Entscheidungsdatum
20.11.2017Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W177 1407612-2/22E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, St.A. Afghanistan, vertreten durch Mag.a Susanne SINGER, 4600 Wels, gegen den Bescheid des BAA 15.07.2013, Zl. 0902.131-BAT zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchteil III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1 Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen die Republik Österreich ein und stellte am 18.02.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 19.02.2009 gab der Beschwerdeführer an, er sei am XXXX (Annahme), in Jaghatu, in Afghanistan geboren worden, gehöre der Volksgruppe der Hazara an, sei shiitischer Moslem und ledig.
Zum Fluchtgrund befragt, antwortete der Beschwerdeführer, er habe seine Heimat verlassen, weil er, seine leibliche Schwester und seine leibliche Mutter von seiner Stiefmutter und den Stiefbrüdern schikaniert worden seien. Sie hätten den Beschwerdeführer misshandelt und verhindert, dass er zur Schule gehen durfte. Er hätte auch keine Arbeit annehmen dürfen. Die Stiefbrüder hätten gestohlen und andere schlechte Sachen gemacht und hätten versucht den Beschwerdeführer anzustiften, sich ihnen anzuschließen. Als der Beschwerdeführer dies abgelehnt hätte, hätten sie ihn immer wieder geschlagen. Seine leibliche Mutter habe ihn aus Afghanistan weggeschickt.
Dem Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde vorgehalten, dass ein Zettel mit einem Text in darischer Sprache mit folgendem Inhalt gefunden in seinen Sachen gefunden worden sei: "Wir haben in der Provinz Helmand gelebt. Zunächst haben die Taliban meine Schwester vergewaltigt. Sie war zwei Monate verschollen. Nachdem sie nicht wieder erschien, hat mein Vater diese Taliban gesehen. Später hat mein Vater den Sohn dieser Taliban getötet." Der Beschwerdeführer gab an, dass dies stimme. Seine Schwester sei von den Taliban vergewaltigt worden. Die Stiefbrüder hätten sie gegen ihren Willen mit einem Mann aus der Provinz Helmand verheiratet. Sein Vater hätte diese Heirat nicht verhindern können. Der Beschwerdeführer würde sich vor seinen Stiefbrüdern, die gefährliche Kriminelle seien, fürchten.
1.2 Am 24.02.2009 in der Einvernahme zum Asylverfahren, wurde ein Rechtsvertreter dem mj. Beschwerdeführer zur Seite gestellt. Er berichtigte das Geburtsdatum (XXXX) und das Geburtsdatum seiner Eltern. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, seine Stiefbrüder seien sehr grausam zu ihm gewesen. Die Stiefbrüder hätten gegen die Gesetze verstoßen und gestohlen. Sie hätten ihn aufgefordert, sich ihnen anzuschließen, wie ein Bruder. Wenn der Beschwerdeführer sich geweigert hätte, hätten sie ihn geschlagen und gefoltert. Sie hätten auch mit den Taliban zusammengearbeitet. Die Stiefbrüder hätten den Beschwerdeführer aufgefordert Schriftstücke irgendwohin zu bringen. Der Beschwerdeführer wäre geschlagen worden, wenn er sich geweigert hätte. Die Schwester des Beschwerdeführers sei zur Heirat in Helmand gezwungen worden. Die Mutter hätte mit Hilfe des Onkels seine Ausreise organisiert.
1.3 Die forensische Altersschätzung vom 26.05.2009 ergab, dass der Beschwerdeführer zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter von 17 Jahren hatte.
1.4 Mit Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Die Fluchtgeschichte sei glaubwürdig, der Beschwerdeführer habe gleichbleibende, substantiierte Angaben welche mit den Tatsachen oder allgemeinen Erfahrungen übereinstimme, gemacht. Der Vater, die Mutter, der Onkel mütterlicherseits und die Tante mütterlicherseits würden im selben Dorf leben. Die Familie würde Grundstücke besitzen, welche vom Vater bewirtschaftet werden würden. Das Fluchtvorbringen könne nicht in die GFK Gründe eingeordnet werden. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgebender Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung ausgesetzt sei. Es würden keine sonstigen Abschiebungshindernisse vorliegen.
1.5 In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde auf die Sicherheitslage in Afghanistan Bezug genommen. Die belangte Behörde hätte verabsäumt, sich damit ausführlich und nicht voreingenommen auseinander zusetzen. Die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz Ghazni würde sich kontinuierlich verschlechtern.
2.1 Der Asylgerichtshof wies den Bescheid zur neuerlichen Verhandlung und Beweisaufnahme an die belangte Behörde zurück.
2.2 In der Niederschrift zum Antrag auf internationalen Schutz vom 20.12.2012 gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Dokumente habe, deshalb habe er sich Schulzeugnisse aus Afghanistan schicken lassen. Der Beschwerdeführer gab an, im Elternhaus mit der leiblichen Mutter, dem Vater, der Stiefmutter, drei Halbbrüdern, einer Halbschwester und einer leiblichen Schwester gelebt zu haben. Die leibliche Schwester sei vor etwa drei Jahren von den Halbbrüdern zwangsverheiratet worden. Die Mutter des Beschwerdeführers sei im Jahr 2010 in Kabul gewesen. Die Halbbrüder hätten der Mutter zwei Zähne ausgeschlagen. Der Beschwerdeführer habe ihr Geld geschickt, mit welchem sie in den Iran geflohen sei. Er habe noch einmal Kontakt gehabt und danach nicht mehr.
Auf die Frage in welcher Weise seine Halbbrüder mit den Taliban zusammen gearbeitet hätten, antwortete der Beschwerdeführer, die Halbbrüder seien bewaffnet mit den Taliban unterwegs gewesen und hätten Häuser geplündert oder auch gestohlen. Die Taliban hätten sie dafür bezahlt, dass sie solche Aufgaben erfüllen würden. Er habe Afghanistan aus Angst vor den Halbbrüdern verlassen.
2.3 In der Stellungnahme wurde auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und die derzeitige Situation in Afghanistan Bezug genommen. Es wurde der Bericht über die Sicherheitslage der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 03.09.2012 übermittelt.
2.4 Mit angefochtenem Bescheid vom 15.07.2013 wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Die belangte Behörde führte aus, dass die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes unglaubwürdig seien. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an Übergriffen und Morddrohungen seitens der angeblichen Halbbrüder gelitten habe. Die Schilderungen zu den Familienverhältnissen im Heimatland seien unglaubwürdig, ebenso die behauptete Gefährdungssituation durch die Halbbrüder, sowie die Erklärung, keinen Kontakt zu seiner Familie zu haben. Die Schilderungen seien widersprüchlich und unglaubwürdig.
2.5 In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde gab der Beschwerdeführer an, dass seine vorgebrachten Fluchtgründe der Wahrheit entsprechen würden. Es seien keine wirklichen Widersprüche in seinen Aussagen zu sehen. Der Beschwerdeführer sei bereits 4,5 Jahren in Österreich aufhältig und habe sich gut integriert. Dieser Umstand sei nicht berücksichtigt worden. Die Lage in Afghanistan sei als instabil anzusehen.
2.6 Am 29.05.2015 ersuchte die Rechtsvertreterin um Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Er würde sich seit 18.08.2009 in Österreich aufhalten. Es wurde der Taufschein vom XXXX, "Perzische Kerk Kores" übermittelt. Am 31.08.2015 ersuchte der Beschwerdeführer sein Verfahren rasch abzuschließen.
3.1 Dieses Verfahren wurde am 11.01.2017 der dieser Gerichtsabteilung zugewiesen.
3.1 Am 31.08.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin teilnahmen.
Die Rechtsvertreterin teilte dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass der Beschwerdeführer aus der islamischen Kirche ausgetreten sei, und sich am XXXX taufen habe lassen. Der Beschwerdeführer lebe regelmäßig seinen neuen Glauben.
Der Beschwerdeführer gab an im Jahr 2015 in XXXX getauft worden zu sein. Die Taufväter seien aus Holland angereist und er sei in XXXX getauft worden. Das Taufzeugnis sei ein holländisches Taufzeugnis. Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass die Person, die ihn getauft habe, aus Holland gewesen sei. Er gehöre der protestantischen Glaubensrichtung an. Die Unterschiede, kenne er nicht so gut. Er gehe regelmäßig in die Baptistengemeinde in XXXX, jeden Samstag und manchmal auch am Mittwoch.
Am Samstag würden sie sich treffen, gemeinsam Kaffee trinken, sich unterhalten und spielen z.B. Fußball. Am Sonntag besuche der Beschwerdeführer den Gottesdienst von 9 bis 12 Uhr. Es werde gebetet und gesungen. Danach spreche der Pfarrer. Die Anwesenden hätten Kopfhörer, in denen diese Predigt auf Farsi übersetzt werde. Der Pastor predige auf Deutsch.
Dem Beschwerdeführer fasziniere am christlichen Glauben, die Freundlichkeit der Menschen. Ihm habe es gefallen am Gottesdienst teilzunehmen. Er habe beschlossen, öfter daran teilzunehmen. Er sei sehr nett empfangen worden und habe das Gefühl gehabt, dass die Menschen sehr ehrlich und aufrichtig seien.
Auf die Frage des Richters antwortet der Beschwerdeführer, er sei so wie der Durchschnitt gläubiger Menschen gewesen. Er habe nicht fünfmal am Tag gebetet.
Er bete im christlichen Glauben regelmäßig zu Gott und gehe auch zur Kirche.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara zugehörig. Er war muslimischen Glaubens und ist nun getaufter Christ. Er ist aus dem Islam ausgetreten und zum Christentum konvertiert.
Er ist in das baptistische-evangelische Leben in der Baptistengemeinde XXXX miteingebunden.
1.2 Länderfeststellungen zu Afghanistan
Auszug: 16.2. Christen und Konversionen zum Christentum
Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich nicht öffentlich bekennen. Sie beträgt aber wohl weniger als ein Prozent der Bevölkerung Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, das mit dem Tod bestraft werden könnte); sofern die Konversion nicht widerrufen wird (USDOS 28.7.2014).
Aus Angst vor Diskriminierung, Verfolgung, Verhaftung und Tod, bekennen sich Christen nicht öffentlich zu ihrem Glauben und versammeln sich nicht offen um zu beten. Gefahr droht Konvertiten oft aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld. Repressionen gegen Konvertiten sind in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften. Jedoch ist die gesellschaftliche Einstellung zu konvertierten Christen weitgehend feindlich geprägt. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen.
Berichten zufolge, gab es keine Informationen über Verhaftungen von Christen, jedoch sind viele von ihnen nach Indien ausgewandert. Ferner gab es keine Berichte zu Belästigungen von Christ/innen, noch von Konversionen zum Christentum. Die kleine christliche Gemeinde blieb im Untergrund, vermutlich aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung. Die einzige bekannte Kirche im Land operiert auch weiterhin auf dem Gelände der italienischen Botschaft.
Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen mehr gibt. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen Nichtregierungsorganisationen (NROs) abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen.
Christliche Gottesdienste für die internationale Gemeinschaft finden u. a. in verschiedenen Botschaften sowie auf den RS-Geländen statt. Einem Bericht einer kanadischen christlichen Organisation zufolge, wächst die Zahl der Hauskirchen in Afghanistan. In diesem Bericht wird angedeutet, dass einige Mitglieder des Parlaments selbst das Christentum angenommen und an christlichen Gottesdiensten teilgenommen haben (The Voice of the Martyrs Canada 5.4.2012). Die im Libanon geborenen Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghanis, entstammt einer christlich-maronitischen Familie.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und zu der familiären Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Sprachkenntnissen und seinen diesbezüglichen Angaben.
Der Beschwerdeführer wirkte persönlich glaubwürdig und schilderte seine Situation in Einzelheiten. Er ist in die baptistische Kirchengemeinschaft eingebunden. Ein wichtiger Aspekt des christlichen Glaubens ist die Ehrlichkeit, welche dem Beschwerdeführer am Herzen liegt. Der Beschwerdeführer identifiziert sich mit den christlichen Werten und konnte dies glaubwürdig dem Bundesverwaltungsgericht vermitteln.
2.2 Zu den Länderfeststellungen
Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt somit in gegenständlicher Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (§ 3 Abs. 2 AsylG 2005).
Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, Zl. 99/01/0279, mwN).
Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. So ist dem Herkunftsstaat eine Verfolgung sowohl dann zuzurechnen, wenn sie von dessen Organen direkt gesetzt wird, als auch, wenn der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgungshandlung hintan zu halten (vgl. VwGH 06.10.1998, ZI. 96/20/0287; VwGH 23.07.1999, ZI. 99/20/0208).
Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233, mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, Zl. 92/01/1081; VwGH 14.03.1995, Zl. 94/20/0798).
Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer aus dem Islam ausgetreten. Er wurde am XXXX getauft und besucht die evangelisch-baptistische Kirche in XXXX. Er ist von den Werten des christlichen Glaubens überzeugt. Die Ernsthaftigkeit dieses Schrittes ist durch das Ermittlungsverfahren ausreichend objektiviert. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist es auch nicht entscheidend ist, ob die Konversion bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, sondern ob die Person bei Ausübung ihres inneren Entschlusses im Herkunftsland mit Verfolgung zu rechnen hätte (VwGH, 11.11.2009, Zl. 2008/23/0721, mwN). Nach der Rechtsprechung des BVwG droht afghanischen KonvertitInnen bzw. ApostatInnen Verfolgung aus religiösen Gründen. In diesem Zusammenhang ist den zutreffenden Ausführungen der Rechtsvertreterin vollinhaltlich zu folgen.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 5. September 2012, C- 71/11 und C-99/11, BRD gg Y Z, ua. ausgeführt, dass es einer aus religiösen Gründen verfolgten Person nicht zugemutet werden kann, ihre Überzeugung geheim zu halten, um einer Verfolgung zu entgehen.
Gemessen an diesen Maßstäben befindet sich der Beschwerdeführer aus begründeter Furcht vor Verfolgung aus religiösen Gründen außerhalb seines Heimatlandes. Der Beschwerdeführer ist damit im Falle seiner Rückkehr von einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung i.S. von § 3 Abs. 1, bedroht.
Da der Beschwerde gegen Spruchteil I. des im Spruch bezeichneten Bescheides stattzugeben war, war Spruchteil III. pro forma (ersatzlos) zu beheben.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Konversion, Nachfluchtgründe,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W177.1407612.2.00Zuletzt aktualisiert am
19.12.2017