TE Vwgh Erkenntnis 2017/11/22 Ra 2017/13/0002

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Veröffentlicht am 22.11.2017
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Index

20/05 Wohnrecht Mietrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §18 Abs1 Z3 litb;
EStG 1988 §30 Abs2 Z1;
WEG 2002 §2 Abs1;
WEG 2002 §2 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der K in W, vertreten durch die Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 3. November 2016, Zl. RV/7100911/2016, betreffend Einkommensteuer 2014, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 18. August 2015 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2014 der Revisionswerberin fest. Berücksichtigt wurden dabei insbesondere auch Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen. Hiezu wurde in der Begründung des Bescheides dargelegt, der Liegenschaftsverkauf werde gemäß § 30 Abs. 4 EStG 1988 in der Veranlagung 2014 berücksichtigt. Eine Mietwohnung falle nicht unter die im § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 genannten Begriffe des Eigenheimes oder der Eigentumswohnung. Dieser Begriff sei ident mit jenem des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988.

2 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte insbesondere geltend, sie habe im Juni 2014 eine in ihrem Alleineigentum befindliche Liegenschaft verkauft. Sie habe bis zum Verkauf des auf der Liegenschaft errichteten Zinshauses im Dachgeschoß eine Wohnung seit mindestens 10 Jahren durchgehend als Hauptwohnsitz verwendet. Sie habe diesen Hauptwohnsitz aufgegeben. Das Tatbestandsmerkmal der Eigentumswohnung oder des Eigenheims sei auch im vorliegenden Fall erfüllt. Es sei daher jener Teil des Verkaufspreises auszuscheiden, der auf die "Verkäuferwohnung" entfalle.

3 Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde als unbegründet ab.

4 Die Revisionswerberin beantragte die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Liegenschaft habe sich im Alleineigentum der Revisionswerberin befunden. Auf dieser Liegenschaft habe sich ein nicht parifiziertes, etwa um das Jahr 1900 errichtetes Gebäude mit mehreren (mehr als zwei) Wohnungen befunden. Die Revisionswerberin habe bis zum Verkauf der Liegenschaft eine der Wohnungen bewohnt. Im Juni 2014 habe die Revisionswerberin die Liegenschaft veräußert. Es liege weder eine Eigentumswohnung noch ein Eigenheim vor.

7 Die Revision sei mangels einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zulässig; der vorliegende Fall sei auf Grund klarer, eindeutiger gesetzlicher Regelungen zu lösen.

8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. 9 Die Revisionswerberin hat gegen dieses Erkenntnis auch

Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

10 Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 9. Oktober 2017, E 3279/2016, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, die Beschwerde rüge die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG). Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes in jeder Hinsicht dem Gesetz entspreche, insoweit nicht anzustellen. Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berühre, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet werde (§ 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988), lasse ihr Vorbringen vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Die Revision ist zulässig, da - wie die Revision zutreffend aufzeigt - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung des Begriffs "Eigentumswohnung" in § 30 Abs. 2 EStG 1988 nicht vorliegt; sie ist aber nicht begründet.

13 Gemäß § 29 Z 2 EStG 1988 (idF 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012) sind sonstige Einkünfte u.a. Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen.

14 Nach § 30 Abs. 1 EStG 1988 sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 sind Einkünfte aus der Veräußerung von "Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b)" u.a. von der Besteuerung ausgenommen, wenn sie innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

15 Die Bestimmungen über private Grundstücksveräußerungen wurden mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 eingefügt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1680 BlgNR 24. GP 8) wurde insoweit u.a. angeführt:

"Von der Besteuerung ausgenommen sind wie bisher Eigenheime und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), (...)

Entsprechend dem Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung, der darin besteht, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung steht, soll klargestellt werden, dass die Steuerbefreiung nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn der Hauptwohnsitz in diesem Eigenheim oder dieser Eigentumswohnung auch tatsächlich aufgegeben wird."

16 Nach § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 (idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111) war ein Eigenheim ein Wohnhaus im Inland mit nicht mehr als zwei Wohnungen, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienten. Das Eigenheim konnte auch im Eigentum zweier oder mehrerer Personen stehen. Das Eigenheim konnte auch ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden sein. Eine Eigentumswohnung war eine Wohnung im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes 2002, die mindestens zu zwei Dritteln der Gesamtnutzfläche Wohnzwecken diente.

17 Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 wurde diese Bestimmung dahin abgeändert, dass betreffend Eigenheime das Erfordernis entfiel, dass es sich "im Inland" befinde. Betreffend Eigentumswohnung wurde die Regelung in § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 dahin abgeändert, dass sie nur mehr lautet: "Eine Eigentumswohnung muss mindestens zu zwei Dritteln der Gesamtnutzfläche Wohnzwecken dienen".

18 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (981 BlgNR 24. GP 114) wurde dazu ausgeführt, der Entfall der Beschränkung auf im Inland gelegene Eigenheime solle die Unionsrechtskonformität der Regelung herstellen. Der Begriff "Eigentumswohnung" sei bei österreichischen Wohnungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz 2002 auszulegen. Bei ausländischen Wohnungen beziehe er sich auf entsprechende Rechtsinstitute.

19 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112, erfolgte sodann eine Änderung des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 dahin, dass es sich um Eigenheime oder Eigentumswohnungen handle, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amtshilfe bestehe, gelegen seien.

20 Die Revisionswerberin rügt als aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung, das Bundesfinanzgericht sei davon ausgegangen, dass die Revisionswerberin die Hauptwohnsitzbefreiung für die gesamte Veräußerung habe geltend machen wollen. Eine entsprechende Sachverhaltsfeststellung kann dem angefochtenen Erkenntnis aber nicht entnommen werden. Im Rahmen der Schilderung des Verfahrensgangs wird vielmehr der Inhalt der Beschwerde angeführt, wonach (bloß) jener Teil des Verkaufspreises ausscheiden solle, der auf die "Verkäuferwohnung" entfalle (Seite 6 des angefochtenen Erkenntnisses).

21 Auch der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Dass ein Teil des Kaufpreises auch für Anschaffung und Ausbau einer von der Revisionswerberin erworbenen anderen Wohnung zu verwenden war, ergibt sich (jedenfalls betreffend Kosten des Ausbaus) aus der im angefochtenen Erkenntnis im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen zitierten Vertragsurkunde (Punkt 2.5).

22 Ein "Eigenheim" liegt auch nach dem Revisionsvorbringen nicht vor, da das Gebäude mehr als zwei Wohnungen umfasst (vgl. dazu auch Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 18 Tz 53).

23 Der Begriff der "Eigentumswohnung" ist nach allgemeinem - auch juristischem - Sprachgebrauch dahin auszulegen, dass es sich um eine Wohnung (oder allenfalls sonstige Räumlichkeit) handelt, an der Wohnungseigentum begründet wurde (§ 2 Abs. 1 und 2 Wohnungseigentumsgesetz 2002; vgl. zu diesem Sprachgebrauch etwa § 30 Z 8 Mietrechtsgesetz: vom Wohnungseigentümer nach Wohnungseigentumsbegründung vermietete Eigentumswohnung). Ob insoweit auch vorläufiges Wohnungseigentum ausreichend ist (§ 45 Wohnungseigentumsgesetz 2002), muss im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden.

24 Dass der Begriff Eigentumswohnung auch nach dem EStG 1988 in diesem Sinne zu verstehen war, ergab sich ausdrücklich aus § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 ("Wohnung im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes 2002"). Entgegen dem Vorbringen in der Revision entfiel der Verweis auf das Wohnungseigentumsgesetz 2002 nicht mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, sondern mit dem Budgetbegleitgesetz 2011. Aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2011 ergibt sich aber, dass sich nach der Absicht des Gesetzgebers an dem bisherigen Begriffsverständnis bezogen auf österreichische Wohnungen nichts ändern sollte.

25 Nach dem klaren Wortlaut der Regelung, die mit der aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2011 in Verbindung mit jenen zum 1. Stabilitätsgesetz 2012 hervorleuchtenden Absicht des Gesetzgebers übereinstimmt, bezieht sich die Befreiungsbestimmung (betreffend Wohnungen in Österreich) nur auf Wohnungen, an denen Wohnungseigentum begründet wurde. Eine Wohnung eines "Zinshauses", die vom Alleineigentümer benützt wird, fällt nicht unter diesen Begriff. Es kann dem Gesetzgeber, der auch bei Vorliegen eines "Eigenheims" Gebäude mit mehr als zwei Wohnungen nicht von der Hauptwohnsitzbefreiung umfasst sehen will, nicht zugesonnen werden, einen Fall wie den vorliegenden nicht mitbedacht zu haben. Bedenken im Hinblick auf einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz sind beim Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs nicht entstanden, sodass eine (allenfalls analoge) Anwendung der Befreiungsbestimmung auf diesen Sachverhalt nicht geboten ist.

26 Die Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. November 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017130002.L00

Im RIS seit

20.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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