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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des SF in N, geboren am 1. Juli 1965, vertreten durch Dr. Kurt Lechner, Rechtsanwalt in 2620 Neunkirchen, Triester Straße 34, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. Mai 1998, Zl. 201.223/0-VI/17/98, betreffend § 7 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger und am 4. September 1996 in das Bundesgebiet eingereist. Am 6. September 1996 beantragte er Asyl. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag ab, weil der Beschwerdeführer auf Grund von widersprüchlichen Angaben bei seiner Einvernahme als nicht glaubwürdig anzusehen sei.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er nochmals ausdrücklich deponierte, aus Gründen der politischen Gesinnung im Irak verfolgt zu werden. Er sei ein aktives Parteimitglied der "PUK" und seit August 1996 dort seines Lebens nicht mehr sicher. Ausschlaggebend für seine Flucht sei gewesen, dass die irakische Armee am 29. August 1996 begonnen habe, die Stadt Arbil zu bombardieren. Am 31. August 1996 seien die irakischen Truppen einmarschiert. Er sei noch an diesem Tag aus Arbil geflohen und über Zacho in die Türkei gelangt. Der irakische Geheimdienst kontrolliere derzeit den gesamten Nordirak. Der Geheimdienst arbeite auf der Seite "Barzanis" (KDB) gegen die PUK. Er habe bei seiner Rückkehr "schwerste Repressalien durch den irakischen Geheimdienst zu befürchten".
Das Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz sei zu bemängeln, weil bei seiner Einvernahme nur ein Dolmetscher für arabisch zur Verfügung gestanden sei. Er verstehe zwar passiv die arabische Sprache relativ gut, könne jedoch aktiv "kaum arabisch" sprechen. Es habe daher bei seiner Einvernahme viele Übersetzungsschwierigkeiten gegeben, die zu einem widersprüchlichen Bild seiner Aussagen geführt hätten. Er rege daher seine neuerliche Einvernahme mit einem kurdischen Dolmetscher an. Wenn die Behörde weiters vermeine, dass die vage gehaltenen Aussagen zu den politischen Aktivitäten gegen seine Glaubwürdigkeit sprächen, so müsse dem entgegengehalten werden, dass ihn die Behörde mit ihren Zweifeln hätte konfrontieren müssen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Die belangte Behörde verwies in ihrer Begründung auf die vom Bundesasylamt aufgezeigten, im Einzelnen in ihrem Bescheid wiedergegebenen Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seiner Einvernahme vor der Behörde erster Instanz. Soweit der Beschwerdeführer rüge, dass bei seiner Einvernahme lediglich ein Dolmetscher für Arabisch zur Verfügung gestanden sei, sei ihm entgegenzuhalten, dass der zum Zeitpunkt seiner Einvernahme in Geltung gestandene § 18 Asylgesetz 1991 (bloß) vorgesehen habe, dass ein geeigneter Dolmetscher den Verlauf der Vernehmung in die Sprache des Asylwerbers oder eine ihm ausreichend verständliche Sprache übersetze. Der Berufung sei nicht zu entnehmen, welche Teile der niederschriftlichen Vernehmung ein Dolmetscher für Arabisch (gemeint: Kurdisch) anders übersetzt hätte und inwieweit diesfalls die Übersetzung vollständiger gewesen wäre. Der Beschwerdeführer habe laut dem Protokoll erklärt, er habe seinen Angaben "nichts mehr hinzuzufügen". Der Beschwerdeführer habe die Gelegenheit der Berufung nicht genützt, um die aufgezeigten Widersprüche durch ein substanzielles Vorbringen aufzuklären. Wenn der Beschwerdeführer der Auffassung gewesen wäre, dass er sich lediglich schwer habe verständlich machen können, so hätte er angeben müssen, was er angegeben hätte, wenn der von ihm behauptete Verfahrensmangel unterblieben wäre. Es sei davon auszugehen, dass es weder bei der Übersetzung der an den Beschwerdeführer gerichteten Fragen und Vorhalte noch bei der Übersetzung seiner Ausführungen zu Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher gekommen sei. Ein relevanter Verfahrensmangel, der die Berufungsbehörde dazu verhalte, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen bzw. durchzuführen, liege nur vor, wenn das Berufungsvorbringen derart konkrete Angaben enthalte, bei deren Zutreffen die Behörde ohne den behaupteten Verfahrensmangel zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Angesichts des Fehlens konkreter Berufungsbehauptungen darüber, was der Beschwerdeführer bei einer Einvernahme im Beisein eines Kurdisch-Dolmetschers anderes vorgebracht hätte, sei keine Notwendigkeit "zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens" auf Grund eines Verfahrensmangels zu erblicken. Im Protokoll finde sich kein Hinweis dafür, dass es während der Einvernahme zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen wäre. Auch werde in der Berufung nicht behauptet, dass der Beschwerdeführer die Aufnahme eines derartigen Hinweises begehrt hätte und dies unterlassen worden wäre. Das Bundesasylamt habe eindeutig und nachvollziehbar dargelegt, dass es die Angaben des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig erachte. Die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes seien nicht als unschlüssig erkennbar. Insoweit das Bundesasylamt anhand der "in höchstem Maße vage gehaltenen und zudem widersprüchlichen" Angaben des Beschwerdeführers die Auffassung vertrete, die Darstellungen über seine Person (Identität) und über seine Fluchtgründe seien nicht glaubwürdig, so halte dies der Überprüfung stand. Wenn das Bundesasylamt angesichts der vage gehaltenen Schilderungen des Beschwerdeführers über seine politischen Aktivitäten und Ziele seiner Partei diesem die Glaubwürdigkeit abgesprochen habe, so schließe sich die belangte Behörde auch dieser Begründung an. Überdies habe der Beschwerdeführer den Nordirak im August 1996 verlassen, als die irakischen Truppen in Arbil einmarschiert seien. In Kampfhandlungen des Bürgerkrieges zwischen den Kurdenparteien sei er nicht direkt verwickelt gewesen. Damit liege eine den Beschwerdeführer individuell, unmittelbar betreffende aktuelle Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Konvention nicht vor. Auch bestehe für den Beschwerdeführer als Kurden, der sich im Nordirak aufgehalten habe, eine inländische Fluchtalternative, da nicht behauptet werden könne, die gegnerische Partei, die KDP, kontrolliere die gesamte Sicherheitszone des Nordiraks. Abschließend sei zu bemerken, dass die Glaubhaftmachung einer aktuellen Gefährdungs- bzw. Bedrohungssituation im Nordirak dem Beschwerdeführer schon deshalb nicht gelungen sei, da ein solches Glaubhaftmachen das Feststehen der Identität des Beschwerdeführers voraussetze.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, worin Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/1999, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag darauf gestützt, dass er infolge des Vorstoßes der irakischen Truppen in den Nordirak als aktives Mitglied der PUK einer maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt gewesen sei. Da der irakische Geheimdienst mit der KDP zusammengearbeitet habe, habe er aus dieser Region flüchten müssen. Dieses Vorbringen hat die Behörde erster Instanz auf Grund von Widersprüchen in den Angaben des Beschwerdeführers als unglaubwürdig angesehen.
Nach dem Art. II Abs. 2 lit. d Z 43a EGVG ist auch auf das behördliche Verfahren des unabhängigen Bundesasylsenates das AVG anzuwenden, § 67d AVG jedoch mit der Maßgabe, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und nach schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308). Der Beschwerdeführer hat sich in seiner Berufung darauf beschränkt, seine Angaben in erster Instanz in einem seiner Auffassung nach chronologisch richtigem Ablauf zu wiederholen und die ihm im Bescheid des Bundesasylamtes vorgeworfenen Widersprüche lediglich als Missverständnisse auf Grund seiner mangelnden Kenntnisse der arabischen Sprache darzustellen. Der Beschwerdeführer, der unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache - der Beschwerdeführer hatte ohne Einschränkung niederschriftlich zu Protokoll gegeben, diese Sprache zu beherrschen - vernommen worden war, hat aber nach dem Inhalt der Niederschrift nicht zu erkennen gegeben, dass es bei seiner Einvernahme zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen wäre. Er hat auch in der Berufung nicht konkret behauptet, dass bestimmte Passagen vom Dolmetscher unrichtig übersetzt oder ihm nicht ausreichend rückübersetzt worden wären.
Der Beschwerdeführer hat in der Berufung nur behauptet, die Widersprüche seien scheinbar, weil er infolge mangelnder Kenntnisse der arabischen Sprache sich nicht habe richtig ausdrücken können. Der Beschwerdeführer behauptete somit nicht, dass der beigezogene Dolmetscher für die arabische Sprache seine Aussagen unrichtig übersetzt hätte. Er behauptete vielmehr, er habe sich nur deshalb widersprüchlich ausgedrückt, weil er die arabische Sprache nicht ausreichend beherrsche. Würde er im Beisein eines Dolmetschers für Kurdisch einvernommen, so wäre er in der Lage, sich widerspruchsfrei und ausreichend substanziell zu den ihm gestellten Fragen über seine Fluchtgründe zu äußern.
Die belangte Behörde hat diesem Vorbringen zutreffend entgegen gehalten, dem Protokoll über die Niederschrift könnten keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass es bei der Einvernahme des Beschwerdeführers zu Verständnisschwierigkeiten mit dem Dolmetscher gekommen wäre. Der Beschwerdeführer habe auch nicht behauptet, dass ihm vom Dolmetscher gemäß dem entsprechenden Vermerk am Ende der Niederschrift diese nicht mehr vollständig vorgehalten worden wäre bzw. dass der Dolmetscher an sich die Angaben des Beschwerdeführers unrichtig übersetzt hätte. Der Beschwerdeführer hatte die Niederschrift mit dem Hinweis, dass er den Dolmetscher einwandfrei verstanden und dieser ihm die entsprechenden Passagen rückübersetzt hätte, als richtig und vollständig unterfertigt. Davon ausgehend ist mit der belangten Behörde nicht zu erkennen, dass der Behörde erster Instanz ein Verfahrensmangel unterlaufen wäre.
In der Berufung finden sich keinerlei ergänzende Angaben oder weitere substanziierte Behauptungen einer asylrelevanten Verfolgungssituation des Beschwerdeführers.
Insoweit sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung an sich ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges als solchen handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 548 f, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung, die auf widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und vagen Angaben zu den politischen Zielen der Partei, für die er Propagandatätigkeit ausgeführt habe, aufbaut, ist aber vor dem Hintergrund des Berufungsvorbringens und auch der Beschwerdebehauptungen nicht zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. Juni 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998200462.X00Im RIS seit
20.11.2000