TE Vfgh Erkenntnis 1998/2/24 B239/97, B758/97, B1469/97, B1939/97, B2417/97

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Veröffentlicht am 24.02.1998
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0015 Unabhängiger Verwaltungssenat

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Quasianlaßfall: Anlaßfallwirkung der Aufhebung derGeschäftsverteilung 1997 UVS Wien mit E v 10.10.97, V17/97 ua.

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit jeweils S 18.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.1. Mit den in den Verfahren B239/97, B758/97 sowie B1469/97 angefochtenen Bescheiden wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien Schubhaftbeschwerden ab und erklärte die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft für zulässig.

1.2. Im Verfahren B1939/97 wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien eine Schubhaftbeschwerde als unzulässig zurück, da Inhalt und Umfang der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmacht nicht bekanntgegeben worden waren.

1.3. Im Verfahren B2417/97 hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien eine Schubhaftbeschwerde als unbegründet abgewiesen.

2. In ihren gegen diese Bescheide gerichteten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten bzw. wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt und begehren die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Sämtliche Schubhaftbeschwerden langten bei der belangten Behörde nach dem 1. Jänner 1997, die Beschwerden - bzw. der Verfahrenshilfeantrag im Verfahren B2417/97 zur Erhebung einer Beschwerde - gemäß Art144 B-VG langten beim Verfassungsgerichtshof vor dem 2. Oktober 1997 (Beginn der nichtöffentlichen Beratung zu V17/97 ua.) ein.

3. Die belangte Behörde hat jeweils die Verwaltungsakten vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

II.Mit Erkenntnis vom 10. Oktober 1997, V17/97 ua., hob der Verfassungsgerichtshof die vom Präsidenten des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien erlassene Geschäftsverteilung für das Jahr 1997, UVS - GV/5/96, als gesetzwidrig auf, da sie von einem unzuständigen Organ erlassen worden war.

III.1. Gemäß Art139 Abs6 B-VG

wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986, 11711/1988).

2. Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren zu V17/97 ua. begann am 2. Oktober 1997. Die vorliegenden Beschwerden sind - außer im Verfahren B2417/97 - bereits zuvor beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, waren also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig.

Der das Verfahren B2417/97 einleitende Verfahrenshilfeantrag ist am 22. September 1997 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Die in der Folge durch eine Rechtsanwältin eingebrachte Beschwerde galt als zum Zeitpunkt der Einbringung des Verfahrenshilfeantrages erhoben und damit beim Verfassungsgerichtshof anhängig.

Die genannten Fälle sind daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.

3. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung der angefochtenen Bescheide die als gesetzwidrig befundene - und als Verordnung qualifizierte - Geschäftsverteilung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien für das Jahr 1997 an. Es ist nach Lage der Fälle nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Anwendung dieser Verordnung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war.

Es ist daher auszusprechen, daß die Beschwerdeführer durch die bekämpften Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt wurden, sowie daß sämtliche Bescheide aufgehoben werden (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985).

IV.1. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer von je S 3.000,-

enthalten. Die im Verfahren zu B1939/97 beantragten Barauslagen werden nicht zugesprochen, da diese bereits im Pauschalbetrag enthalten sind.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B239.1997

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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