Entscheidungsdatum
30.11.2017Index
83 Naturschutz Umweltschutz;Norm
AWG 2002 §1 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin MMag. Dr. Barbara Besler über die Beschwerde der AA AG, Adresse 1, Z, vertreten durch die BB Rechtsanwälte GmbH, Adresse 2, Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 10.11.2016, Zahl ****, betreffend Feststellung gemäß § 10 Abs 1 Z 1 und 2 Altlastensanierungsgesetz (sonstige Partei: Bund, vertreten durch das Zollamt Z, Adresse 3, Z) nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:
Gemäß den §§ 2 Abs 4 und 10 Abs 1 Z 1 Altlastensanierungsgesetz, BGBl Nr 299/1989 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 52/2009, wird über Antrag des Bundes, vertreten durch das Zollamt Z in Z, Adresse 3, festgestellt, dass das im Zuge der Errichtung des mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft X vom 22.07.2008, Zahlen **** und ****, und vom 20.05.2010, Zahlen **** und ****, nach dem WRG 1959, dem ForstG 1975 und dem TNSchG 2005 bewilligten Sondierstollens Wtal auf dem im Eigentum der Agrargemeinschaft U stehenden Gst-Nr **** in EZ *** GB **** V angefallene und sich nunmehr auf Teilflächen der im Eigentum der AA AG, Adresse 1, Z, stehenden Gst-Nr **** in EZ **** GB **** V (95 m²) und **** in EZ **** GB **** V (3.834 m²) sowie der im Eigentum der Gemeinde V stehenden Gst-Nr **** in EZ *** GB **** V (879 m²) befindliche Tunnelausbruchmaterial im Ausmaß von 10.013 m³ kein Abfall im Sinne des AWG 2002 ist.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Beschwerdeführerin ist grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft in EZ **** GB **** V, bestehend unter anderen aus Gst-Nr ****, und der Liegenschaft in EZ **** GB **** V, bestehend unter anderen aus Gst-Nr ****.
Die Gemeinde V ist grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft in EZ *** GB **** V. Zum Gutsbestand dieser Liegenschaft gehört unter anderen das Gst-Nr ****.
Die Liegenschaft in EZ *** GB **** V, bestehend unter anderen aus Gst-Nr ****, steht im grundbücherlichen Alleineigentum der Agrargemeinschaft U.
Die Beschwerdeführerin beantragte am 23.12.2009 bei der Tiroler Landesregierung die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens Speicherkraftwerk (SKW) T nach dem UVP-G 2000. Nach mehreren Antragsänderungen wurde ihr die beantragte Genehmigung mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24.06.2016, Zahl ****, in der Fassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2017, Zahl ****, erteilt.
Zur Erkundung der geologischen Verhältnisse wurde der Beschwerdeführerin bereits mit Bescheiden der belangten Behörde vom 22.07.2008, Zahlen **** und ****, und vom 20.05.2010, Zahlen **** und ****, die Bewilligung nach dem WRG 1959, dem ForstG 1975 und dem TNSchG 2005 für den Sondierstollen Wtal auf dem im Eigentum der Agrargemeinschaft U stehenden Gst-Nr **** gemäß dem signierten und von der Beschwerdeführerin erstellten Einreichoperat Nr **** vom März 2008, samt Ergänzung Nr **** vom Juni 2008 und den in der mündlichen Verhandlung am 24.06.2008 erfolgten Ergänzungen erteilt. Die Bewilligungen umfassten die Zwischenlagerung des anfallenden Tunnelausbruchmaterials im Ausmaß von circa 15.000 m³ auf den im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Gst-Nr **** und **** und dem im Eigentum der Gemeinde V stehenden Gst-Nr **** (Gesamtfläche circa 4.500 m²). Nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Verhandlung am 24.06.2008 sollte das Tunnelausbruchmaterial maximal drei Jahre zwischengelagert und in den Schüttdamm des Vorhabens Speicherkraftwerk (SKW) T eingebaut werden, sofern dieses realisiert werden dürfe.
Infolge ihres Antrags vom 16.04.2015 (dieser wurde auf Anraten der belangten Behörde vorsichtshalber gestellt) erteilte die gemäß § 38 Abs 6a AWG 2002 zuständige belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 22.06.2016, Zahlen **** und ****, nachträglich die bis zum 01.01.2025 befristete abfallwirtschafts- und naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Bodenaushubdeponie für die Abfallart Bodenaushub (Schlüssel-Nr ****) im Ausmaß von 10.013 m³ auf Teilflächen der im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Gst-Nr **** (3.834 m²) und **** (95 m²) sowie der im Eigentum der Gemeinde V stehenden Gst-Nr **** (879 m²), sohin auf einer Gesamtfläche von 4.808 m², gemäß dem signierten und von der Beschwerdeführerin erstellten Einreichoperat Nr **** vom März 2015.
Aus den zum Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24.06.2016, Zahl ****, in der Fassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2017, Zahl ****, signierten Projektsunterlagen ergibt sich die Verwendung des Sondierstollens als Entwässerungsstollen. Das Tunnelausbruchmaterial soll demnach auf den im Eigentum der Agrargemeinschaft U stehenden Gst-Nr **** und auf dem im Eigentum der Gemeinde V stehenden Gst-Nr **** als Schüttmaterial für die Zufahrtsstraße zum Damm bzw für den Speicherdamm selbst Verwendung finden.
Mit Schriftsatz vom 29.02.2016 beantragte die Beschwerdeführerin unter Einreichung des mit 29.02.2008 datierten Technischen Berichts Nr **** mit dem Titel „SKW T – Sondierstollen Wtal – Einreichung zur naturschutz- und wasserrechtlichen Bewilligung“ (Beilage ./1) (Anmerkung: im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stellte sich heraus, dass es sich hierbei nicht um ein zu den Bescheiden der belangten Behörde vom 22.07.2008, Zahlen **** und ****, und vom 20.05.2010, Zahlen **** und ****, signiertes Dokument handelt), vierer aus den signierten Projektsunterlagen zum Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24.06.2016, Zahl ****, in der Fassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2017, Zahl ****, stammender Dokumente [Vorhabensbeschreibung-Anlagenbeschreibung (Beilage ./2), Vorhabensbeschreibung-Bauphase (Beilage ./3), zweier Pläne (Beilagen ./4 und ./5)], der Schreiben der belangten Behörde vom 06.02.2014 und vom 06.10.2014 (Beilagen ./6 und ./7) und des Inspektionsberichts vom 30.11.2015 (Beilage ./8) gemäß § 6 Abs 1 Z 1 AWG 2002 die Feststellung, dass es sich beim Tunnelausbruchmaterial nicht um Abfall im Sinne des AWG 2002 handelt.
Mit Schriftsatz vom 18.07.2016 beantragte die sonstige Partei gemäß § 10 Abs 1 Z 1 und 2 Altlastensanierungsgesetz die Feststellung, ob es sich beim Tunnelausbruchmaterial um Abfall im Sinne des AWG 2002 handelt und dieser Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt.
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde über diesen Antrag gemäß § 10 Abs 1 Z 1 und 2 Altlastensanierungsgesetz fest, dass es sich bei diesem Material um Abfall handelt und dieser dem Altlastenbeitrag unterliegt.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass von Anfang an kein Entledigungswille bestanden habe, weil bereits im Einreichoperat zum Sondierstollen das UVP-Vorhaben und die konkrete Verwendung des Materials benannt worden seien. Abgesehen davon, dass auch der objektive Abfallbegriff nicht erfüllt sei, sei jedenfalls die Ausnahme nach § 3 Abs 1 Z 8 AWG 2020 gegeben. Sie beantragte die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass festgestellt werde, dass das verfahrensgegenständliche Material kein Abfall im Sinne des AWG 2002 darstellt.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren übermittelte die Beschwerdeführerin das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2017 zu **** (vgl OZ 3), erstattete die Stellungnahme vom 12.09.2017 und legte diverse Urkunden [Sondierstollen Wtal, Lageplan 1:2000, **** (Beilage ./1), Sondierstollen Wtal, Katasterlageplan (Beilage ./2), Speicherkraftwerk T, Katasterlageplan, B.08.01.1012 (Beilage ./3), Speicherkraftwerk T, Vorhabensbeschreibung, B-3, S 61f (Beilage ./4), Speicherkraftwerk T, Vorhabensbeschreibung, B-3, S 181 (Beilage ./5), Speicherkraftwerk T, Flussdiagramm Baumassen, B.03.01.1003 (Beilage ./6), Speicherkraftwerk T, Rekultivierungsplan, B.07.03.1001 (Beilage ./7), Zustimmungserklärung der Gemeinde V (Beilage ./8), Zustimmungserklärung der Agrargemeinschaft U (Beilage ./9)] (vgl OZ 7) vor. Das Verwaltungsgericht holte das zu den Bescheiden der belangten Behörde vom 22.07.2008, Zahlen **** und ****, und vom 20.05.2010, Zahlen **** und ****, signierte Einreichoperat Nr **** vom März 2008, samt Ergänzung Nr **** vom Juni 2008, die Verhandlungsschrift der belangten Behörde vom 24.06.2008, den Antrag der Beschwerdeführerin vom 16.04.2015, das zum Bescheid der belangten Behörde vom 22.06.2016, Zahlen **** und ****, signierte Einreichoperat Nr **** vom März 2015, (vgl OZ 8) sowie die Stellungnahmen von Amtssachverständigen aus den Fachbereichen Tiere und Pflanzen (vgl OZ 16), Landschaftsbild (OZ 17), Wasser (OZ 18) und Boden (OZ 19) ein.
Die öffentliche mündliche Verhandlung fand am 22.11.2017 unter Anwesenheit der Vertreter der Beschwerdeführerin, der sonstigen Partei und der vier Amtssachverständigen statt (vgl Verhandlungsschrift in OZ 21).
Zum strittigen Vorbringen wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in das Grundbuch, die oben angeführten Dokumente / Unterlagen sowie Einvernahme der vier Amtssachverständigen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung (vgl OZ 21).
I. Demnach steht – ergänzend zum obigen unstrittigen Sachverhalt – nachfolgender weiterer entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Bereits vor Errichtung des mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft X vom 22.07.2008, Zahlen **** und ****, und vom 20.05.2010, Zahlen **** und ****, nach dem WRG 1959, dem ForstG 1975 und dem TNSchG 2005 bewilligten Sondierstollens Wtal hatte die Beschwerdeführerin die Absicht das auf Gst-Nr **** anfallende und sich nunmehr auf den Gst-Nr ****, **** und **** befindliche Tunnelausbruchmaterial für die Realisierung des inzwischen mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24.06.2016, Zahl ****, in der Fassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2017, Zahl ****, genehmigten Vorhabens Speicherkraftwerk (SKW) T zu verwenden. Konkret war stets beabsichtigt dieses Material auf den Gst-Nr **** und **** als Schüttmaterial zur Verwirklichung dieses Vorhabens zu verwenden, sofern dieses genehmigt wird.
Durch das aus Gst-Nr **** stammende und sich auf den Gst-Nr ****, **** und **** befindliche Tunnelausbruchmaterial können Gefahren für Wasser, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen nicht verursacht werden, kann die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden nicht beeinträchtigt werden und wird das Landschaftsbild nicht erheblich beeinträchtigt. Es ist unwahrscheinlich, dass durch dieses Material die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können, Gefahren für Luft verursacht werden können, die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann, Brand- und Explosionsgefahren herbeigeführt werden können, Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können, das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können, die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder Ortsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.
II. Den obigen Tatsachenfeststellungen liegt nachstehende Beweiswürdigung zugrunde:
Die Feststellung zum subjektiven Abfallbegriff stützt sich auf die Verhandlungsschrift der belangten Behörde vom 24.06.2008. Abgesehen davon, dass es schon deswegen Sinn macht, Tunnelausbruchmaterial, das im Zuge von Vorerkundungsmaßnahmen anfällt, an Ort und Stelle zur Realisierung des Vorhabens nach dem UVP-G 2000 wieder zu verwenden, um Kosten zu sparen, hat diese Tatsache selbst die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 22.06.2016, Zahlen **** und ****, und dem angefochtenen Bescheid für gegeben erachtet und deckt sich diese mit der Auffassung der UVP-Behörde (vgl S 414 in ihrem Bescheid vom 24.06.2016, Zahl ****).
Was den objektiven Abfallbegriff betrifft, so ist auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles abzustellen. Zumal eine Beeinträchtigung bezüglich der öffentlichen Interessen Tiere und Pflanzen, Landschaftsbild, Wasser und Boden im vorliegenden Fall nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, wurden hierzu Stellungnahmen von Amtssachverständigen eingeholt. Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit dieser Stellungnahmen bestehen nicht. Was die übrigen öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs 3 AWG 2002 betrifft, so ist eine mögliche Beeinträchtigung bezogen auf den konkreten Fall und die vorliegenden Verhältnisse von vornherein unwahrscheinlich. Dies ist unstrittig.
III. Der obige unstrittige und darüber hinaus festgestellte Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu beurteilen:
Im gegenständlichen Fall gelangen das Altlastensanierungsgesetz, BGBl I Nr 299/1989 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 52/2009, und das Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), BGBl I Nr 102/2002 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 115/2009, zur Anwendung.
Verfahrensgegenständlich ist der auf § 10 Abs 1 Z 1 und 2 Altlastensanierungsgesetz gestützte Antrag des Bundes, vertreten durch das Zollamt Z, die belangte Behörde möge feststellen, ob das im Zuge der Errichtung des mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft X vom 22.07.2008, Zahlen **** und ****, und vom 20.05.2010, Zahlen **** und ****, nach dem WRG 1959, dem ForstG 1975 und dem TNSchG 2005 bewilligten Sondierstollens Wtal auf dem im Eigentum der Agrargemeinschaft U stehenden Gst-Nr **** angefallene und sich nunmehr auf Teilflächen der im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Gst-Nr **** und **** und der im Eigentum der Gemeinde stehenden Gst-Nr **** befindliche Tunnelausbruchmaterial Abfall im Sinne des AWG 2002 ist.
Nach § 10 Abs 1 Z 1 Altlastensanierungsgesetz hat die Behörde (§ 21) in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners oder des Bundes, vertreten durch das Zollamt, durch Bescheid festzustellen, ob eine Sache Abfall ist (Z 1) und ob ein Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt (Z 2).
Abfälle im Sinne des Altlastensanierungsgesetzes sind Abfälle gemäß § 2 Abs 1 bis 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), BGBl I Nr 102 (vgl § 2 Abs 4 Altlastensanierungsgesetz).
Nach § 2 Abs 1 AWG 2002 sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (Z 1) oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen nicht zu beeinträchtigen (Z 2). Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung gemäß § 1 Abs 3 AWG 2002 als Abfall erforderlich, wenn andernfalls die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können (Z 1), Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können (Z 2), die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann (Z 3), die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann (Z 4), Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können (Z 5), Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können (Z 6), das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können (Z 7), die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann (Z 8) oder Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können (Z 9).
Für die Feststellung, dass es sich bei einer Sache um Abfall im Sinne des § 2 Abs 1 AWG 2002 handelt, genügt es, wenn entweder der subjektive Abfallbegriff (vgl § 2 Abs 1 Z 1 AWG 2002) oder der objektive Abfallbegriff (vgl § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002) als erfüllt anzusehen ist.
Ausgehend von den getroffenen Feststellungen, wonach die Beschwerdeführerin das anfallende Tunnelausbruchmaterial stets im Zuge der Realisierung des Vorhabens Speicherkraftwerk (SKW) T verwenden wollte, liegt auf der Hand, dass sie sich des Tunnelausbruchmaterials nicht entledigt hat und sich dessen nicht entledigen will. Der subjektive Abfallbegriff nach § 2 Abs 1 Z 1 AWG 2002 ist somit vorliegend nicht erfüllt.
Aus den getroffenen Feststellungen geht hervor, dass die in § 1 Abs 3 AWG 2002 angeführten öffentlichen Interessen im Hinblick auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles auch dann nicht beeinträchtigt werden können, wenn das Tunnelausbruchmaterial nicht als Abfall gesammelt, gelagert, befördert oder behandelt wird. Insofern ist auch der objektive Abfallbegriff nach § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002 hier nicht erfüllt.
Im Ergebnis ist der Beschwerde Folge zu geben und festzustellen, dass das gegenständliche Tunnelausbruchmaterial kein Abfall im Sinne des AWG 2002 ist. Damit erübrigt sich eine Feststellung nach § 10 Abs 1 Z 2 AWG 2002.
IV. Begründung für die Nichtzulassung der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall waren im Wesentlichen Beweise zu würdigen und der Sachverhalt zu klären. Darüber hinaus orientiert sich die Entscheidung an der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 24.11.2016, Ro 2014/07/0024). Insofern liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht vor und ist auszusprechen, dass die ordentliche Revision unzulässig ist.
Landesverwaltungsgericht Tirol
MMag. Dr. Barbara Besler
(Richterin)
Schlagworte
Abfallbegriff; Tunnelausbruchmaterial; Entledigungsabsicht;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2016.34.2807.22Zuletzt aktualisiert am
20.12.2017