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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Wortfolge "eines Dienst- oder" in §9 Abs4 EStG 1988 idF BGBl 818/1993 (Jubiläumsgeldrückstellung) mit E v 09.12.97, G403/97. Die von der Beschwerdeführerin für die Erstattung der Replik begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, da es sich um keinen abverlangten Schriftsatz handelt und die Erstattung der Gegenäußerung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht geboten war (VfSlg. 11491/1987, 13308/1992).Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 18.000,- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Im Rahmen der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung des Wirtschaftsjahres 1994 dotierte die beschwerdeführende Aktiengesellschaft eine Rückstellung für Jubiläumsgelder in näher bestimmter Höhe. In ihrer Körperschaftsteuererklärung 1994 rechnete die Beschwerdeführerin in Entsprechung des §9 Abs4 EStG 1988 idF des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818/1993, diesen Betrag außerbilanziell hinzu, um eine handelsrechtliche Zuweisung zur Jubiläumsgeldrückstellung auszugleichen. Das Finanzamt für Körperschaften ermittelte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffend das Jahr 1994 erklärungsgemäß und setzte die Körperschaftsteuer mit Bescheid fest. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen das Rechtsmittel der Berufung mit der Begründung, die dem Bescheid zugrundeliegenden Normen seien verfassungswidrig.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. Jänner 1997 wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
3. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 9. Dezember 1997, G403/97, die Wortfolge "eines Dienst- oder" in §9 Abs4 EStG 1988, BGBl. 400/1988, idF des ArtI Z6 des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. 818/1993, als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits im Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (VfSlg. 12676/1991).
Dem in Art140 Abs1 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (zB VfSlg. 13067/1992, 13225/1992, 13313/1992, 13566/1993).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 9. Dezember 1997 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 27. Februar 1997 eingelangt, war also im Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Der Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wandte bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich diese Gesetzesanwendung für die Beschwerdeführerin als nachteilig erweist.
Es ist daher auszusprechen, daß die Beschwerdeführerin durch den bekämpften Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt wurde (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, VfGH 29.9.1994, B792/92).
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
III. 1. Die Kostenentscheidung
beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,- enthalten.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B466.1997Dokumentnummer
JFT_10019776_97B00466_00