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L61207 Feldschutz Landeskulturwachen Tirol;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision des J H in G, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 8. Jänner 2015, LVwG- 2014/41/2151-4, betreffend Aussetzung des Verfahrens in einer Angelegenheit nach dem Tiroler Feldschutzgesetz 2000 (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bürgermeister der Gemeinde Gerlos; mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft H in M, vertreten durch Dr. Alois Schneider, Rechtsanwalt in 6240 Rattenberg/Inn, Hassauerstraße 71; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Das Land Tirol hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Fax vom 6. Juni 2013, ergänzt durch E-Mail vom 10. Juni 2013, beantragte der Revisionswerber als Pächter mehrerer Grundstücke gemäß §§ 4 und 5 Tiroler Feldschutzgesetz 2000 beim Bürgermeister der Gemeinde Gerlos (im Folgenden: Bürgermeister) eine Entscheidung über die Verpflichtung zur Erhaltung einer Einfriedung auf der "W-Aste" zwischen näher genannten Grundstücken und wies darauf hin, dass diese Verpflichtung seiner Ansicht nach die mitbeteiligte Agrargemeinschaft treffe.
2 Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 5. Mai 2014 wurde dieses Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des beim Bezirksgericht Zell am Ziller zur Zahl XXX anhängigen Verfahrens ausgesetzt. Begründend führte der Bürgermeister im Wesentlichen aus, es sei im Verfahren festgestellt worden, dass eine näher genannte dritte Person und nicht die mitbeteiligte Partei die Zaunerhaltungspflicht für diesen Bereich trage. Die Entscheidung des Bezirksgerichtes Zell am Ziller im genannten Verfahren betreffend ein Unterlassungsbegehren der mitbeteiligten Partei gegen den Revisionswerber stelle nach Ansicht der Behörde eine wesentliche Vorfrage dar und könne einen Einfluss auf die Entscheidung im gegenständlichen Verfahren haben.
3 Die vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) vom 8. Jänner 2015 als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
4 Den Entscheidungsgründen des LVwG ist unter anderem zu entnehmen, dass das Klagebegehren der mitbeteiligten Partei gegen den Revisionswerber im genannten Verfahren vor dem Bezirksgericht Zell am Ziller wie folgt lautete:
"Der Beklagte ist schuldig, ab sofort und in Hinkunft das Beweiden der Grundparzelle der Almweideflächen der klagenden Partei in EZ (...), insbesondere der Grundstücksflächen (...) durch seinen Viehbestand zu unterlassen."
5 In der gegen das Erkenntnis des LVwG erhobenen außerordentlichen Revision brachte der Revisionswerber - auch in seinen Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision - näher begründend vor, dass das Verfahren vor dem Bezirksgericht Zell am Ziller nicht präjudiziell für die Entscheidung, welche der Bürgermeister nach dem Tiroler Feldschutzgesetz 2000 zu treffen habe, sei. Während der Zweck des Verfahrens nach dem Tiroler Feldschutzgesetz 2000 die Entscheidung über die Erhaltung von Einfriedungen sowie deren Wiederherstellung sei, bildeten den Prüfungs- und Erörterungsumfang eines Unterlassungsbegehrens vor den ordentlichen Gerichten nach der ZPO lediglich die Tatsachen, ob ein Eingriff in das Eigentum des jeweiligen Klägers stattgefunden habe (im vorliegenden Fall von der Gegenseite behauptet durch das Überspringen des Weideviehs des Revisionswerbers) und ob allenfalls Wiederholungsgefahr bestehe. Es sei dies auch vom zuständigen Richter in der vorbereitenden Tagsatzung des bezirksgerichtlichen Verfahrens rechtlich erörtert und wörtlich in das Protokoll aufgenommen worden, dass "eine allfällige Zaunerhaltungspflicht (...) in diesem Verfahren nicht zu prüfen (ist), vielmehr geht es darum, ob ein Eingriff in das Eigentum der Kläger stattfand und ob Widerholungsgefahr besteht."
6 An anderer Stelle der Revision führte der Revisionswerber aus, mit Urteil des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 16.1.2015, XXX, sei zwar der Revisionswerber in die Kosten des Verfahrens verfällt worden. Da das Klagebegehren jedoch auf Kosten eingeschränkt worden sei, sei keine inhaltliche Entscheidung getroffen worden.
7 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erledigung vom 1. Juni 2015 erstattete die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, der Revision keine Folge zu geben, zumal (auf Grund der eingetretenen Rechtskraft der bezirksgerichtlichen Entscheidung) bereits die Pflicht des Bürgermeisters zur Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Antrag des Revisionswerbers bestehe.
8 Das Bezirksgericht Zell am Ziller teilte auf Anfrage mit Erledigung vom 28. September 2017 mit, dass die Urteilsausfertigung des Bezirksgerichtes vom 16. Jänner 2015 seit 28. Februar 2015 rechtskräftig und vollstreckbar sei.
9 In weiterer Folge nahm der Revisionswerber durch seinen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2017 zur Frage einer allfälligen Klaglosstellung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Stellung. Trotz des Abschlusses des Verfahrens vor dem Bezirksgericht sei keine inhaltliche Entscheidung getroffen worden. Die dort auf Unterlassung klagende Partei habe ihr Klagebegehren auf Kosten eingeschränkt, weil dem Unterlassungsbegehren derart entgegen getreten worden sei, dass provisorisch und als Lösung für den Zivilprozess ein Abspannen mittels Weidezaun durch den Revisionswerber erfolgt sei. Im bezirksgerichtlichen Verfahren sei nicht über die generelle Pflicht zur Zaunerhaltung abgesprochen worden. In Ermangelung einer inhaltlichen Regelung, wen die Zaunerhaltungspflicht nun treffe, liege auch keine Klaglosstellung des Revisionswerbers vor. Zudem sei der Antrag nach dem Tiroler Feldschutzgesetz 2000 nach wie vor unerledigt.
10 Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde gemäß § 38 AVG berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
11 Durch die Aussetzung des Verfahrens wird bis zur Entscheidung, deren Ausgang abgewartet werden soll, die Entscheidungspflicht der aussetzenden Behörde (bzw. des Gerichtes) suspendiert.
12 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. etwa VwGH 31.3.2016, Ro 2016/02/0002, mwN).
13 Durch die - zeitlich nach der am 24. Februar 2015 erfolgten Einbringung der Revision - am 28. Februar 2015 eingetretene Rechtskraft der Entscheidung des Bezirksgerichtes Zell am Ziller hat die angefochtene Aussetzungsentscheidung des Bürgermeisters bzw. des LVwG ihre Wirksamkeit verloren. Somit trifft hinsichtlich des nach dem Tiroler Feldschutzgesetz 2000 vom Revisionswerber gestellten verfahrenseinleitenden Antrages den Bürgermeister wieder die Entscheidungspflicht.
14 Im Revisionsfall ist somit durch die Rechtskraft der Entscheidung des Bezirksgerichtes das Rechtsschutzinteresse des Revisionswerbers im Hinblick auf die hier angefochtene Aussetzung des Verfahrens nachträglich weggefallen. Mit dem Vorbringen in seiner Stellungnahme vom 23. Oktober 2017 übersieht der Revisionswerber, dass Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses des LVwG ausschließlich die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG ist und es nicht darauf ankommt, ob bereits eine inhaltliche Regelung besteht, wen die Zaunerhaltungspflicht trifft.
15 Das Verfahren war daher nach Anhörung des Revisionswerbers als gegenstandslos geworden zu erklären und in sinngemäßer Anwendung von § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.
16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Die Kostenentscheidung richtet sich im vorliegenden Fall nach § 58 Abs. 2 VwGG (vgl. dazu VwGH 1.3.2016, Ra 2015/18/0197, mwN). Der Umstand, dass das Rechtsschutzinteresse des Revisionswerbers nachträglich weggefallen ist, hat daher bei der Kostenentscheidung außer Betracht zu bleiben. Die nach § 58 Abs. 2 VwGG vorzunehmende hypothetische Prüfung des Verfahrensausganges ergibt, dass die Revision Erfolg gehabt hätte, weil aus den oben wiedergegebenen, in der Revision erstatteten Gründen die Entscheidung in dem beim Bezirksgericht Zell am Ziller anhängig gewesenen Verfahren für die Entscheidung im Verfahren nach dem Tiroler Feldschutzgesetz 2000 nicht präjudiziell war und keine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG darstellte.
Wien, am 16. November 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015070047.L00Im RIS seit
20.12.2017Zuletzt aktualisiert am
20.02.2019