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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung der Richtlinie"Arzt und Öffentlichkeit" infolge Anhängigkeit einesDisziplinarverfahrens; keine Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes;Individualantrag bloß subsidiärer RechtsbehelfSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. In seinem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter, der Verfassungsgerichtshof wolle die Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer vom 12. Dezember 2003, kundgemacht in der Österreichischen Ärztezeitung Nr. 5/2004, zur Gänze als gesetzwidrig aufheben.
2.1. Zu seiner Antragslegitimation führt der Einschreiter Folgendes aus:
"Zum Nachweis meiner Antragslegitimation verweise ich darauf, dass ich Arzt für Allgemeinmedizin bin und daher dieser Richtlinie unterworfen bin. Für den Fall des Zuwiderhandelns muss ich mit einem Disziplinarverfahren rechnen. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Ärztekammer für Steiermark und Kärnten wurde ich zu DK ... vom 29.11.2005 wegen Verstoßes gegen diese Richtlinie zu einer Disziplinarstrafe, nämlich Untersagung der befristeten Berufsausübung für die Zeit von einem Jahr verurteilt. Gegen dieses Erkenntnis habe ich rechtzeitig berufen. Die mündliche Berufungsverhandlung fand am 5.2.2007 beim Disziplinarsenat der Österreichischen Ärztekammer 1010 Wien, Weihburggasse 10-12 statt. Dabei wurde das erstinstanzliche Erkenntnis aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz rückverwiesen. Das Berufungserkenntnis wurde mir bis heute nicht zugestellt. In Disziplinarangelegenheiten habe ich auch keine Möglichkeit dieses Erkenntnis zu beschleunigen. Bei einem Aufhebungsbeschluss fehlt mir auch die Antragslegitimation zum Verfassungsgerichtshof. Im Ergebnis wird mir vorgehalten, dass ich bei impfkritischen Vorträgen von aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen bzw. medizinisch praktischen Erfahrungen abweiche, sodass der Inhalt meiner Vorträge schädlich für Patienten sein könnte. Es ist mir nicht zumutbar, noch ein Jahr auf ein rechtskräftiges Erkenntnis zu warten bzw. laufe ich auch ständig Gefahr, bei meinen derzeitigen Vorträgen wiederum gegen diese Richtlinie in der Öffentlichkeit zu verstoßen und mich neuerlichen Disziplinaranzeigen stellen zu müssen."
2.2. In der Sache behauptet der Einschreiter, dass die angefochtene Richtlinie im Gesetz keine Deckung finde, da es in dieser nicht um die Berufsausübung, sondern um das Wirken des Arztes in der Öffentlichkeit gehe und demnach Informationen verboten werden sollen, die angeblich wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen. Damit werde aber auch in das Recht "der freien Lehre und Forschung und in das Recht der freien Meinungsäußerung gemäß Art10 EMRK" eingegriffen.
II. Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 (letzter Satz) B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998,
16.345/2001 und 16.836/2003).
Ein solcher - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist bzw. war, das den von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich die Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen; eine Ausnahme besteht nur für den Fall, dass besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der ihr dort offen stehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Normprüfungsantrages einzuräumen. Zwar ist es dem Rechtsunterworfenen unzumutbar, eine von der Rechtsordnung verbotene Handlung zu setzen und damit ein Strafverfahren zu provozieren, um solcherart Gelegenheit zu bekommen, ein amtswegiges Normprüfungsverfahren zu initiieren. Ist ein Strafverfahren aber ohnehin bereits anhängig, so ist es dem Beschuldigten durchaus zumutbar, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde nach Art144 B-VG zu erheben und darin seine Bedenken gegen die generelle Norm vorzubringen. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass das Gleiche hinsichtlich eines Disziplinarverfahrens gilt (vgl. VfSlg. 12.150/1989).
2. Im vorliegenden Fall hat der Einschreiter eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen das in der Zwischenzeit zugestellte - unter Pkt. I.2.1. erwähnte - Erkenntnis des Disziplinarsenates der Österreichischen Ärztekammer beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, mit welchem das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen wurde, erhoben.
3. Mit einem (Individual-)Antrag nach Art139 und Art140 B-VG soll keinesfalls eine Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes eröffnet werden, die mit dem Charakter des Individualantrages eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (s. etwa VfSlg. 8652/1979, 11.114/1986, 12.395/1990). Der Antrag war daher zurückzuweisen, ohne dass auf das Vorliegen von etwaigen anderen Zurückweisungsgründen einzugehen war.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Ärzte, DisziplinarrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:V46.2007Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009