F: Wie alt waren Sie, als Sie die Ausbildung durchgeführt haben?

A: 15 Jahre alt.

F: Wie lange war XXXX bereits beim Militär?

A: Seit 3 Jahren.

F: Also hat er auch mit 15 dort begonnen.

A: Ja.

F: Und mit 18 ist er bereits Trainer?

A: Ja.

F: Vor was hatten Sie Angst?

A: Wäre ich dort geblieben, wäre ich zu einem Killer geworden, oder ich werde umgebracht.

F: Wurden Sie jemals direkt persönlich von irgendjemanden oder irgendetwas bedroht?

A: Nein, aber ich war in sehr viele Raufereien verwickelt, weil meine Schwester mit einem türkischen Namen abgeschoben wurde. Deswegen habe ich sehr viel mit den Kindern aus dem Viertel gerauft. Bis heute ist es meinen Eltern nicht gelungen, eine Urkunde für sie ausstellen zu lassen.

F: Die Raufereien waren Ihre Bedrohungen?

A: Nein.

F: Welcher Bedrohung waren Sie ausgesetzt?

A: Als wir zur Ausbildung mitgenommen wurden, hatte ich Angst, dass ich eines Tages einen Menschen umbringen muss, oder selber umgebracht werde.

F: Sonst noch etwas?

A: Nein, das war alles.

F: Schildern Sie mir kurz einen Tagesablauf beim Training!

A: Am Anfang war ich sehr froh, dass ich so viel Sport mache. Nachdem ich XXXX getroffen habe, hat er gesagt, dass es kein guter Ort ist und dass ich flüchten soll. Außerdem dachten seine Eltern, dass er Tod ist.

F: Schildern Sie mir kurz einen Tagesablauf beim Training!

A: Training hat 1,5 Stunden gedauert. Zuerst 15 Minuten laufen, um die Muskeln aufzuwären.

F: Ich will nur den Tagesablauf!

A: Dann wurden wir in Gruppen aufgeteilt. Ich und ein anderer Bursche haben geboxt. Danach wurde uns gesagt, dass es für heute zu Ende ist. Danach durften wir nach Hause gehen. Das nächste Training wäre 2 Tage später.

F: Das heißt sie hatten 1,5 Stunden Training jeden 2. Tag?

A: Ja.

F: Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?

A: Ich war zu Hause. Ich habe die Wohnung nicht verlassen.

F: Gab es sonstige Ausbildungen?

A: Wir haben geboxt, an anderen Tagen gab es andere Kampfsportarten.

F: Warum hat XXXX nicht das Land verlassen?

A: Ich wurde hergeschickt, damit danach XXXX von dort weg kann.

F: Wieso ist er nicht zuvor geflohen?

A: Wahrscheinlich hatte er diese Möglichkeit nicht.

Mit dem AW werden die Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sein Heimatland betreffend erörtert.

F: Möchten Sie etwas dazu anmerken?

A: Ich konnte mich in Armenien nicht .. Wir haben in Armenien kein Haus, keine Wohnung. Es gibt dort keine Arbeit und kein Geld. Es herrscht Krieg und viele junge Leute sterben dabei. Diese Leute sind zwischen 18 und 19 Jahre alt. Jede Woche sterben circa 5 junge Soldaten.

F: Was befürchten Sie im Falle der Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?

A: Dass ich sterbe.

F: Haben Sie familiäre Beziehungen in Österreich?

A: Meine Oma, sonst niemand.

F: Wie würden Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt finanzieren, wenn Sie hierbleiben könnten?

A: Ich würde meinen Hauptschulabschluss fertig machen. Fußballspielen. Das könnte ich in Armenien nicht machen.

F: Welchen Beruf würden Sie gerne ausüben?

A: Automechaniker.

F: Sind die schulische Ausbildung und die Möglichkeiten im Fußball, vielleicht der Hauptgrund Ihrer Flucht?

A: Ich kann Armenisch weder lesen noch schreiben. Ich bin wegen meiner Probleme hierhergekommen.

F: Frage wird wiederholt?

A: Nein, deswegen bin ich nicht hier.

F: In welchen Vereinen oder Organisationen sind und waren Sie Mitglied in Österreich?

A: Zurzeit bei XXXX in der XXXX . Nächste Woche habe ich ein Probetraining in XXXX .

F: Hatten Sie jemals Probleme mit der Polizei in Österreich?

A: Nein.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?

A: Ja.

F: Welche Probleme hatte Ihre Familie, als sie damals geflohen sind?

A: Ich habe keine Ahnung, ich war damals klein.

F: Wie geht es den Eltern jetzt?

A: Es gibt dort keine Möglichkeit die Schule oder den Kindergarten zu besuchen. Wie soll es denen gehen.

F: Haben Sie die Dolmetscherin einwandfrei verstanden?

A: Ja.

-

Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

"

I.2. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheide der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die bP Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise. Gem. § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

I.3. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus:

" Eingangs wir festgestellt, dass Ihre bisherigen Vorbringen bereits in Rechtskraft erwachsen sind. Es bedarf somit keiner weiteren Beurteilung durch die erkennende Behörde.

Zu Ihrem nunmehrigen Vorbringen:

Sie behaupten, dass Sie bereits 2 Wochen nach Ihrer Ankunft in Armenien eine Aufforderung bekommen haben, dass Sie zur Musterung mussten. Dort wurden Sie angeblich für ein Spezial-Team auserwählt, und sollten in weiterer Folge einem dementsprechenden speziellem Training unterzogen werden. Im Zuge dieses Trainings hätten Sie angeblich den seit 3 Jahren verschollenen Sohn Ihrer Nachbarin wiedererkannt und mit ihm Kontakt aufgenommen. Dieser hätte dann Ihre "Flucht" eingeleitet. Sie geben an, dass Sie Angst hätten aufgrund dessen verfolgt zu werden, dass Sie über XXXX (Sohn der Nachbarin) Bescheid wissen würden. Dieser hat Ihnen aber angeblich dabei geholfen, das Land zu verlassen. Es ist für die Behörde nicht nachvollziehbar, wieso XXXX nicht selbst versucht hätte, ebenfalls das Land zu verlassen, wenn die Situation so schlimm gewesen wäre. Weiters ist es für die Behörde nicht nachvollziehbar, wieso XXXX sich nicht mit seiner Mutter in Kontakt gesetzt hatte, obwohl es ihm offensichtlich nicht schlecht ging.

Ein weiteres Indiz für Ihre persönliche Unglaubwürdigkeit zeigt der Umstand, dass Sie angeben, an einem Spezialtraining für das Militär teilgenommen zu haben. Als Sie über genauere Details und über den Ablauf des Trainings und den dazugehörigen Alltag befragt werden, geben Sie an, dass Sie lediglich alle 2 Tage für circa 2 Stunden verschiedenste Kampfsportarten trainiert haben. In der Zwischenzeit hatten Sie angeblich Freizeit. Dies lässt die erkennende Behörde ebenfalls erkennen, dass es sich dabei definitiv um keine militärische Ausbildung handeln kann.

Man wird in Armenien erst mit 16 Jahren zur Musterung bestellt. Die Wehrpflicht gilt erst ab 18 Jahren. Zur vorgebrachten Behauptung bezüglich des Wehrdienstes wird festgestellt, dass in Armenien auch die Möglichkeit besteht einen Ersatzdienst zu leisten. Daher erscheint Ihr Vorbringen auch unter diesem Aspekt entsprechend entkräftet. Auch wird man in Armenien erst mit 16 Jahren

Im Verfahren nach dem Asylgesetz ist es unabdingbare Voraussetzung für die Bewertung des Vorbringens eines Asylwerbers zu den Fluchtgründen als glaubhaft, dass der Antragsteller nicht bloß eine "leere" Rahmengeschichte im Zuge der Einvernahme vorbringt, ohne diese durch das Vorbringen von Details, Interaktionen, glaubhaften Emotionen etc. zu substantiieren bzw. "mit Leben zu erfüllen". Da in einem Asylverfahren unzweifelhaft die niederschriftliche Aussage eines Antragstellers vor den Asylbehörden die zentrale Erkenntnisquelle für die Entscheidung darstellt, reicht es keinesfalls aus, dass der Asylwerber lediglich nicht zu widerlegende Behauptungen aufstellt, welche – oftmals aufgrund zu geringer "Öffentlichkeitswirksamkeit" oder " Drittwirkung" – einer Verifizierung nicht zugänglich sind. Vielmehr sind die Aussagen des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen und zum Fluchtweg daran zu messen, wie eine durchschnittliche "Maßfigur" über tatsächlich persönlich erlebte Sachverhalte berichten würde. Die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen zeichnet sich jedoch gerade dadurch aus, dass man nicht lediglich objektive Rahmenbedingungen darlegt, sondern entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, oft weit schweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung an auch oft unwesentliche Details oder Nebenumstände berichten. Weiters ist die Darlegung von persönlich erlebten Umständen dadurch gekennzeichnet, dass man beim Vorbringen der eigenen "Lebensgeschichte" vor allem sich selbst in die präsentierte Rahmengeschichte dergestalt einbaut, dass man die eigenen Emotionen bzw. die eigene Erlebniswahrnehmung zu erklären versucht, sich allenfalls selbst beim Erzählen emotionalisiert zeigt, bzw. jedenfalls Handlungsabläufe bzw. die Kommunikation und Interaktion zwischen den handelnden Personen der Geschichte darlegt. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um wichtige Ereignisse im Leben eines Menschen handelt, die oftmals das eigene Schicksal oder einen Lebensweg dergestalt verändern, dass man sich letztendlich dazu veranlasst sieht, sein Heimatland oder das Land des letzten Aufenthaltes deshalb "fluchtartig" zu verlassen.

Sie wurden eingangs der Einvernahme zu ihren Fluchtgründen aufgefordert, alle Gründe anzuführen, weshalb sie das Heimatland verlassen und weshalb sie in Österreich einen Asylantrag gestellt haben.

Allein diese Aufforderung an sie erfordert wohl ein wie bereits oben angeführtes erwartetes Verhalten und Vorbringen.

Im konkreten Fall vermochten sie jedoch diesen Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Erlebnisberichtes nicht zu entsprechen. Vor dem Hintergrund dieser Prämissen ist die von Ihnen vor der Asylbehörde präsentierte "Fluchtgeschichte" tatsächlich als zu "blass", wenig detailreich und zu oberflächlich und daher in Folge als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Da Ihnen wie bereits erörtert im Herkunftsstaat keine Verfolgung droht, Sie über Anknüpfungspunkte verfügen, auch weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf Ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behaupteten oder bescheinigten, geht die Behörde davon aus, dass Ihnen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, weil eine landesweite allgemeine, extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Fall seiner Abschiebung dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde, nicht gegeben ist.

Sie sind ein arbeitsfähiger und junger gesunder Mensch, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Sie werden daher in Ihrem Herkunftsstaat in der Lage sein, sich mit Ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Darüber hinaus kann im gegenständlichen Fall davon ausgegangen werden, dass Ihnen im Fall Ihrer Rückkehr nach Armenien ebenso wie vor dem Verlassen Ihres Heimatstaates eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird, mit der Ihre elementaren Lebensbedürfnisse, insbesondere Nahrung und Wohnraum – wenn auch nicht immer im gleichen Umfang – gesichert sind. Sie selbst haben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht behauptet und auch sonst nicht darauf hingewiesen, dass auf Grund der derzeitigen allgemeinen Versorgungssituation in Armenien oder mangels sonstiger Unterstützung für sie eine Rückkehr nach Armenien nicht möglich oder zumutbar wäre."

I.4. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat traf die bB Feststellungen, denen sich das ho. Gericht anschließt. Deren relevanten Teile werden wie folgt wiedergegeben (Gliederung, Hervorhebungen, etc. nicht mit dem Original übereinstimmend):

Politische Lage

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hat etwas über 3 Millionen Einwohner (2016). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier, 1,2% Jesiden, 0,4% Russen und Angehörige kleinerer Minderheiten wie Assyrer, Kurden oder Griechen (NSS-RA 2013, vgl. CIA 12.1.2017).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat 131 Mitglieder und wird alle fünf Jahre gewählt. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch das Referendum vom 06.12.2015 weitreichend geändert. Die neue Verfassung sieht die Umwandlung des bisherigen semi-präsidialen Regierungssystems in ein parlamentarisches System vor. Das Amt des Staatspräsidenten wird im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben reduziert (AA 3.2017a).

Die Opposition warf dem amtierenden Präsidenten Sarksyan, dessen letzte Amtszeit 2018 ausläuft, vor, das Amt des Regierungschefs anzustreben (Standard 7.12.2015). Laut zentraler Wahlkommission stimmten bei einer Beteiligung von 50,5 Prozent 63,5 Prozent für die Annahme der Verfassungsänderungen. Die Oppositionspartei Armenischer Nationalkongress warf der Regierung Wahlbetrug vor. Hunderte Demonstranten protestierten gegen den Ausgang (RFE/RL 7.12.2015). NGOs, wie das Anti-Korruptions-Zentrum von Transparency International, berichteten von massiven Unregelmäßigkeiten, darunter über 900 Verletzungen der Wahlordnung sowie Fälle von Einschüchterung (Caucasian Knot 9.12.2015, vgl. EN 7.12.2015).

Die regierende Republikanische Partei Armeniens gewann bei den Parlamentswahlen vom 2.4.2017 über 49% und die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Das Mitte-Rechts-Bündnis des russlandfreundlichen Oligarchen Gagik Tsarukyan erreichte 27%. Daneben schaffte das Bündnis Yelq und die nationalistische Armenische Revolutionäre Föderation den Einzug ins Parlament (EN 3.4.2017; vgl. PA 4.4.2017). Insbesondere die künftige Orientierung des Landes vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise zwischen einer EU-Annäherung einerseits und einem starken Bündnis mit Russland infolge des militärischen Konflikts mit Aserbaidschan andererseits, dominierten thematisch den Wahlkampf (RFL/RL 3.4.2017).

Trotz der Einhaltung der Grundfreiheiten und der guten Administrierung der Parlamentswahlen unter Einführung neuer Technologien, wurden die Wahlen durch glaubwürdige Berichte über Stimmenkauf und Druckausübung auf WählerInnen, Beamte sowie Angestellte von Privatunternehmen überschattet (OSCE/ODIHR 3.4.2017).

Quellen:

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AA – Auswärtiges Amt (3.2017a): Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Aussenpolitik_node.html#doc339304bodyText3, Zugriff 4.5.2017

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Caucasian Knot (9.12.2015): TI states gross violations at Armenian referendum, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/33921/, Zugriff 4.5.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): The World Factbook, Armenia;

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 4.5.2017

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Der Standard (7.12.2015): Armenien: Ja zu umstrittener Verfassungsänderung,

http://derstandard.at/2000027073366/Armenier-stimmten-fuer-umstrittene-Verfassungsaenderung, Zugriff 4.5.2017

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EN – Eurasiannet.org (7.12.2015): Armenia: Widespread Reports of Irregularities Mar Constitutional Referendum, http://www.eurasianet.org/node/76461, Zugriff 4.5.2017

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EN – EurasiaNet.org (3.4.2017): Armenia: Voters Opt for More of the Same, http://www.eurasianet.org/node/83066, Zugriff 4.4.2017

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NSS-RA - National Statistical Service of the Republic of Armenia (2013): The Results of 2011 Population Census of the Republic of Armenia, Table 5.1: Population (urban, rural) by Ethnicity, Sex and Age, http://armstat.am/en/?nid=517, http://armstat.am/file/doc/99486253.pdf, Zugriff 5.5.2017

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OSCE/ODIHR – Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (3.4.2017): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017:

Statement of Preliminary Findings and Conclusions, http://www.osce.org/office-for-democratic-institutions-and-human-rights/elections/armenia/309156?download=true, Zugriff 4.4.2017

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PA – PanARMENIAN Network (4.4.2017): Republican Party of Armenia secures 55 parliamentary seats, http://www.panarmenian.net/eng/news/236627/, Zugriff 4.5.2017

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RFL/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (7.12.2015): Protesters Gather in Yerevan, Claim Fraud In Armenian Referendum,http://www.rferl.org/content/armenia-referendum-sarkisian/27410980.html, Zugriff 4.5.2017

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RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (3.4.2017): Ruling Republican Party Wins 'Tainted' Armenian Elections, http://www.rferl.org/a/armenian-vote-parliament-sarkisian-tsarukian/28404992.html, Zugriff 4.5.2017

Sicherheitslage

Kernproblem für die armenische Außenpolitik bleibt der Konflikt um Nagorny Karabach sowie die in diesem Zusammenhang geschlossenen Grenzen zu Aserbaidschan und zur Türkei. Seit dem Krieg (1992-94) um das überwiegend von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach, halten armenische Verbände etwa 17% des aserbaidschanischen Staatsgebiets (Bergkarabach und sieben umliegende Provinzen) besetzt. Im Zuge der bewaffneten Auseinandersetzungen mussten ca. eine Million Menschen ihre angestammte Heimat verlassen, überwiegend Aserbaidschaner, aber auch bis zu 200.000 Armenier. An der Waffenstillstandslinie kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Trotz der seit 1994 laufenden Vermittlungsbemühungen der Ko-Vorsitzstaaten (USA, Russland, Frankreich) der sogenannten Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und regelmäßiger Treffen der Außenminister Armeniens und Aserbaidschans bzw. der beiden Staatspräsidenten ist eine Lösung des Konflikts um Nagorny Karabach weiterhin nicht in Sicht (AA 3.2017a).

Bei heftigen Gefechten vom 2.4 bis 5.4.2016, den schwersten seit 22 Jahren zwischen den Nachbarländern Armenien und Aserbaidschan an der Frontlinie zu Nagorny Karabach, kam es zu Opfern unter den militärischen Einheiten. Laut aserbaidschanischen Angaben starben auch Zivilisten (Standard 3.4.2016, RFL/RL 4.4.2016). Das Verteidigungsministerium der de facto Republik Nagorny Karabach berichtete ebenfalls von zivilen Opfern (CN 2.4.2016). Am 5.4.2016 vereinbarten Aserbaidschan und Nagorny Karabach einen Waffenstillstand. Im Zuge der viertägigen Kampfhandlungen starben mehr als 64 Menschen (Standard 5.4.2016).

Am 25.2.2017 kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen armenischen und Truppen von Nagorny Karabach einerseits und der aserbaidschanischen Armee andererseits, bei denen mindestens fünf aserbaidschanische Armeeangehörige den Tod fanden. Am 1.3.2017 wurde bei einem aserbaidschanischen Artillerieangriff u.a. eine armenische Kaserne zerstört und tagsdrauf griff Armenien aserbaidschanische Stellungen an (EurasiaNet 10.3.2017).

Mitglieder der außerparlamentarischen Oppositionsgruppe "Gründungsparlament" besetzten am 17.7.2016 in Jerewan eine Polizeistation und nahmen zeitweise mehrere Geiseln. Ein Polizist starb dabei (RFE/RL 17.7.2016). Die Geiselnehmer forderten die Freilassung von Schirajr Sefiljan, eines inhaftierten Oppositionsführers, und den Rücktritt des Staatspräsidenten. Kriegsveteran Sefiljan kritisierte vor allem das Verhalten der Regierung im Konflikt um die Region Nagorny Karabach (DW 17.7.2016). In der dar

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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