RS Vfgh 2017/11/30 WV1/2017

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Veröffentlicht am 30.11.2017
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Index

22 ZIVILPROZESS, AUSSERSTREITIGES VERFAHREN
22/04 Sonstiges

Norm

B-VG Art49a
B-VG Art139 Abs1 Z4
B-VG Art139a
B-VG-Nov BGBl 350/1981 ArtII Abs2
WiederverlautbarungsG §1, §2 Z6
TodeserklärungsG 1950
VfGG §61b

Leitsatz

Abweisung eines Antrags auf Aufhebung einer Kundmachung der Bundesregierung über die Wiederverlautbarung von Rechtsvorschriften über Verschollenheit und das Verfahren zum Zwecke der Todeserklärung und der Beweisführung des Todes; keine Überschreitung der der Bundesregierung nach dem WiederverlautbarungsG zugekommenen Ermächtigung des Einbaus von Änderungen oder Ergänzungen abseits des Stammgesetzes; keine Gesetzwidrigkeit wegen Nichtberücksichtigung einer - in Österreich nie in Kraft getretenen - Bestimmung über das Verfahren bei Feststellung der Todeszeit

Rechtssatz

Zulässigkeit des Parteiantrags auf Aufhebung der Kundmachung der Bundesregierung vom 05.12.1950 über die Wiederverlautbarung der Rechtsvorschriften über Verschollenheit und das Verfahren zum Zwecke der Todeserklärung und der Beweisführung des Todes, BGBl 23/1951 (TodeserklärungsG 1950 - TEG 1950).

Das Erstgericht hat die angefochtene Kundmachung angewendet. Es hat den Inhalt des §1 TEG 1950 wiedergegeben, um festzustellen, ob das TodeserklärungsG 1950 anwendbar ist. Zudem hat es im Lichte des §21 TEG 1950 (wenigstens implizit) geprüft, ob die Voraussetzungen für die Erwirkung eines Ausspruchs nach dieser Bestimmung über den Beweis des Todes gegeben sind. Die angefochtenen Bestimmungen sind somit präjudiziell.

Der Antrag, die gesamte Kundmachung aufzuheben, ist nicht zu weit gefasst. Vor dem Hintergrund des Antragsvorbringens, wonach eine bestimmte Vorschrift (§39 VerschollenheitsG 1939), die behauptetermaßen vor der Wiederverlautbarung in Geltung gestanden sei, in rechtswidriger Weise nicht in die Kundmachung aufgenommen worden sei, ist es zulässig, die gesamte Kundmachung anzufechten. Träfe das Antragsvorbringen zu, stünde dem VfGH tatsächlich keine andere Möglichkeit zur Beseitigung der Gesetzwidrigkeit der Kundmachung offen, als die gesamte Kundmachung aufzuheben.

Die angefochtene Kundmachung erfolgte auf Grund des §1 WiederverlautbarungsG, BGBl 114/1947.

Das WiederverlautbarungsG wurde durch Art49a B-VG ersetzt, eingefügt mit der B-VG-Novelle BGBl 350/1981. Gemäß ArtII Abs2 BGBl 350/1981 bleiben bisher auf Grund des WiederverlautbarungsG erfolgte Wiederverlautbarungen unberührt.

Der VfGH geht mit der Bundesregierung davon aus, dass es sich bei der Kundmachung von Wiederverlautbarungen um eine Erzeugungsbedingung handelt und dass die Erzeugung einer Norm anhand jener Rechtserzeugungsregelungen zu beurteilen ist, die im Zeitpunkt ihrer Erlassung in Geltung standen. Eine Änderung der Rechtserzeugungsregelungen ändert nichts an der Geltung oder Rechtmäßigkeit der (hier: wiederverlautbarten) Norm. In diesem Sinne ist auch ArtII Abs2 BGBl 350/1981 zu verstehen, dem nach dem Wortlaut der Gesetzesmaterialien lediglich "klarstellender" Charakter zukommt. Im Hinblick darauf änderte auch der Wegfall dieser Bestimmung (Artikel 2 §1 Abs3 Z14 BundesverfassungsrechtsbereinigungsG, BGBl I 2/2008) nichts an der Gültigkeit von auf Grundlage des Wiederverlautbarungsgesetzes erfolgten Wiederverlautbarungen.

Die Rechtmäßigkeit der mit dem vorliegenden Antrag angefochtenen Kundmachung ist daher anhand der Bestimmungen des WiederverlautbarungsG zu prüfen.

Gemäß Artikel 2 wurden bei der Wiederverlautbarung ua das TodeserklärungsG 1883 samt Änderung und das VerschollenheitsG 1939 samt Verordnungen zu dessen Ergänzung berücksichtigt. Gemäß Artikel 4 sind die wiederverlautbarten Rechtsvorschriften als "Todeserklärungsgesetz 1950" zu bezeichnen.

Die Bundesregierung hat die ihr nach dem WiederverlautbarungsG zukommende Ermächtigung insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung des §2 Z6, die die Möglichkeit vorsah, anlässlich einer Wiederverlautbarung Änderungen oder Ergänzungen, die nicht durch Novellen, sondern durch besondere Gesetze abseits des Stammgesetzes verfügt worden waren, in die betreffende Rechtsvorschrift selbst einzubauen, nicht überschritten.

Im Hinblick auf den Umstand, dass die §§39 bis 45 des Abschnitts IV (Verfahren bei Feststellung der Todeszeit) sowie die §§46 und 48 bis 52, und damit insbesondere auch §39 VerschollenheitsG 1939, für Österreich nicht in Kraft gesetzt worden waren, war diese Bestimmung bei der Wiederverlautbarung der Rechtsvorschriften über Verschollenheit und das Verfahren zum Zwecke der Todeserklärung und der Beweisführung des Todes nicht zu berücksichtigen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Wiederverlautbarung, Todeserklärung, VfGH / Parteiantrag, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:WV1.2017

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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