Entscheidungsdatum
13.12.2017Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I412 2177665-1/4Z
I412 2177663-1/4Z
I412 2177668-1/4Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER, als Einzelrichter über die Beschwerde von
1. XXXX (Erstbeschwerdeführer), geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2017, Zl. XXXX
2. XXXX (Zweitbeschwerdeführerin), geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2017, Zl. XXXX;
3. XXXX (Drittbeschwerdeführer), geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2017, Zl. XXXX;
jeweils vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, beschlossen:
A)
Den Beschwerden gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 06.10.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit wirtschaftlichen Motiven begründete. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärte mit Bescheid vom 24.11.2009, Zl. XXXX, Griechenland für die Prüfung seines Asylantrages zuständig und erachtete die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Griechenland für zulässig. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 22.02.2010, Zl. S22 410.909-1/2010-6E, als unbegründet ab.
2. Der Erstbeschwerdeführer reiste aus Ungarn kommend erneut illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 29.06.2013 erstmalig einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er aus, dass er in Griechenland auf der Straße habe leben müssen. Dort habe sich seine Situation zusehends verschlechtert und sei er zudem des Öfteren rassistischer Gewalt ausgesetzt gewesen und dabei auch verletzt worden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärte mit Bescheid vom 22.07.2013, Zl. XXXX, Ungarn für die Prüfung seines Asylantrages zuständig und sprach die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn aus. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 14.08.2013, Zl. S21 410.909-2/2013/4E, ebenfalls als unbegründet ab. Die Behandlung einer dagegen erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof lehnte dieser mit Beschluss vom 12.03.2014, U 2228/2013-17 ab. Zugleich wies der Verfassungsgerichtshof den Antrag des Beschwerdeführers auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zurück.
3. Am 13.10.2015 stellte die Zweitbeschwerdeführerin ihren gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte sie aus, dass sie ihren Herkunftsstaat gar nicht verlassen habe wollen. Sie sei aber unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von einer nigerianischen "Madam" nach Griechenland gebracht worden, wo sie für diese in einem Bordell habe gratis arbeiten müssen. Nachdem sie dort nicht verdient habe, habe die Zweitbeschwerdeführerin entschlossen nach Österreich zu gehen, um hier als Prostituierte zu arbeiten. Im Fall einer Rückkehr befürchte die Zweitbeschwerdeführerin Probleme mit ihrer Familie.
4. Am 23.10.2015 stellte der Erstbeschwerdeführer den gegenständlichen zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz, den er mit einer Bandenverfolgung in seinem Herkunftsstaat begründete. Eine kriminelle Gruppierung, die sich auch als "Kult" bezeichne, habe ihn zum Anschluss an die Bande aufgefordert. Jedes Mal, wenn ihn die Mitglieder der Gruppierung angetroffen hätten, sei er von diesen angegriffen worden und habe er dabei auch eine Verletzung am Bauch davongetragen. Aus diesem habe er seinen Herkunftsstaat verlassen.
5. Mit Schriftsatz vom 01.07.2016 stellte die Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin für den minderjährigen Drittbeschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz.
6. Die belangte Behörde vernahm den Erstbeschwerdeführer am 22.11.2016 niederschriftlich ein. Er bestätigte die Richtigkeit seines bisherigen Vorbringens und brachte neuerlich befragt nach seinen Fluchtmotiven ergänzend im Wesentlichen vor, dass er sich dieser kriminellen Gruppierung namens "Bad Gang" angeschlossen habe. Nachdem er jedoch deren Intentionen durchschaut habe, habe er sich von ihnen losgesagt und sei daraufhin von ihnen mit dem Umbringen bedroht worden, woraufhin er aus seinem Herkunftsstaat ausgereist sei. Ebenfalls wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass seine nigerianische Lebensgefährtin, welche er 2011 in Griechenland kennengelernt habe, nunmehr ebenfalls in Österreich aufhältig sei.
7. Am 22.11.2016 vernahm die belangte Behörde die Zweitbeschwerdeführerin ein, welche ebenfalls die Richtigkeit ihrer bisherigen Angaben bestätigte. Neuerlich befragt nach ihren Fluchtmotiven gab die Zweitbeschwerdeführerin ergänzend im Wesentlichen an, dass ihr in Nigeria eine Frau angeboten habe, dass sie als Friseurin in deren Friseursaloon in Griechenland arbeiten könne. Dort angekommen, habe sich die tatsächliche Situation ganz anders dargestellt und habe ihr die Frau gesagt, dass sich ihr das Geld durch Prostitution zurückzahlen solle. Die Zweitbeschwerdeführerin habe sich jedoch geweigert, der Prostitution nachzugehen, woraufhin sich die Frau an ihre Familie gewandt, von ihnen das Geld verlangt und die Beschwerdeführerin zudem mit einem Voodoo-Flucht belegt habe.
8. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 24.10.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde gewährte den Beschwerdeführern keine Frist für ihre freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) und erkannte den Beschwerden gegen ihre Entscheidungen die aufschiebenden Wirkungen ab (Spruchpunkt V.).
9. Mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung vom 20.11.2017 erhoben die Beschwerdeführer gegen die Bescheide Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete dies mit einer mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit und der Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie aufgrund einer unschlüssigen Beweiswürdigung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehöriger Nigerias. Die Identität der Beschwerdeführer steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin führen eine Lebensgemeinschaft und resultiert aus dieser der minderjährige Drittbeschwerdeführer.
Die Beschwerdeführer stellten am 23.10.2015, am 13.10.2015 sowie am 01.07.2016 in Österreich die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer behauptet eine Verfolgung durch eine kriminelle Gruppierung. Die Zweitbeschwerdeführerin reklamiert für sich und als gesetzliche Vertreterin für den minderjährigen Drittbeschwerdeführer eine auf Menschenhandel basierende Verfolgung.
2. Beweiswürdigung:
Der umseits unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung
Den Beschwerden gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde normiert § 18 Abs. 5 BFA – VG:
"Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt."
Die zur Verfügung stehende Aktenlage ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ausreichend, um dies zu beurteilen. Das Bundesamt für Fremdenwesen hat insbesondere im Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin vom 24.10.2017, Zl. XXXX, das Fluchtvorbringen der Zweitbeschwerdeführerin vollkommen ignoriert und unberücksichtigt gelassen. Auf das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin, wonach diese in Nigeria bzw. in Griechenland dem Menschenhandel ausgesetzt gewesen sei, ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schlichtweg nicht eingegangen. Um eine Beurteilung des Fluchtvorbringen der Zweitbeschwerdeführerin und insbesondere auch eine abschließende Beurteilung des Familienlebens in Österreich zu ermöglichen und eine eventuelle Verletzung des Art. 8 EMRK im Falle einer Rückkehr auszuschließen, erscheint eine mündliche Verhandlung und einer Einvernahme des Erstbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin, unumgänglich.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:I412.2177663.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.12.2017