TE Bvwg Beschluss 2017/12/11 L507 2153972-1

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Veröffentlicht am 11.12.2017
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Entscheidungsdatum

11.12.2017

Norm

AsylG 2005 §9 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L507 2153972-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkhilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2017, Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

I.1 Verfahren bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger arabischer Abstammung und moslemischer (sunnitischer) Religionszugehörigkeit, stellte am 19.12.2014, nachdem er zuvor illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 17.05.2016,

Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß

§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 17.05.2017 erteilt.

3. Die Spruchpunkte II. und III. dieses Bescheides des BFA erwuchsen in Rechtskraft.

Die gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 24.08.2017, Zl. L507 2128227-1/19E, gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.

I.2. Verfahren hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

1. Mit Schreiben des BFA vom 06.03.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass ein Verfahren zur Aberkennung des ihm erteilten Status als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 AsylG eingeleitet worden sei und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt. Eine Stellungnahme langte beim BFA nicht ein.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 31.03.2017, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid des BFA vom 17.05.2016,

Zl. XXXX , zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt und die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß

§ 9 Abs. 4 AsylG entzogen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer nicht im gesamten Staatsgebiet des Iraks eine maßgebliche Gefährdung seiner persönlichen Sicherheit drohe und ihm eine Rückkehr daher zuzumuten sei. Dies ergebe sich einerseits aus den Länderinformationen der Staatendokumentation, andererseits aus der aktuellen Medienberichterstattung sowie der entsprechenden Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Rückkehrentscheidung verletze nicht das Recht auf ein Privat- und Familienleben im Bundesgebiet und würden auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nicht vorliegen.

3. Der bekämpfte Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 03.04.2017 ordnungsgemäß zugestellt. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 13.04.2017 beim BFA eingelangte Beschwerde.

Nach kurzer Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges wurde moniert, dass das BFA im angefochtenen Bescheid eine innerstaatliche Fluchtalternative als gegeben ansehe, diesbezüglich jedoch beinahe dieselben Länderberichte wie im Bescheid vom 17.05.2016 (Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) heranziehe, weshalb ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorliege. Das BFA sei der Ermittlungspflicht auch im Hinblick auf familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte im Irak und in Österreich nicht nachgekommen. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer vom BFA nicht einvernommen worden und würden sich sämtliche Feststellungen in Bezug auf die Aberkennung des subsidiären Schutzes ausschließlich auf den Akteninhalt beziehen. In weiterer Folge wurden auszugweise UNHCR Richtlinien zum internationalen Schutz "Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative" im Zusammenhang mit Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge zitiert und auf Entscheidungen des VwGH und AsylGH sowie auf Länderberichte zu Tikrit und Baqubah verweisen. Dazu wurde angemerkt, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative weder für Tikrit, noch für Baqubah, aber auch nicht für Bagdad angenommen werden könne. Hinsichtlich der vom BFA aufgezeigten kurzzeitigen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak im Jänner 2017 wurde bemängelt, dass seitens des BFA nicht nach dem Grund für die Rückkehr gefragt worden sei. Der Mutter des Beschwerdeführers sei in der Türkei eine Herzoperation bevorgestanden. Da dem Beschwerdeführer eine Einreise in die Türkei mit dem Fremdenpass verweigert worden sei und sein irakischer Reisepass abgelaufen gewesen sei, habe er in der Ausstellung eines neuen irakischen Reisepasses die einzige Möglichkeit gesehen, seiner Mutter in der Türkei beizustehen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, sunnitischen Glaubens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Er stammt aus XXXX , wo er bis zur Matura die Schule besuchte und von 2006 bis April 2013 Geographie studierte. Anschließend verfasste er bis zum Jahr 2014 seine Diplomarbeit in Bagdad. Nach dem Abschluss seines Studiums war der Beschwerdeführe in einem Restaurant angestellt.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern des Beschwerdeführers sowie zwei seiner Brüder leben in XXXX . Ein Bruder des Beschwerdeführers wohnt in XXXX . Auch die Schwester des Beschwerdeführers lebt nach wie vor im Irak und hat der Beschwerdeführer ein bis zweimal im Monat Kontakt zu seiner Familie im Irak.

Am 30.12.2016 fuhr der Beschwerdeführer mit einem Bus von Wien nach Prag und flog von dort am 31.12.2016 nach Teheran. Von Teheran aus reiste der Beschwerdeführer nach ca. fünf Tagen mit seinem (alten) irakischen Reisepass in den Irak, um dort einen neuen irakischen Reisepass zu beantragen. Am 21.01.2017 reiste der Beschwerdeführer nach Istanbul, um dort seine Mutter, welche zu diesem Zeitpunkt in der Türkei lebte, zu besuchen und trat am 02.02.2017 seine Rückreise nach München an.

Am XXXX 2017 wurde dem Beschwerdeführer in Bagdad ein irakischer Reisepass ausgestellt, der bis zum XXXX 2025 gültig ist.

Der Beschwerdeführer ist seit 09.08.2017 als "Schleifer" berufstätig und hat im Sommer2017 den Kurs "Deutsch und Berufsorientierung" im Ausmaß von 20 Wochenstunden besucht.

Mit Bescheid des BFA vom 17.05.2016, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz erteilt.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und dem hg. Akt zur Zahl L507 2128227-1;

* Einsicht in folgende Urkunden:

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XXXX

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XXXX

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XXXX

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XXXX

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XXXX

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XXXX

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XXXX

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XXXX

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XXXX

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XXXX

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XXXX

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit und der Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akteninhalt und den vorgelegten Personenstandsurkunden.

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung am 11.05.2017 (L507 2128227-1), sowie auf den vorgelegten Studentenausweis.

Dass der Beschwerdeführer im Jänner 2017 für ca. sechzehn Tage im Irak aufhälig war sowie seine Reisebewegungen bis in den Irak und zurück nach München ergeben sich aus den vorgelegten Bus- sowie Flugtickets, dem Bericht der Europol sowie der BPD München, dem Elecktronic Visa der Türkei und dem Fremdenpass.

Die Teilnahme an dem Kurs "Deutsch und Berufsorientierung" geht aus der Bestätigung des XXXX vom 07.05.2017 hervor.

Die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers seit 09.08.2017 ist dem Arbeitsvertrag der Firma XXXX vom 08.08.2017 zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Obwohl gemäß § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gemäß § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen somit nicht gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm 11, S 153). § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

Unter anderem hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, (ebenso VwGH, 27.01.2015, Ro 2014/22/0087) mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es liegen die Voraussetzungen von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst dann vor, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht, insbesondere weil

1. die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,

2. die Behörde zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat

3. konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese im Sinn einer "Delegierung" dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden oder

4. ähnlich schwerwiegende Ermittlungsmängel zu erkennen sind und

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht - hier: das Bundesverwaltungsgericht - selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Behebung des bekämpften Bescheides:

Im vorliegenden Fall hat das BFA dem Beschwerdeführer mit seinem Bescheid vom 17.05.2016, Zl. XXXX , den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak zuerkannt. Dieser Teil des erstinstanzlichen Bescheides wurde nicht angefochten und erwuchs daher in (Teil-) Rechtskraft. Mit dieser Entscheidung wurde somit bindend festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des BFA die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) in Bezug auf den gesamten Herkunftsstaat des Beschwerdeführers gegeben waren.

Die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz und damit die Bejahung der Voraussetzungen zur Zuerkennung dieses Schutzstatus durch das BFA sind vom BFA auch im gegenständlichen Fall betreffend die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen zu beachten. Eine Durchbrechung dieser Rechtskraftwirkung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich nach Erlassung der Entscheidung des BFA (Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert hätten, also eine neue Sache vorgelegen wäre, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gelten würde.

Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist aber der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden ("nova reperta").

Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört.

Die rechtskräftige Zuerkennung von subsidiärem Schutz an den Beschwerdeführer war daher bei der Beurteilung der Frage, ob ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten – im gegenständlichen Fall aufgrund einer Änderung der allgemeinen Lage im Irak – abzuerkennen ist, jedenfalls solange zu beachten, als – bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BFA – keine wesentliche Änderung des Sachverhalts vorgelegen ist.

Im gegenständlichen Fall jedoch stützte das BFA die Entscheidung der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf die selben, wortgleichen und auch zeitlich übereinstimmenden Feststellungen, auf die sich das BFA im Bescheid vom 17.05.2016 im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an dem Beschwerdeführer stützte.

Vor diesem Hintergrund vermögen die beweiswürdigenden Überlegungen des BFA im angefochtenen Bescheid die Annahme einer Änderung der allgemeinen Lage im Irak nicht zu rechtfertigen. Das BFA schätzte zwar die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten anders ein als das BFA zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer, stützte sich dabei aber auf Beweismittel (insbesondere Länderberichte bzw. Länderfeststellungen), die im maßgeblichen Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung des BFA über den subsidiären Schutz bereits vorgelegen waren und daher nach dem bisher gesagten keine (wesentliche) Änderung des Sachverhalts bezogen auf diesen Zeitpunkt bedeuten.

Ferner ist dem BFA im Hinblick auf die ausgesprochene Rückkehrentscheidung vorzuwerfen, dass keine ausreichenden Ermittlungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angestellt wurden. Das BFA stellte lediglich fest, dass es nicht feststellbar sei, ob der Beschwerdeführer Verwandte im Irak habe, ob er in die österreichische Gesellschaft integriert sei und ob er familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte in Österreich habe.

Das BFA wird sich daher im neuerlichen Ermittlungsverfahren auch mit dem Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers hinreichend auseinanderzusetzen haben. Erst vor diesem Hintergrund kann eine begründete Rückkehrentscheidung erstellt werden. In Ansehung des § 37 AVG iVm § 39 AVG sind sohin verfahrenserhebliche Mängel evident. Aus diesen Normen geht die Verpflichtung der belangten Behörde hervor, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Dieser Verpflichtung ist das BFA in diesem Verfahren nicht nachgekommen. Angesichts dessen sind dem BFA auch dahingehend gravierende Ermittlungsmängel anzulasten, wobei in diesem Zusammenhang auch darauf zu verweisen ist, dass der Beschwerdeführer vom BFA nicht einvernommen wurde, sondern die Beweisaufnahme ausschließlich im schriftlichen Wege durch Beantwortung eines Fragebogens (AS 25 und 26), welcher vom Beschwerdeführer nicht beantwortet wurde, erfolgte.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sohin den Beschwerdeführer auch im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme zu seinem Privat- und Familienleben umfänglich zu befragen haben.

In der Gesamtschau ist der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides im Vergleich zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aspekt der Raschheit und der Kostenersparnis der Vorzug zu geben. Das behördliche Verfahren erweist sich aus den dargelegten Gründen insgesamt als so mangelhaft, dass von dem in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumten Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung Gebrauch zu machen war (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies Folgendes:

Wie oben dargelegt, ergibt sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bereits aus der Aktenlage, zumal das BFA die aktuelle Situation im Falle der Rückkehr in den Irak zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides nicht festgestellt hat, weshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides rechtlich klar erscheint.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Vor allem aber war die Entscheidungsfindung im gegenständlichen Fall nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, sondern von der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der beschwerdeführenden Partei.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten,
Begründungspflicht, Bescheinigungsmittel, Ermittlungspflicht,
fehlende Länderfeststellungen, geänderte Verhältnisse, Kassation,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:L507.2153972.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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