Entscheidungsdatum
22.11.2017Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W127 2138978-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. FISCHER-SZILAGYI über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2016, Zl. 1097203702-151899462, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.04.2017 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in die Republik Österreich eingereist und hat am 30.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 30.11.2015 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, er habe Afghanistan verlassen, da dort Unsicherheit herrsche. Es sei ihm nicht möglich gewesen, eine Schule zu besuchen. Aufgrund der Taliban und des IS sei es sogar gefährlich gewesen, in der Stadt einzukaufen. Er habe Angst, dass ihm in Afghanistan etwas zustoße, die Lage dort sei sehr gefährlich.
Der Beschwerdeführer wurde am 23.08.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dort gab er eingangs an, dass er in Afghanistan in dem Dorf XXXX im Bezirk XXXX in der Provinz Helmand gelebt habe. Seine Familie lebe noch in seinem Heimatdorf. Der Beschwerdeführer habe eine Tante väterlicherseits, welche in Kandahar lebe, und einen Onkel väterlicherseits, welcher in Jaghori lebe. Ein Onkel mütterlicherseits lebe in Pakistan. Er habe keinen Kontakt zu seiner Familie, da die Telefonverbindung inaktiv sei. Er sei in Verbindung mit einem Freund, von welchem er wisse, dass die Taliban zwei Telefonleitungen gekappt hätten. Er sei ledig und habe keine Kinder. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft an. Er habe keine Schule besucht und sei Analphabet. Als der Vater des Beschwerdeführers noch am Leben gewesen sei, habe der Beschwerdeführer als Tischler geholfen, danach habe er als Tagelöhner auf Grundstücken anderer gearbeitet. Am Vormittag habe er als Landwirt gearbeitet und am Nachmittag als Schneider. Zu den Kosten der Ausreise in Höhe von 6.000 € hätten auch die Verwandten etwas beigetragen.
Er habe Probleme aufgrund seiner Volksgruppe gehabt. Die Taliban hätten seine Familie bedroht, da er in einer staatlichen Firma gearbeitet habe. Als er von der Arbeit nachhause gegangen sei, sei er zusammengeschlagen worden. Die Firma sei eine Baufirma, bei welcher er drei bis vier Monate als Hilfsarbeiter gearbeitet habe. Daraufhin habe er die Firma verlassen. Auf die Frage nach "weiteren Aktionen" (der Taliban) gab der Beschwerdeführer an, er sei danach geflüchtet. Über Aufforderung, die Fluchtgründe zu erzählen, gab der Beschwerdeführer an, er habe die Gründe bereits genannt. Er sei immer wieder von den Taliban belästigt und geschlagen worden. Sie hätten ihn zweimal bedroht und danach sei er geflüchtet. Über Nachfrage bestätigte der Beschwerdeführer, dass dies sein einziger Fluchtgrund sei; weiters herrsche in Afghanistan Krieg und er könne keine Schule besuchen. Weitere Kontakte mit den Taliban habe es nicht gegeben. Nachdem er zweimal bedroht worden sei, sei er geflüchtet. Er habe nicht in eine andere Stadt in Afghanistan flüchten können, da er das Geld dafür nicht gehabt habe. Über mehrmaliges Nachfragen gab der Beschwerdeführer schließlich an, beim ersten Mal sei er auf den Feldern geschlagen worden. Beim zweiten Mal seien sie bei ihm zuhause gewesen, er sei aber nicht da gewesen. Beim dritten Mal habe ihn seine Mutter gewarnt. Er habe das Haus verlassen und sich auf den Feldern versteckt. Nach seiner Abreise habe seine Familie keinen Kontakt mehr zu Taliban gehabt.
Der Beschwerdeführer bestätigte, dass es in Afghanistan Orte gebe, in denen Hazara in Frieden leben könnten. Er habe so ein Gebiet nicht aufgesucht, da es dort keine Arbeit gebe. Über Vorhalt, dass in Kabul alle Volksgruppen vereint seien, gab der Beschwerdeführer auf die Frage, ob er glaube, dass dort alle Hazara, die 25 % der Bevölkerung ausmachen würden, verfolgt würden, an, er könne als Einzelperson überall leben. Er habe aber auch Geschwister. Er wolle nicht, dass seine Geschwister wie er selbst als Analphabeten durch Leben gingen. Wenn er sie nicht nachholen könne, wolle er sie unterstützen, damit sie in eine andere Stadt in Afghanistan gehen könnten, um eine Ausbildung zu erhalten. Er habe nicht versucht, sich mit Hilfe von NGOs in Kabul niederzulassen. Er wolle nicht nach Afghanistan zurückkehren. Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer aktuell bedroht werde, gab der Beschwerdeführer an, er sei aktuell nicht bedroht.
Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen der Einvernahme ein Empfehlungsschreiben der Leiterin seines Flüchtlingsheims zur Vorlage.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).
Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keinen Verfolgungshandlungen in asylrelevanter Intensität ausgesetzt gewesen sei und solche auch nicht zu erwarten habe. Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in der Lage sein werde, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, da er ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch sei, welcher Kenntnisse der landestypischen Verhältnisse habe. In Verbindung mit seinem verwandtschaftlichen Umfeld und den damit verbunden ökonomischen Verhältnissen sei sein Lebensunterhalt jedenfalls gewährleistet. Das Bundesamt gelangte damit zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz nicht vorliegen würden. In Spruchpunkt III. wurde dargelegt, dass aus dem Privatleben des Beschwerdeführers keine objektiven Gründe ersichtlich seien, die einer Ausweisung entgegenstehen würden. Es werde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt.
Mit Verfahrensanordnung vom 05.10.2016 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin zur Seite gestellt.
Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde in vollem Umfang Beschwerde erhoben und der Bescheid wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes bekämpft. Die belangte Behörde habe dem angefochtenen Bescheid mangelhafte Länderfeststellungen zugrunde gelegt. Es würden unter anderem Feststellungen zur Ausweitung der Präsenz der Terror-Organisation "Islamischer Staat" in Afghanistan, zur aktuellen Situation der Volksgruppe der Hazara sowie - im Rahmen der Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative - zur aktuellen Sicherheits- und Wirtschaftslagelage in Kabul fehlen.
Die belangte Behörde habe mangelhafte Feststellungen zur Person und zu den Gründen des Verlassens des Herkunftsstaates sowie zur Situation im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers getroffen. Es sei unrichtig, dass der Beschwerdeführer keine Fluchtgründe gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention vorgebracht habe. Er könne auch keine weitere Unterstützung durch seine Familie erwarten. Der Beschwerdeführer sei im Visier der Taliban und könne durch das bestehende Netzwerk der Taliban überall gefunden werden. Der Beschwerdeführer habe zwar angegeben, er könne als Einzelperson überall leben, habe damit aber gemeint, dass es ohne Familienangehörige, die auf seine Unterstützung hoffen, "egal" wäre, wenn er getötet würde.
Der Beschwerdeführer habe für eine private Baufirma gearbeitet, die im Auftrag der Regierung unter anderem Straßenbauarbeiten durchgeführt habe. Eines Tages sei der Beschwerdeführer auf dem Heimweg von Taliban angesprochen worden, warum er für die Regierung arbeite. Der Beschwerdeführer sei mit dem Tode bedroht worden, für den Fall, dass er noch einmal bei der Arbeit "erwischt" würde. Bei diesem Vorfall sei der Beschwerdeführer geschlagen und getreten worden und habe einige Tage lang Schmerzen gehabt. Der Beschwerdeführer habe dennoch für die Baufirma weitergearbeitet, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu finanzieren. Etwa zwei Wochen später seien die Taliban zu ihm nach Haus gekommen. Der Beschwerdeführer sei nicht anwesend gewesen und hätten die Taliban wieder gedroht, den Beschwerdeführer zu töten. Auch danach habe der Beschwerdeführer noch weitergearbeitet, aber als die Taliban neuerlich bei ihm zu Hause gewesen seien, habe er Angst um sein Leben gehabt. Als die Schwester die Türe geöffnet und der Beschwerdeführer gehört habe, dass die Taliban vor der Türe stehen würden, sei er "aus wohlbegründeter Furcht aus der Hintertür geflüchtet".
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei unschlüssig und habe der Beschwerdeführer entgegen der Ansicht der belangten Behörde "sein Vorbringen sehr detailliert und lebensnah gestaltet" und habe über die drohende Verfolgung und die Erlebnisse in Afghanistan frei gesprochen. Die vermeintlichen Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers, auf welche sich die belangte Behörde stütze, hätten sich bei näherer Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers leicht auflösen lassen. Mit der Angabe, es habe zwei Kontakte mit den Taliban gegeben, habe der Beschwerdeführer nur die in seiner Anwesenheit gemeint.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem Beschwerdeführer nicht offen, zumal er ohne familiäres Netzwerk als Hazara und Schiit in Afghanistan nicht überleben könne.
Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit wurde insbesondere ausgeführt, dass für Asylrelevanz die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ausreiche, es müsse noch keine tatsächliche Verfolgungshandlung stattgefunden haben. Dem Beschwerdeführer sei der Status des Asylberechtigten zu gewähren, da er als schiitischer Hazara in ganz Afghanistan verfolgt werde. In eventu sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der Beschwerdeführer würde in Afghanistan ohne familiäre Unterstützung als Hazara in eine aussichtlose existenzielle Notlage geraten.
Der Beschwerdeführer beantragte unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Mit der Beschwerde wurde eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses (Deutsch für Asylwerbende - A 1/1) der Volkshochschule vorgelegt.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 07.11.2016 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit 28.12.2016 wurden zwei Unterstützungsschreiben sowie ein Konvolut an Fotos vorgelegt.
Nach Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die Rechtssache am 17.01.2017 neu zugewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.04.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner Vertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 sowie zum Gutachten von Mag. Mahringer vom 05.03.2017 Stellung zu nehmen.
Mit 21.04.2017 wurde eine Stellungnahme zu den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten zur Lage in Afghanistan abgegeben. Der Beschwerdeführer zitierte aus dem Länderinformationsblatt bzw. Gutachten und erstattete unter Anführung zahlreicher weiterer Länderberichte (ua. Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern, Dezember 2016; Gutachten von Dr. Rasuly vom 29.04.2016, Amnesty International Report 2016/17 vom 22.02.2017; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 30.09.2016; USDOS, Country Reports on Human Rights Practices for 2016 - Afghanistan, 03.03.2017) ergänzendes Vorbringen zur Sicherheits- und Menschenrechtslage. Dabei wurde im Wesentlichen auf die instabile Sicherheitslage, zahlreiche Menschrechtsverstöße und aktuelle Anschläge hingewiesen. Hinsichtlich der Situation für Rückkehrer nach Afghanistan und der Wirtschafts- und Versorgungslage in Kabul wurde dem Gutachten von Mag. Mahringer vom 05.03.2017 insbesondere das Gutachten von Dr. Rasuly vom 23.10.2015 (W119 2006001-1), ein Aufsatz von Friederike Stahlmann im Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff, sowie ein Gutachten von Dr. Rasuly vom 03.01.2017 (W217 2122982-1) entgegengehalten. In diesem Zusammenhang wurde vor allem auf eine schwierige Wohnraumsituation, hohe Arbeitslosigkeit, schlechte Infrastruktur, hohe Lebenshaltungskosten und weitverbreitete Armut hingewiesen.
Mit 06.11.2017 wurden Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, volljährig, gesund und hat am 30.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Helmand, wo er bis zu seiner nunmehrigen Ausreise aus Afghanistan lebte. Er verfügt über Berufserfahrung als Tischler und Schneider. Der Beschwerdeführer hat weiterhin Verwandte in Afghanistan - insbesondere seine Mutter und seine Geschwister sowie einen Onkel und eine Tante.
Der Beschwerdeführer lebt in Österreich in der Grundversorgung und hat einen Deutschkurs (A1) besucht. Er ist nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich. Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes. Er ist in Österreich bisher keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Afghanistan aufgrund einer Tätigkeit für eine Baufirma bzw. einer ihm unterstellten Unterstützung der Regierung von Taliban bedroht oder misshandelt wurde. Auch eine solche Bedrohung oder Misshandlung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit kann nicht festgestellt werden.
Ferner kann auch eine im Fall der Rückkehr nach Afghanistan drohende Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit nicht festgestellt werden. Es haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.
Zur Situation in Afghanistan:
(Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017):
Friedens- und Versöhnungsprozess:
Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9.2016).
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).
In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).
Mit Stand September 2016 schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).
Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).
Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).
Zivile Opfer
Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).
UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).
Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).
Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).
Grundversorgung und Wirtschaft
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im "Human Development Index" (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11.2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).
Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11.2016).
Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11.2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1,5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).
Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11.2016).
Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11.2016).
Medizinische Versorgung
Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9.2016).
Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung
Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].
Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9.2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9.2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).
Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9.2016).
Rückkehr
Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).
IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).
Unterstützung durch verschiedene Organisationen vor Ort
Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:
Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).
Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9.2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).
Es gibt keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Arbeitsministerium und der NGO ACBAR (www.acbar.org) angeboten (IOM 2016).
Erhaltungskosten in Kabul
Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zu 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).
Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33,3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).
Hazara
Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).
Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016;
USDOS 13.4.2016; UNAMA 6.2.2017; Medienberichte z.B. NYT 21.11.2015;
World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016; HRW 12.1.2017).
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).
Sicherheitslage in der Provinz Helmand
Die Provinz Helmand hat eine Fläche von 36.402 km² und ist damit die größte Provinz Afghanistans (The Diplomat 31.5.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 940.237 geschätzt (CSO 2016).
Helmand ist eine der landwirtschaftlich fruchtbarsten Provinzen Afghanistans. Der Fluss Helmand fließt in einem relativ gut organisierten Kanalsystem durch die Provinz und bewässert somit Agrarflächen. Das Klima eignet sich zum Anbau eines großen Spektrums an Kulturen, so auch Opium, welches in hohem Maße die Finanzen der Taliban stützt (The Diplomat 31.5.2016).
Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Helmand 1.828 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Im Jahr 2016 versuchten die Taliban einige Provinzhauptstädte einzunehmen, unter anderem auch in Helmand (Hindustan Times 8.1.2017). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten herausforderten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch:
Stars and Stripes 14.1.2017). Helmand zählt zu den volatilen Provinzen in Südafghanistan, in welcher Talibanaufständische in verschieden Distrikten operieren und öfters Angriffe durchführen (Khaama Press 4.2.2017; Ariana News 16.2.2017; Pajhwok 14.1.2016; Pajhwok 14.12.2016). Um der jährlichen Frühlingsoffensive der Taliban standzuhalten (Al-Jazeera 7.1.2017), sollen im Frühjahr 300 US-amerikanische Soldaten nach Helmand entsendet werden (Stars and Stripes 14.1.2017).
Im Jänner 2017 wurden weiterhin militärische Aktivitäten gegen die Taliban durchgeführt mit einem speziellen Fokus auf die Provinz Helmand - dort bekamen die afghanischen Sicherheitskräfte Luftunterstützung von den US-Amerikanern (ICT 7.2.2017). In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Sputnik News 4.2.2017; Xinhua 21.11.2016; Khaama Press 10.1.2016; Xinhua 3.1.2016; Xinhua 21.12.2015; Xinhua 18.11.2015; Pajhwok 21.10.2016; Tolonews 19.5.2015, Tolonews 25.5.2015; Tolonews 31.7.2015; Pajhwok 19.6.2015; Afghanistan Times 25.8.2016); unter anderem in Form von Luftangriffen (Pajhwok 11.2.2017; Khaama Press 7.2.2017); Taliban wurden getötet (Sputnik News 4.2.2017; RFE/RL 24.12.2016; Xinhua 17.11.2017); unter anderem auch Taliban-Kommandanten (Khaama Press 7.2.2017; Khaama Press 15.1.2017). In der Provinz kommt es zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (Khaama Press 31.1.2017; Xinhua 20.5.2016).
Sicherheitslage in Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016).
Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).
In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).
Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft und Berufserfahrung sowie zur Einreise, dem Aufenthalt und den Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf dem Inhalt der vorliegenden Verfahrensakten, vorgelegten Unterlagen sowie den damit in Einklang stehenden, diesbezüglich im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellungen zu den Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Afghanistan beruhen auf dem insofern übereinstimmenden schriftlichen und mündlichen Vorbringen des Beschwerdeführers. Weitere Feststellungen zu den genauen Aufenthaltsorten seiner Familienangehörigen bzw. zu seinen übrigen Verwandten konnten aufgrund von Widersprüchen in seinen Angaben sowie zu einem vorgelegten Unterstützungsschreiben nicht getroffen werden. Die Feststellung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der Erlassung des bekämpften Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bzw. seit der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Afghanistan allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte. Die belangte Behörde hat die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen verfügbaren Länderinformationen in das Verfahren einfließen lassen. Die Lage in Afghanistan stellt sich seit Jahren diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in aktuelle Berichte bzw. Folgeberichte des deutschen Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und des U.S. Department of State) versichert hat. Auch wenn in den letzten Monaten etwa erneut Anschläge in Kabul stattgefunden haben, so weisen diese keine solche Intensität auf, dass eine Rückkehr nach Kabul generell eine Verletzung der EMRK darstellt (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, letzte Aktualisierung vom 25.09.2017).
Der Beschwerdeführer ist diesen Länderberichten nicht konkret entgegen getreten und hat auch im Rahmen seiner Stellungnahme vom 21.04.2017 lediglich ergänzend weitere Berichte und Gutachten ins Treffen geführt. Auch die in diesen Berichten enthaltenen Informationen sind allerdings nicht geeignet, die in den Feststellungen zur Situation in Afghanistan - insbesondere zur Sicherheitslage in Kabul bzw. zur dortigen Versorgungslage - enthaltenen Kernaussagen zu widerlegen, sondern sind im Wesentlichen mit diesen in Einklang zu bringen. Soweit insbesondere in dem Aufsatz von Friederike Stahlmann im Asylmagazin 3/2017 die wirtschaftliche Situation für Rückkehrer (beispielsweise nach Kabul) schwieriger dargestellt wird als in den o.a. Länderfeststellungen, ist festzuhalten, dass die Berichte in dem hier zugrunde gelegten Länderinformationsblatt auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen beruhen - die oft jüngeren Datums sind und deren Zugrundelegung von Entscheidungen vom Verwaltungsgerichtshof in Vergangenheit in zahlreichen Fällen bestätigt wurde - und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten. In dem ins Treffen geführten Gutachten von Dr. Rasuly vom 23.10.2015 wird ebenfalls betont, dass Rückkehrer ohne familiäre Bindungen und Geldmittel mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert seien, mit Schul- bzw. Berufsausbildung im Laufe der Zeit aber etwas verdienen bzw. eine Stelle bekommen oder ein Geschäft gründen können. Auch in dem - aktuellen - Gutachten von Dr. Rasuly vom 21.07.2017 (W261 2150003-1/10Z) führt der Sachverständige zur Versorgungslage in Kabul für einen alleinstehenden, jungen, gesunden und arbeitsfähigen, aus Europa zurückkehrenden Mann, der in Pakistan aufgewachsen ist und über kein familiäres (soziales) Netzwerk in Afghanistan verfügt, Folgendes aus:
"Die Arbeitslosigkeitsrate unter den Jugendlichen ist in ganz Afghanistan fast 60%. Aber die Rückkehrer, wenn ihnen Starthilfe gegeben wird, können sie mit Gründung von Geschäften und Werkstätte sich eine Lebensgrundlage schaffen.
Die Gebildeten, die auch mehrere Fremdsprachen können, können leichter eine Arbeit bei NGO und Privatfirmen, als Übersetzer und Firmenbegleiter finden. Die Rückkehrer die gebildet sind und Fremdsprachen, besonders Englisch können, können sich auch mit der Starthilfe selbständig machen und als Übersetzer arbeiten.
Kabul ist eine Millionen Stadt, deren Einwohner aus allen Teilen Afghanistans kommen. Dort gibt es paschtunische, tajikische, Hazara und usbekische Communities. D.h. der BF ist als Paschtune kein Fremder in Kabul.
Für die gebildeten und erwachsenen Rückkehrer nach Kabul ist ein Familienrückhalt nicht notwendig, wenn ihnen bei der Rückkehr Starthilfe zur Verfügung gestellt wird."
Im Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die inhaltliche Kritik am Gutachten von Mag. Mahringer berechtigt ist, da die o.a. Länderfeststellungen - auch unter Außerachtlassung des Gutachtens - ausreichende Informationen bieten, um in der gegenständlichen Beschwerdesache eine Entscheidung treffen zu können.
Bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wertete das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr als unglaubhaft. Dieser Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers verstärkte sich im Rechtsmittelverfahren noch, da sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Ungereimtheiten im Vorbringen ergaben, welche der Beschwerdeführer nicht schlüssig zu erklären vermochte.
Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hat auch zu berücksichtigen, ob dieser außerhalb des unmittelbaren Fluchtvorbringens die Wahrheit gesagt hat. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer insbesondere zum Aufenthaltsort seiner Familienangehörigen und deren Schicksal widersprüchliche Angaben gemacht.
Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.08.2016 gab der Beschwerdeführer an, seine Familie lebe im Heimatdorf (in der Provinz Helmand). Auch in dem zur Vorlage gebrachten Unterstützungsschreiben vom 30.11.2016 wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe angegeben, seine Mutter würde mit seinen drei jüngeren Geschwistern in der Heimatstadt in Afghanistan leben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.04.2017 brachte der Beschwerdeführer hingegen vor, seine Familie würde in Ghazni leben. Zunächst behauptete der Beschwerdeführer, er habe dies vor seiner letzten Einvernahme erfahren und auch in der letzten Einvernahme angegeben. Erst über Vorhalt seiner Angaben in dem vorgenannten Empfehlungsschreiben gab der der Beschwerdeführer an, er habe bei der letzten Einvernahme gesagt, dass sich die Familie im Heimatdorf aufhalte. Als er danach zur Diakonie gegangen sei, habe er angegeben, dass sie in Ghazni seien. Über weiteren Vorhalt seines zuvor erstatteten Vorbringens, er habe dies schon bei der letzten Einvernahme angegeben, erklärte der Beschwerdeführer wenig nachvollziehbar, er habe gemeint, dass er bei der ersten Einvernahme noch nicht gewusst habe, dass seine Familie übersiedelt sei.
Ebenfalls nicht mit den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht in Einklang zu bringen war eine in dem bereits erwähnten Unterstützungsschreiben vom 30.11.2016 wiedergegebene Erzählung des Beschwerdeführers, ein Onkel, ein Cousin, die kleine Schwester und der kleine Bruder des Beschwerdeführers seien vor Kurzem bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen. Über Vorhalt der damit in Widerspruch stehenden Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, seine Mutter lebe mit den zwei Schwestern und den zwei Brüdern des Beschwerdeführers in Ghazni, gab der Beschwerdeführer nunmehr an, es sei richtig, dass seine Schwester und sein Bruder bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen seien. Er habe das nicht gesagt, weil er befürchtet habe, dass ihm nicht geglaubt würde. Daher habe er versucht zu wiederholen, was er in der Einvernahme gesagt habe.
Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen hat sich aufgrund widersprüchlicher und gesteigerter Angaben als nicht glaubhaft erwiesen:
Nachdem es dem Beschwerdeführer bereits vor dem Bundesamt nicht gelungen ist, stringente Angaben zu den Bedrohungen durch die Taliban zu machen - erst gab der Beschwerdeführer an, er sei "immer wieder von den Taliban belästigt und geschlagen" worden, dann berichtete er von zwei Bedrohungen, um in der Folge von drei Kontakten mit den Taliban zu berichten, bei denen er allerdings zweimal nicht anwesend gewesen sei -, hat er sein Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung neuerlich gesteigert und nunmehr behauptet, er habe nach dem zweiten Vorfall einen Drohanruf der Taliban erhalten. Über Vorhalt gab der Beschwerdeführer - entgegen dem Inhalt des Protokolls der Einvernahme - lediglich an, er habe das gesagt.
Auch betreffend den Grund für die Bedrohung durch die Taliban bzw. insbesondere für den ersten Vorfall, bei dem er zusammengeschlagen worden sei, verwickelte sich der Beschwerdeführer in Widersprüche. Während er vor dem Bundesamt und zunächst auch vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, er sei aufgefordert worden, seine Arbeit für eine Baufirma zu beenden ("Die Taliban bedrohten meine Familie, weil ich in einer staatlichen Firma arbeitete. [...] Er bedrohte meine Familie, dass ich die Firma verlassen muss. [...] Es hat geheißen, ich soll aufhören, bei dieser Firma zu arbeiten"), verneinte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung die Frage, ob man von ihm gewollt habe, dass er aufhöre für die Firma zu arbeiten, und behauptete nunmehr, "sie" seien nur auf der Suche nach einem Vorwand gewesen, um jemanden zu schlagen oder mitzunehmen. Über Vorhalt der kurz zuvor gemachten Angaben ("Sie sagten, dass ich für den Staat arbeiten würde, ich solle meine Arbeit niederlegen.") änderte der Beschwerdeführer sein Vorbringen neuerlich und erklärte:
"Sie haben von mir verlangt, meine Arbeit zu verlassen, wenn ich die Arbeit verlassen hätte, was hätte ich mit meiner Familie gemacht."
Über Vorhalt, dass sich auch in der Verhandlung gezeigt habe, dass der Beschwerdeführer immer Antworten gebe, die mit dem zuvor Gesagten nicht zusammenpassen würden, gab er lediglich an: "Das ist mein Leben seit mein Vater gestorben ist, war alles durcheinander. Ich weiß bis heute nicht, was es bedeutet, zu leben."
Im Gesamtzusammenhang betrachtet weisen die Angaben des Beschwerdeführers sohin zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten in zentralen Teilen seines Vorbringens auf, welche der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar zu klären vermochte. Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht hat sich der Eindruck verstärkt, dass der Beschwerdeführer lediglich eine konstruierte Geschichte wiedergegeben hat, und war daher sein gesamtes fluchtbezogenes Vorbringen als unglaubhaft zu werten. Somit war nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer asylrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt war bzw. ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).
Zu A)
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt ni