Entscheidungsdatum
13.12.2017Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I404 2166958-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Vorsitzende und den Richter Mag. Gerhard AUER und den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol vom 30.06.2017, Zl. 67346964400033, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung
"Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar"
gegeben sind.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Mit Schreiben vom 15.05.2017 beantragte XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (im Folgenden: belangte Behörde), die Ausstellung eines Behindertenpasses und die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar". Als Gesundheitsschädigung wurde die "MS-Erkrankung" angeführt.
2. Von der belangten Behörde wurde ein Aktengutachten einer Ärztin für Chirurgie (Dr. Tonja S) eingeholt. In ihrem Gutachten vom 10.06.2017 stellte Dr. Tonja S folgende Funktionseinschränkung fest:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden
Pos. Nr
GdB %
1
Demyelinisierende Erkrankungen, Demyelinisierende Erkrankung mit Funktionseinschränkung mittleren Grades Unterer Rahmensatz bei schubhafte remittierendem Verlauf einer Multiplen Sklerose ED 07/2015 mit vermehrten Schubereignissen im Sinne von Sensibilitätsstörungen, klinisch Einschränkungen des Gleichgewichtssinns, laufende Therapie mit Tysabri
04.08.02
50
2
Endokrine Störung, Endokrine Störungen leichten Grades Eine Stufe über unterem Rahmensatz bei Z. n. Totalentfernung der Schilddrüse, laufende Substitutionstherapie mit Euthyrox, miterfasst lautbeiliegendem Arztbrief wiederholt niedrige Calziumspiegel, Kontrolle durch Schilddrüsenambulanz
09.01.01
20
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte die Sachverständige aus, dass sich aus den vorgelegten Arztbriefen im Bereich der oberen wie der unteren Extremitäten kein maßgebliches Kraftdefizit zeige. Es können daher davon ausgegangen werden, dass eine kurze Wegstrecke zurücklegbar sei. Das Ein- und Aussteigen sowie ein sicherer Transport im öffentlichen Verkehrsmittel seien gewährleistet.
3. Am 26.06.2017 wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem GdB von 50% ausgestellt.
4. Mit Bescheid vom 30.06.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ab. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vor. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig eine Beschwerde. Begründend führte sie aus, dass sie bitte, ihr die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" zu gewähren. Sie lege auch im Anhang ein zusätzliches Attest ihres Neurologen und ihrer Physiotherapeutin vor.
6. Mit Schreiben vom 08.08.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
7. In der Folge erstellte Dr. Heinrich S, Facharzt für Neurologie, im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes ein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten vom 09.10.2017, in welchem er wie folgt ausführte:
"1. Kann die Beschwerdeführerin eine kurze Wegstrecke (ca 300-400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe (allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe) ohne Unterbrechung zurücklegen:
mit hoher Sicherheit NEIN, die deutliche Stand- und Gangataxie würde gravierende Behelfe wie z.B. einen Rollator oder einen Dreibeinstock bedingen
2. Erschwert die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels in hohem Maß? JA, sowohl Rollator als auch Dreibeinstock sind in öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zu handhaben
3. Wirkt sich die dauernde Gesundheitsschädigung/die dauernden Gesundheitsschädigungen auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens (zu überwindende Niveauunterschiede) und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel (u.a. beim Stehen oder bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt) unter Berücksichtigung der beim Üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegeben Bedingungen aus? JA, sowohl die Erkrankung mit der Stand/Gangataxie und der leichten Lähmung des R Beines machen z.B. beim Anfahren oder auch beim Ein-Aussteigen das Risiko eines Sturzes beträchtlich höher
4. Bestehen bei der Beschwerdeführerin erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw Funktionen? JA, es bestehen leichte Einschränkungen der unteren Extremitäten und deutliche neurologische Einschränkungen im Sinne einer Gleichgewichtsstörung"
8. Mit Schreiben vom 16.10.2017 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht das Gutachten der Beschwerdeführerin sowie der belangten Behörde und räumte beiden Parteien die Möglichkeit zur Stellungnahem ein. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass bekanntzugeben sei, wenn die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt werde.
9. Mit Schreiben vom 18.10.2017 führte die belangte Behörde aus, dass das Gutachten von Dr. Heinrich S vollständig und schlüssig sei. Die belangte Behörde schließe sich vollinhaltlich dem Gutachten an und verzichte auf eine weitere Stellungnahme sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Die Beschwerdeführerin machte von der ihr eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Die Beschwerdeführerin ist am 07.06.1993 geboren und hat ihren Wohnsitz in Österreich. Der Beschwerdeführerin wurde zuletzt am 26.06.2017 ein Behindertenpass ausgestellt. Der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin wurde mit 50 % festgesetzt.
1.2. Die Beschwerdeführerin leidet an Multipler Sklerose. Es besteht eine Gang- und Standataxie und eine leichte Lähmung des rechten Beins. Zusätzlich bestehen neurologische Einschränkungen im Sinne einer Gleichgewichtsstörung.
Sie ist nicht in der Lage aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe und ohne Unterbrechung eine kurze Wegstrecke (300 – 400 m) zurückzulegen. Die deutliche Gang- und Standataxie würde gravierende Behelfe wie einen Rollator oder einen Dreibeinstock bedingen. Diese Behelfe wären jedoch in öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer zu handhaben und würden daher die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittel in hohem Ausmaß erschweren. Zusätzlich erhöhen die Gang- und Standataxie und die leichte Lähmung des rechten Beins zB beim Anfahren oder auch beim Ein- und Aussteigen das Risiko eines Sturzes beträchtlich.
2. Beweiswürdigung
2.1. Die Feststellungen zu Wohnort und Alter der Beschwerdeführerin sowie zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.
2.2. Die Feststelllungen bezüglich des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin und den Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. Heinrich S vom 09.10.2017.
Ein (ärztliches) Gutachten ist auf seine Vollständigkeit (also, ob es Befund und Gutachten im engeren Sinn enthält) und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten sind nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen.
Im vorliegenden Verfahren wird das erstellte Gutachten des Facharztes für Neurologie als vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen beurteilt. Der ärztliche Sachverständige stellte nachvollziehbar fest, welche Gesundheitseinschränkungen bei der Beschwerdeführerin vorliegen und wie sich diese auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel auswirken und ob die Beschwerdeführerin eine kurze Wegstrecke ohne Pause und ohne fremde Hilfe zurücklegen kann.
Den im ärztlichen Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen, ist die belangte Behörde nicht entgegen getreten. Vielmehr hat sie ausdrücklich festgehalten, dass das Gutachten vollständig und schlüssig sei. Es finden sich keine Anhaltspunkte zur Annahme, dass das Gutachten mit den Erfahrungen des Lebens oder den Denkgesetzen in Widerspruch steht. Die im Gutachten dargelegten Feststellungen sind daher in freier Beweiswürdigung dem Sachverhalt zugrunde zu legen.
2.3. Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" sind die Art und das Ausmaß der bei dem Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. M F eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Dem Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht entgegengetreten. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
§ 7 Abs. 1 BVwGG lautet wie folgt:
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.
§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2. Zu Spruchpunkt A) –Stattgebung der Beschwerde
3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lautet wie folgt:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
§ 1 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2016/263, lautet wie folgt:
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
3.2.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).
3.2.3. Der Gutachter Dr. Heinrich S stellte fest, dass die Beschwerdeführerin eine kurze Wegstrecke allenfalls nur unter Verwendung eines Rollators oder Dreibeinstocks zurücklegen könnte, was aber die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel in hohem Maße erschweren würde. Zusätzlich war festzustellen, dass die Gang- und Standataxie sowie die leichte Lähmung des rechten Beines das Risiko eines Sturzes zB beim Anfahren oder auch beim Ein- und Aussteigen beträchtlich erhöht.
Dies hat jedenfalls die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zur Folge.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass liegen gegenständlich somit vor.
Der Beschwerde war daher Folge zu geben.
3.3. Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision
§ 25a Abs. 1 VwGG lautet wie folgt:
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eindeutige Rechtsvorschriften stützen. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:I404.2166958.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.12.2017