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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs2b idF 2017/I/145;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):Fr 2017/01/0045 B 5. Dezember 2017 Fr 2017/19/0068 B 21. März 2018 Fr 2017/19/0072 B 4. Dezember 2017 Fr 2017/20/0054 B 6. Dezember 2017 Fr 2017/20/0061 B 11. Dezember 2017 Fr 2017/18/0058 B 11. Dezember 2017 Fr 2017/01/0031 B 19. Dezember 2017 Fr 2017/19/0066 B 13. Dezember 2017 Fr 2017/01/0047 B 20. Dezember 2017 Fr 2017/01/0034 B 20. Dezember 2017 Fr 2017/01/0048 B 22. Dezember 2017 Fr 2017/19/0065 B 31. Dezember 2017 Fr 2018/19/0001 B 10. Januar 2018 Fr 2017/19/0074 B 10. Januar 2018 Fr 2017/18/0041 B 23. Januar 2018 Fr 2017/19/0060 B 31. Januar 2018 Fr 2017/01/0038 B 31. Januar 2018 Fr 2018/01/0001 B 31. Januar 2018 Fr 2017/19/0049 B 1. März 2018 Fr 2017/18/0056 B 22. Februar 2018 Fr 2018/01/0005 B 5. März 2018 Fr 2017/19/0050 B 1. März 2018 Fr 2018/18/0006 B 7. März 2018 Fr 2017/18/0052 B 6. März 2018 Fr 2017/01/0044 B 5. Dezember 2017Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel, den Hofrat Mag. Stickler und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Fristsetzungssache des M A H, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Bundesverwaltungsgericht wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Fristsetzungsantrag wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der aus Somalia stammende Antragsteller brachte am 30. Oktober 2017 beim Bundesverwaltungsgericht einen Fristsetzungsantrag ein. Er führte darin aus, am 28. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) gestellt zu haben. Dieser Antrag sei vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 12. Jänner 2017 abgewiesen worden. Die Verwaltungsbehörde habe zudem festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Er habe am 30. Jänner 2017 gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben. Die Beschwerde sei beim Bundesverwaltungsgericht am 21. Februar 2017 eingelangt. Bislang habe das Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerde nicht entschieden. Die Entscheidungsfrist des § 8 VwGVG (offenkundig gemeint: § 34 Abs. 1 VwGVG) sei verstrichen. Es werde daher beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge dem Bundesverwaltungsgericht eine angemessene Frist für die Fällung der Entscheidung über die Beschwerde setzen und den Bund zum Ersatz der Kosten des Fristsetzungsverfahrens verpflichten.
2 Das Bundesverwaltungsgericht traf in der Folge mit Beschluss vom 31. Oktober 2017 eine Entscheidung über die Beschwerde. Die für den Antragsteller bestimmte Ausfertigung dieses Beschlusses wurde seinem rechtsfreundlichen Vertreter im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs zugestellt. Sie gelangte am 2. November 2017 (Donnerstag) in dessen elektronischen Verfügungsbereich, weshalb die Zustellung gemäß § 21 Abs. 8 BVwGG am Freitag, 3. November 2017, als bewirkt galt. Eine weitere Ausfertigung des Beschlusses vom 31. Oktober 2017 übersendete das Bundesverwaltungsgericht am 2. November 2017 dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl per Telefax.
3 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGVG ist, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde und in den Fällen des § 28 Abs. 7 VwGVG mit Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist. Soweit sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a AVG) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.
4 Gemäß § 21 Abs. 2b BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017 (FrÄG 2017, BGBl. I Nr. 145/2017) erkennt abweichend von § 34 Abs. 1 VwGVG das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes über Anträge auf internationalen Schutz binnen zwölf Monaten, sofern in diesem Bundesgesetz oder im AsylG 2005 nichts anderes bestimmt ist.
5 Diese Bestimmung ist nach § 56 Abs. 10 erster Satz BFA-VG am 1. November 2017 in Kraft getreten. Sie tritt gemäß § 56 Abs. 10 dritter Satz BFA-VG mit Ablauf des 31. Mai 2018 wieder außer Kraft. Gemäß § 58 Abs. 5 BFA-VG gilt § 21 Abs. 2b BFA-VG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 145/2017 für Beschwerdeverfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch nach dem 31. Mai 2018 weiter.
6 Das Verfahren über die vom Antragsteller eingebrachte Beschwerde war am 1. November 2017 beim Bundesverwaltungsgericht (noch) anhängig. Die Beschwerde richtete sich gegen einen Bescheid, womit über einen von ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz entschieden wurde.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu Säumnisbeschwerden nach der bis 31. Dezember 2013 geltenden Rechtslage des VwGG (im Weiteren: VwGG alt) festgehalten, dass selbst eine im Zeitpunkt seiner Einbringung zulässige Säumnisbeschwerde nachträglich unzulässig werden kann und mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen ist, wenn die Entscheidungspflicht zu einem späteren Zeitpunkt - selbst innerhalb der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG alt gesetzten Frist oder danach - in anderer Weise als durch ihre Erfüllung (durch Nachholung der versäumten Entscheidung) wegfällt (vgl. VwGH 22.1.1969, 1075/68; 21.5.1991, 89/12/0090; 21.5.1991, 91/12/0043; 30.9.1996, 96/12/0101; 30.9.1996, 96/12/0126; 24.6.1999, 98/20/0395; 11.6.2002, 2001/01/0556; 3.12.2003, 2002/01/0589 bis 0591; 23.9.2004, 99/21/0012; 14.11.2012, 2010/12/0196).
8 Diese Entscheidungen beruhten in erster Linie auf der Überlegung, dass bei Wegfall der Entscheidungspflicht der Behörde dem - damals nach dem VwGG alt noch vorgesehenen - Übergang der Zuständigkeit auf den Verwaltungsgerichtshof für die Entscheidung in der Verwaltungssache der Boden entzogen sei (so schon VwGH 22.1.1969, 1075/68). Ein solcher Wegfall der Entscheidungspflicht, der zur nachträglich eingetretenen Unzulässigkeit der Säumnisbeschwerde führte, lag nach der Rechtsprechung etwa dann vor, wenn die ursprünglich zuständige Behörde infolge einer Gesetzesänderung ihre Zuständigkeit verloren hat (vgl. dazu die erwähnten Entscheidungen VwGH 1075/68, 96/12/0126, 96/12/0101, 91/12/0043, 89/12/0090) oder der dem Verwaltungsverfahren zugrunde liegende Antrag zurückgezogen wurde (sh. dazu die bereits angeführten Entscheidungen VwGH 2002/01/0589, 2001/01/0556). Aber auch dann, wenn ein Verfahren von der Behörde nach dem Gesetz formlos - also ohne Bescheiderlassung - einzustellen war, die Voraussetzungen für die Einstellungen vorlagen, eine solche allerdings (noch) nicht vorgenommen wurde, wurde vom Wegfall der Entscheidungspflicht auf andere Weise als durch Nachholung der versäumten Entscheidung ausgegangen (vgl. etwa die oben erwähnten Entscheidungen VwGH 99/21/0012, 98/20/0395).
9 Diesen Entscheidungen ist demnach gemeinsam, dass es der Behörde aus rechtlichen Gründen nicht (länger) möglich gewesen wäre, die bis dahin unterbliebene Bescheiderlassung nachzuholen. Dies wiederum führte dazu, dass trotz der Einbringung einer ursprünglich zulässigen Säumnisbeschwerde nach VwGG alt - je nach Zeitpunkt des Wegfalls der Entscheidungspflicht - vom Verwaltungsgerichtshof entweder eine Frist für die Nachholung der versäumten Entscheidung gar nicht zu setzen war oder eine bereits gesetzte Frist ins Leere ging.
10 Dieser Gedanke ist, auch wenn nach dem nunmehr geltenden § 38 VwGG ein Übergang der Zuständigkeit auf den Verwaltungsgerichtshof, in der bislang unerledigt gebliebenen Verwaltungssache zu entscheiden, nicht vorgesehen ist, auf das seit 1. Jänner 2014 geltende Verfahren über Fristsetzungsanträge übertragbar. Es spielt dann aber auch keine entscheidungswesentliche Rolle, ob infolge einer Gesetzesänderung die Entscheidungspflicht zur Gänze wegfällt (etwa in dem Fall, in dem der Gesetzgeber von der Ermächtigung des Art. 94 Abs. 2 erster Satz B-VG Gebrauch macht) oder vom Gesetz (bloß) die Säumnis eines Verwaltungsgerichts beseitigt wird. In diesen Fällen dürfte der Verwaltungsgerichtshof auch nach Einbringung eines ursprünglich zulässigen Fristsetzungsantrages keine Frist nach § 38 Abs. 4 VwGG mehr setzen, weil eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht mehr vorläge. Eine bereits - vor der Gesetzesänderung - gesetzte Frist ginge aus eben diesem Grund ins Leere. Anders als in jenen Fällen, in denen ein Fristsetzungsantrag nach dessen Einlangen, aber noch vor Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof zur Erlassung der tatsächlich versäumten Entscheidung geführt hat und demnach der Rechtsschutzsuchende sein Ziel erreicht hat, ist in jenem Fall, in dem die Säumnis des Verwaltungsgerichts schon von Gesetzes wegen nicht (mehr) vorliegt, dieses Ziel nicht (länger) mit dem Rechtsinstitut des Fristsetzungsantrages erreichbar.
§ 38 VwGG räumt dem Verwaltungsgerichtshof nämlich keine Befugnis ein, eine von Gesetzes wegen dem Verwaltungsgericht eingeräumte Entscheidungsfrist im Weg des Fristsetzungsverfahrens zu verkürzen.
11 Ein solcher Fall kann etwa dann eintreten, wenn zwar im Zeitpunkt der Einbringung des Fristsetzungsantrages die für die Erlassung der Entscheidung gesetzlich eingeräumte Frist abgelaufen war, jedoch infolge einer Gesetzesänderung die Frist für die Fällung (auch) dieser Entscheidung verlängert wird, also die entsprechend geänderte Bestimmung etwa auch auf jene Fälle Anwendung zu finden hat, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung beim Verwaltungsgericht anhängig sind. Liegt es nämlich in der Intention des Gesetzgebers, auch für solche Fälle - ungeachtet des Nichteinhaltens der bisherigen Entscheidungsfrist -
die "neue" Entscheidungsfrist als maßgeblich anzusehen, erweist es sich im Sinn des Gesagten als nicht zulässig, diese nunmehr neu gesetzlich festgelegte Entscheidungsfrist im Weg eines Fristsetzungsverfahrens zu unterlaufen.
In solchen Fällen hat daher der Verwaltungsgerichtshof davon Abstand zu nehmen, eine Frist für die Entscheidung gemäß § 38 Abs. 4 zweiter Satz VwGG zu setzen, zumal das Verwaltungsgericht infolge der mit Gesetzesänderung vorgesehenen Verlängerung der Entscheidungsfrist auch nicht (mehr) als säumig angesehen werden kann. Es ist vielmehr im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung - auch ohne völligen Wegfall der Entscheidungspflicht - davon auszugehen, dass der Fristsetzungsantrag nachträglich wegen Fehlens der Berechtigung zu seiner Erhebung unzulässig geworden ist und infolge dessen gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 38 Abs. 4 erster Satz VwGG - nach § 34 Abs. 3 iVm § 38 Abs. 4 erster Satz VwGG in jeder Lage des Verfahrens - zurückzuweisen ist.
12 Es ist sohin bezogen auf den vorliegenden Fall zu prüfen, ob der Gesetzgeber mit der Anordnung des § 21 Abs. 2b BFA-VG auch jene Verfahren erfassen wollte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung beim Bundesverwaltungsgericht anhängig waren.
13 Der Gesetzgeber führt in den Materialien zum FrÄG 2017 im Allgemeinen Teil (auszugsweise) betreffend die Änderungen des BFA-VG sowie zu § 21 Abs. 2b, § 56 Abs. 10 und § 58 Abs. 5 BFA-VG Folgendes aus (IA 2285/A 25. GP 31, 86f und 88):
"BFA-Verfahrensgesetz
Aufgrund der erfahrungsgemäß hohen Beschwerdequote bei Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz und der zu erwartenden Auswirkung, die die im Jahr 2015 einsetzende außerordentliche Mehrbelastung des Bundesamtes nunmehr auch auf das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) haben wird, wird vorgeschlagen, die Entscheidungsfrist des BVwG betreffend Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes über Anträge auf internationalen Schutz durch Änderung der Bestimmungen des BFA-VG von sechs auf zwölf Monate zu verlängern. Die Verlängerung der Entscheidungsfrist auf zwölf Monate soll befristet bis Ende Mai 2018 bzw. für bis Ende Mai 2018 anhängig gemachte (eingebrachte) Beschwerden gelten (§§ 21 Abs. 2b und 58 Abs. 5 BFA-VG).
(...)
Zu Z 9 und 22 (§§ 21 Abs. 2b und 58 Abs. 5):
Mit der Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 (RV 996, XXV. GP) wurde § 22 Abs. 1 AsylG 2005 dahingehend geändert, dass das Bundesamt über Anträge auf internationalen Schutz abweichend von § 73 Abs. 1 AVG innerhalb von 15 Monaten zu entscheiden hat. Dem lag zugrunde, dass im Jahr 2015 knapp 90.000 Anträge auf internationalen Schutz eingebracht wurden, was einer Verdreifachung gegenüber dem Vorjahr entsprach und es für das Bundesamt in vielen Fällen unmöglich machte, das Asylverfahren innerhalb der sechsmonatigen Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG abzuschließen. Die Verlängerung der für das Bundesamt im Asylverfahren einzuhaltenden Entscheidungsfrist von sechs auf 15 Monate steht in Einklang mit Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 lit. b Verfahrens-RL. Diese Neuregelung soll befristet bis einschließlich 31.05.2018 gelten (§ 73 Abs. 15 Satz 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016).
Auch der VwGH hat mit den Erkenntnissen vom 24.05.2016, Ro 2016/01/0001 bis 0004, und vom 29.07.2016, Ra 2016/18/0078, erkannt, dass die durch den massiven Zustrom von Schutzsuchenden in der jüngeren Vergangenheit bewirkte Ausnahmesituation, die auch für das Bundesamt eine extreme Belastung darstellt, sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach und sohin grundlegend unterscheide. Die Verpflichtung der Behörde, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist, müsse in einer solchen Ausnahmesituation zwangsläufig an Grenzen stoßen. Eine Säumnis des Bundesamtes, die alleine auf eine derartige Belastungssituation zurückzuführen sei, könne eine Abweisung der Säumnisbeschwerde mangels überwiegenden Verschuldens der Behörde an der Säumnis nach § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG begründen.
Aufgrund der erfahrungsgemäß hohen Beschwerdequote bei Verfahren über internationalen Schutz ist davon auszugehen, dass sich die im Jahr 2015 einsetzende außerordentliche Mehrbelastung des Bundesamtes nunmehr auch - über den laufenden Verfahrensanfall im Asyl- und Fremdenrechtsbereich hinaus - auf das BVwG auswirken wird, weshalb vorgeschlagen wird, in Abweichung von § 34 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungsfrist betreffend Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes über Anträge auf internationalen Schutz von sechs auf 12 Monate zu verlängern. Die Verlängerung der Entscheidungsfrist für das BVwG ist vor dem Hintergrund von Art. 46 Abs. 10 Verfahrens-RL unionsrechtskonform, da keine Höchst- oder Minimaldauer für die Entscheidung der Gerichte im Rechtsmittelverfahren vorgegeben ist. Die Wendung ‚sofern ... nichts anderes bestimmt ist' bezieht sich etwa auf die in § 21 Abs. 2 und 2a vorgesehenen verkürzten Entscheidungsfristen.
Gleichermaßen wie die das Bundesamt betreffende Verlängerung der Entscheidungsfrist gilt die zwölfmonatige Entscheidungsfrist des BVwG befristet bis Ende Mai 2018 bzw. für bis Ende Mai 2018 anhängig gemachte (eingebrachte) Beschwerden.
(...)
Zu Z 21 (§ 56 Abs. 10):
Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten.
(...)"
14 In den Erläuterungen wird somit hervorgehoben, dass die besondere Belastungssituation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, die wegen der im Jahr 2015 erfolgten Verdreifachung der Antragszahlen eingetreten sei, es notwendig gemacht habe, die für diese Behörde geltende Entscheidungsfrist zu verlängern. Wegen der im Asylrecht erfahrungsgemäß hohen Quote an Beschwerden werde sich in weiterer Folge diese Belastungssituation auch auf das Bundesverwaltungsgericht auswirken.
15 Die Anordnung des § 21 Abs. 2b BFA-VG soll erkennbar dazu beitragen, dieser Belastungssituation Rechnung zu tragen und - auf längere Zeit gesehen - in den Griff zu bekommen. Zudem soll dem Bundesverwaltungsgericht damit ermöglicht werden, die Beschwerdeverfahren auch weiterhin mit der notwendigen Sorgfalt durchführen zu können, ohne befürchten zu müssen, sich infolge der hohen Zahl an Beschwerdeverfahren betreffend Anträge auf internationalen Schutz in zahlreichen Verfahren mit Säumnisfolgen - wie sie etwa ein Fristsetzungsverfahren nach sich ziehen kann - konfrontiert zu sehen. Dabei ist der Gesetzgeber offenbar von der Einschätzung getragen, dass die Belastungsspitzen nicht über den 31. Mai 2018 hinausragen und der Neuanfall mit diesem Datum wieder abnehmen wird, zumal die genannte Bestimmung mit Ablauf dieses Tages wieder außer Kraft treten soll. Gleichzeitig wird aber gesetzlich anerkannt, dass die völlige Bereinigung der Belastungssituation noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird, weshalb die mit § 21 Abs. 2b BFA-VG festgelegte und auf zwölf Monate verlängerte Entscheidungsfrist auch über den 31. Mai 2018 für davor angefallene Beschwerdeverfahren maßgeblich bleiben soll.
16 § 21 Abs. 2b BFA-VG wurde lediglich für die Zeit von 1. November 2017 bis 31. Mai 2018 in Kraft gesetzt. Nach dem Gesagten gibt es aber keinen Hinweis dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, die hohe Belastungssituation des Bundesverwaltungsgerichts werde allein durch die in diesem Zeitraum anfallenden Beschwerdeverfahren hervorgerufen. Die gegenteilige Ansicht würde nämlich voraussetzen, dass bei Gesetzwerdung davon ausgegangen worden wäre, dass sämtliche Verfahren, die im - in den Erläuterungen ausdrücklich erwähnten - Jahr 2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig wurden, gleichfalls in diesem Zeitfenster bzw. - ausgehend von der zur Verfügung stehenden Beschwerdefrist - kurz davor einer Erledigung zugeführt würden. Eine solcherart realitätsfremde Sichtweise kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, zumal es nicht nur als notorisch anzusehen ist, dass infolge der bereits früher bestehenden hohen Belastungssituation beim Bundesverwaltungsgericht mit Wirkung vom 1. Oktober 2016 und 1. Jänner 2017 insgesamt 40 zusätzliche Richter ernannt wurden, sondern sich diese Erhöhung der dem Bundesverwaltungsgericht zur Verfügung gestellten richterlichen Planstellen auch auf den den jeweiligen Bundesfinanzgesetzen angeschlossenen Personalplan gründet (vgl. etwa die in der Anlage IV Personalplan 2017, S. 29, zum Bundesfinanzgesetz 2017, BGBl. I Nr. 101/2016, für die Finanzjahre 2015, 2016 und 2017 verzeichnete Anzahl der dem Bundesverwaltungsgericht zur Verfügung stehenden richterlichen Planstellen).
17 Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der in den Erläuterungen genannten Anzahl der im Jahr 2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig gewordenen Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz (etwa 90.000) kann - selbst unter Bedachtnahme darauf, dass nicht jede Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über einen Antrag auf internationalen Schutz abschlägig erfolgt oder in Beschwerde gezogen wird - nicht gefolgert werden, dass sich § 21 Abs. 2b BFA-VG nur auf jene Beschwerdeverfahren beziehen sollte, die in einem eng begrenzten Zeitraum von sieben Monaten anhängig werden.
18 Somit ist zum Ergebnis zu kommen, dass die mit § 21 Abs. 2b BFA-VG erfolgte Verlängerung der Entscheidungsfrist auf zwölf Monate, die sich auf Verfahren über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über Anträge auf internationalen Schutz bezieht (sofern das BFA-VG oder das AsylG 2005 für solche Verfahren keine andere Entscheidungsfrist vorsieht), auch auf jene Beschwerdeverfahren Anwendung findet, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens anhängig waren.
19 Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde des Antragstellers, die sich gegen eine Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über einen Antrag auf internationalen Schutz richtete, - schon nach dem Vorbringen des Antragstellers - am 30. Jänner 2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebracht und von diesem dem Bundesverwaltungsgericht am 21. Februar 2017 vorgelegt. Das Verfahren über die Beschwerde war am 1. November 2017 noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Es gibt fallbezogen keine Hinweise dafür, dass eine andere Frist des BFA-VG oder AsylG 2005 für die Entscheidung über die Beschwerde maßgeblich wäre. Nach dem Gesagten wurde vom Gesetzgeber (nachträglich) mit Inkrafttreten des § 21 Abs. 2b BFA-VG die Frist für die Entscheidung (auch) über die gegenständliche Beschwerde auf zwölf Monate erweitert. Infolgedessen wäre das Ende der Entscheidungsfrist erst mit dem Ablauf des 21. Februar 2018 eingetreten. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Beschwerde erfolgte sohin innerhalb der diesem Verwaltungsgericht nach § 21 Abs. 2b BFA-VG zur Verfügung stehenden Frist.
20 Nach dem oben Gesagten führt diese Konstellation dazu, dass der - ursprünglich wegen Versäumung der in § 34 Abs. 1 VwGVG festgelegten Entscheidungsfrist zulässigerweise eingebrachte - Fristsetzungsantrag nachträglich zufolge der Gesetzesänderung, mit der die Entscheidungsfrist verlängert wurde, unzulässig geworden ist. Der Fristsetzungsantrag war daher gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 38 Abs. 4 erster Satz VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.
Wien, am 22. November 2017
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:FR2017190067.F00Im RIS seit
20.12.2017Zuletzt aktualisiert am
26.11.2018