TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/12 G305 2148174-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2017
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Entscheidungsdatum

12.12.2017

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G305 2148174-1/5E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 12.12.2017 MÜNDLICH VERKÜNDETEN

ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Manuela WILD, sowie den fachkundigen Laienrichter Rudolf KRAVANJA, als Beisitzer, über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministerium Service, Landesstelle XXXX, vom XXXX,OB: XXXX, betreffend die Abweisung ihres Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit ihrem beim beim Sozialministerium Service, Landesstelle XXXX (in der Folge: belangte Behörde) am XXXX eingelangten Antrag begehrte XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin oder kurz: BF) die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 (Parkausweis) und auf die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung".

Ihrem Antrag schloss sie mehrere medizinische Unterlagen an.

2. Im Auftrag der belangten Behörde erstellte die ärztliche Sachverständige und Ärztin für Allgemeinmedizin, Dr. XXXX PXXXX, auf Grund einer in ihrer Ordination durchgeführten Untersuchung der BF ein medizinisches Sachverständigengutachten, worin sie auf die Auswirkungen der festgestellten Funktionseinschränkungen einging. Demnach sei der BF die Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke möglich, das Ein- und Aussteigen gelinge, das Anhalten sei zumutbar, der Knie-Hackenversuch gelinge im Stehen, der Einbeinstand sei ebenso wie der sichere Transport im Fahrzeug möglich.

3. Mit Bescheid vom XXXX, OB: XXXX, wies die belangte Behörde den auf die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gerichteten Antrag der BF mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nach dem im Ermittlungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten nicht vorliegen würden.

4. Gegen diesen ihr am XXXX zugestellten Bescheid erhob sie vor einer Mitarbeiterin der belangten Behörde am XXXX eine niederschriftlich dokumentierte Beschwerde, in der sie im Wesentlichen kurz zusammengefasst ausführte, dass die Röntgenuntersuchung und der Röntgenbefund vom XXXX aussagekräftig genug seien und ausreichen müssten. Die Bushaltestelle sei weiter als 300 Meter von ihrer Wohnung entfernt. Auch sei im Gutachten falsch wiedergegeben worden, dass sie zum Amt gefahren wäre. Richtig sei vielmehr, dass sie von ihrem Sohn zum Amt gefahren worden sei und dass sie anstelle eines Wanderstocks einen Gehstock mit sich geführt habe.

5. Am XXXX legte die belangte Behörde die gegen den oberwähnten Bescheid gerichtete Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundes-verwaltungsgericht vor. Hier wurde die Beschwerdesache der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

6. 12.12.2017 wurde vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Beschwerdeführerin, und in Anwesenheit eines gerichtlich beeideten ärztlichen Sachverständigen eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist österreichischer Staatsangehörige und 75 Jahre alt.

Sie ist Pensionistin und Inhaberin eines Behindertenpasses mit der Passnummer: XXXX.

Sie bewohnt eine Mietwohnung im 7. Stock einer Wohnanlage. Die Wohnung erreicht sie über den Lift. Um zum Lift im Hochparterre des Gebäudes zu gelangen, muss sie insgesamt sieben Stufen beim Eingang überwinden. Neben ihrem Gehstock benützt die BF auch Wanderstöcke, die sie benützt, wenn sie ihre täglichen, ca. halbstündlichen Gehrunden zurücklegt. Sie ist auch in der Lage, in die Straßenbahngarnitur einzusteigen und sich einen Sitzplatz zu suchen.

Aus medizinischer Sicht bestehen bei ihr relevante Funktionseinschränkungen. Die von der BF beschriebenen Schmerzen beim Gehen sind nachvollziehbar, doch ist sie in der Lage, die beim Einsteigen in ein bzw. beim Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel üblichen Niveauunterschiede zu bewältigen. Es ist auch der sichere Transport im öffentlichen Verkehrsmittel medizinisch möglich.

Damit fehlt es im Hinblick auf die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass an den dafür notwendigen medizinischen Voraussetzungen.

2. Beweiswürdigung:

Das Bundesverwaltungsgericht geht vom oben dargelegten unstrittigen Sachverhalt, der sich unmittelbar aus der Aktenlage ergibt, aus.

Beweis wurde erhoben durch die im Verfahren vor der belangten Behörde und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht von der Beschwerdeführerin vorgelegten ärztlichen Befunde und Arztberichte, weiters durch das von der belangten Behörde eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten und die fachärztliche Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin, XXXX Dr. XXXX PXXXX, in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung erstattete allgemeinmedizinische Stellungnahme des ärztlichen Sachverständigen Dr. XXXX PXXXX, der im Wesentlichen damit beauftragt war, unter Berücksichtigung des Vorliegens des medizinischen SV-Gutachtens der DrXXXX. XXXX PXXXX zu beurteilen, ob die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung vorliegen, erweist sich als vollständig, da er neben der vorliegenden fachärztlichen Expertise auch die Angaben der BF entsprechend gewürdigt hat.

Die gezogenen Schlussfolgerungen betreffend das Nichtvorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" erweisen sich darüber hinaus als nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei und konnten diese der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden. Die BF ist den Ausführungen des vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen ärztlichen Sachverständigen nicht entgegengetreten und hat sie auch nicht versucht, diese auf derselben fachlichen Ebene in Zweifel zu ziehen, weshalb die oben getroffenen Feststellungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen waren.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A):

3.1.1. Zuständigkeit und anwendbares Recht

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idF. BGBl. I Nr. 66/2014, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung durch den Senat.

Gegenständlich liegt Senatszuständigkeit vor.

Die Senatszusammensetzung ergibt sich aus § 45 Abs. 4 BBG. Demnach hat bei Senatsentscheidungen gemäß Abs. 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben die für die jeweiligen Agenden erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg. cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5, sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 leg. cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht, oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.1.2. Für das vorliegende Beschwerdeverfahren sind folgende Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. BGBl. Nr. 283/1990 idF. BGBl. I Nr. 66/2014 maßgeblich:

"§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

[...]"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(5) Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

(6) Reisekosten, die einem behinderten Menschen dadurch erwachsen, dass er im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses einer Ladung des Sozialministeriumservice Folge leistet, sind in dem im § 49 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 angeführten Umfang zu ersetzen. Der Ersatz der Reisekosten entfällt, wenn die Fahrstrecke (Straßenkilometer) zwischen dem Wohnort und dem Ort der Untersuchung 50 km (einfache Strecke) nicht übersteigt."

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist im Behindertenpass gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundeministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen, idF. BGBl. II Nr. 495/2013, jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar ist, wenn das 36. Lebensjahr vollendet ist und

• erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

• erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

• erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

• eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

• eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit, Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Ausgehend von den bisherigen, durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbständige Fortbewegung im öffentlichen Raum, sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten - sie entspricht einer Entfernung von rund 200 bis 300 m - anzunehmen.

Gegenständlich hat die BF ihr Begehren auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" und auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO im Wesentlichen die starke Einschränkung ihrer Mobilität gestützt.

3.1.3. Zur Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel"

Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, die am 23.12.2013 kundgemacht wurde und gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. am 01.01.2014 in Kraft getreten ist, enthält nähere Regelungen über die Zusatzeintragungen in den Behindertenpass:

§ 1 Abs. 2 Z 3 der zitierten Verordnung lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1 [...]

(2) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

[...]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwer anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(3) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Voraussetzungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(4) Die im Abs. 2 angeführten Eintragungen sind mittels Stempelaufdruckes oder in einer anderen technisch geeigneten Weise im Behindertenpass vorzunehmen."

Nach der noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. Nr. 86/1991, ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Behörde zur Beurteilung der Frage, ob die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" vorgenommen werden kann, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt.

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden.

Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (siehe dazu VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; vom 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078; vom 01.06.2005, Zl. 2003/10/0108; vom 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; vom 17.11.2009, Zl. 2006/11/0178; vom 23.02.2011, Zl. 2007/11/0142; vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128; vom 17.06.2013, Zl. 2010/11/0021).

Ein solches Sachverständigengutachten hat sich mit der Frage zu befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (siehe dazu VwGH vom 20.03.2001, Zl. 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der dabei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (siehe dazu VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; vom 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnortes des BF vom nächstgelegenen Bahnhof (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; vom 27.05.2014, Zl. Ro 2014/11/0013).

Die angeführte, zur Rechtslage vor Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013 ergangene Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zusatzeintragung nach § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, unverändert von Bedeutung, dies schon deshalb, da die zitierte Verordnungsbestimmung jene rechtlich relevanten Gesichtspunkte der Benützung eines Verkehrsmittels, auf die bisherige Rechtsprechung abstellt (Zugangsmöglichkeit, Möglichkeit des Ein- und Aussteigens, Stehen, Sitzplatzsuche etc.) nicht modifiziert oder beseitigt hat, sondern weiterhin auf den Begriff der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel abstellt und ergänzend regelt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen "insbesondere" als solche in Betracht kommen, die die Unzumutbarkeit nach sich ziehen können.

Der dem Beschwerdeverfahren beigezogene ärztliche Sachverständige und Arzt für Allgemeinmedizin, Dr. XXXX PXXXX, zog in seinem ärztlichen Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung der Angaben der BF und des vorliegenden Sachverständigengutachtens Dra. PXXXX die Schlussfolgerung, dass bei der Beschwerdeführerin die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht gegeben sind. Das Beschwerdevorbringen der BF, dass die nächste Bushaltestelle mehr als 300 m entfernt sei, vermag ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal es nicht darauf ankommt, wie weit die Wohnung des Antragstellers von der nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels entfernt ist.

Aus den angeführten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wie schon ausgeführt, sind ausgehend von den bisherigen, durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" Funktionseinschränkungen relevant, die die selbständige Fortbewegung im öffentlichen Raum, sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

In Anbetracht der vom ärztlichen Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen ist bei der BF von keiner erheblichen funktionellen Einschränkung auszugehen, die das selbständige Fortbewegen im öffentlichen Raum, sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unmöglich machen würde.

3.2. Da im gegenständlichen Fall die medizinischen Voraussetzungen für die erwähnte Zusatzeintragung in den Behindertenpass nicht vorliegen, war im gegenständlichen Fall über den Antrag des BF meritorisch abzusprechen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung nicht primär von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Im gegenständlichen Fall ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen maßgebend.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt, oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, wie eine Gesamtbeurteilung zweier oder mehrerer Leidenszustände (auch bei Schmerzuständen in verschiedenen Körperregionen) zu erfolgen hat, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer Vielzahl von Erkenntnissen (vgl. VwGH vom 19.11.1997, Zl. 95/09/0233; VwGH vom 14.03.2001, Zl. 95/08/0103; VwGH vom 23.01.2001, Zl. 2000/11/0191; VwGH vom 24.09.2003, Zl. 2003/11/0032; VwGH vom 26.09.2013, Zl. 2011/11/0176) einheitlich beantwortet. Beim Vollzug des Sachverständigenbeweises hat sich das erkennende Bundesverwaltungsgericht an die bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs angelehnt.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:G305.2148174.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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