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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §33 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des SH, geboren am 1. April 1966, vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. April 1998, Zl. 201.512/0-VI/17/98, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger beantragte am 10. März 1997 die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. April 1997 gemäß § 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde gemäß § 63 Abs. 5 AVG mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Februar 1998 als verspätet zurückgewiesen.
In der Folge beantragte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. April 1997. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. März 1998 wurde dieser Antrag gemäß § 71 AVG abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. April 1998 wurde unter Spruchpunkt I die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. März 1998 gemäß § 71 AVG abgewiesen und unter Spruchpunkt II die - mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegte - Berufung des Beschwerdeführers vom 17. Februar 1998 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. April 1997 gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Mit Schriftsatz vom 8. März 2000 brachte die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof zur Kenntnis, dass der Beschwerdeführer folgendes Schreiben vom 16. Februar 2000 an das Bundesasylamt Linz gerichtet habe: "Ich ziehe meinen Asylantrag/meine Berufung zurück, da ich am 16. Februar 2000 auswandere." Die an diesem Tag erfolgte Auswanderung geht aus einem beigelegten Schriftstück der "International organization for migration" hervor.
Der Vertreter des Beschwerdeführers erklärte zu diesen ihm vorgehaltenen Schriftstücken, eine Stellungnahme dazu sei ihm nicht möglich, weil der Beschwerdeführer sich mit ihm nicht mehr in Verbindung gesetzt habe und er von diesem auch keinerlei Informationen erhalten habe. Eine Außerstreitstellung der Auswanderung bzw. der Echtheit der Zurückziehungserklärung sei daher nicht möglich. Er weise darauf hin, dass eine Zurückziehung des Asylantrages nach rechtskräftiger Entscheidung nicht mehr möglich sei und es einer Zurückziehung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof bedurft hätte. Demgemäß vertrete er die Auffassung, dass das Wiedereinsetzungsbegehren, wegen dessen Ablehnung der Verwaltungsgerichtshof angerufen worden sei, nicht gegenstandslos geworden sei.
Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.
Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides
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im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof
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eingetreten ist (vgl. dazu den Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).
§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss vom 9. April 1980 darlegte, zum Beispiel auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. unter vielen den hg. Beschluss vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0026). Ob in letzterem Sinne das rechtliche Interesse eines Beschwerdeführers weggefallen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nach objektiven Kriterien zu prüfen; er ist nicht an die Erklärung des Beschwerdeführers gebunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1991, Zl. 88/07/0061).
Der Verwaltungsgerichtshof geht - gestützt auf die Mitteilung der belangten Behörde vom 7. März 2000 und die beigelegten unbedenklichen Unterlagen - davon aus, dass der Beschwerdeführer am 16. Februar 2000 in Traiskirchen eine an das Bundesasylamt Linz gerichtete Erklärung unterschrieben hat, mit welcher er seinen Asylantrag bzw. die Berufung zurückgezogen hat, und am gleichen Tag in die USA ausgereist ist. Eine konkrete gegenteilige Behauptung stellt der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht auf, weshalb vom Zutreffen der genannten Mitteilung der belangten Behörde ausgegangen wird.
Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag (bzw. die Berufung) zurückgezogen und dadurch unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sein rechtliches Interesse an einer Entscheidung über seine Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid weggefallen ist. Im Hinblick darauf und auf die Auswanderung des Beschwerdeführers in die USA ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, welche praktische Bedeutung der Erledigung der Beschwerde noch zukommen sollte und welches rechtliche Interesse der Beschwerdeführer an der Sacherledigung des Verwaltungsgerichtshofes in der vorliegenden Beschwerdesache noch haben sollte.
Dabei ist es ohne Belang, dass vor dem Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall nicht die rechtskräftige Entscheidung über den Asylantrag selbst, sondern die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid in Beschwerde gezogen wurde. Auch in diesem Fall hat die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof das Ziel, letztlich in der Asylangelegenheit selbst einen anders lautenden Bescheid zu erlangen; dies wäre nach allfälliger Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Bewilligung der Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist möglich gewesen. Dass er daran kein Interesse mehr hat, hat der Beschwerdeführer aber durch die Zurückziehung des Asylantrages und seine Auswanderung klar zum Ausdruck gebracht. Welches rechtliche Interesse an der Entscheidung über die Beschwerde in der Wiedereinsetzungsangelegenheit angesichts dessen noch besteht, wurde vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht dargetan und ist auch somit nicht erkennbar.
Die Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 ist bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei einer Beschwerde nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.
Berücksichtigte man den nachträglichen Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der vorliegenden Beschwerde nicht, so ist davon auszugehen, dass die Beschwerde abzuweisen gewesen wäre. Die belangte Behörde hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht die Ansicht vertreten, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung jedenfalls abzuweisen war, sei es, weil dem Vertreter des Beschwerdeführers an der Fristversäumung ein den bloß minderen Grad eines Versehens übersteigendes Verschulden zur Last liegt und sein Verschulden dem Beschwerdeführer zuzurechnen war, sei es durch eigenes sorgloses Verhalten des Beschwerdeführers.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 58 Abs. 2 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. Juni 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998200254.X00Im RIS seit
20.11.2000